TE OGH 1980/9/16 9Os20/80

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Veröffentlicht am 16.09.1980
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 16. September 1980

unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Obauer und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth, Dr. Steininger, Dr. Horak und Dr. Reisenleitner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Hausenberger als Schriftführerin in der Strafsache gegen Josef A wegen des Vergehens der Hehlerei nach § 164 Abs. 1 Z 2 und Abs. 2 StGB über die vom Angeklagten und der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Schöffengericht vom 27. November 1979, GZ. 15 a Vr 364/79-27, erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden und Berufungen nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Meixner, und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Strasser, und in Anwesenheit des Privatbeteiligtenvertreters Dr. Jelen zu Recht erkannt:

Spruch

Den Nichtigkeitsbeschwerden des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an den Gerichtshof erster Instanz zurückverwiesen.

Die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte werden mit ihren Berufungen auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 30.11.1932 geborene Kaufmann Josef A des Vergehens der Hehlerei nach § 164 Abs. 1 Z 2 und Abs. 2 StGB schuldig erkannt und zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe sowie zur Bezahlung eines Schadenersatzbetrages an die Privatbeteiligte Firma 'D' verurteilt. Den Urteilsannahmen zufolge kaufte der Angeklagte im Oktober 1978 von Anita B 15, im Urteil nicht näher bezeichnete, Schmuckstücke im Gesamtwert von annähernd 100.000 S, welche aus einem von der Genannten und einem gewissen Hermann C in der Nacht zum 12. Oktober 1978 zum Nachteil der Inhaberin des Juweliergeschäftes 'D' in Dornbirn verübten Einbruchsdiebstahl stammten und noch mit den 'Original-Preiszetteln' der Bestohlenen versehen waren, zum Preis von ca. 23.000 S.

Der Wert der gesamten bei diesem Einbruchsdiebstahl erbeuteten Schmuckstücke belief sich auf ca. 130.000 S.

Davon konnten, wie das Erstgericht feststellte, insgesamt 27 Schmuckstücke im Gesamtwert von ca. 25.000 S bei Anita B (vgl. dazu die S 27, 145 und 147 d.A sowie das Schätzungs- und Ausfolgungsprotokoll 149 d.A, aus welchen sich eine Anzahl von 30 ergibt) und drei Schmuckstücke beim Angeklagten sichergestellt werden. Nach Ansicht des Schöffengerichtes hat der Angeklagte beim Kauf 'sicher erkennen müssen, daß der Schmuck bedenklicher Herkunft ist' (S 255 d.A).

Dieses Urteil bekämpfen der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft mit Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung.

Rechtliche Beurteilung

Beiden Beschwerden kommt Berechtigung zu.

Zutreffend rügt der Angeklagte zunächst in seiner Nichtigkeitsbeschwerde unter ziffernmäßiger Anrufung des Nichtigkeitsgrundes der Z 5 des § 281 Abs. 1 StPO, der Sache nach jedoch eine Nichtigkeit nach der Z 3 dieser Gesetzesstelle geltendmachend, den Mangel einer ausreichenden Individualisierung der Tat im Sinne des § 260 Abs. 1 Z 1 StPO. Denn zum einen enthalten Spruch und Feststellungen des Ersturteils (wie übrigens auch die Anklageschrift) nicht einmal der Art nach eine Bezeichnung der vom Angeklagten verhehlten Schmuckstücke, obwohl diese nach den Angaben der Zeugin B, auf welchen die Feststellungen beruhen, an sich möglich gewesen wäre (vgl. S 103, 185 in Verbindung mit S 240 f). Zum anderen ist der, vom Erstgericht ersichtlich ebenfalls als Entscheidungsgrundlage verwerteten (vgl. S 242 unten) Aufstellung der Bestohlenen vom 3. Mai 1979 (S 245, 247 d.A) zu entnehmen, daß beim Diebstahl am 12. Oktober 1978 wesentlich mehr Schmuckstücke (nämlich insgesamt 44 Eheringe und 44

andere Schmuckstücke) gestohlen worden sind, als die bei Anita B sichergestellten 30 Schmuckstücke (d.s. eine Damenarmbanduhr, ein Weißgoldring mit Saphir, ein Weißgoldarmband, ein Paar Ohrringe und 26 Eheringe;

siehe nochmals die S 25, 27 und 149) und die an den Angeklagten angeblich verkauften fünfzehn Schmuckstücke, von denen allerdings nur drei, und zwar eine Perlenhalskette, ein Weißgoldring mit fünf und ein Weißgoldring mit einem Brillanten bei ihm beschlagnahmt worden sind (S 37, 39, 149); solcherart aber ist - vergleicht man die von der Geschädigten vorgelegte Liste des Diebsgutes mit den vom Erstgericht auf Grund der Angaben der Zeugin B bezüglich des Schmuckes getroffenen Feststellungen - abgesehen von den beim Angeklagten beschlagnahmten drei Schmuckstücken - eine Identifizierung der übrigen zwölf angeblich von ihm erworbenen nicht möglich und sohin auch nicht gewährleistet, daß der Angeklagte nicht neuerlich wegen des Ansichbringens von Schmuckstücken verfolgt und verurteilt werden kann, die bereits Gegenstand dieses Schuldspruches sind.

Schon dieser Verstoß gegen die Individualisierungsvorschrift des § 260 Abs. 1 Z 1 StPO bewirkt Nichtigkeit des Urteils nach der Z 3 des § 281 Abs. 1 StPO.

Zu Recht macht der Beschwerdeführer im gegebenen Zusammenhang aber auch eine Unvollständigkeit der Begründung im Sinne der Z 5 des § 281 Abs. 1 StPO geltend.

Denn das Erstgericht übergeht völlig die, für die Richtigkeit der den Angeklagten (sowohl hinsichtlich des von ihm geleugneten Erwerbes weiterer zwölf Schmuckstücke und der subjektiven Tatseite) belastenden Aussagen der Zeugin B bedeutsame Divergenz zwischen ihren (den Feststellungen als glaubhaft zugrunde gelegten) Angaben - wonach das bei ihr sichergestellte Diebsgut und die dem Angeklagten verkauften 15 Schmuckstücke die gesamte Diebsbeute dargestellt haben (vgl. S 91, 103 ff, 161, 184 f, 240 f, 256) - und der (gegen die Richtigkeit dieser Aussage sprechenden, bereits oben erwähnten) Aufstellung der Bestohlenen (S 245, 247 d.A), aus welcher sich eine weitaus größere Anzahl gestohlener Schmuckgegenstände ergibt. Da das Ersturteil somit in zweifacher Hinsicht mit Nichtigkeit, nämlich nach den Z 3 und 5 des § 281 Abs. 1

StPO behaftet ist, welche zur Aufhebung des gesamten Schuldspruches, und zwar wegen des untrennbaren Zusammenhanges (§ 289 StPO) auch in Ansehung jener drei Schmuckstücke führen muß, deren Erwerb der Angeklagte zugegeben hatte, erübrigt sich ein Eingehen auf das weitere Vorbringen des Beschwerdeführers unter dem letztgenannten Nichtigkeitsgrund sowie unter jenem der Z 4 des § 281 Abs. 1 StPO.

Nur der Vollständigkeit halber sei erwähnt, daß die zur subjektiven Tatseite getroffene, wenngleich von der Beschwerde nicht gerügte, Feststellung, der Angeklagte habe 'sicher erkennen müssen, daß der Schmuck bedenklicher Herkunft ist' (S 255), auch sprachlich undeutlich ist und als solche kein taugliches Substrat für die rechtliche Annahme des für die Begehung der (vorsätzlichen Sach-) Hehlerei nach § 164 Abs. 1 Z 2 StGB erforderlichen wenigstens bedingten Vorsatzes (§ 5 Abs. 1 StGB) bildet.

In diesem Sinne ist die subjektive Tatseite des Deliktes vielmehr nur dann gegeben, wenn feststeht, daß der Täter die Herkunft einer Sache aus einem Vermögensdelikt zumindest ernstlich für möglich gehalten und sich damit abgefunden hat. Bloßes 'Wissenmüssen' ist dem Wissen nicht gleichzuhalten, es schließt (unbewußte) Fahrlässigkeit nicht aus und bedeutet damit rechtlich noch keine Bejahung dolosen Handelns. Ebensowenig kommt mit der Bezugnahme auf eine bloße 'Bedenklichkeit' der Herkunft die innere Tatseite der Tatbestände sowohl der vorsätzlichen wie auch der fahrlässigen (Sach-)Hehlerei nach §§ 164 Abs. 1 Z 1 und 2, 165 StGB, welche jeweils die Verhehlung von aus einer mit Strafe bedrohten Handlung gegen fremdes Vermögen stammenden Sache pönalisieren, zum Ausdruck (vgl. Leukauf-Steininger2 RN 11 und 12 zu § 164, RN 2 zu § 165 StGB).

Es kommt aber auch den Beschwerdeeinwänden der Staatsanwaltschaft, die insbesondere unter dem Aspekt des für Schmuckwaren geltenden erhöhten Mehrwertsteuersatzes von 30 % (vgl. § 10 Abs. 4 UStG 1972 i. d.F. des Abschn. VI Art. I Z 6 der Novelle BGBl. 1977/645 und hiezu Anlage B Punkte 9 ff, 31) dem Erstgericht (Begründungs- bzw.) Feststellungsmängel zur qualifikationsbegründenden Wertberechnung zum Vorwurf macht, Berechtigung zu.

Wesentlich ist für die objektive und subjektive Wertzurechnung auch in Ansehung der Qualifikation der Hehlerei nach den Absätzen 2 und 3, erster Fall, des § 164

StGB bei Handelsware, wozu ja auch der gegenständliche, aus dem Schaufenster eines Juweliers gestohlene Schmuck gehört, der Verkaufs(Markt-)preis, d. i. der Anschaffungswert, vermehrt um einen entsprechenden Regieanteil und die Gewinnspanne. Maßgebend ist dabei der angemessene Verkaufspreis, d. i. jener Betrag, der bei redlicher Geschäftsführung erzielt werden kann und auch erzielt werden soll; dies im Sinne eines Durchschnittspreises, der innerhalb eines örtlich begrenzten Gebietes bei einer möglichst großen Zahl von Verkäufern gleichartiger Sachen erzielt wird, wobei vereinzelte Über- oder Unterschreitungen außer Betracht zu bleiben haben. Sowohl bei Klein- als auch bei Großhandelsware bildet indes die Mehrwertsteuer stets in voller Höhe einen Teil des Preises (Leukauf-Steininger2 RN 21 bis 23 zu § 128 StGB).

Das Erstgericht beschränkt sich nun bei Behandlung der Frage, ob der Wert des vom Angeklagten an sich gebrachten Schmucks die Grenze von 100.000 S überschritten hat, auf die pauschale Schlußfolgerung, es könne im Zweifel auch nicht 'mit einer (Hin-) Zurechnung der Mehrwertsteuer' aus den von der Zeugin B nur aus dem Gedächtnis reproduzierten Wertangaben ein 100.000 S übersteigender Gesamtwert der Schmuckstücke abgeleitet werden (S 255 f).

Ob es dabei in tatsächlicher Hinsicht von den Verkaufspreisen ausging, wie sie auf den beim Ankauf durch den Angeklagten an den einzelnen Schmuckstücken noch vorhandenen Preiszetteln aufschienen - in welchen jedoch nicht notwendigerweise die Mehrwertsteuer enthalten gewesen sein mußte -, oder aber von den auch der Gendarmerieanzeige (s. S 15 und 49 der gegenständlichen Akten), dem Schuldspruch der Zeugin B und ihres Komplizen C (Punkt A) I) c) 4) des Urteiles ON 47 in den Akten 15 a Vr 77/79 des Landesgerichtes Feldkirch) sowie der Aufstellung der Geschädigten (S 245, 247 der gegenständlichen Akten) zugrundeliegenden Einkaufs (= Wiederbeschaffungs-) Preisen, ist dem Ersturteil ebensowenig mit der nötigen Deutlichkeit zu entnehmen, wie die Heranziehung welchen Mehrwertsteuersatzes.

Aus den angeführten Gründen war sohin spruchgemäß über die Beschwerden zu erkennen und waren demzufolge der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft mit ihren Berufungen auf diese Entscheidung zu verweisen.

Im zu erneuernden Verfahren werden mängelfrei begründete Feststellungen über Zahl, Art, Beschaffenheit und Wert der vom Angeklagten an sich gebrachten Schmuckgegenstände sowie zur Schuldfrage zu treffen sein. Nach Lage des Falles durfte hiebei auch die Beischaffung der Anzeige des Gendarmeriepostenkommandos Dornbirn gegen u. T. betreffend den gegenständlichen Einbruchsdiebstahl, E.Nr. 7024/78 (siehe Seiten 25 und 49 der vorliegenden Akten), und ein Vergleich dieser mit der wiederholt erwähnten Aufstellung S 245, 247 d.A, geboten sein.

Anmerkung

E02752

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1980:0090OS00020.8.0916.000

Dokumentnummer

JJT_19800916_OGH0002_0090OS00020_8000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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