TE OGH 1980/9/17 12Os117/80

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 17.09.1980
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 17. September 1980

unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Breycha, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller, Dr. Kral, Dr. Steininger und Dr. Lachner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Mag. Winter als Schriftführerin in der Strafsache gegen Herbert A wegen des Verbrechens der versuchten schweren Nötigung nach §§ 15, 105 Abs. 1, 106 Abs. 1 Z 1 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 19. Juni 1980, GZ. 6 Vr 3582/79-15, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Lachner, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Maria Oehlzand und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Nurscher, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch wegen des Vergehens der versuchten (Beteiligung an der) falschen Beweisaussage vor Gericht nach §§ 12, 15, 288 Abs. 1 StGB (Punkt 2 des Urteilsspruches) sowie demgemäß im Strafausspruch aufgehoben und im Umfang der Aufhebung gemäß § 288 Abs. 2 Z 3 StPO in der Sache selbst erkannt:

Herbert A wird für das ihm nach dem aufrecht bleibenden Punkt 1. des Urteils weiterhin zur Last fallende Verbrechen der versuchten schweren Nötigung nach §§ 15, 105 Abs. 1, 106 Abs. 1 Z 1 StGB gemäß § 106 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 10 (zehn) Monaten verurteilt.

Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten verworfen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Der Ausspruch über die Verpflichtung zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens wird aus dem angefochtenen Urteil übernommen. Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

                        Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 15. Juni 1953 geborene

Hilfsarbeiter (und derzeitige Strafgefangene) Herbert A 1.) des

Verbrechens der versuchten schweren Nötigung nach §§ 15, 105 Abs. 1,

106 Abs. 1 Z 1 StGB und 2. des (damit in Tateinheit verwirklichten)

Vergehens der versuchten (Beteiligung an der) falschen Beweisaussage

vor Gericht nach §§ 12, 15, 288 Abs. 1 StGB schuldig erkannt, weil

er Ende Oktober 1979 in Leibnitz vorsätzlich versuchte, Franz B (zu

1.) durch die Drohung mit einer Brandstiftung zu einer Handlung,

nämlich zur Änderung seiner im Verfahren 6 Vr 6/79 des

Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Zeuge gemachten Angaben

über die Auffindung von Beweismitteln zu nötigen, indem er in einem

an Franz B gerichteten Brief vom 24. Oktober 1979 unter anderem

schrieb: '.... mit so einer unüberlegten Handlungsweise fordern Sie

regelrecht Gewalt herauf und laufen sogar Gefahr, aus irgendeinem

Grund auch immer es sein möge, daß Sie überhaupt nichts mehr haben

werden .... das diesbezügliche Sachen bei Ihnen nicht mehr vorkommen

werden.

Natürlich wäre es hier wiederum so, daß Sie auch das Ihre dazu beitragen .. Ich würde dann sofort als erster mit Handschlag abmachen, daß Sie nichts mehr zu fürchten haben ....' und (zu 2.) durch diese Handlung dazu zu bestimmen, vor Gericht als Zeuge falsch auszusagen.

Rechtliche Beurteilung

Gegen den Schuldspruch richtet sich die auf § 281 Abs. 1 Z 9 lit. a und b, sowie Z 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der in bezug auf den Schuldspruch wegen des Vergehens der versuchten falschen Beweisaussage vor Gericht Berechtigung zukommt.

Unter Berufung auf den erstbezeichneten Nichtigkeitsgrund macht der Beschwerdeführer geltend, der Brief (S 9, 10), den das Schöffengericht auszugsweise im Spruch des Urteils zitiert habe, enthalte keine an den Adressaten gerichtete Aufforderung, vor Gericht falsch auszusagen, sondern bloß das Begehren, sich beim Beschwerdeführer zu entschuldigen, den Vorwurf, daß der Angeklagte in seiner Erwartung, der Zeuge Franz B werde die Wahrheit sagen, enttäuscht worden sei und schließlich den Hinweis, daß der Beschwerdeführer nach einer Entschuldigung durch Franz B wissen werde, daß dieser bereit sei, sich 'auch einem Gauner' gegenüber ehrlich zu verhalten.

Mit diesem Vorbringen ist der Beschwerdeführer im Recht. Die aus dem im Urteil auszugsweise zitierten Inhalt des Briefes gezogene Schlußfolgerung des Schöffengerichtes, der Beschwerdeführer habe damit erreichen wollen, daß der Zeuge Franz B vor Gericht wahrheitswidrig aussage, hält nämlich aus mehreren Gründen einer Überprüfung nicht stand.

Zunächst enthält der Brief nicht einmal andeutungsweise eine Aufforderung, Franz B solle vor Gericht seine Aussage widerrufen, sondern nur den Vorschlag, der Zeuge möge sich beim Beschwerdeführer für die (angeblich falsche) Angabe, die Kunststoffrolle und die Streichholzschachtel seien (bei der versuchten Brandstiftung vom 30. Dezember 1978) erkennbar durch den Täter an den späteren Auffindungsort gebracht worden, entschuldigen. Daraus ergibt sich aber denkrichtig noch keineswegs, daß nach dem Willen des Beschwerdeführers eine solche Aussage auch vor Gericht abgelegt werden sollte. Wenn das Schöffengericht zur Begründung dieser Ansicht auf den vom Beschwerdeführer in dem gegen ihn wegen Brandstiftung geführten Strafverfahren am 16. Juni 1980 eingebrachten Wiederaufnahmsantrag (ON 60 und 64 im Akt 6 Vr 6/79 des Landesgerichtes für Strafsachen Graz) verweist, so wird dabei übersehen, daß ON 60 nur die Bitte um Bestellung eines Vertreters nach § 41 Abs. 2 StPO (für das beabsichtigte Wiederaufnahmeverfahren) enthält, ohne daß darin auf die Gründe eingegangen würde, aus denen die Wiederaufnahme begehrt werden wird und sich der (eigentliche) Wiederaunahmeantrag (ON 64) im Faktum B auf die Behauptung beschränkt, der Beschwerdeführer sei zur Tatzeit volltrunken gewesen, ohne daß hiebei eine unrichtige Aussage des Zeugen Franz B auch nur andeutungsweise erwähnt würde. Da für die Annahme des Schöffengerichtes, der Beschwerdeführer habe mit dem Brief (auch) versucht, Franz B zur falschen Beweisaussage vor Gericht zu bestimmen, keine Anhaltspunkte aus den Akten zu gewinnen sind, und mithin bezügliche Feststellungen zur subjektiven Tatseite, die für den vom Erstgericht zu Punkt 2. des Urteilssatzes gefällten Schuldspruch unentbehrlich wären, auch gar nicht getroffen hätten werden können, war der Schuldspruch wegen des Vergehens nach §§ 12, 15, 288 Abs. 1 StGB aus dem Ersturteil zu eliminieren. Da die (beiden) vom Erstgericht im Urteil angenommenen Delikte in Idealkonkurrenz begangen worden wären (Leukauf-Steininger2, RN 35 zu § 105), hatte insoweit ein Freispruch zu unterbleiben. Als unbegründet erweist sich die Nichtigkeitsbeschwerde indessen, soweit sie sich unter Beziehung auf die Z 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO gegen die Beurteilung des Briefinhaltes als Verbrechen der schweren Nötigung unter Androhung einer Brandstiftung mit der Argumentation wendet, der Brief enthalte weder eine Drohung mit Brandstiftung noch sei er geeignet, dem Empfänger begründete Besorgnis einzuflößen.

Für die Eignung einer Drohung, begründete Besorgnisse einzuflößen, ist wesentlich, daß diese Eignung objektiv gegeben ist; dies ist unter Anlegung eines objektiven (Durchschnitts-)Maßstabes zu beurteilen. Es kommt somit darauf an, ob der Bedrohte bei unbefangener Betrachtung der Situation die Verwirklichung des angedrohten Übels erwarten, d. h. den Eindruck gewinnen konnte, der Täter sei in der Lage und willens, diese Folge tatsächlich herbeizuführen; daß tatsächlich Besorgnis erweckt wurde, ist zur Tatbestandsverwirklichung ebensowenig erforderlich wie der Umstand, daß der Täter seine Drohung auch zu verwirklichen beabsichtigt (Leukauf-Steininger2, RN 18 zu § 74 und die dort zitierte Judikatur).

Die für den Schuldspruch nötigen Kriterien hat das Schöffengericht mängelfrei festgestellt (S 60 ff). Bedenkt man, daß der Beschwerdeführer bereits mehrfach Brandstiftungen begangen und bisher zweimal versucht hat, das Anwesen des Franz B in Brand zu stecken, so wird deutlich, daß sich der Zeuge durch den Inhalt des Briefes, der in diesem Zusammenhang nur als Drohung mit einer - dem Beschwerdeführer angesichts seines Vorlebens auch durchaus zuzutrauenden - Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz des Zeugen B durch Feuer verstanden werden konnte, ernstlich bedroht fühlen mußte, mag auch das Wort Brandstiftung darin nicht ausdrücklich erwähnt sein. Daß der Zeuge auch tatsächlich in Besorgnis versetzt wurde - was nach dem Gesagten für die Verwirklichung des Tatbestandes gar nicht nötig wäre - ergibt sich daraus, daß er den Brief den Sicherheitsbehörden übergeben hat. Dem Erstgericht ist somit kein Rechtsirrtum unterlaufen, wenn es im Gesamtinhalt des Briefes eine verschlüsselte, dem Zeugen Franz B aber durchaus verständliche, gefährliche Drohung mit Brandstiftung erkannte, durch die der Genannte zur Abgabe einer Erklärung oder Entschuldigung in einer vom Beschwerdeführer gewünschten Richtung im Sinne der §§ 105 Abs. 1, 106

Abs. 1 Z 1 StGB genötigt werden sollte.

Nicht stichhaltig sind auch die Ausführungen des Angeklagten zum Nichtigkeitsgrund nach § 281 Abs. 1 Z 9

lit. b StPO, wenn er meint, das Schöffengericht habe zu Unrecht auf Grund des psychiatrischen Sachverständigengutachtens seine Zurechnungsfähigkeit festgestellt, weil der Sachverständige selbst eingeräumt habe, ihn letztmalig im März 1979, also etwa 15 Monate vor der im Juni 1980 durchgeführten Hauptverhandlung, untersucht zu haben.

Abgesehen davon, daß der Sachverständige bei der Hauptverhandlung im Juni 1980 anwesend war und sich daher ein Bild über den aktuellen Geisteszustand des Beschwerdeführers verschaffen konnte, hat er in seinem schlüssigen Gutachten ausdrücklich auf den Zeitraum zwischen der letzten genauen Untersuchung im März 1979 und der gegenständlichen Hauptverhandlung hingewiesen, trotzdem aber das Vorliegen einer Zurechnungsunfähigkeit bedingenden Geisteskrankheit beim Beschwerdeführer ausgeschlossen (S 52). Mit seinem Vorbringen versucht der Beschwerdeführer nur, einen urteilsfremden Sachverhalt, nämlich seine angebliche Zurechnungsunfähigkeit, einer rechtlichen Wertung zu unterziehen; damit führt er aber den angezogenen materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrund (Z 9 lit. b) nicht gesetzmäßig aus, weil er nicht den vom Erstgericht festgestellten Sachverhalt mit dem darauf angewendeten Gesetz vergleicht. Gleiches gilt für die Ausführungen zur Z 10 des § 281 Abs. 1 StPO, mit denen der Beschwerdeführer sein Verhalten als versuchte (einfache) Nötigung nach §§ 15, 105 Abs. 1 StGB mit dem Hinweis beurteilt wissen will, er habe eine Brandstiftung gar nicht in Aussicht gestellt und überdies nur Äußerungen eines Rechtsanwaltes zitiert. Auch insoweit übergeht der Beschwerdeführer ausdrückliche Feststellungen des Schöffengerichtes, wonach er mit Brandstiftung gedroht hat, und vergleicht somit auch in diesem Fall nicht den urteilsmäßig festgestellten Sachverhalt mit dem darauf angewendeten Gesetz. Daß der Brief an den Zeugen Franz B nur Äußerungen eines Rechtsanwaltes wiedergebe, kann ihm keineswegs entnommen werden; eine derartige Behauptung hat der Beschwerdeführer vorher auch nicht aufgestellt (vgl. S 48).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher insoweit zu verwerfen. Bei der vom Obersten Gerichtshof vorzunehmenden Neubemessung der Strafe wurden die einschlägigen Vorstrafen als erschwerend gewertet; hingegen fielen das teilweise Geständnis des Angeklagten, seine intellektuelle Unterbegabung und der Umstand, daß es beim Versuch blieb, als mildernd ins Gewicht.

Auf der Basis dieser Strafzumessungsgründe und der allgemeinen für die Strafbemessung geltenden Normen (§ 32 StGB) erachtete der Oberste Gerichtshof eine zehnmonatige Freiheitsstrafe für angemessen. Angesichts des bereits empfindlich belasteten Vorlebens des Angeklagten ist die Vollstreckung der Freiheitsstrafe zur Erreichung der Strafzwecke erforderlich. Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

Anmerkung

E02797

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1980:0120OS00117.8.0917.000

Dokumentnummer

JJT_19800917_OGH0002_0120OS00117_8000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten