TE OGH 1980/9/2 10Os156/79

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Veröffentlicht am 02.09.1980
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 2.September 1980 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Racek in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini, Dr. Friedrich, Dr. Hörburger und Dr. Lachner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Mag. Winter als Schriftführerin in der Strafsache gegen Friedrich Michael A und andere wegen § 6 Abs 1 SuchtgiftG. und anderen strafbaren Handlungen über die vom Angeklagten Karl Heinz B erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung sowie die von der Staatsanwaltschaft in Ansehung des Angeklagten Friedrich Michael A erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und ihre Berufung hinsichtlich des Angeklagten Karl Heinz B gegen das Urteil des Kreisgerichtes Wels als Schöffengericht vom 3.Juli 1980, GZ. 15 Vr 815/76-213, nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Lachner, der Ausführungen der Verteidiger Dr. Friedrich Reither und Dr. Berta Mühl sowie der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Nurscher, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden verworfen.

Gemäß § 290 Abs 1 StPO. wird jedoch das angefochtene Urteil - welches im übrigen unberührt bleibt - im Ausspruch 1. über den Verfall, allerdings nur hinsichtlich der bei Friedrich Michael A sichergestellten Plastikspritze mit Injektionsnadel und eines Löffels, der bei Alfons Robert C sichergestellten acht Plastikspritzen, eines Löffels und zweier Rauchgeräte sowie der bei Karl Heinz B sichergestellten zwei Injektionsspritzen und zwei Teelöffel, aufgehoben, und 2. nach § 38 StGB. dahin ergänzt, daß die hinsichtlich der Angeklagten Friedrich Michael A, Adolf Robert C, Ursula D und Karl Heinz B angeführte Vorhaft gemäß dieser Gesetzesstelle und nach § 23 Abs 4 und Abs 5 FinStrG. auch auf die über die Genannten gemäß § 6 Abs 4 SuchtgiftG. sowie § 19 Abs 1 FinStrG. verhängten Geldstrafen (Verfalls- bzw. Wertersatzstrafen) angerechnet wird.

Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten Karl Heinz B die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden unter anderen schuldig erkannt:

I. der am 28.April 1958 geborene, zuletzt beschäftigungslose Büromaschinenmechaniker Friedrich Michael A (außer anderen strafbaren Handlungen) des (teils vollendeten, teils versuchten) Verbrechens (richtig: Vergehens) nach § 9 Abs 1 Z. 1 und 2 SuchtgiftG., § 15 StGB., teils als Beteiligter nach § 12 StGB.;

II. der am 17.Mai 1955 geborene Schweißer Karl Heinz B (außer anderen Delikten) des Verbrechens wider die Volksgesundheit nach § 6 Abs 1 SuchtgiftG., weil er vorsätzlich den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgifte in solchen Mengen eingeführt und in Verkehr gesetzt hat, daß daraus in größerer Ausdehnung eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen entstehen konnte, und zwar 1. kurz vor Weihnachten 1977 in Linz, indem er zwei Schuß Heroin an Friedrich Michael A und zwei Schuß Heroin an Ursula D verkaufte (Punkt AA/I/A/1) des Urteilssatzes), 2. Ende 1977 oder Anfang 1978 in Linz, indem er etwa fünf bis sechsmal 500- oder 1.000-Päckchen Heroin an Martha E verkaufte (Punkt AA/I/A/2), 3. im Jänner und Februar 1978 in Linz, indem er drei Stück 1.000-Päckchen Heroin (ca. 0,6 g) um 3.000 S sowie ein 500-Päckchen Heroin (ca. 0,1 g) an Friedrich Michael A verkaufte (Punkt AA/I/A/3), 4. Anfang Februar 1978, indem er in München von Thomas F 4 g Heroin kaufte, per Bahn in Salzburg einführte und in Linz an verschiedene Abnehmer verkaufte (Punkt AA/I/ A/4), 5. im bewußten und gewollten Zusammenwirken mit Friedrich Michael A und Ursula D am 24.Dezember 1977, indem A und D in München von Thomas F mit dem von Karl Heinz B zur Verfügung gestellten Geld 2,6 g Heroin kauften, per Bahn in Salzburg nach Österreich einführten, in Vöcklabruck dem Karl Heinz B übergaben und dieser das Heroin in Linz an verschiedene Personen verkaufte (Punkt AA/I/B), 6. Ende Dezember 1977 im bewußten und gewollten Zusammenwirken mit Friedrich Michael A und dem abgesondert verfolgten Erhard G, indem sie in München von Thomas F gekaufte 4,5 g Heroin mit einem PKW. beim Autobahngrenzübergang Walserberg nach Österreich einführten und Karl Heinz B dieses Suchtgift in Linz an 'Dealer' und andere Abnehmer veräußerte (Punkt AA/I/C), 7. in der zweiten Jännerwoche 1978, indem er in München von Thomas F 7 g Heroin käuflich erwarb, dieses mit der Bahn in Salzburg nach Österreich einführte und es sodann in Linz an Endverbraucher und Dealer verkaufte (Punkt AA/I/D), 8. Ende Jänner 1978 im bewußten und gewollten Zusammenwirken mit Ursula D und einem unbekannten 'Welser', indem sie l g Heroin (auf etwa 8 g gestreckt), das in Rosenheim von Thomas

F angekauft worden war, mit dem PKW. beim Autogrenzübergang Walserberg nach Österreich einführten und Karl Heinz B dieses Heroin in Linz an verschiedene Abnehmer weiterveräußerte (Punkt AA/ I/E).

Auf die vom Schöffengericht über den Angeklagten Friedrich Michael A (einerseits nach dem Suchtgiftgesetz und andererseits nach dem Finanzstrafgesetz) verhängten Freiheitsstrafen (im Ausmaß von - zusammen - zwei Jahren und zehn Tagen) - sowie auf die nach dem Finanzstrafgesetz ausgesprochene Geldstrafe (von 20.000 S - für den Uneinbringlichkeitsfall zwanzig Tage Ersatzfreiheitsstrafe) wurden (u.a.) folgende Haftzeiten angerechnet:

Rechtliche Beurteilung

'Gemäß § 66 StGB die vom Genannten im Verfahren AZ. 14 Js 5298/77 abc des Amtsgerichtes Laufen (BRD.) in Untersuchungshaft zugebrachte Zeit vom 16.April 1977, 16,30 Uhr, bis 16.Juni 1977 ('Zeitpunkt der Entlassung aus der Untersuchungshaft') - richtigerweise wäre auch insoweit nach § 38 StGB. anzurechnen gewesen, weil die vom Amtsgericht Laufen verhängte Strafe zur Gänze (und nicht etwa bloß in bezug auf den Strafrest) zur Bewährung ausgesetzt wurde, sodaß mangels einer dort erfolgten Anrechnung der (in der BRD. erlittenen) Untersuchungshaft (die nach der DStPO. nicht im Urteil, sondern erst beim Vollzug anzurechnen ist), eine Strafverbüßung im Ausland i.S. des § 66 StGB. nicht vorliegt - sowie (tatsächlich) gemäß § 38 StGB. die 'nach der Verurteilung durch das Amtsgericht Laufen' ab dem zuletzt genannten Zeitpunkt bis 21.Juni 1977, 15,15 Uhr, erlittene 'Schubhaft'.

Lediglich gegen die dem Angeklagten A wie vorerwähnt angerechnete 'Schubhaft' richtet sich die auf die Z. 11 des § 281 Abs 1 StPO. gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft, während der Angeklagte Karl Heinz B mit seiner Nichtigkeitsbeschwerde - unter Anrufung des § 281 Abs 1 Z. 10 StPO. - (ersichtlich nur) den Schuldspruch wegen des Verbrechens wider die Volksgesundheit nach § 6 Abs 1 SuchtgiftG.

(Fakten AA/I/A) bis E) des Urteilssatzes) bekämpft.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft:

Die Rechtsrüge nach § 281 Abs 1 Z. 11 StPO. führt gegen die Anrechnung der Haft vom 16. bis 21.Juni 1977

ins Treffen, daß A am 16.Juni 1977 vom Amtsgericht Laufen (BRD.) wegen des Vergehens des unerlaubten Erwerbes und Besitzes von Betäubungsmitteln sowie des Vergehens des Ausweismißbrauches zu einer - zur Bewährung ausgesetzten - Jugendstrafe von neun Monaten verurteilt worden sei, sich bis zu diesem Tag in Untersuchungshaft und anschließend bis zum Vollzug seiner am 19.April 1977 vom Landratsamt Traunstein angeordneten unbefristeten Ausweisung aus der BRD. durch seine übergabe an die österreichischen Behörden am 21. Juni 1977, 15,15 Uhr, in 'Schubhaft' befunden habe, die ausschließlich der Sicherung dieses Vollzuges gedient habe. Diese Rüge geht fehl.

Das Erstgericht ging zwar vorerst tatsächlich davon aus, daß A am 16. Juni 1977, also am Tag der Urteilsfällung durch das Amtsgericht Laufen (zu Ls 14 Js 5298/77 abc), aus der in diesem Verfahren mit einem Haftbefehl desselben Gerichts über ihn verhängten Untersuchungshaft 'entlassen' ('enthaftet') und auf Grund der Ausweisungsanordnung des Landratsamtes Traunstein 'in Haft genommen' worden sei (S. 171, 181, 233 f./V) - sodaß er sich bis zu seiner übergabe an die österreichischen Behörden am 21.Juni 1977 in 'Schubhaft' befunden habe (S. 170, 233 f./V) -, nahm aber dann doch darauf Bedacht, daß der vorerwähnte Haftbefehl zufolge des überstellungsberichtes der bayerischen Grenzpolizei Freilassing (S. 359/I) erst mit der Abschiebung des Angeklagten nach Österreich 'geendet' habe, 'sodaß es sich hier also offenbar konkret sogar um eine gerichtliche Haft' handle (S. 234/V); letztlich ließ es die Frage, in welchem Verfahren der Angklagte in dem in Rede stehenden Zeitraum wirklich in Haft gehalten wurde, aus der Rechtsansicht offen, auch eine 'Schubhaft' sei gemäß § 38 StGB. anzurechnen, wenn der Angehaltene sie (wie im gegebenen Fall) wegen jener Straftaten erlitten habe, die Gegenstand des gerichtlichen Strafverfahrens seien, oder wenn sie damit zumindest im unmittelbaren Zusammenhang stehe.

Diese Rechtsansicht ist allerdings verfehlt. Denn wenn die weitere Anhaltung des Angeklagten nur (mehr) den spezifischen Zwecken des ausschließlich auf seine Ausweisung aus der BRD. gerichteten Verwaltungsverfahrens diente, dann wurde sie, mag auch der Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz in der BRD. (siehe Punkt AA/II/A/22. des Urteilssatzes) mit ein Anlaß für die Abschiebungsanordnung und für die damit verbundene Schubhaft gewesen sein, jedenfalls nicht wegen der betreffenden Straftat selbst vollzogen. Voraussetzung für die Anrechenbarkeit einer Vorhaft (nach § 38 StGB.) ist es aber, daß diese wegen einer mit gerichtlicher Strafe bedrohten Handlung verhängt wurde;

einer Haft, die aus einem anderen Anlaß angeordnet worden ist, etwa wegen des Verdachtes von verwaltungsbehördlich zu ahndenden Delikten, oder gar nur zur Sicherung der Vollstreckung eines Bescheides der Verwaltungsbehörde, wie etwa der Abschiebung aus dem Staatsgebiet, mangelt es demnach an dieser für die Anrechnung (gemäß § 38 StGB.) essentiellen Voraussetzung. Damit ist aber für die Anklagebehörde nichts gewonnen.

Maßgebend für die entscheidende Frage, ob sich A in der Zeit vom 16. bis zum 21.Juni 1977 (schon) in (verwaltungsbehördlcher) Abschiebeoder (noch) in (gerichtlicher) Untersuchungshaft befand, ist nämlich, ob aus Anlaß seiner (allerdings erst am 24.Juni 1977 in Rechtskraft erwachsenen - S. 383/I) Verurteilung zu einer zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe der Haftbefehl des Amtsgerichtes Laufen bereits am erstbezeichneten Tag (oder doch immerhin noch vor seiner übergabe an die österreichischen Behörden) aufgehoben (und damit die Untersuchungshaft beendet - vgl. Löwe-Rosenberg, RN. 15, 16, 47 zu § 120 DStPO.) wurde oder nicht. Eine eindeutige Feststellung darüber ist dem angefochtenen Urteil nach dem oben Gesagten nicht zu entnehmen.

Soweit die Nichtigkeitsbeschwerde in tatsächlicher Hinsicht von der Annahme ausgeht, die Untersuchungshaft des Angeklagten habe nur bis zum 16.Juni 1977 gedauert, läßt sie demnach eine prozeßordnungsgemäße Darstellung vermissen.

Eine Konstatierung des von der Staatsanwaltschaft vorausgesetzten Inhalts aber hätte nach der - im Verfahren über Nichtigkeitsbeschwerden allein relevanten (vgl. § 288 Abs 2 Z. 3 StPO.) - Aktenlage zur Zeit der Urteilsfällung (S. 359/I) mit zureichender Begründung auch gar nicht getroffen werden können; im Zusammenhang mit der Frage der Aufhebung der vom Amtsgericht Laufen in dessen Verfahren erlassenen Haftbefehls enthalten die Akten nur eine Aussage, nämlich daß dieser mit der Abschiebung (des Angeklagten nach Österreich) aufgehoben war. Es liegt daher auch ein Feststellungsmangel nach § 281 Abs 1 Z. 11

StPO. über einen früheren Zeitpunkt der Aufhebung des Haftbefehls, selbst wenn man annimmt, daß die Geltendmachung eines solchen Mangels von der Rechtsrüge mitumfaßt wird, nicht vor, weil eben die Verfahrensergebnisse hiefür keinen Anhaltspunkt ergeben. Er ist auch den von der Staatsanwaltschaft nachträglich zur Stützung ihres Vorbringens vorgelegten Urkunden nicht zu entnehmen, die zudem im Nichtigkeitsverfahren keine Berücksichtigung finden können.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Karl Heinz B:

In bezug (nur) auf den Schuldspruch wegen des Verbrechens nach § 6 Abs 1 SuchtgiftG. behauptet der Beschwerdeführer mit der Argumentation einen Subsumtionsirrtum, die betreffenden Suchtgifte seien zum einen - Urteilsfakten AA/I/A/1-3) - nur in geringen Mengen und überdies an drogenabhängige Personen (zum Eigenverbrauch) weitergegeben worden; zum anderen - Urteilsfakten AA/I/B-E) - mangle es, abgesehen von der - auf Grund von in Ausarbeitung befindlichen (neuen) Richtlinien über die zur körperlichen Abhängigkeit führenden Suchtgiftmengen - nicht mehr akzeptablen 'Grenzmenge' für Heroin (von 0,5 g), an Konstatierungen darüber, an welchen Personenkreis (Süchtige, Endverbraucher, Händler) der Verkauf erfolgt und wie die Verteilung der Suchtgiftmengen vorgenommen worden sei. Er will nach Inhalt und Zielsetzung seines Beschwerdevorbringens seine Handlungsweise auch insofern (anstatt als Verbrechen gemäß § 6 Abs 1 SuchtgiftG.) lediglich als Verstoß gegen die Bestimmung des § 9 Abs 1 Z. 1 SuchtgiftG gewertet wissen.

Die Rechtsrüge versagt.

Des Verbrechens (wider die Volksgesundheit) nach § 6 Abs 1 SuchtgiftG. macht sich (unter anderem) schuldig, wer vorsätzlich den bestehenden Vorschriften zuwider ein Suchtgift in solchen Mengen einführt oder (und) in Verkehr setzt, daß daraus in größerer Ausdehnung eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen entstehen kann.

Eine Gemeingefahr im Sinne der zitierten Gesetzesstelle ist eine - abstrakte - Gefahr, die nicht nur mehrere Menschen, sondern eine Vielzahl von Personen, also einen größeren Personenkreis, auf solche Weise erfaßt, daß sie der Täter nicht beliebig zu begrenzen vermag. Das Merkmal der 'größeren Ausdehnung' ist solcherart gegeben, wenn durch die in Rede stehende Suchtgiftmenge 30 bis 50 Personen der Rauschsucht zugeführt werden könnten (vgl. die bei Leukauf-Steininger, Strafrechtliche Nebengesetze auf S. 549 unter Nr. 10 bis 15 zitierte Judikatur). Bei Heroin stellt aber nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft schon 0,5 g jene 'Grenzmenge' dar, welche ausreicht, um die obbeschriebene Gemeingefahr zu bewirken (vgl. Maurer, '§ 6 Suchtgiftgesetz vom Standpunkt des gerichtsmedizinischen Sachverständigen', RZ 1973, 43 f.; LSK 1977/149 u.a.).

Auf der subjektiven Tatseite ist Gefährdungsvorsatz erforderlich:

Die Möglichkeit einer Gefährdung größeren Ausmaßes im soeben dargestellten Sinn muß vom Vorsatz des Täters umfaßt sein, wobei (allerdings) dolus eventualis genügt (Leukauf-Steininger, a.a.O., S. 552, insbesondere die unter Nr. 29 zitierten Entscheidungen). Dem Erstgericht ist daher kein Rechtsirrtum unterlaufen, wenn es bei einem verbotswidrigen Inverkehrsetzen der eingangs genannten Heroinmengen das objektive Tatbestandserfordernis der Gemeingefahr als erfüllt ansah.

Zur subjektiven Tatseite wurde vom Erstgericht ausdrücklich festgestellt, daß der Angeklagte B, nicht zuletzt auf Grund der von ihm gewählten Art der Verbreitung eines Großteils der urteilsgegenständlichen Heroinmengen (durch sogenannte Dealer), die Herbeiführung einer Gefahr für einen (entsprechend) größeren Personenkreis zumindest ernstlich für möglich hielt und sich damit abfand (vgl. S. 223 f./V).

Verfehlt und nachgeradezu irreführend ist der in der Beschwerdeschrift enthaltene Hinweis auf einen - vollkommen aus dem Zusammenhang gerissen bezogenen - Beitrag von Univ.Prof. Dr. H -anläßlich einer Diskussionsveranstaltung der österreichischen Gesellschaft für Strafrecht und Kriminologie über die Anwendung der strafrechtlichen Bestimmungen des Suchtgiftgesetzes am 29.November 1973, zumal der vom Beschwerdeführer herangezogene (Grenz-) Mengenwert Rohopium betrifft und daher für (das wesentlich wirksamere und gefährlichere) Heroin keine Vergleichsgrundlage abgeben kann. Die weiteren Ausführungen von Dr. H, - wonach Opiumalkaloid für entsprechend disponierte Personen schon nach einmaligem Konsum mit rund 70 %iger Wahrscheinlichkeit den Ruin bedeutet (ÖJZ. 1974, 153), werden naturgemäß stillschweigend übergangen. Schließlich übersteigt aber das vom Beschwerdeführer in Verkehr gesetzte Heroin die zuvor erwähnte Grenzmenge von 0,5 g um mehr als das vierzigfache.

Des weiteren setzt - was die Beschwerde ebenfalls grundsätzlich verkennt - § 6 Abs 1 SuchtgiftG. bei einer Begehung durch mehrere Tathandlungen nicht voraus, daß dabei in jedem einzelnen oder mindestens in einem Fall eine Suchtgiftmenge (erzeugt), eingeführt (ausgeführt) oder in Verkehr gesetzt wird, aus der (in Verbindung mit ihrer Verwendungsbestimmung) schon für sich allein in größerer Ausdehnung eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen entstehen kann; das Delikt kann vielmehr auch durch eine Folge von Einzelakten begangen werden, mit denen der Täter sich dem vorerwähnten tatbestandsmäßigen Erfolg nach und nach annähert, bis er ihn schließlich erreicht. Durch die (sich schon aus dem Tatbestandsmerkmal 'Menge' - notwendig - ergebende) Zusammenfassung auch von (mehreren) für sich allein den Tatbestand des § 6 Abs 1 SuchtgiftG. (noch) nicht erfüllenden Teilakten zu einer 'rechtlichen (tatbestandlichen) Handlungseinheit' unterscheidet sich letztere (sowohl auf der objektiven als auch subjektiven Seite) vom sogenannten 'fortgesetzten Delikt', das eine Mehrheit von durch einen Gesamtvorsatz getragenen, an sich selbständigen Handlungen voraussetzt, deren jede für sich bereits den Tatbestand desselben Delikts voll und ganz verwirklicht.

Eine auf obige Weise zur Annahme einer Handlungseinheit - und damit bei der Frage, ob durch die Summe der einzelnen Tathandlungen insgesamt eine (abstrakte) Gemeingefahr im Sinne des § 6 Abs 1 SuchtgiftG. begründet wurde, zur Addition aller tatgegenständlichen Suchtgiftteilmengen - führende fortlaufende Tatbestandsverwirklichung (vgl. Jescheck3, 581) ist dann anzunehmen, wenn die betreffenden Einzelakte objektiv mit einer am einheitlichen Gefahrenbegriff orientierten Kontinuität gesetzt werden und wenn dabei auf der subjektiven Tatseite der mindestens bedingte Vorsatz des Täters jeweils auch den an die bewußt kontinuierliche Begehung geknüpften Additionseffekt umfaßt (RZ 1979/73).

Vom Vorliegen dieser Voraussetzungen aber konnte das Erstgericht im gegebenen Fall bei der Erwägung, daß der Angeklagte im Hinblick auf die nicht unbeträchtlichen Suchtgiftmengen, den Tatzeitraum von Dezember 1977 bis Februar 1978 und die große Zahl der Abnehmer, insbesondere im Zusammenhang mit dem Vertrieb auch über Dealer, die Möglichkeit einer Gefahr größeren Ausmaßes bedacht und sich damit abgefunden, also mit Gefährdungsvorsatz zumindest in Form des dolus eventualis gehandelt hat, in Ansehung der Weitergabe von Heroin an (zwei) Mitangeklagte, die ihrerseits gleichfalls mit Suchtgift handelten, und an eine weitere Abnehmerin (Martha E) ebenso ohne Rechtsirrtum ausgehen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Zu den Maßnahmen nach § 290 Abs 1 StPO.:

Aus Anlaß der Nichtigkeitsbeschwerden vermochte sich der Oberste Gerichtshof davon zu überzeugen, daß das Urteil durch den auf § 9 Abs 3 SuchtgiftG. gestützten Ausspruch über den Verfall der eingangs erwähnten, bei den Angeklagten Friedrich Michael A, Adolf C und Karl Heinz B sichergestellten Plastikspritzen (mit Injektionsnadel), Injektionsspritzen, Löffel sowie Rauchgeräten mit einer sich zum Nachteil der genannten Angeklagten auswirkenden Nichtigkeit nach der Z. 11 des § 281 Abs 1 StPO. behaftet ist, die nicht geltend gemacht wurde und daher

vom Obersten Gerichtshof gemäß § 290 Abs 1 StPO.

von Amts wegen wahrzunehmen war.

Die bezeichneten, vom Verfallserkenntnis betroffenen Sachen waren

weder Gegenstand des Verbrechens nach § 6 Abs 1 SuchtgiftG. noch dienten sie zur Herstellung oder zur Verarbeitung von Suchtmitteln. Diese Gegenstände können darum nicht nach § 6 Abs 3 SuchtgiftG., aber auch nicht nach § 9 Abs 3 leg. cit. für verfallen erklärt werden. Die zuletzt genannte Gesetzesstelle bestimmt, daß der vorgefundene Suchtgiftvorrat für verfallen zu erklären ist. Dies zeigt, daß der Gesetzgeber für die im § 9

SuchtgiftG. zusammengefaßten Tatbestände außer den angedrohten Hauptstrafen nur eine spezielle sachbezogene Unrechtsfolge vorgesehen hat, nämlich den Verfall des Suchtgiftvorrats. Hätte er außerdem für die Vergehen nach § 9 SuchtgiftG. noch eine weitere derartige Folge, nämlich die Einziehung der beim Verbrauch (Genuß) des Suchtmittels verwendeten Werkzeuge statuieren wollen, so hätte auch diese Unrechtsfolge ihren Platz in § 9 (Abs 3) SuchtgiftG. gefunden. Es versagt aber auch sonst eine Heranziehung des § 26 Abs 1 StGB. Denn darnach sind Gegenstände, die der Täter zur Begehung der mit Strafe bedrohten Handlung verwendet hat, die von ihm dazu bestimmt worden waren, bei der Begehung dieser Handlung verwendet zu werden oder die durch diese Handlung hervorgebracht worden sind (die sogenannten instrumenta et producta sceleris), einzuziehen, wenn dies zufolge der besonderen Beschaffenheit der Gegenstände geboten erscheint, um der Verübung mit Strafe bedrohter Handlungen entgegenzuwirken. Daß die bezüglichen Gegenstände für den Besitz und den Erwerb von Suchtgiften Verwendung finden konnten, kann nicht gesagt werden, schon gar nicht, daß sie durch diese Tathandlungen hervorgebracht worden seien. Es liegt vielmehr klar auf der Hand, daß die in Rede stehenden Sachen ausschließlich dem Genuß des Suchtmittels dienlich waren. Der - obgleich mit dem Erwerb und Besitz regelmäßig (notwendigerweise) einhergehende, so doch davon begrifflich verschiedene (vgl. EvBl 1979/246 u.a.) - bloße Genuß (Verbrauch) eines Suchtmittels als solcher ist aber nicht tatbestandsmäßig (9 Os 79/76 = LSK 1977/5)

Die nach dem Gesagten vorliegende Nichtigkeit des Verfallserkenntnisses (gemäß § 281 Abs 1 Z. 11 StPO.) war zum Vorteil der Angeklagten A, B und C von Amts wegen wahrzunehmen, und der Ausspruch über den Verfall - mit Ausnahme jenes von 1,2 g Heroin

-

im Wege der Aufhebung aus dem Ersturteil auszuschalten. Das angefochtene Urteil ist aber auch wegen der vom Erstgericht hinsichtlich der Angeklagten Friedrich Michael A, Adolf Robert C, Ursula D und Karl Heinz B - der Vorschrift des § 38 StGB. (§ 23 Abs 4 und Abs 5 FinStrG.) zuwider - vorgenommenen Beschränkung der Vorhaftanrechnung auf die verhängten Freiheits- und Geldstrafen und der insoweit unterbliebenen Anrechnung der jeweiligen Vorhaft auch auf die über die Genannten gemäß § 6 Abs 4 SuchtgiftG. sowie § 19 Abs 1

FinStrG. verhängten Verfalls- bzw. Wertersatzstrafen mit der oben bezeichneten materiellrechtlichen Nichtigkeit (§ 281 Abs 1 Z. 11 StPO.) behaftet. Sie war gemäß § 290 Abs 1 StPO. aus Anlaß der Nichtigkeitsbeschwerden gleichfalls von Amts wegen wahrzunehmen und der bezügliche Ausspruch (gemäß § 38 StGB.) wie aus dem Spruch ersichtlich zu ergänzen.

Zu den Berufungen:

Der Angeklagte Karl Heinz B wurde außer dem bereits erörterten Verbrechen wider die Volksgesundheit nach § 6 Abs 1 SuchtgiftG. noch des Verbrechens der teils vollendeten, teils versuchten schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z. 1 und 15 StGB. - begangen dadurch, daß er am 6. Februar 1978 in Vöcklabruck Friedrich Michael A mit Gewalt und durch gefährliche Drohung, indem er diesen mehrmals ins Gesicht schlug, eine Gaspistole zog und ihm mit dieser auf den Kopf schlug, sodaß A zu Boden stürzte und ihm, als er auf dem Boden lag, Fußtritte versetzte und äußerte 'wenn du das Geld nicht herausgibst, gehen wir in den Wald, da kommst du nicht mehr zurück' und indem er (auch) die dabei anwesende Ursula D mit dem Umbringen bedrohte, zu einer Handlung (Zahlung von 5.000 S bzw. Ausstellung und Unterfertigung eines Schuldscheins) nötigte bzw. zu nötigen versuchte, wobei die Nötigung zum Teil durch Drohung mit dem Tod begangen wurde - sowie der Finanzvergehen des gewerbsmäßigen Schmuggels nach §§ 35 Abs 1, 38 Abs 1 lit a FinStrG., teils als Beteiligter nach § 11 FinStrG. und der Abgabenhehlerei nach § 37 Abs 1 lit a FinStrG. schuldig erkannt. Das Schöffengericht verurteilte den Angeklagten nach § 28 StGB., § 6 Abs 1 SuchtgiftG. zu achtzehn Monaten Freiheitsstrafe, ferner nach §§ (15) 21, 38 Abs 1 FinStrG. zu einer Geldstrafe von 10.000 S und zu (weiteren) fünf Tagen Freiheitsstrafe sowie schließlich gemäß § 19 Abs 1 FinStrG., § 6 Abs 4 SuchtgiftG. zu einer (Verfalls- bzw. Wertersatz-) Geldstrafe von 50.000 S, für den Fall deren Uneinbringlichkeit zu zwanzig Tagen Ersatzfreiheitsstrafe. Die Freiheitsstrafen wurden gemäß § 43 Abs 2 StGB., (§ 26 Abs 1 FinStrG.) unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehen.

Bei der Strafbemessung wertete es das Zusammentreffen von mehreren Straftaten verschiedener Art als erschwerend;

als mildernd nahm es hingegen die Unbescholtenheit, das Teilgeständnis, den Umstand, daß die schwere Nötigung zum Teil nur bis zum Versuch gediehen ist und das Wohlverhalten seit Begehung der - schon längere Zeit zurückliegenden -

Straftaten an.

Den Berufungen sowohl des Angeklagten B, der eine Herabsetzung der Freiheitsstrafe(n) (unter Anwendung der außerordentlichen Strafmilderung) anstrebt, als auch der Staatsanwaltschaft, die eine Ausschaltung der bedingten Strafnachsicht begehrt, kommt keine Berechtigung zu.

Das Erstgericht hat die Strafzumessungsgründe im wesentlichen vollständig erfaßt und auch zutreffend gewürdigt. Bei deren sachgemäßem Abwägen unter Beachtung der ihnen nach Lage des Falles (spezifisch) zukommenden Bedeutung zeigt sich, daß die verhängte(n) Freiheitsstrafe(n) - der in der Berufung des Angeklagten vertretenen Auffassung zuwider - nach ihrer tat- und persönlichkeitsbezogenen Schuld (§ 32 StGB.) keineswegs zu hoch ausgemessen wurde. Der Oberste Gerichtshof sah sich darum zu einer Strafermäßigung nicht veranlaßt.

Aber auch der Gewährung bedingter Strafnachsicht stehen ungeachtet der von der Staatsanwaltschaft in ihrer Berufungsschrift angeführten gewiß beachtenswerten Erwägungen letztlich doch (noch) keine durchschlagenden Bedenken spezial- oder generalpräventiver Natur entgegen, zumal angesichts der Tatsache, daß der bisher unbescholtene Angeklagte B durch seine nahezu sechsmonatige Anhaltung im Vorverfahren erstmals das übel des Freiheitsentzuges erlitt, sein strafbares Verhalten seit etwa zweieinhalb Jahren nicht weiter fortsetzte, nunmehr einer Beschäftigung nachgeht und offensichtlich sozial integriert ist, zureichende Gründe für eine Gewähr (§ 43 Abs 2 StGB.) künftigen Wohlverhaltens - ohne Strafvollstreckung - vorliegen.

Beiden Berufungen war daher ein Erfolg zu versagen.

Anmerkung

E03035

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1980:0100OS00156.79.0902.000

Dokumentnummer

JJT_19800902_OGH0002_0100OS00156_7900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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