TE OGH 1980/5/13 9Os53/80

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Veröffentlicht am 13.05.1980
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Der Oberste Gerichtshof hat am 13. Mai 1980 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Obauer und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth, Dr. Steininger, Dr. Horak und Dr. Reisenleitner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Schubert als Schriftführerin in der Strafsache gegen Josef A wegen des Verbrechens der Körperverletzung mit tödlichem Ausgang nach §§ 83 Abs. 2, 86 StGB über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Kreisgerichtes Leoben als Schöffengericht vom 17. Dezember 1979, GZ 12 Vr 1183/79-23, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Reisenleitner, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Mayer und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Scheibenpflug, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 9. Mai 1936 geborene Rentner Josef A des Verbrechens der Körperverletzung mit tödlichem Ausgang nach § 86 StGB (richtig: nach §§ 83 Abs. 2, 86 StGB) schuldig erkannt, weil er am 27. August 1979 in Knittelfeld den Dieter B durch Versetzen eines Stiches mit einem Knicker in die Herzspitze vorsätzlich am Körper mißhandelte, was den Tod des Geschädigten zur Folge hatte.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit einer auf die Nichtigkeitsgründe der Z 5 und 10 des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Rechtliche Beurteilung

Soweit der Angeklagte in Ausführung seiner Mängelrüge dem Erstgericht Aktenwidrigkeit in Ansehung der im folgenden einzeln genannten Feststellungen vorwirft, verkennt er die Bedeutung dieses Rechtsbegriffes. Eine Aktenwidrigkeit liegt nämlich nur dann vor, wenn in den Entscheidungsgründen des Urteils der Inhalt einer Aussage oder eines anderen Beweismittels unrichtig wiedergegeben wird (vgl. Gebert-Pallin-Pfeiffer III/2, Nr. 82 zu § 281 Z 5 StPO). Nicht aktenwidrig ist demnach entgegen der Meinung des Beschwerdeführers die für die rechtliche Beurteilung der Tat bedeutsame Feststellung, daß eine vorangegangene tätliche Auseinandersetzung zwischen ihm und Dieter B bereits beendet war, als er den tödlichen Stich führte (S 230, 232, 236). Denn das Erstgericht stützte diese Konstatierung primär auf die in der Hauptverhandlung abgelegte Aussage des unmittelbaren Tatzeugen Arthur C, wonach vor der Tat ein 'Raufhandel' zwischen den beiden Männern stattfand, den der körperlich überlegene Dieter B - der dem Angeklagten dabei auch ein ungeladenes Luftdruckgewehr entwand - für sich entschied, der hinzukommende Zeuge C dem mit dem Gewehr neben dem auf dem Boden liegenden oder hockenden Angeklagten stehenden Dieter B, ohne auf Widerstand zu stoßen, die Waffe wegnahm und unmittelbar vor sowie nach dieser Phase des Geschehens keinerlei Angriffshandlungen BS gegen den Angeklagten - der unmittelbar darauf aufstand und den tödlichen Stich gegen seinen zu diesem Zeitpunkt schräg seitlich (nicht direkt) hinter ihm stehenden Widersacher führte - mehr stattfanden (S 208, 209, 229, 230, 234 bis 237). Das Erstgericht folgte den präzisen Angaben dieses Zeugen in freier Beweiswürdigung, wobei es entgegen dem Beschwerdevorbringen auch darauf einging, daß der 90-jährige Zeuge C schwerhörig und sehbehindert ist (S 235, 236). Es verstieß mit der Annahme, der Zeuge C sei ungeachtet dieser Behinderungen in der Lage gewesen, die entscheidungswesentlichen Punkte des Tatablaufes richtig zu beobachten, weder gegen Denkgesetze noch gegen allgemeine Erfahrungsgrundsätze. Denn der offensichtlich geistig noch sehr rege Zeuge C stand in den entscheidenden Augenblicken vor der Führung des Stiches unmittelbar beim Angeklagten und seinem Widersacher und nahm B, der sich dies widerstandslos gefallen ließ, das Gewehr weg (wobei es letztlich gleichgültig ist, ob C dabei ein Überraschungsmoment ausnützte oder nicht; außerdem kann die Vornahme einer solchen Handlung durch einen 90-jährigen gegenüber dem zur Tatzeit 26- jährigen /-S 106 /-, kräftig gebauten /-S 30, 31 /- B während eines Handgemenges zwischen dem Letzteren und einer anderen Person nach den Lebenserfahrungen nicht angenommen werden).

Ihm war daher auch unter Berücksichtigung seiner Sehbehinderung sehr wohl möglich zu erkennen, ob unmittelbar vor und nach seinem Einschreiten Tätlichkeiten zwischen dem Angeklagten und Dieter B stattfanden. Zusammenfassend ergibt sich daher, daß der Beschwerdeführer mit dem Vorwurf der Aktenwidrigkeit in bezug auf die erwähnte Feststellung bloß in unzulässiger Weise die Beweiswürdigung des Schöffensenates zu bekämpfen versucht. Zu Unrecht rügt der Beschwerdeführer aber auch die Tatsachenannahme des Erstgerichtes als aktenwidrig, der Messerstich sei vom Angeklagten als Rache für das Niedergeschlagenwerden und die dabei erlittenen Verletzungen während des Aufstehens und Weglaufens in einer geradezu heimtückischen Art so völlig überraschend geführt worden, daß der hiedurch Getötete keinerlei Abwehrhandlungen dagegen unternehmen konnte (S 237, 238). Denn dieser Tathergang ergibt sich nicht nur aus der Aussage des Zeugen Arthur C, der ausdrücklich erklärte, es sei 'dann alles sehr schnell gegangen' (S 208), sondern entspricht auch der eigenen Darstellung des Angeklagten in der Hauptverhandlung (S 202). Die Annahme des Tatmotives stellt eine der allgemeinen Lebenserfahrung entsprechende und als Ausfluß der freien Würdigung der gesamten Beweisergebnisse zulässige, im Nichtigkeitsverfahren nicht bekämpfbare Schlußfolgerung des Erstgerichtes dar, der auch der Umstand nicht entgegensteht, daß der Stich nach dem vom Erstgericht übernommenen gerichtsärztlichen Sachverständigengutachten nicht mit besonderem Nachdruck geführt wurde (S 43, 218, 239).

Die vom Erstgericht festgestellte (S 240) Neigung des Beschwerdeführers zu Gewalttätigkeiten ergibt sich aus der Strafregisterauskunft und den Vorstrafakten (Verlesung S 220), nach deren Inhalt er bereits fünf Vorstrafen wegen Gewalttätigkeitsdelikten aufweist; auch insoweit unterlief dem Erstgericht daher entgegen der Meinung des Beschwerdeführers keine Aktenwidrigkeit.

Soweit sich der Beschwerdeführer mit dem Vorwurf unvollständiger Begründung gegen die Feststellung des Erstgerichtes wendet, vor der Tat habe eine 'Rauferei' zwischen ihm und Dieter B (und nicht bloß ein einseitiger Angriff des Letzteren gegen ihn) stattgefunden, ist ihm zu erwidern, daß diesem Umstand im Hinblick darauf, daß nach der Feststellung des Schöffengerichtes die tätliche Auseinandersetzung zum Zeitpunkt der Führung des tödlichen Stiches durch den Angeklagten jedenfalls bereits a b g e s c h l o s - s e n war, keine entscheidungswesentliche Bedeutung zukommt. Gleiches gilt für die Frage, ob der Angeklagte während d i e s e r Auseinandersetzung von Dieter B bedroht wurde und um Hilfe rief. Die Feststellung des Erstgerichtes über eine derartige Rauferei vor der gegenständlichen Tat findet im übrigen ebenfalls in der Aussage des Zeugen Arthur C volle Deckung, weshalb sich die Beschwerdeausführungen auch insoweit im unzulässigen Versuch einer Bekämpfung der erstgerichtlichen Beweiswürdigung erschöpfen. Die Mängelrüge des Angeklagten vermag daher nicht durchzuschlagen. Im Rahmen seiner den Nichtigkeitsgrund der Z 10 des § 281 Abs. 1 StPO anrufenden Rechtsrüge macht der Angeklagte damit, daß er die vom Schöffensenat angenommene Vorhersehbarkeit des Todes des Dieter B (§ 7 Abs. 2 StGB) bestreitet, einen Subsumtionsirrtum des Erstgerichtes geltend.

Dem ist entgegenzuhalten, daß nicht nur für jedermann, der einer anderen Person mit Verletzungs- oder Mißhandlungsvorsatz (§ 83 StGB) einen Messerstich in die Herzgegend auf solche Art zufügt, daß die gesamte Klingenlänge von 65 mm in den Leib eindringt, bei Anwendung des in § 6 Abs. 1 StGB umschriebenen Maßes zumutbarer Sorgfalt e r k e n n b a r ist, daß hieraus leicht der Tod des Angegriffenen erfolgen kann und ihn die Außerachtlassung dieser Sorgfalt folglich als fahrlässiges Verhalten (§ 7 Abs. 2 StGB) für den Eintritt des Todes des Angegriffenen im Sinne des § 86 StGB verantwortlich macht. Der Beschwerdeführer bekannte selbst in der Hauptverhandlung ein, daß ihm die Möglichkeit des Eintrittes einer tödlichen Verletzung im Falle des Gebrauches eines Messers gegen einen menschlichen Körper auch tatsächlich klar ist. Er führte daher sogar mit bewußter Fahrlässigkeit (§ 6 Abs. 2 StGB) die Todesfolge herbei. Beides - sowohl die Vorhersehbarkeit des tödlichen Erfolges einer Handlung der hier inkriminierten Art, als auch das tatsächliche Vorhersehen dieser Möglichkeit durch den (einen solchen Erfolg gleichwohl nicht wünschenden) Angeklagten stellte das Erstgericht entgegen dem Beschwerdevorbringen ausdrücklich fest (S 241). Der von der Beschwerde aufgezeigte Umstand, daß nach dem Gutachten des beigezogenen gerichtsärztlichen Sachverständigen Dozent Dr. Heinz D (S 42 unten, mit Bezugnahme auf S 216) 'der Stichkanal zufällig genau in der Lichtung der rechten Herzkammer endete' und der Stich daher das Herz eben auch nicht hätte treffen k ö n n e n , vermag daran nichts zu ändern, daß eine tödliche Herzverletzung bei Führung eines Messerstiches in der hier vorliegenden Art gegen die Herzgegend eines Menschen keineswegs etwa atypisch und sohin nicht vorhersehbar, sondern ganz im Gegenteil geradezu t y p i s c h ist und daher bei Anwendung angemessener und zumutbarer Sorgfalt beim Bedenken der möglichen Tatfolgen für den Handelnden durchaus vorhersehbar ist (Leukauf-Steininger2, RN 33 zu § 7 StGB). Da das Erstgericht überdies auf Grund seiner Feststellung, wonach die vorangegangene Rauferei zwischen dem Angeklagten und Dieter B bereits zur Gänze abgeschlossen war und keinerlei Anlaß für eine Abwehrhandlung des Angeklagten mehr bestand, das Vorliegen einer Notwehrsituation im Sinne des § 3 StGB zu Recht verneinte, sprach es den Beschwerdeführer ohne Rechtsirrtum des Verbrechens der Körperverletzung mit tödlichem Ausgang nach § 86 StGB (richtig §§ 83 Abs. 2, 86 StGB) schuldig.

Auch die Rechtsrüge versagt daher.

Die unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war demnach

zu verwerfen.

Das Erstgericht verurteilte den Angeklagten nach § 86 StGB zu drei Jahren Freiheitsstrafe. Es wertete bei der Strafbemessung als erschwerend die zahlreichen einschlägigen Vorstrafen, als mildernd ein Teilgeständnis des Angeklagten, ein Mitverschulden des Getöteten, weil dieser den Angeklagten vor der Tat mißhandelt hatte, und die Verletzungen, die der Angeklagte dabei erlitten hatte. Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte eine Herabsetzung des Strafausmaßes an.

Der Berufung kommt keine Berechtigung zu.

Die Berufung vermag nicht aufzuzeigen, welche zusätzlichen mildernden Umstände dem Angeklagten noch zugute gehalten werden könnten. Der vom Erstgericht angenommene Milderungsgrund eines Teilgeständnisses ist außerdem - jedenfalls dem Gewicht nach - sehr gering zu veranschlagen, weil das Geständnis weder reumütig war noch zur Tataufklärung einen maßgeblichen Beitrag leistete. Vor allem kann aber nicht daran vorbeigegangen werden, daß das Vorleben des Angeklagten gravierend belastet ist: aus den Vorstrafakten ergibt sich, daß er bereits wiederholt unter Zuhilfenahme von Waffen delinquierte, so etwa andere Personen mit einem Gewehr oder einem Messer bedrohte (AZ 12 E Vr 1397/71 und AZ 12 E Vr 1701/75 des Kreisgerichtes Leoben) oder andere Personen mit Messern attackierte (AZ 12 E Vr 874/74 und AZ 12 E Vr 779/76 des Kreisgerichtes Leoben). Wenn bei diesem solcherart belasteten Vorleben die Freiheitsstrafe noch in der unteren Hälfte des von einem bis zu zehn Jahren reichenden Strafrahmens des § 86 StGB festgesetzt wurde, ist dem Gewicht der Milderungsgründe voll Rechnung getragen. Eine Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Jahren entspricht demnach dem Unrechtsgehalt der Tat und dem Verschulden und der Täterpersönlichkeit des Angeklagten.

Der Berufung war somit ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf der im Spruch genannten Gesetzesstelle.

Anmerkung

E02620

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1980:0090OS00053.8.0513.000

Dokumentnummer

JJT_19800513_OGH0002_0090OS00053_8000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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