TE OGH 1980/9/18 12Os103/80

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Veröffentlicht am 18.09.1980
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 18. September 1980

unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Breycha und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller, Dr. Kral, Dr. Steininger und Dr. Lachner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Pichler als Schriftführerin in der Strafsache gegen Helmut A wegen des Vergehens der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung nach § 287 Abs. 1 (§§ 15, 269 Abs. 2) StGB.

über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 12. Mai 1980, GZ. 13 Vr 269/80-26, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Lachner, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Pongracz und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Melnizky, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird Folge gegeben und die über den Angeklagten verhängte Freiheitsstrafe auf 3 (drei) Monate herabgesetzt. Gemäß § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 25. März 1943 geborene Bauhilfsarbeiter Helmut A des Vergehens der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung nach § 287 Abs. 1 StGB., und zwar in bezug auf die §§ 15, 269 (Abs. 1 und) Abs. 2

StGB., schuldig erkannt, weil er am 18. Jänner 1980 (im Urteilsspruch infolge eines offensichtlichen Schreibfehlers unrichtig am '28. 1. 1980') in Graz im Zustand eines fahrlässig herbeigeführten Vollrausches versuchte, den Justizwachebeamten Johann B mit Gewalt und durch (gefährliche) Drohung zu einer Amtshandlung, nämlich zu seiner (AS) Aufnahme (zum Strafvollzug) in das landesgerichtliche Gefangenenhaus Graz zu nötigen, indem er den genannten Beamten, der auf Grund interner Dienstvorschriften die Aufnahme des schwer alkoholisierten Angeklagten abgelehnt hatte, Faustschläge versetzte und ihn mit Äußerungen, wie: 'Wir treffen uns draußen; ich stich dich ab' und 'Ich bring dich um', bedrohte. Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Z. 9 lit. b und 10 (sachlich Z. 9 lit. a und b) des § 281 Abs. 1 StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Ausgehend von der Behauptung, er habe damals lediglich seiner 'staatsbürgerlichen' Verpflichtung zum (dem Richter seinerzeit ehrenwörtlich versprochenen) Antritt einer viermonatigen Haftstrafe nachkommen wollen und deshalb in zumindest vermeintlicher Pflichterfüllung gehandelt, bestreitet der Angeklagte jeden gegen Justizwachebeamte gerichteten Verletzungs- oder Bedrohungsvorsatz und - unter Zugrundelegung dieses Vorbringens - die Tatbestandsmäßigkeit des ihm zur Last liegenden Vergehens.

Rechtliche Beurteilung

Die Beschwerde ist unbegründet.

Zunächst hat das Erstgericht dem Angeklagten, dem ein (zusätzlich) als versuchte (schwere) Körperverletzung nach den §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 2 Z. 4 StGB. zu beurteilendes Tatverhalten (vgl. LSK. 1976/280) nicht zur Last liegt, 'Verletzungsabsicht' überhaupt nicht unterstellt, weshalb der diesbezügliche Beschwerdeeinwand von vornherein ins Leere geht. Soweit aber der Beschwerdeführer, der ausschließlich materiellrechtliche Nichtigkeitsgründe geltend macht, eine vorsätzliche (gefährliche) Bedrohung des Justizwachebamten negiert, hält er nicht an dem eine solche verbale Bedrohung feststellenden Urteilssachverhalt fest, und führt die Nichtigkeitsbeschwerde insoweit nicht gesetzmäßig aus. Im übrigen aber liegt dem Ersturteil, wie aus dem Urteilsspruch und den Entscheidungsgründen klar hervorgeht (S. 100 und 103 unten/104), ohnedies die Annahme zugrunde, daß der Angeklagte mit dem in Rede stehenden aggressiven Verhalten seine von den Justizwachebeamten mit dem Hinweis auf seine hochgradige Alkoholisierung (zutreffend) abgelehnte (sofortige) Aufnahme in Strafhaft erzwingen wollte, weshalb es insoweit, der Meinung des Beschwerdeführers zuwider, keiner weiteren Urteilskonstatierungen bedurfte.

In der Richtung eines entschuldigenden (sogenannten 'indirekten') Verbotsirrtums (vgl. Leukauf-Steininger2, RN 9 ff. zu § 9) schließlich hat sich der Angeklagte mit Beziehung auf die ihm vorgeworfenen Tätlichkeiten und Drohungen - die er inhaltlich seiner Verantwortung auf seine Alkoholisierung zurückführte (vgl. S. 55 verso, 92) - in tatsächlicher Hinsicht nicht verantwortet (siehe S. 17, 21; 55 ff. und 91 f.). Da überdies (auch unter dem Aspekt des § 105 Abs. 2 StGB.) der Unrechtscharakter einer durch Faustschläge und die Drohung, ihn 'umzubringen' bzw. 'abzustechen', gegen einen Justizwachebeamten unternommenen Erzwingung der Aufnahme eines schwer Alkoholisierten in ein gerichtliches Gefangenenhaus zwecks Vollzuges einer Freiheitsstrafe für jedermann leicht erkennbar ist - wobei unter dem Gesichtspunkt des im Falle des Angeklagten Helmut A angenommenen Deliktes des § 287 Abs. 1 StGB. eine rauschbedingte Verkennung des Unrechts dem Angeklagten nicht zugutekäme (vgl. EvBl. 1976/203 = ZVR. 1976/178 u. a.)-, wäre ein solcher, in der Nichtigkeitsbeschwerde der Sache nach behaupteter Irrtum des Angeklagten diesem jedenfalls im Sinne des § 9 Abs. 2 StGB. vorzuwerfen, sodaß der Schuldspruch wegen des Vergehens nach § 287 Abs. 1 StGB.

(in Beziehung auf §§ 15, 269 Abs. 2 StGB.) auch nicht unter dem Gesichtspunkt eines dem Angeklagten (angeblich) unterlaufenen Rechtsirrtums - wegen Fehlens des normativen Schuldelementes (§ 281 Abs. 1 Z. 9 lit. b StPO., vgl. SSt. 46/29) - nichtig ist. Die nur auf Fälle des § 269

Abs.1 StGB. beziehbare Straflosigkeitsbestimmung des § 269 Abs. 4 StGB. (und ein damit im Zusammenhang stehender allfälliger Irrtum des Angeklagten im Sinne des § 8

StGB.) schließlich kommt vorliegend schon deshalb nicht in Betracht, weil der Angeklagte den Urteilsfeststellungen zufolge im Sinne des § 269 Abs. 2 StGB. versuchte, einen Beamten zu einer Amtshandlung zu nötigen.

Die zur Gänze unberechtigte Nichtigkeitsbeschwerde war mithin zu verwerfen.

Das Erstgericht verurteilte den Angeklagten nach § 287 Abs. 1 StGB. zu vier Monaten Freiheitsstrafe. Bei der Strafbemessung nahm es als erschwerend die auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden Vorstrafen und das Vorliegen der Voraussetzungen der Strafschärfung bei Rückfall nach § 39 StGB. an, als mildernd hingegen den Umstand, daß es beim Versuch geblieben ist sowie das teilweise Tatsachengeständnis.

Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte (ersichtlich) eine Herabsetzung der Freiheitsstrafe an.

Die Berufung ist berechtigt.

Das Erstgericht hat die Strafzumessungsgründe zwar im wesentlichen zutreffend festgestellt, doch ist nach Lage des Falles - vor allem im Hinblick auf das der Tat vorangegangene Verhalten des Justizwachebeamten B (Torposten), der dem Aufnahme zum Strafantritt begehrenden Angeklagten trotz dessen (erkannter) Alkoholisierung und der bereits (um 16 Uhr) abgelaufenen Aufnahmezeit das Tor öffnete - die verhängte Freiheitsstrafe selbst unter Berücksichtigung des belasteten Vorlebens des Berufungswerber etwas überhöht, weshalb die ausgesprochene Strafe in Stattgebung der Berufung angemessen herabzusetzen war.

Die Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.

Anmerkung

E02774

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1980:0120OS00103.8.0918.000

Dokumentnummer

JJT_19800918_OGH0002_0120OS00103_8000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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