TE OGH 1980/4/17 13Os43/80

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Veröffentlicht am 17.04.1980
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 17.April 1980 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Horak, Dr. Schneider und Dr. Hörburger als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Vichytil als Schriftführerin in der Strafsache gegen Peter A wegen des Vergehens des Ansammelns von Kampfmitteln nach § 280 Abs. 1 StGB. und einer weiteren strafbaren Handlung über die von der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Geschwornengerichts beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 15. November 1979, GZ. 20 e Vr 4863/78-31, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrags des Berichterstatters, Hofrats des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalts Dr. Tschulik, und der Ausführungen des Verteidigers Dr. Schriefl zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird Folge gegeben, der Ausspruch, daß gemäß § 26 StGB. auf die Einziehung der im Ersturteil unter den Punkten 10 bis 19 des Verfallserkenntnisses angeführten Gewehre und Karabiner erkannt wird, aufgehoben und der auf Einziehung dieser Waffen abzielende Antrag der Staatsanwaltschaft abgewiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Bautechniker Peter A von der Anklage, von 1974 bis 15.Juni 1978

I. in Wien einen Vorrat von Waffen, Schießbedarf und anderen Kampfmitteln angesammelt zu haben, der nach Art und Umfang geeignet gewesen sei, eine größere Zahl von Menschen zum Kampf auszurüsten, sowie II. in Wien, Senftenberg und anderen Orten, ohne die nach § 40 Abs. 3 lit. b WaffenG. erforderliche Erlaubnis militärische Waffen und militärische Munition - wenn auch nur fahrlässig - erworben und hiedurch (zu I) das Vergehen des Ansammelns von Kampfmitteln nach dem § 280 Abs. 1 StGB. und (zu II) das Vergehen nach dem § 40 Abs. 5 lit. a WaffenG. (in der vor der Waffengesetznovelle 1979, BGBl. 1980, 75, geltenden Fassung) begangen zu haben, freigesprochen, und zwar im Punkt I gemäß dem § 336 StPO. und im Punkt II teils gemäß dem § 337 StPO. und teils gemäß dem § 311 (§ 259 Z 2) StPO. Die Geschwornen hatten die wegen § 280 Abs. 1 StGB. gestellte I. Hauptfrage (mit 7 : 1 Stimmen) verneint, wodurch eine Beantwortung der hiezu gestellten Zusatzfrage nach einem Handeln in einem nicht vorwerfbaren Rechtsirrtum entfiel, und die (unter Bedachtnahme auf eine teilweise Anklagerückziehung formulierte) II. Hauptfrage in Richtung § 40 Abs. 5 lit. a WaffenG.

(stimmeneinhellig) mit der Einschränkung bejaht, daß die (in der Hauptfrage I. zu den Punkten 16, 25, 27 bis 38 bezeichneten Waffen und die dort genannte Munition ausgenommen wurden und der letzte Waffenkauf mit 1976 angenommen wurde. Auf Grund dieses letztgenannten Teils des Wahrspruchs wurde ein Freispruch wegen Verjährung gefällt, in dem nach § 446 StPO. objektivierten Verfahren jedoch gemäß § 26 StGB. im Umfang des im Wahrspruch bejahten (objektiven) Tatbestands nach dem § 40 Abs. 5 lit. a WaffenG. auf Einziehung der Waffen erkannt.

Rechtliche Beurteilung

Die Staatsanwaltschaft bekämpft die gemäß den §§ 336 und 337 StPO. gefällten Freisprüche mit Nichtigkeitsbeschwerde aus dem Grund der Z. 8 des § 345 Abs. 1 StPO.

Sie macht geltend, die Geschwornen hätten zufolge einer unvollständigen, unklaren und mißverständlichen Rechtsbelehrung über die innere Tatseite des Tatbestands nach dem § 280 Abs. 1 StGB. zwangsläufig einem Rechtsirrtum unterliegen müssen; auch hätte darauf hingewiesen werden müssen, daß die Verschiedenheit angesammelter Waffen und auf Lager gelegter Munition keinen Einfluß auf die Eignung solcher Kampfmittel habe, eine größere Zahl von Menschen zum Kampf auszurüsten. In Ansehung des Tatbestands des § 40 Abs. 5 lit. a WaffenG. fehle des weiteren in der Rechtsbelehrung der der Auffassung der Staatsanwaltschaft nach wesentliche Hinweis, daß die Art des Erwerbs und des Verwendungszwecks militärischer Waffen und Munition keinen Einfluß auf die Beurteilung ihrer Beschaffenheit nehmen könne.

Der den Geschwornen erteilten Rechtsbelehrung haften jedoch keine Urteilsnichtigkeit bewirkenden Mängel an.

Zur Hauptfrage I wurde darin (u.a.) zutreffend ausgeführt, daß der Tatbestand nach dem § 280 Abs. 1 StGB.

- objektiv - voraussetze, daß der Vorrat an Waffen, Schießbedarf und Munition nach Art und Umfang geeignet sein müsse, eine größere Zahl von Menschen zum Kampf auszurüsten, es sich also um eine erhebliche Menge von Kampfmitteln handeln müsse, denen nach heutigen Gegebenheiten die Eignung zukommt, in einem Kampf wirkungsvoll eingesetzt zu werden, ohne daß es aber darauf ankomme, ob ein Kampfmittel dem letzten Stand der Waffentechnik entspreche. Zur inneren Tatseite wurde dargelegt, daß der Tätervorsatz nur das Ansammeln von Kampfmitteln 'in der beschriebenen Eignung', d.h. ihre Eignung, eine größere Zahl von Menschen zum Kampf auszurüsten, umfassen muß, es aber des weiteren Vorsatzes, die Kampfmittel auch tatsächlich zum Einsatz zu bringen, nicht bedürfe (vgl. S. 2 und 3 der Rechtsbelehrung, Beilage zum Hauptverhandlungsprotokoll ON. 30). In der Rechtsbelehrung kommt damit, in ihrer Gesamtheit betrachtet, unmißverständlich zum Ausdruck, daß der Tatbestand des § 280 Abs. 1 StGB. nicht den Vorsatz des Täters erfordert, den Vorrat an Kampfmitteln wirklich zum Kampf zu verwenden und dadurch den öffentlichen Frieden zu stören (LSK. 1978/285). Die die Hauptfrage I betreffenden Teile der Rechtsbelehrung enthalten sohin eine ausreichende, widerspruchsfreie und auch für einen juristischen Laien verständliche Erläuterung der gesetzlichen Merkmale des in Rede stehenden Tatbestands, insbesondere auch zu dessen innerer Tatseite, und der darin vorkommenden Begriffe, die keinen Anlaß zu einer Mißdeutung gab. Soweit die Tatbestandsmerkmale im Gesetz nach allgemeinem Sprachgebrauch für jedermann verständlich umschrieben sind (deskriptive Merkmale), bedurfte es keiner näheren Ausführungen in der Rechtsbelehrung; für die Auslegung der Gesetzespassage 'nach Art und Umfang geeignet' war daher ein ausdrücklicher, auf den konkreten Einzelfall abgestellter Hinweis, daß die Verschiedenheit von Waffen und Munition keinen Einfluß auf die im § 280 Abs. 1 StGB. geforderte Eignung des angesammelten Vorrats habe, nicht erforderlich.

In der Rechtsbelehrung zur Hauptfrage II wurde der Begriff des Erwerbs militärischer Waffen und Munition durch (beispielsweise) Anführung einzelner Erwerbsarten, wie Kauf, Schenkung oder Tausch, hinreichend erläutert (S. 6 der Rechtsbelehrung). Aus diesen Darlegungen konnten die Geschwornen nicht die unrichtige Rechtsaufassung schöpfen, daß für den Tatbestand nach dem § 40 Abs. 5

lit. a WaffenG. die Art des Erwerbs oder der angestrebte Verwendungszweck von wesentlicher Bedeutung wäre; eines ausdrücklichen - negativen - Hinweises in der schriftlichen Rechtsbelehrung bedurfte es nach dieser Richtung hin gleichfalls nicht.

Soweit die Staatsanwaltschaft aber unter Bezugnahme auf die Niederschrift der Geschwornen aufzeigen will, daß diese bei ihrem Wahrspruch tatsächlich von einer unrichtigen Rechtsauffassung ausgegangen seien, übersieht sie, daß die Niederschrift gemäß dem § 331 Abs. 3 StPO. nicht zum Wahrspruch gehört, ihr nicht die Funktion einer (anfechtbaren) Begründung des Wahrspruchs im technischen Sinn zukommt und die Erwägungen, von denen sich die Geschwornen bei ihrem Wahrspruch leiten ließen, demnach weder zwecks Dartuung einer Nichtigkeit im Sinne der Z. 8 des § 345 Abs. 1 StPO. noch eines anderen Nichtigkeitsgrundes erörtert werden können. Der Zweck der Niederschrift erschöpft sich im wesentlichen darin, den Geschwornen ihre Bindung an das Gesetz während des Abstimmungsvorgangs nachhaltig zum Bewußtsein zu bringen und dem Schwurgerichtshof Anhaltspunke für eine allfällige Einleitung des Moniturverfahrens (§ 332 Abs. 4 StPO.) oder für eine Aussetzung der Entscheidung (§ 334 Abs. 1 StPO.) zu bieten, wozu sich der Schwurgerichtshof vorliegend - ein bei der Abstimmung unterlaufenes Mißverständnis hatten die Geschwornen gar nicht behauptet (§ 345 Abs. 1 Z. 10 StPO.) - nicht veranlaßt sah.

Bei der Frage, ob der Nichtigkeitsgrund des § 345 Abs. 1 Z. 8 StPO. vorliegt, kann daher der Inhalt der Niederschrift nicht herangezogen werden (SSt. 43/3, 43/42); dieser ist vielmehr dem Anfechtungsprozeß einer Nichtigkeitsbeschwerde entzogen. Die in jeder Hinsicht unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft war sohin zu verwerfen.

Hingegen erweist sich die Berufung des Peter A, die er als Einziehungsbetroffener erhebt (§§ 443 Abs. 2, 446 StPO.) und mit welcher er den Einziehungsausspruch insoweit bekämpft, als er die unter den Punkten 10 bis 19 genannten Gewehre und Karabiner erfaßt, als berechtigt.

Im Hinblick auf die im § 40 Abs. 3 lit. a WaffenG.

enthaltene ausdrückliche Verweisung auf den Annex I des Staatsvertrags (BGBl. 1955/152) sind - ungeachtet der zwischenzeitig ergangenen, eine etwas abweichende Definition und Aufzählung von Kriegsmaterial enthaltenden (jedoch nicht zum Waffengesetz, sondern zum Bundesgesetz vom 18.Oktober 1977, BGBl. Nr 540, über die Ein-, Aus- und Durchfuhr von Kriegsmaterial erlassenen) Verordnung der Bundesregierung vom 22.November 1977, BGBl. Nr. 624, betreffend Kriegsmaterial - als militärische Waffen und militärische Munition im Sinn des § 40 Abs. 5 WaffenG.

alle im Annex I des Staatsvertrags angeführten Waffen und Munitionsgegenstände (ausgenommen Pistolen und Revolver sowie Munition hiezu) anzusehen, weil das im § 40 Abs. 2 WaffenG. angekündigte Bundesgesetz über Erwerb und Besitz militärischer Waffen und Munition zwar bereits erlassen wurde (Waffengesetznovelle 1979, BGBl. 1980, 75), aber noch nicht in Kraft steht.

Unzutreffend ist die Rechtsansicht des Berufungswerbers, unter den im Annex I des Staatsvertrags unter Kategorie I Z. 1 angeführten Militärgewehren und Karabinern seien nur solche zu verstehen, die nicht ohne weiteres für den zivilen Gebrauch umgeändert werden können; diese Einschränkung bezieht sich nämlich nach dem klaren Wortlaut der angeführten Bestimmung nur auf 'Läufe für diese Waffen, und andere Ersatzteile', nicht aber auf die Waffen als solche. War es sohin grundsätzlich zulässig, die angeführten Karabiner und Gewehre zum Gegenstand eines auf § 26 StGB.

gestützten Einziehungserkenntnisses zu machen (EvBl. 1976/58), so kann dem Erstgericht insoweit, als es die Einziehung dieser Gegenstände nach ihrer besonderen Beschaffenheit für geboten erachtete, um der Begehung mit Strafe bedrohter Handlungen entgegenzuwirken (S. 271 a verso), nicht gefolgt werden, weil der bisher - anders als künftighin (siehe § 36 Abs. 1 lit. d WaffenG. 1967 in der Fassung der Waffengesetznovelle 1979, BGBl. 1980, 75) - straflose Besitz der Waffen durch den Angeklagten, der sie in Sammlerleidenschaft erworben hatte, nichts erkennen läßt, was nach Lage des konkreten Falls ihre Einziehung erheischen würde, um der Begehung mit Strafe bedrohter Handlungen entgegenzuwirken.

Anmerkung

E02570

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1980:0130OS00043.8.0417.000

Dokumentnummer

JJT_19800417_OGH0002_0130OS00043_8000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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