TE OGH 1981/2/24 9Os156/80

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Veröffentlicht am 24.02.1981
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Der Oberste Gerichtshof hat am 24. Februar 1981

unter dem Vorsitz des Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Obauer in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth, Dr. Horak, Dr. Reisenleitner und Dr. Lachner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Mayer als Schriftführerin in der Strafsache gegen Emil A wegen des Verbrechens des räuberischen Diebstahls nach §§ 127 Abs. 1, 131 StGB über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Kreisgerichtes Wels als Schöffengericht vom 18. Juni 1980, GZ. 11 Vr 398/79-48, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth, Verlesung der Berufung der Staatsanwaltschaft und Anhörung der Ausführungen des Verteidigers Dr. Maximilian Ganzer, und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Stöger, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 18. November 1947 geborene Reisende Emil A des Verbrechens des räuberischen Diebstahls nach §§ 127 Abs. 1, 131 StGB schuldig erkannt; nach dem Inhalt des Schuldspruches hat er am 11. November 1976 in Wels fremde bewegliche Sachen, nämlich drei Stück Musikkassetten im Wert von ca 400 S Verfügungsberechtigten des Kaufhauses 'SUPER-POINT, Wels-Nord' mit dem Vorsatz weggenommen, sich oder einen Dritten durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, wobei er bei seiner Betretung auf frischer Tat dadurch, daß er seinen PKW mit geöffneter Lenkertüre in Bewegung setzte und nicht anhielt, obgleich Katharina B sich mit einer Hand an der PKW-Tür festhielt und schließlich, um nicht zu stürzen, loslassen mußte, Gewalt gegen eine Person anwendete, um sich die weggenommenen Sachen zu erhalten. Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte mit einer ziffernmäßig auf die Nichtigkeitsgründe nach § 281 Abs. 1 Z 5, 9 (ohne weitere Präzisierung) und 10 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Daß die Zeugin B und eine deren Kolleginnen den Angeklagten beim Verlassen des Kaufhauses von vorne und hinten betrachteten und dabei die erwähnten drei Musikkassetten nicht bemerkten, hat das Schöffengericht ohnehin festgestellt; die Annahme, daß er das Diebsgut in diesem Augenblick in einem Paket Kosmetik-(oder Taschen-)tücher verborgen hatte, findet in der Aussage der Zeugin B Deckung. Aus der Tatsache, daß die beiden Kassierinnen keine Auffälligkeiten an der Kleidung des Beschwerdeführers feststellten, läßt sich dabei für ihn nichts gewinnen. Es war deshalb auch nicht entscheidungswesentlich, Feststellungen über die Kleidung des Beschwerdeführers zu treffen, die er zur Tatzeit getragen hat. Richtig ist zwar, daß die Annahme des Schöffengerichtes, der Angeklagte müsse die aus einem Kassettenständer entnommenen Kassetten auf der Toilette des Kaufhauses oder im Verkaufsraum selbst in die Packung Kosmetiktücher gesteckt haben, nur eine Schlußfolgerung ist, weil den Angeklagten hiebei niemand beobachtet hat. Der vom Gericht gezogene Schluß ist aber denkrichtig und zulässig. Er bezieht sich im übrigen auf keinen entscheidungswesentlichen Umstand, da es für die Beurteilung des Tatgeschehens nicht bedeutsam ist, wo der Beschwerdeführer die Musikkassetten in der Taschen-(Kosmetik-)tücherpackung versteckt hat. Durch die Klärung dieses Umstandes würde sich weder an der rechtlichen Beurteilung der Tat etwas ändern, noch an der Glaubwürdigkeit der Zeugen, die ja diesbezüglich keine Angaben machten.

Rechtliche Beurteilung

Soweit der Beschwerdeführer im Rahmen der Rüge nach § 281 Abs. 1 Z 5 StPO die Nichtdurchführung eines Lokalaugenscheines als allfälligen 'weiteren' Verfahrensmangel geltend macht, übersieht er, daß er damit der Sache nach den Nichtigkeitsgrund nach § 281 Abs. 1 Z 4 StPO releviert.

Hiefür fehlt es ihm allerdings schon an der formellen Legitimation, die nur dann vorläge, wenn über einen entsprechenden Beweisantrag nicht oder abschlägig entschieden worden wäre. Nun hat der anwaltlich vertretene Beschwerdeführer in der wegen Zeitablaufes und geänderter Zusammensetzung des Senates am 18. Juni 1980 neu durchgeführten Hauptverhandlung gar keinen Beweisantrag gestellt, über den das Gericht entscheiden hätte können. Auf das bezügliche Vorbringen muß daher nicht weiter eingegangen werden, zumal auch nicht ersichtlich ist, welche für den Angeklagten günstigere Schlüsse aus der Durchführung eines Lokalaugenscheines gezogen werden könnten.

Daß der Beschwerdeführer drei (und nicht bloß zwei) Musikkassetten gestohlen hatte, konnte das Erstgericht auf Grund der Aussagen des Zeugen C feststellen, der von drei gestohlenen Kassetten gesprochen hat (S 19, 73). Es trifft daher nicht zu, daß alle Zeugen stets nur von zwei Kassetten sprachen. Welche Marke und welchen Titel die gestohlenen Kassetten hatten, wurde im Verfahren nicht erörtert. Das Fehlen von 'Feststellungen' hierüber stellt daher keinen Begründungsmangel im Sinne der Z 5 des § 281 Abs. 1 StPO dar. Da derartige Feststellungen im übrigen für die rechtliche Beurteilung des Verhaltens des Angeklagten und das anzuwendende Strafgesetz entbehrlich sind, liegt auch eine andere Nichtigkeit nicht vor.

Es ist vorliegend nach Lage des Falles - da der Beschwerdeführer selbst einräumte, daß dies während einer Zeitspanne von ca. einer halben Minute gewesen ist (S 36 d. A), die er für den Weg von der Kassa des Supermarktes bis zu seinem auf dem Parkplatz dieses Unternehmens (S 21 d. A) stehenden PKW und für einige Startversuche benötigte (S 53, 179 d. A) - ohne Bedeutung, wieviel Zeit (genau) zwischen dem Verlassen des Geschäftslokales und der Betretung des Angeklagten in seinem PKW mit der Diebsbeute durch die (auf Grund der Mitteilungen ihrer Kollegen und wegen des Verhaltens des Angeklagten bei der Kassa argwöhnisch gewordene) Kassierin des Supermarktes verstrich; denn er wurde nach den dem Urteil zugrundegelegten Angaben der Zeugin B (S 79, 190, 208 d.A) von dieser während des gesamten Zeitraumes, den er zum Fortschaffen der Beute bis zu seinem Kraftfahrzeug benötigte, beobachtet und von ihr gerade in jenem Augenblick gestellt, in dem er die gestohlenen Kassetten aus der Packung Kosmetiktücher nahm, in der sie bisher versteckt waren. Unter diesem Blickwinkel gesehen sind Begründungsfehler, die dem Erstgericht in bezug auf die Dauer des oben erwähnten Zeitraumes unterliefen, nicht entscheidungswesentlich und es kann auch - den Beschwerdeausführungen zuwider - nicht gesagt werden, daß der Angeklagte die Beute durch das Verbringen in sein Auto in Sicherheit gebracht hatte. Er wurde vielmehr - wie das Erstgericht in rechtlicher Hinsicht zutreffend annahm - auf frischer Tat betreten und haftet sohin diesem Ausspruch ein Mangel nicht an. Insoweit der Beschwerdeführer in seinen weiteren Ausführungen davon ausgeht, daß er Gewalt nicht anwendete, um sich im Besitz der gestohlenen Sachen zu erhalten, sondern sich nur durch Flucht vor Strafverfolgung schützen wollte, weicht er von den erstgerichtlichen Feststellungen (S 204 d.A) ab. Diesbezüglich ist also seine Beschwerde nicht zur gesetzmäßigen Darstellung gebracht. Geht man aber davon aus, daß der Angeklagte einen nach § 131 StGB qualifizierten Diebstahl begangen hat, scheidet nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes eine Beurteilung der Tat als Entwendung nach § 141 StGB aus.

Auch fallen damit alle Erwägungen in sich zusammen, die der Angeklagte über das Fehlen einer Ermächtigung zur Strafverfolgung (wegen § 141 StGB) anstellt. Weiters kommt - mit Rücksicht auf den anzuwendenden ersten Strafsatz des § 131 StGB, der von sechs Monaten bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe reicht - eine Anwendung des § 42 StGB nicht in Betracht. Der Nichtigkeitsbeschwerde war daher ein Erfolg zu versagen.

Das Schöffengericht verurteilte den Angeklagten nach dem ersten Strafsatz des § 131 StGB unter Anwendung der §§ 37 und 41 Abs. 1 StGB zu einer Geldstrafe von 150 (einhundertfünfzig) Tagessätzen in Höhe von je S 110,-- (einhundertzehn Schilling), im Falle der Uneinbringlichkeit zu 75 Tagen Ersatzfreiheitsstrafe. Es sah gemäß § 43 Abs. 1 StGB die Geldstrafe für eine Probezeit von zwei Jahren bedingt nach. Bei der Strafbemessung wurde als mildernd der geringe Wert des Diebsgutes, der bisher ordentliche Lebenswandel und die Tatsache angenommen, daß die Straftat schon lange Zeit zurückliegt und der Angeklagte sich seither wohlverhalten hat. Erschwerend war hingegen kein Umstand.

Die beiden Vorstrafen (wegen § 88 Abs. 1 StGB und wegen § 83 Abs. 2 StGB) sah das Gericht wegen ihrer Geringfügigkeit und weil sie nicht auf derselben schädlichen Neigung beruhen, nicht als erschwerend an. Mit seiner nicht weiter ausgeführten Berufung strebt der Angeklagte eine Milderung des Strafausmaßes an. Die Staatsanwaltschaft hingegen begehrt in ihrem Rechtsmittel den Ausspruch einer Freiheitsstrafe (in der Dauer von mindestens sechs Monaten) und die Bestimmung der Probezeit mit drei Jahren.

Beiden Berufungen kommt keine Berechtigung zu.

Der Staatsanwaltschaft ist zwar einzuräumen, daß die wegen § 83 Abs. 2 StGB ausgesprochene Vorstrafe einschlägig ist und insoweit auch bei der Strafbemessung nicht gänzlich übergangen werden kann. Es kann ihr jedoch nicht gefolgt werden, wenn sie vermeint, daß vorliegend gerade im Hinblick auf diese Vorstrafe und den relativ raschen Rückfall sowie wegen der steigenden Anzahl von Kaufhausdiebstählen die Verhängung einer Freiheitsstrafe über den Angeklagten unerläßlich sei. Gewiß wird in der Regel aus generalpräventiven Gründen bei einem Zunehmen der Kriminalität mit strengeren Strafen vorzugehen sein und ist auch üblicherweise der Schuldgehalt bei nach § 31 StGB qualifizierten Diebstählen so gestaltet, daß die Verhängung einer Freiheitsstrafe notwendig ist. Allein vorliegend liegt die Straftat, wie das Erstgericht zutreffend erkannte, doch schon mehrere Jahre zurück, während welcher sich der Angeklagte wohlverhalten hat, sodaß im gegebenen Fall die Gründe der Generalprävention hinter die spezialpräventiven Zwecke treten und mit Rücksicht auf den vorliegend zudem eher geringen Schuldgehalt die Verhängung einer Freiheitsstrafe nicht mehr gerechtfertigt ist. Nur der Vollständigkeit halber ist zur Berufung der Staatsanwaltschaft noch zu erwähnen, daß es wegen des von sechs Monaten bis zu fünf Jahren reichenden ersten Strafsatzes des § 131 StGB und der Anwendung des § 37 Abs. 1 StGB, die den Ausspruch von Geldstrafen statt Freiheitsstrafen von nicht mehr als sechs Monaten bei Strafdrohungen bis zu fünf Jahren vorsieht, der Anwendung des § 41 StGB durch das Erstgericht gar nicht bedurfte.

Zur Berufung des Angeklagten ist lediglich zu bemerken, daß sie keine Gründe anführt, die eine Herabsetzung der Anzahl der Tagessätze, die das Erstgericht schuld- und tatgerecht ausgemessen hat, rechtfertigen könnten. Desgleichen enthält diese Berufung auch keinen Hinweis dafür, daß die Höhe des Tagessatzes nicht den Einkommensverhältnissen des Angeklagten entspräche. Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

Anmerkung

E03017

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1981:0090OS00156.8.0224.000

Dokumentnummer

JJT_19810224_OGH0002_0090OS00156_8000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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