TE OGH 1980/6/26 13Os70/80

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Veröffentlicht am 26.06.1980
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 26.Juni 1980 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Horak, Dr. Schneider und Dr. Hörburger als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Baumgartner als Schriftführers in der Strafsache gegen Johann A wegen des Vergehens des versuchten Diebstahls nach den §§ 15, 127 f. StGB. über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengerichts vom 20.März 1980, GZ. 4 d Vr 9196/79-13a, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrags des Berichterstatters, Hofrats des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Neundlinger und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalts Dr. Nurscher, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird Folge gegeben und die Strafe auf 6 (sechs) Monate herabgesetzt.

Gemäß dem § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der beschäftigungslose Johann A des Vergehens des versuchten schweren Diebstahls nach den §§ 15, 127 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1, 128

Abs. 1 Z. 1 StGB. schuldig erkannt, weil er am 28.August 1979 in Wien in Gesellschaft eines unbekannt gebliebenen Mittäters versuchte, der schwer alkoholisierten und schlafenden Hildegard B unter Ausnützung dieses Zustands, der sie hilflos machte, aus ihrer Kleidung eine Geldbörse mit 780,20 S mit dem Vorsatz wegzunehmen, sich durch die Sachzueignung unrechtmäßig zu bereichern. Diesen Schuldspruch bekämpft Johann A bloß in der Qualifikation nach dem § 128 Abs. 1 Z. 1 StGB. mit einer auf die Gründe nach dem § 281 Abs. 1 Z. 5 und 10 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Rechtliche Beurteilung

Zur Mängelrüge wird vorgebracht, die den Zustand der Hilflosigkeit der Bestohlenen bejahenden Urteilsannahmen seien unzureichend begründet und stünden mit sich selbst im Widerspruch, weil danach dem Angeklagten klar gewesen sei, daß Hildegard B wegen ihrer Volltrunkenheit auf einer Bank eingeschlafen sei, obwohl sie das Lokal, in dem sie dem Angeklagten erstmalig aufgefallen sei, selbständig verlassen und sich zu einer Bank vor dem Bahnhof begeben hatte, wozu aber ein Volltrunkener nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht mehr imstande sei.

Dieses Vorbringen erweist sich dem Wesen nach als unzulässige Bekämpfung der Beweiswürdigung des Schöffengerichts. Dieses hat die Feststellung, daß der Angeklagte die schwere Alkoholisierung der Hildegard B bemerkt und auch erkannt hat, daß sie infolge derselben sodann auf einer Bank vor dem Bahnhof eingeschlafen war, auf sein durch den Akteninhalt gedecktes (S. 12, 17) Geständnis gegründet (S. 47 c und verso). Das Kennzeichen einer Volltrunkenheit ist zwar eine tiefgreifende Störung des Bewußtseins, die aber nicht bis zur Besinnungslosigkeit reichen muß, unter Umständen gar nicht reichen kann (zuletzt 13 Os 18/80, 13 Os 37/80 u.v.a.). Die Tatsache, daß Hildegard B die Gaststätte selbständig verlassen konnte, steht sonach der Annahme ihres Vollrauschs nicht entgegen und war auch nicht geeignet, den Angeklagten über die schwere Trunkenheit der eben darum hilflosen Frau zu täuschen. Dem verschlägt auch der vom Beschwerdeführer hervorgekehrte Umstand nichts, daß B, die zunächst infolge ihrer Trunkenheit unfähig war, den Vorfall zu erfassen (S. 12), nach einiger Zeit die ihr über das Geschehene erteilte Aufklärung doch noch begriffen hat;

daß es zum Verständnis des einfachen Sachverhalts erst einer längeren Information der Bestohlenen bedurfte, ist vielmehr im Gegenteil ein für deren zumindest schwere Alkoholisierung, wenn nicht schon Volltrunkenheit und ihre dadurch verursachte Hilfslosigkeit sprechendes Indiz.

Von einem Begründungsmangel im Sinne des § 281 Abs. 1 Z. 5 StPO. kann demnach keine Rede sein.

In der Rechtsrüge wird ausgeführt, zur Annahme eines Zustands der Hilflosigkeit reiche nicht aus, daß Hildegard B infolge ihrer Alkoholisierung eingeschlafen sei. Der Begriff der Hilflosigkeit sei nach der Sozialgesetzgebung zu beurteilen und liege danach erst dann vor, wenn der Betroffene dauernder Pflege und Betreuung bedürfe. Dies aber treffe auf einen Schlafenden nicht zu, und zwar auch dann nicht, wenn dessen Schlafbedürfnis auf eine Alkoholisierung zurückgehe, weil der Alkoholisierte sich nach dem Abklingen des Rauschzustands wieder im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte befinde, wozu noch komme, daß sich das Diebstahlsopfer vorliegend selbst in diesen Zustand versetzt habe.

Damit ist der Beschwerdeführer ebensowenig im Recht. Es war die Absicht des Gesetzgebers, die Qualifikation des Bedrängnisdiebstahls über den Umfang des alten Rechts u.a. auf den Diebstahl an Betrunkenen auszudehen (so ausdrücklich EBRV. 30 Beil. sten. Prot. NR. XIII. GP. S. 274, rechte Spalte). Daß die Hilflosigkeit ein Dauerzustand oder verschuldet sein müsse, wird folgerichtig vom Gesetz nicht gefordert.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten nach dem § 128 Abs. 1 StGB. eine Freiheitsstrafe von zehn Monaten, in deren Bemessung es als erschwerend die zahlreichen über die Qualifikation des § 39 StGB. hinausgehenden einschlägigen Vorstrafen, das Vorliegen der Rückfallsqualifikation nach dem § 39 StGB. und die mehrfache Qualifikation, als mildernd hingegen bloß das Geständnis des Angeklagten erachtete.

Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte eine Herabsetzung des Strafmaßes an.

Der Berufung kommt Berechtigung zu.

Das Erstgericht hat ersichtlich unberücksichtigt gelassen, daß die Tat beim Versuch geblieben ist (§ 34 Z. 13 StGB.). Dazu kommt, daß das Erstgericht die Bestimmung des § 39 StGB. nicht angewendet hat, sonach ein Hinweis auf das Vorliegen der Voraussetzungen für die Anwendung dieser Gesetzesstelle und deren Wertung als erschwerender Umstand verfehlt war. Richtig ist, daß diesfalls freilich alle, nicht nur 'die über die Qualifikation des § 39 StGB. hinausgehenden einschlägigen Vorstrafen', als erschwerend ins Gewicht fallen.

Angesichts des verhältnismäßig geringen Werts der Diebsbeute kann mit einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten noch das Auslangen gefunden werden. Ihrer Umwandlung in eine Geldstrafe steht das belastete Vorleben des Angeklagten entgegen, dessen Resozialisierung, wenn überhaupt, so nur von einer intensiven Beeinflussung im Rahmen des Vollzugs einer Freiheitsstrafe erwartet werden kann.

Die Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.

Anmerkung

E02709

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1980:0130OS00070.8.0626.000

Dokumentnummer

JJT_19800626_OGH0002_0130OS00070_8000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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