Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 17. Februar 1981
unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Racek in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini, Dr. Friedrich, Dr. Hörburger und Dr. Lachner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Zeitler als Schriftführerin in der Strafsache gegen Otto A und andere wegen des Vergehens nach § 102 Abs 1 Z 2 KartG über die von der Staatsanwaltschaft hinsichtlich der Angeklagten Otto A, Dipl.Ing. Johann B, Alfred C, Wolfgang D, Georg E, Dipl.Ing. Ferdinand F, Otto Heinz G, Norbert H, Ottokar I, Johann J, Robert K, Max L, Johannes M und Heinz N gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 27. September 1979, GZ. 6 d Vr 546/76-288, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich, der Ausführungen der Verteidiger und Vertreter von Haftungsbeteiligten Dr. Czerwenka, Dr. Straberger, Dr. Roessler, Dr. Hyrohs, Dr. Bilowitzky, Dr. Grünauer und DDr. Stölzle sowie der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Kodek, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurden (unter anderem) die oben angeführten (vierzehn) Personen (auch) von der Anklage, sie hätten in den Jahren 1973 bis 1975 (anläßlich der Ausschreibung von Aufträgen) durch die Abgabe und Aufrechterhaltung von in Ansehung der Preise abgesprochenen, teils begünstigenden und teils begünstigten Offerten unter der Vorgabe, es handle sich um echte Konkurrenzofferte, vorsätzlich Kartelle durch Absprache (§ 1 Abs 1 Z 2 KartG) durchgeführt, bevor diese Kartelle ins Kartellregister eingetragen worden waren, und einige von ihnen hätten überdies dazu durch firmeninterne Anordnungen zur Erstellung der absprachegemäßen Anbote für andere Unternehmen beigetragen - wodurch sie das Vergehen nach § 102 Abs 1 Z 2 KartG, zum Teil außerdem durch einen sonstigen Tatbeitrag nach § 12 dritter Fall StGB, begangen hätten -, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.
Das Erstgericht nahm als erwiesen an, daß von keiner Seite zur Durchsetzung der Absprachen ein wirtschaftlicher, gesellschaftlicher oder sonstiger Druck ausgeübt wurde oder zu erwarten und jeweils auch allen an der betreffenden Vereinbarung Beteiligten dabei deren Unverbindlichkeit bewußt war; demzufolge beurteilte es diese Vereinbarungen nicht als Kartelle durch Absprache nach Z 2, sondern als (bloß) solche durch abgestimmtes Verhalten nach Z 3 des § 1 Abs 1 KartG, deren Durchführung nicht von der Strafbestimmung der Z 2 und im vorliegenden Fall mangels ihrer vorläufigen Untersagung auch nicht von jener der Z 1 des § 102 Abs 1 KartG erfaßt werde. Zu der auf § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO gestützten, nicht sämtliche Fakten (und insbesondere nicht - wie in den Gegenausführungen des Genannten, ON 293, vermeint wird -
auch das Faktum I.26. in Ansehung des Angeklagten Heinz N) betreffenden Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen (nur) diesen Freispruch hat die Generalprokuratur wie folgt Stellung genommen:
' Die Argumentation der Beschwerdeführerin läßt sich dahin zusammenfassen, daß nach dem klaren Wortlaut des Kartellgesetzes ein im Falle des Vorliegens der Voraussetzungen des § 102 Abs 1 Z 2 KartG strafbares Kartell durch Absprache nach dem § 1 Abs 1 Z 2 lit b KartG nur dann nicht vorliege, wenn die Unverbindlichkeit der Absprache in dieser selbst ausdrücklich und unmißverständlich klargestellt werde. Da das Erstgericht einen solchen ausdrücklichen Hinweis nicht feststellte, sondern sich mit dem Bewußtsein der Unverbindlichkeit der Vereinbarungen begnügte, wäre rechtsrichtig wegen der Durchführung dieser Kartelle vor Eintragung in das Kartellregister mit Schuldspruch gemäß § 102 Abs 1 Z 2 KartG vorzugehen gewesen.
Jedenfalls hätte ein Freispruch nur erfolgen dürfen, wenn Feststellungen dahin getroffen worden wären, daß schon in der Absprache selbst auf deren Unverbindlichkeit hingewiesen wurde. Ihre Rechtsansicht findet jedoch nur scheinbar im Gesetz eine Stütze: Nach dem Gesetzeswortlaut muß zwar an sich auf deren Unverbindlichkeit in der Absprache selbst ausdrücklich in unmißverständlicher Weise hingewiesen werden.
Die dem angefochtenen Freispruch zugrundeliegende, von der Beschwerdeführerin bekämpfte Rechtsansicht, das Bewußtsein aller Beteiligten, die Absprache unter ihnen sei unverbindlich, suppliere jedenfalls einen ausdrücklich und unmißverständlich erklärten Hinweis auf diese Unverbindlichkeit, stützt sich auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 30. Mai 1969, 12 Os 249/68, SSt 40/
34 = EvBl 1970/21 = RZ 1969, 168 = ÖBl 1969, 114 ('Linzer Kreis-Entscheidung'). Seit dieser zu § 38 KartG 1959
ergangenen Entscheidung ist die Rechtslage zwar insoferne geändert, als die Definition des Kartells im Kartellgesetz 1972 in dem hier interessierenden Punkt dadurch ergänzt wurde, daß die Unverbindlichkeit 'in der Absprache selbst' erklärt werden muß. Gleichwohl ist am Grundgedanken der zitierten Entscheidung festzuhalten. Wie den Materialien zum Kartellgesetz 1972 (Erl.Bem. RV 473 Beil. XIII GP S 27 und 28) zu entnehmen ist, hatte die in gleicher Weise erfolgte Definition der Kartelle durch Preisempfehlung und Preisankündigung nach § 1 Abs 1 Z 4 und Z 5 KartG dort vornehmlich den Zweck, sicherzustellen, daß (auch und insbesondere) die Verbraucher auf die Unverbindlichkeit der Ankündigung hingewiesen würden. Während nämlich nach § 1 Abs 3 KartG 1959 eine Preisempfehlung gemäß Abs 2 lit b nicht vorlag, wenn die dort näher bezeichneten Preislisten etc mit dem Vermerk versehen waren, daß es sich um 'nicht kartellierte Preise' handelt, brachte das KartG 1972 insofern eine wesentliche Verschärfung, als nunmehr nur solche mit Preisangaben versehene Ankündigungen (§ 1 Abs 1 Z 5) nicht dem Kartellbegriff unterstellt werden, in denen die dort angegebenen Preise ausdrücklich in unmißverständlicher Weise als unverbindlich bezeichnet werden. Das in der bisherigen Judikatur zu den Kartellen durch Preisempfehlung herausgearbeitete unbedingte Erfordernis des ausdrücklichen Hinweises auf die Unverbindlichkeit (vgl. EvBl 1968/93 = RZ 1967, 163 = ÖBl 1967, 115 und EvBl 1964/272 = SSt 35/4
= ÖBl 1964, 76) wurde somit durch die präzisere Formulierung des Gesetzes bestätigt (siehe auch SSt 44/34).
Rechtliche Beurteilung
Die besagte Ergänzung und Präzisierung des Gesetzestextes hat jedoch für die hier in Rede stehenden Kartelle durch Absprache naturgemäß nicht die Bedeutung wie für die im KartG 1972 eingeführten Kartelle durch Ankündigung (§ 1 Z 5), weil hier nicht die Unverbindlichkeit (auch) der Absprache außenstehenden Personen (nämlich den Verbrauchern) mitgeteilt werden muß, sondern ausschließlich den Absprechenden selbst. Für diese Ergänzung (auch) der Z 2 des § 1 Abs 1
KartG findet sich demgemäß in den Materialien nur die Begründung, daß das Erfordernis des ausdrücklichen Unverbindlichkeitshinweises die Gefahr ausschließen will, daß infolge des Nichtwissens um die Unverbindlichkeit einer Absprache (Empfehlung) oder des Sichnichtbewußtseins einer solchen ein Teilnehmer diese für verbindlich hält (aaO S 28). Dem kann keineswegs die Absicht des Gesetzgebers entnommen werden, in Abkehr von der oben zitierten Judikatur die Rechtslage zu verschärfen. Für das Festhalten an dieser Judikatur spricht auch, daß insbesondere bei wiederholten Absprachen unter gleichbleibendem Personenkreis eine formelhafte Wiederholung des Hinweises auf die Unverbindlichkeit an dem Bewußtsein aller Teilnehmer hievon, auf das es dem Gesetzgeber doch offenbar entscheidend ankommt, nichts mehr ändern würde. Das Postulat formelhafter Hinweise in der Absprache auf die Unverbindlichkeit würde auch - entgegen der von der Beschwerdeführerin vertretenen Auffassung - die Beweislage nicht zu Gunsten der Anklagebehörde ändern, weil der Nachweis der Erfüllung eines solchen Postulats genau so leicht oder schwer zu führen wäre wie die Feststellung des allerdings ausschließlich im inneren Bereich der Täter liegenden Bewußtseins von der Unverbindlichkeit. Für die rechtliche Beurteilung entscheidend ist lediglich der Wille des Gesetzgebers, die Absprachen unter Unternehmern zur Regelung oder Beschränkung des Wettbewerbs dann nicht unter die Strafdrohung des § 102 Abs 1 Z 2 KartG zu stellen, wenn - abgesehen von dem hier nicht in Betracht kommenden Fall der Ausübung von Druck zur Durchsetzung -
eindeutig nachgewiesen ist, daß die Absprechenden das Bewußtsein der Unverbindlichkeit ihrer Absprache haben.
Der vom Gesetzgeber zur Feststellung dieses Bewußtseins gewiesene Weg, nämlich die ausdrückliche und unmißverständliche Erklärung hievon, muß aus Gründen der Rechtslogik - anders als im Fall des Preisempfehlungskartells - zwingend im Sinne eines zu Gunsten der Angeklagten gezogenen Analogieschlusses in der Richtung ergänzt werden, daß das bei allen Absprechenden zweifelsfrei und eindeutig nachgewiesene Vorliegen des Bewußtseins der Unverbindlichkeit ihrer Absprache auch dann die Annahme eines Kartells der in Rede stehenden Art ausschließt, wenn es auf andere Weise, sei es durch die Beispielswirkung früherer Absprachen, sei es durch die Verkehrssitte oder durch schlüssige Erklärungen (§ 863 Abs 1 ABGB) hervorgerufen worden ist.
Eine Absprache, von der zweifelsfrei festgestellt ist, daß sie im Bewußtsein aller Teilnehmer eindeutig und unmißverständlich unverbindlich getroffen wurde, entspricht nicht dem Begriff des Kartells nach § 1 Z 2 KartG, sodaß sich der Freispruch in diesem (allein angefochtenen) Punkt als richtig erweist und die Nichtigkeitsbeschwerde zu verwerfen wäre.' Dieser Auffassung pflichtet der Oberste Gerichtshof aus folgenden Erwägungen bei:
Die Durchführung von (den Bestimmungen des KartG unterliegenden - vgl. §§ 4, 5 KartG) Kartellen vor ihrer (noch nicht rechtskräftig abgelehnten - vgl. § 102 Abs 1 Z 7
KartG) Eintragung ins Kartellregister ist (für Täter, die nicht Letztverkäufer als Mitglieder einer vertikalen Preisbildung sind - vgl. § 102 Abs 3 KartG) je nach der Art des betreffenden Kartells entweder nach Z 2 oder nach Z 1 des § 102 Abs 1 KartG als Vergehen strafbar, und zwar nach Z 2 ohne weitere Voraussetzungen, nach Z 1 aber nur dann, wenn sie überdies einer vorläufigen Untersagung zuwiderläuft. Beide in Rede stehenden Strafbestimmungen des § 102 Abs 1 KartG zusammen erfassen daher die vorerwähnte Wettbewerbsbeschränkung (Durchführung nicht eingetragener Kartelle) lückenlos, wobei in Z 1 für die darin bezeichneten Kartell-Arten insofern eine im Vergleich zur Z 2, die für alle übrigen Kartelle gilt, privilegierende Regelung getroffen wird, als zur Strafbarkeit zusätzlich ein Verstoß gegen eine vorläufige Untersagung des Kartells erforderlich ist; in einer im Rahmen dieser Gesamtregelung bei ansonsten gegebenen Strafbarkeitsvoraussetzungen zur Straflosigkeit führenden Zuordnung eines bestimmten Kartells zu einer der in § 102 Abs 1 Z 1 KartG bezeichneten Arten, darunter auch die Kartelle durch abgestimmtes Verhalten (§ 1 Abs 1 Z 3 KartG) - nicht aber jene durch Absprache (§ 1 Abs 1 Z 2 KartG) -, liegt demnach eine den Täter privilegierende Rechtsanwendung, die auch im Weg von Ähnlichkeitsschlüssen zulässig ist (vgl. Leukauf-Steininger, StGB2, RN 8 zu § 1, Mayerhofer-Rieder, StGB, Anm. 1 zu § 1, sowie RZ 1978/22 uam). Gerade bei der hier aktuellen Fallkonstellation liegt aber eine derartige (Gesetzes-)Analogie - denn darum geht es, und nicht, wie in der Beschwerde mit Bezug auf eine (auch sonst keine gleichgelagerte Rechtsanwendungsproblematik betreffende) Entscheidung (EvBl 1972/159) sowie in Gegenausführungen (ON 294) angenommen wird, um eine Frage der Auslegung (vgl. hiezu ÖJZ 1980, 61 ff, insb. 7.4.2) - nach der ratio legis des § 1 Abs 1 Z 2 lit b KartG, den Beschwerdeargumenten zuwider, klar auf der Hand.
Die (im KartG 1959 noch nicht vorgesehen gewesene, erst mit dem KartG 1972 neu geschaffene) Erscheinungsform der Kartelle durch abgestimmtes Verhalten (§ 1 Abs 1 Z 3 KartG) erfaßt nämlich nach Wortlaut und Systematik des Gesetzes bloß solche (der Legaldefinition entsprechenden) Verhaltensweisen, die weder auf ein Vertragskartell (§ 1 Abs 1 Z 1 KartG), also auf eine vertragliche Verpflichtung, noch auf ein Kartell durch Absprache (§ 1 Abs 1 Z 2 KartG) zurückgehen; die Annahme, daß im Fall einer unverbindlichen Verabredung kein Kartell durch Absprache vorliegt, ist aber - nach den (alternativen) Prämissen der lit a und lit b des § 1 Abs 1 Z 2 KartG für das Zustandekommen eines solchen Kartells - nur dann gerechtfertigt, wenn in einer derartigen (nicht auf Rechtsverbindlichkeit zielenden) übereinkunft (gentlemen' s agreement) selbst ausdrücklich und unmißverständlich auf ihre Unverbindlichkeit hingewiesen (Vorliegen der - negativen - Voraussetzung nach lit b) und überdies zu ihrer Einhaltung kein Druck ausgeübt (Fehlen der - positiven - Voraussetzung nach lit a) wird (vgl. die Erl. Bem. zur RV des KartG 1972, 473 d. Beil. zu den sten. Prot. des NR, XIII. GP, S 27).
Nach dem Wortlaut des § 1 Abs 1 Z 2 lit b KartG entspricht daher, wie der Staatsanwaltschaft einzuräumen ist, das - dabei schon vorhandene - (bloße) Bewußtsein aller am Abschluß einer Vereinbarung (Absprache) Beteiligten, daß diese unverbindlich ist, (allein) in der Tat nicht der zum Ausschluß ihrer Beurteilung als Kartell durch Absprache (und damit zur Annahme bloß eines abgestimmten Verhaltens) erforderlichen (oben angeführten ersten) Prämisse eines in der betreffenden übereinkunft selbst zu gebenden ausdrücklichen und unmißverständlichen Hinweises auf deren Unverbindlichkeit. Auch ist der Anklagebehörde darin beizupflichten, daß das Erstgericht im vorliegenden Fall tatsächlich nicht mehr als ein solches Bewußtsein der Unverbindlichkeit als erwiesen angenommen hat, weil es - einer in Gegenausführungen (ON 293) zur Nichtigkeitsbeschwerde vertretenen Auffassung zuwider - mit der Feststellung, daß bei den Verabredungen völlig frei geblieben sei, ob das jeweils abgesprochene 'Kalkulationsmodell' wirklich eingereicht werde oder nicht (S 358/VI), zwar wohl eine Verbindlichkeit der (in anderen Gegenausführungen, ON 295, sachverhaltswidrig und deshalb zu Unrecht in bloß faktische Handlungen umgedeuteten) Absprachen ausgeschlossen (vgl. etwa S 374/VI), damit jedoch keineswegs schon ausdrückliche und unmißverständliche Unverbindlichkeitshinweise konstatiert hat.
Gerade die Sicherstellung des in Rede stehenden Bewußtseins einer
Unverbindlichkeit der Absprache bei allen daran Beteiligten (in
einer jeden Zweifel ausschließenden Weise) ist aber das Ziel des in
§ 1
Abs 1 Z 2 lit b KartG verlangten Hinweises: er soll - wie der
Oberste Gerichtshof schon zum KartG 1959 hervorgehoben hat (SSt
40/34) und in den Gesetzesmaterialien zum nunmehr geltenden KartG
1972 (Erl.Bem., aaO, S 28) ausdrücklich festgehalten wird - 'die
Gefahr ausschliessen, daß infolge des Nichtwissens um die
Unverbindlichkeit einer Absprache ... oder des Sichnichtbewußtseins
einer solchen ein Teilnehmer diese Absprache ... für verbindlich
hält'.
Das wird auch von der Anklagebehörde nicht verkannt, doch meint jene, der Gesetzgeber habe sich bei der Abfassung des Wortlauts der vorerwähnten Gesetzesstelle gezielt mit einem (bloßen) Unverbindlichkeitsbewußtsein bei den an der Absprache Beteiligten deshalb nicht begnügt und statt dessen einen speziellen Unverbindlichkeitshinweis verlangt, weil er im Hinblick auf die - wegen der (regelmäßig) gemeinsamen Interessenlage der Kartell-Teilnehmer - typischen Beweisschwierigkeiten 'hinsichtlich der Frage der Verbindlichkeit der Absprachen' nicht auf rein subjektive Kriterien habe abstellen wollen. Diese Auffassung ist indessen nicht haltbar.
Auf die 'Frage der Verbindlichkeit' von Absprachen - also (mit anderen Worten) darnach, ob sie überhaupt unverbindlich sind, und dementsprechend auch auf die darauf bezogene Beweisführung - ist, wie vorweg klargestellt werden muß, das in Rede stehende Erfordernis eines Unverbindlichkeits-Hinweises jedenfalls nicht gemünzt; denn es dient ja nicht etwa zur Abgrenzung der Vertragskartelle (§ 1 Abs 1 Z 1 KartG) einerseits von den Kartellen durch Absprache oder durch abgestimmtes Verhalten (§ 1 Abs 1 Z 2 und 3 KartG) anderseits, sondern vielmehr - der (schon früher erwähnten) Systematik des Gesetzes entsprechend, nach der es schon zur Zeit des KartG 1959 (in ähnlicher Weise) die Geltungskartelle nach dessen § 1 Abs 2 lit a nicht gegenüber den (Vertrags-)Kartellen nach dessen § 1 Abs 1, sondern von den kartellrechtlich nicht erfaßten Vereinbarungen abgegrenzt hatte - ausschließlich zur Differenzierung zwischen den Kartellen durch Absprache und jenen durch (bloß) abgestimmtes Verhalten, die (im möglichen überschneidungsbereich) beide eine Unverbindlichkeit der wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarung zur Voraussetzung haben. In Wahrheit kann es daher bei der von der Staatsanwaltschaft relevierten Beweisfrage einzig und allein um das für die Abgrenzung zwischen Kartellen durch Absprache und solchen durch (nur) abgestimmtes Verhalten maßgebende Kriterium gehen.
Hält man sich aber bei dieser Frage vor Augen, daß - was (wie erwähnt) auch in der Beschwerde gar nicht in Zweifel gezogen wird - das gesetzliche Verlangen nach dem insoweit relevanten Unverbindlichkeitshinweis keineswegs eine abstrakte, etwa gar (bloß) auf die Verwendung bestimmter Formeln oder Floskeln abzielende Formalvorschrift ist, sondern vielmehr eindeutig den materiellen Zweck verfolgt, dem Erklärungsempfänger (zur Entlastung seiner wirtschaftlichen Dispositionen von wettbewerbsbeeinträchtigenden überlegungen) das sichere Bewußtsein einer Unverbindlichkeit der Absprache zu vermitteln, dann zeigt sich, daß in Fällen (wie im hier vorliegenden), in denen zwar nicht ein solcher Hinweis (in der Absprache selbst) gegeben wird, das damit bezweckte Unverbindlichkeitsbewußtsein jedoch aus anderen Gründen bei allen Beteiligten ohnedies gegeben ist, die (nach der ratio legis für die Anwendung eines strengeren Strafgesetzes maßgebende) Annahme, jenes (mehrfach aufgezeigte) Ziel des Gesetzes sei nicht erreicht worden, auf einer Fiktion beruhen würde. Die in der Beschwerde vertretene Ansicht, das Erfordernis eines Unverbindlichkeitshinweises diene zur Erleichterung der Beweisführung gegen den Angeklagten, läuft daher im Effekt auf eine Deutung des § 1 Abs 1 Z 2 lit b KartG als eine - in Ansehung der ratio legis nicht nur mit den Grundsätzen der Erforschung der materiellen Wahrheit und der freien Beweiswürdigung (§§ 3, 258 Abs 2 StPO) völlig unvereinbare, sondern vor allem dann, wenn das Unverbindlichkeitsbewußtsein aller Beteiligten erwiesen ist, sogar zu einer für den Angeklagten nachteiligen Fiktion führende - starre gesetzliche Beweisregel (nach Art einer unwiderlegbaren Tatsachenvermutung) hinaus. Daß dem Gesetzgeber des Jahres 1972 eine derartige Zielsetzung, für die sich naturgemäß in den Materialien keinerlei Anhaltspunkt findet, nicht unterstellt werden kann, liegt auf der Hand.
Erörterungen darüber, aus welchen Erwägungen der Gesetzgeber den Wortlaut der in Rede stehenden Gesetzesstelle, gemessen an ihrer Zielsetzung, sprachlich zu eng formuliert hat, sind im gegebenen Zusammenhang müßig; insoweit kann es mit dem Hinweis auf die Gleichartigkeit dieser Formulierung mit jener in § 1 Abs 1 Z 4 lit b und Z 5 KartG in bezug auf die dort normierte jeweils analoge (negative) Voraussetzung für die Annahme von Empfehlungskartellen und von Kartellen durch Ankündigungen, bei denen ein Abstellen auf das Unverbindlichkeitsbewußtsein der Erklärungsempfänger infolge der regelmäßigen Unbestimmtheit des Adressatenkreises nicht in Betracht kommen konnte, das Bewenden haben.
Wird aber davon ausgegangen, daß § 1 Abs 1 Z 2 lit b KartG nach der ratio legis tatsächlich nur eine Sicherstellung des Unverbindlichkeitsbewußtseins bei allen an der Absprache Beteiligten bezweckt, dann ist insoweit der Erteilung eines (dieses Bewußtsein letzten Endes doch nur indizierenden) Unverbindlichkeitshinweises das auf anderen Gründen beruhende wirkliche (Schon-) Vorhanden-Sein eines solchen Bewußtseins jedenfalls gleichzuhalten. Daraus folgt, daß die Rechtsfrage, ob Absprachen, deren Unverbindlichkeit dabei allen daran Beteiligten erwiesenermaßen klar ist, ohne daß in ihnen selbst ausdrücklich und unmißverständlich darauf hingewiesen wurde, den Kartellen durch Absprache nach Z 2 oder jenen durch (bloß) abgestimmtes Verhalten nach Z 3 des § 1 Abs 1 KartG zuzuordnen ist, nicht nach dem Wortlaut des § 1 Abs 1 Z 2 lit b KartG zu lösen ist, sondern entsprechend dem Ziel dieser Bestimmung unter Ausfüllung der durch ihre sprachlich zu enge Fassung verursachten aufgezeigten Gesetzeslücke zugunsten der Angeklagten: darnach wurden deren als erwiesen angenommene Preisabsprachen infolge des dabei vorgelegenen - bei Empfehlungen und Ankündigungen (§ 1 Abs 1 Z 4 lit b und Z 5 KartG) wegen der bereits oben erwähnten regelmäßigen Unbestimmtheit des Adressatenkreises kaum aktuellen - Bewußtseins ihrer Unverbindlichkeit bei allen daran Beteiligten mit Recht nicht als Kartelle durch Absprache, sondern als solche (bloß) durch abgestimmtes Verhalten beurteilt, ohne daß darüber hinaus auch noch Feststellungen dazu erforderlich gewesen wären, ob bei diesen Absprachen selbst (ausdrücklich und unmißverständlich) auf deren Unverbindlichkeit hingewiesen wurde.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.
Anmerkung
E03080European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1981:0100OS00155.8.0217.000Dokumentnummer
JJT_19810217_OGH0002_0100OS00155_8000000_000