TE OGH 1980/9/8 11Os124/80

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 08.09.1980
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 8.September 1980 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Schneider und Dr. Reisenleitner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Pichler als Schriftführer in der Strafsache gegen Katharina A wegen des Verbrechens der Untreue nach dem § 153 Abs. 1 und 2, zweiter Fall, StGB. über die von der Generalprokuratur gegen den Beschluß der Ratskammer des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 16.Jänner 1980, GZ. 17 Vr 1.047/79-10, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. Reisenleitner, und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwaltes Dr. Nurscher, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Beschluß der Ratskammer des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 16.Jänner 1980, GZ. 17 Vr 1.047/79-10, mit dem der Antrag des öffentlichen Anklägers auf Wiederaufnahme des Strafverfahrens gegen Katharina A wegen des Verbrechens der Untreue nach dem § 153 Abs. 1 und 2, zweiter Fall, StGB. im Umfang des zum AZ. 6 Vr 2.581/78

dieses Gerichtes gemäß dem § 90 StPO. eingestellten Strafverfahrens abgewiesen wurde, verletzt das Gesetz in der Bestimmung des § 167 Abs. 2 Z. 2 StGB.

Text

Gründe:

I./ Aus den Akten AZ. 6 Vr 2.581/78 und 17 Vr 1.047/79 des Landesgerichtes für Strafsachen Graz ergibt sich nachstehender Sachverhalt:

Am 24.April 1978 erstattete die Kriminalabteilung des Landesgendarmeriekommandos für Steiermark Anzeige an die Staatsanwaltschaft Graz, daß Katharina A als Angestellte der Raiffeisenkasse Strallegg 1,159.313,50 S veruntreut, den Schaden aber durch Aufnahme eines auf ihrer und ihres Ehemannes Liegenschaft sichergestellten Kredites von 1,400.000 S bei dem obgenannten Institut wieder gutgemacht habe. Der am 21.März 1978, also vor Anzeigeerstattung, aufgenommene Kredit sollte spätestens nach einem Jahr, also bis zum 21.März 1979, zurückgezahlt werden (S. 23 und 59 der Akten AZ. 6 Vr 2.581/78 des Landesgerichtes für Strafsachen Graz). In der Folge stellte sich heraus, daß die Schadenssumme wesentlich höher als ursprünglich angenommen war; sie betrug insgesamt 1,705.329,89 S (S. 51 der zitierten Akten). Das Ehepaar A nahm zum Ersatz des Restbetrages einen weiteren Kredit in der Höhe von 400.000 S bei der Raiffeisenkasse Strallegg auf, der bis 15. August 1978 zurückzuzahlen gewesen wäre (S. 51, 53 der o.a. Akten).

Am 29.August 1978 teilte die Raiffeisenkasse Strallegg der Staatsanwaltschaft Graz mit, daß Katharina A ihre Verpflichtung, den Kredit von 400.000 S bis zum 15.August 1978 zurückzuzahlen, nicht eingehalten habe (ON. 2 in AZ. 6 Vr 2.581/78 des Landesgerichtes für Strafsachen Graz). Nach Durchführung von Vorerhebungen wurde gegen Katharina A am 17.November 1978 Anklage wegen Verbrechens der Untreue nach dem § 153 Abs. 1 und Abs. 2, zweiter Fall, StGB. (strafrechtlich relevanter Schaden 480.237,79 S) eingebracht (GZ. 6 Vr 2.581/78-16). Wegen eines diesen Betrag übersteigenden Schadens der Raiffeisenkasse Strallegg (in der Höhe von ca. 1,100.000 S) wurde die Erklärung nach dem § 90 StPO. abgegeben; nach dem Inhalt der Begründung der Anklageschrift deshalb, weil die Frist zur Erfüllung des über diesen Betrag abgeschlossenen Vergleiches vom 21. März 1978 noch nicht abgelaufen war und die Staatsanwaltschaft Graz von der Meinung ausging, daß kein fortgesetztes Delikt vorläge (S. 3 und 118 in AZ. 6 Vr 2.581/78 des Landesgerichtes für Strafsachen Graz). Das Gericht beschloß am 28.November 1978 antragsgemäß die Teileinstellung wegen des die Anklagesumme übersteigenden Betrages von etwa 1,100.000 S (S. 3 verso in AZ. 6 Vr 2.581/78).

Mit dem Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 18. Jänner 1979, GZ. 6 Vr 2.581/78-22 (im Strafausspruch abgeändert durch das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz vom 9.Mai 1979, AZ. 9 Bs 77/79), wurde Katharina A wegen des Verbrechens der Untreue nach dem § 153 Abs. 1 und 2, zweiter Fall, StGB. in bezug auf einen Schadensbetrag von 'mindestens 480.237,79 S' zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von achtzehn Monaten verurteilt (ON. 22 und 29 in AZ. 6 Vr 2.581/78). Die Strafe trat sie bisher noch nicht an.

Am 30.März 1979 teilte die Raiffeisenkasse Strallegg der Staatsanwaltschaft Graz mit, daß Katharina A auch ihre im Kreditvertrag vom 21.März 1978 übernommene Verpflichtung, den Kredit von 1,400.000 S samt Nebengebühren bis zum 21.März 1979 an das genannte Kreditinstitut zurückzuzahlen, nicht erfüllt habe und beantragte, gegen Katharina A das Strafverfahren einzuleiten (ON. 2 in AZ. 17 Vr 1.047/79 des Landesgerichtes für Strafsachen Graz). Nach Durchführung von Vorerhebungen beantragte die Staatsanwaltschaft am 5.Oktober 1979 und sodann nochmals am 10. Jänner 1980, das Strafverfahren gegen Katharina A wegen eines (weiteren) Schadensbetrages von 1,159.315,50 S gemäß dem § 352 Abs. 1 StPO. wieder aufzunehmen, weil die Täterin den Vergleich vom 21. März 1978

nicht erfüllt habe (Antrags- und Verfügungsbogen in AZ. 17 Vr 1.047/79 des genannten Gerichtes).

Mit dem Beschluß vom 16.Jänner 1980, GZ. 17 Vr 1.047/79-10, wies die Ratskammer des Landesgerichtes für Strafsachen Graz diesen Antrag ab. Begründet wird dieser Beschluß damit, daß der Schaden durch einen Kredit gutgemacht worden sei, den die Raiffeisenkasse Strallegg der Beschuldigten eingeräumt habe. Wenn sie den Kredit bei einem anderen als diesem Institut erwirkt und nicht zurückgezahlt hätte, könnte dies die Strafbarkeit gleichfalls nicht wieder aufleben lassen. Es sei nicht einzusehen, warum der Fall, in dem der Kredit vom Institut selbst eingeräumt wurde, anders beurteilt werden müßte als jener, in dem ein Kredit von dritter Seite zur Schadensgutmachung Verwendung fand.

Dieser Beschluß erwuchs in Rechtskraft.

Rechtliche Beurteilung

II./ Der Beschluß der Ratskammer des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 16.Jänner 1980 steht mit dem Gesetz nicht im Einklang. Über den Schadensbetrag von etwa 1,100.000 S, hinsichtlich dessen es am 28.November 1978 zur Verfahrenseinstellung nach dem § 90 StPO. kam, wurde ein Vergleich zwischen der Raiffeisenkasse Strallegg und Katharina A geschlossen, in welchem sich Katharina A verpflichtete, den ihr von der Raiffeisenkasse Strallegg zur Schadensgutmachung eingeräumten Kredit von 1,400.000 S samt Nebengebühren, der auf einer ihr und ihrem Ehemann gehörenden Liegenschaft sichergestellt worden war, innerhalb bestimmter Frist, nämlich bis zum 21.März 1979, zurückzuzahlen. Hiedurch trat zwar eine Umwandlung (Novation) der ursprünglichen Deliktsschuld in eine andere ein. Sie stellt im vorliegenden Fall aber nicht mehr dar als jede andere kalender- und ziffernmäßig bestimmte vertragliche Verpflichtung über die Schadensgutmachung. Solche vertragliche Verpflichtungen erfüllen nur dann die Voraussetzungen der tätigen Reue im Sinn des § 167 Abs. 2 Z. 2 StGB., wenn sie vor Kenntnisnahme der Tat durch eine zur Strafverfolgung berufene Behörde geschlossen wurden und wenn der volle Ersatz des Schadens tatsächlich und rechtzeitig, das ist termingemäß, geleistet wird. Hingegen tritt Straflosigkeit nicht ein, wenn der Täter den Zahlungstermin nicht einhält, und zwar ungeachtet des Umstandes, ob die Säumnis schuldhaft oder unverschuldet, vor oder nach Kenntnisnahme der Behörde von der Tat eintritt, oder ob der nicht gutgemachte Teil des Schadens im Verhältnis zur Gesamtsumme beträchtlich oder geringfügig ist, weil es dem Täter obliegt, die Voraussetzungen des § 167 StGB. selbst und aus eigenem herbeizuführen (vgl. hiezu SSt. 29/40). Die (bloße) Verpflichtung des Täters, den (ganzen) aus seiner Tat entstandenen Schaden zu ersetzen, führt ihrem Wesen nach lediglich zu einer Stundung der nach § 167 Abs. 2 Z. 1 StGB. - Rechtzeitigkeit und Freiwilligkeit vorausgesetzt - straflos machenden Schadensgutmachung.

Nicht die hiebei stattfindende Umwandlung der Deliktsschuld in eine andere ist entscheidend, sondern allein die Einhaltung der im Sinn des § 167 Abs. 2 Z. 2 StGB.

eingegangenen, vorläufig straflos machenden Verpflichtung. Straflosigkeit wäre daher vorliegend endgültig nur bei Einhaltung der hier als Kreditvertrag formulierten, ihrem wirtschaftlichen Sinn nach aber als Verpflichtung zur Schadensgutmachung im Sinn des § 167 Abs. 2 Z. 2 StGB.

darstellenden Vereinbarung eingetreten (vgl. SSt. 29/40). Die von der Ratskammer - die zu Unrecht offenbar einzelne Kontoinhaber, nicht aber die Raiffeisenkasse selbst als geschädigt ansieht - bei der Abweisung des Antrages angestellte Überlegung, daß die Strafbarkeit wegen der ursprünglichen Tat nicht wieder aufleben könnte, wenn sich Katharina A die Mittel zur Schadensgutmachung bei einem anderen Kreditinstitut beschafft hätte und dort mit ihrer Rückzahlungsverpflichtung säumig geworden wäre, vermag nicht durchzuschlagen, weil sie nicht beachtet, daß in diesem Fall der Schade des durch die strafbare Handlung geschädigten Kreditinstituts auch tatsächlich gutgemacht erschiene. Allerdings käme dem Täter, wie der Vollständigkeit halber bemerkt werden kann, selbst bei einer solchen Schadensgutmachung tätige Reue dann nicht zustatten, wenn er sich die Mittel zum Schadenersatz von dritter Seite durch eine weitere strafbare Handlung, etwa eine betrügerische Herauslockung des zur Schadensgutmachung verwendeten Betrags verschafft hätte. Katharina A erfüllte die von ihr im Kreditvertrag eingegangene Verpflichtung der Rückzahlung bis zum 21.März 1979 nicht. Es lebte hiemit die Strafbarkeit ihres Verhaltens wieder auf. Dem Antrag der Staatsanwaltschaft, das Verfahren gegen Katharina A, soweit es seinerzeit gemäß § 90 StPO. eingestellt worden war, wiederaufzunehmen, wäre deshalb stattzugeben und die Wiederaufnahme des Strafverfahrens gemäß § 352 Abs. 1 StPO. von der Ratskammer zu bewilligen gewesen.

Da sich der in Rede stehende, gegen die Bestimmungen des § 167 Abs. 2 Z. 2 StGB. verstoßende Ratskammerbeschluß zum Vorteil der Beschuldigten Katharina A auswirkte, muß es bei der Feststellung seiner Gesetzwidrigkeit das Bewenden haben.

Anmerkung

E02813

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1980:0110OS00124.8.0908.000

Dokumentnummer

JJT_19800908_OGH0002_0110OS00124_8000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten