TE OGH 1980/9/9 9Os87/80

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Veröffentlicht am 09.09.1980
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 9. September 1980

unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Obauer und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth, Dr. Steininger, Dr. Horak und Dr. Reisenleitner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Hausenberger als Schriftführerin in der Strafsache gegen Gerhard A wegen des Verbrechens des schweren räuberischen Diebstahls nach § 127 Abs 1, 128 Abs 1 Z 4, 131, erster Fall, StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 24. April 1980, GZ 2 d Vr 1137/

80-23, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Reisenleitner, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Hartung und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Kodek, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 13. September 1941 geborene Gerhard A des Verbrechens des schweren räuberischen Diebstahls nach § 127 Abs 1, 128

Abs 1 Z 4, 131, erster Fall, StGB, sowie des Vergehens der dauernden Sachentziehung nach § 135 Abs 1 StGB schuldig erkannt, weil er am 29. Jänner 1980 in Wien dem Johann B einen Bargeldbetrag von 6.000 S mit Bereicherungsvorsatz wegnahm, wobei er ihm bei Betretung auf frischer Tat zwei Faustschläge ins Gesicht versetzte und damit Gewalt gegen ihn anwendete, um sich die weggenommenen Sachen zu erhalten, weil er den Genannten dadurch schädigte, daß er ihm eine Lederbrieftasche im Wert von ca. 100 S durch Wegwerfen dauernd entzog, ohne sie sich zuzueigenen.

Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Nichtigkeitsgründe des § 281 Abs 1 Z 5, 9 lit a und 10 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. In der auf dem erstgenannten Nichtigkeitsgrund fußenden Mängelrüge wendet er sich gegen die Annahme des Gerichtes, er habe dem Johann B durch die Faustschläge eine Schwellung im Gesicht und eine Lockerung des oberen Backenzahnes zugefügt, weil diese dem amtsärztlichen Befund und Gutachten widerspreche.

Rechtliche Beurteilung

Diesem Vorbringen ist zunächst zu erwidern, daß für die Annahme der Qualifikation des räuberischen Diebstahls nach § 131 StGB die Verletzung der Person, gegen die Gewalt angewendet wird, keineswegs erforderlich ist;

eine über die zur Erfüllung des Tatbildes gehörende Gewalt hinausgehende Verletzung ist vielmehr zusätzlich als erschwerend zu berücksichtigen, sofern sie nicht das zur Herstellung des zweiten Strafsatzes des § 131

StGB erforderliche Ausmaß erreicht. Die behauptete und übrigens gar nicht gegebene (vgl. S 133) Mangelhaftigkeit des Urteils betrifft auch entgegen der Meinung des Beschwerdeführers keine entscheidungswesentliche Tatsache, weil sich aus dem Nichtvorliegen von Spuren seiner Gewaltanwendung nicht zwingend ableiten ließe, daß er in Wahrheit keine Faustschläge gegen B geführt habe. Das Erstgericht stellte vielmehr die Gewaltausübung durch den Angeklagten aktengetreu und mit überzeugender Begründung fest und erörterte auch, warum dieser Feststellung die Aussage des Zeugen Karl C (S 93), der von Faustschlägen nichts gesehen, aber immerhin eine 'Rangelei' und ein 'Wegstoßen' beobachtete, nicht entgegensteht.

Auch ein Schuldspruch wegen Vergehens der dauernden Sachentziehung nach § 135 Abs 1 StGB ist entgegen der weiteren ebenfalls auf § 281 Abs 1 Z 5 StPO gestützten, der Sache nach auch einen diesen Schuldspruch hindernden Feststellungsmangel im Sinne der Z 9 lit a der genannten Gesetzesstelle geltendmachenden Rüge des Beschwerdeführers nicht mangelhaft begründet; es wurde auch eine die Beurteilung der Wegnahme dieser Brieftasche als Vergehen nach § 135 StGB rechtfertigende Tatsachenfeststellung getroffen. Voraussetzung der Verwirklichung dieses Tatbildes ist nicht, wie in der Beschwerde vermißt wird, daß der Täter die Schädigung eines anderen durch Sachentziehung absichtlich (§ 5 Abs 2 StGB) herbeiführt, es ihm also darauf ankommt, diesen zu schädigen; bedingter Vorsatz (§ 5 Abs 1 StGB) genügt vielmehr. Das Erstgericht stellte zwar einen solchen Vorsatz nicht ausdrücklich, wohl aber im Urteilsspruch dem Sinne nach fest, indem es seinem Schuldspruch die Verantwortung des Beschwerdeführers zugrundelegte, der betonte, daß er es bei der Wegnahme der Brieftasche samt Bargeld nur auf das Geld abgesehen hatte und die (für ihn uninteressante) Brieftasche nachher wegwarf (S 86 f). Dieser Verantwortung folgend beurteilte das Erstgericht die Wegnahme der Brieftasche abweichend von der Anklageschrift (S 63) nicht als Diebstahl, sondern mangels Bereicherungsvorsatzes als (bloße) dauernde Sachentziehung. Daß ein Täter bei dem - wie sich schon aus der Natur solcher Handlungen ergibt - jedenfalls bewußten Entziehen und anschließenden Wegwerfen einer Brieftasche die damit unvermeidlich eintretende Schädigung des Eigentümers zumindest ernstlich für möglich hält und sich damit abfindet, liegt auf der Hand, sodaß eine nähere Begründung des vom Gericht dem Schuldspruch zugrundegelegten Vorsatzes nicht erforderlich war. Es versagt daher auch in dieser Richtung der Vorwurf eines den Nichtigkeitsgrund der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO verwirklichenden Begründungsmangels.

Mit der ziffernmäßig auf § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO, inhaltlich zum Teil auch auf Z 10 leg. cit. gestützten Rechtsrüge wendet sich der Beschwerdeführer ebenfalls gegen den Schuldspruch wegen § 135 StGB, weil ihm die Wegnahme der Brieftasche, die lediglich ein Akzessorium des Diebstahls sei, nicht gesondert angelastet werden könne; mit dem Wegwerfen der Brieftasche habe er nur seine Strafverfolgung erschweren wollen.

Diesem Vorbringen kommt keine Berechtigung zu. Nach ständiger Rechtsprechung werden die Tatbilder der dauernden Sachentziehung und des Diebstahls verwirklicht, wenn der Täter widerrechtlich gleichzeitig mit der von ihm dann zugeeigneten Sache deren Eigenwert besitzendes und nicht Bestandteil oder Zubehör der Beute darstellendes Behältnis entzieht, durch dessen Wegnahme er sich nicht bereichern will (vgl. Leukauf-Steininger2 RN 8 lit f und 16 zu § 135 StGB sowie die dort zitierte Judikatur sowie jungst EvBl 1980/94). Eine Beurteilung als 'Deckungshandlung', gemeint wohl 'straflose Nachtat', wie dies der Beschwerdeführer anstrebt, kommt nicht in Betracht, weil es sich einerseits um keine Nachtat handelt, da die für den Schuldspruch maßgebende Handlung bereits die mit zumindest bedingtem Schädigungsvorsatz erfolgte Wegnahme der Sache war und nicht erst deren anschließendes Wegwerfen, andererseits von einer zufolge Konsumtion durch die Bestrafung wegen der Haupttat straflosen Nachtat grundsätzlich nur gesprochen werden kann, wenn kein weiteres Rechtsgut verletzt wird. Im vorliegenden Fall erfaßt aber die Verurteilung wegen Diebstahls nur die Wegnahme des Bargeldbetrages mit Bereicherungsvorsatz und nicht das in der mit Schädigungsvorsatz erfolgten Wegnahme der Brieftasche liegende Unrecht, sodaß eine nach Ansicht des Beschwerdeführers anzunehmende Nachtat über die der Haupttat immanente Rechtsgutverletzung jedenfalls hinausgreift (vgl. Burgstaller, Scheinkonkurrenzen im Strafrecht, Strafrechtliche Probleme der Gegenwart 6, S 43 f). Ebensowenig kann von einer 'typischen Begleittat' gesprochen werden, wie es etwa die Sachbeschädigung beim Einbruchsdiebstahl ist. Die weitere, auf § 281 Abs 1 Z 10 StPO gestützte Rechtsrüge, die lediglich die Qualifikation des Diebstahls als räuberisch nach § 131 StGB bekämpft, vergleicht nicht den im Urteil festgestellten Sachverhalt, sondern willkürlich aus Teilen des Akteninhalts abgeleitete Annahmen mit dem darauf anzuwendenden Gesetz. Sie ist daher nicht gesetzmäßig ausgeführt.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war somit zuverwerfen.

Das Erstgericht verurteilte den Angeklagten nach dem ersten Strafsatz des § 131 StGB unter Bedachtnahme auf § 28 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von fünfzehn Monaten.

Es wertete bei der Strafbemessung als erschwerend die einschlägigen Vorstrafen, als mildernd ein weitgehendes Geständnis und die Verringerung des Schadens durch die Sicherstellung eines Geldbetrages von 1.890 S. Es berücksichtigte auch ein Wohlverhalten von nahezu sechs Jahren seit der letzten Strafverbüßung. Der Angeklagte strebt mit seiner Berufung eine Herabsetzung des Strafausmaßes an.

Der Berufung kommt keine Berechtigung zu.

Sorgepflichten sind bei der Bemessung einer Freiheitsstrafe nicht

als mildernd zu berücksichtigen (ÖJZ-LSK 1975/ 118 u.a.). Von einer besonders verlockenden Gelegenheit kann nicht gesprochen werden, wenn - wie vorliegend -

das Geld aus der Tasche einer Arbeitsbluse gestohlen wird, die der Bestohlene am Körper trägt.

Im übrigen stellte das Erstgericht die mildernden und erschwerenden Umstände richtig fest und würdigte sie auch zutreffend. Das gefundene Strafmaß entspricht dem hohen Unrechtsgehalt der Straftat und seinem durch neue Verurteilungen getrübten Vorleben sowie dem Verschulden des Angeklagten auch unter Berücksichtigung eines längeren Wohlverhaltens seit der letzten Strafverbüßung. Eine Herabsetzung der Strafe kam daher aus general- und spezialpräventiven Erwägungen nicht in Betracht.

Somit war der Berufung ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

Anmerkung

E02734

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1980:0090OS00087.8.0909.000

Dokumentnummer

JJT_19800909_OGH0002_0090OS00087_8000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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