TE OGH 1981/4/7 10Os174/80

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Veröffentlicht am 07.04.1981
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 7. April 1981 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Racek in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini, Dr. Friedrich, Dr. Hörburger und Dr. Lachner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. König als Schriftführer in der Strafsache gegen Karl A und andere wegen des Verbrechens nach § 6 Abs. 1 SuchtgiftG und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten Mustapha Soubhiu B, über die Berufungen der Angeklagten Karl A und Ingeborg C sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft hinsichtlich aller genannten Rechtsmittelwerber gegen das Urteil des Kreisgerichtes Leoben als Schöffengericht vom 30. Mai 1980, GZ 11 Vr 595/79-142, nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich, nach Verlesung der Rechtsmittelschrift der Staatsanwaltschaft und nach Anhörung der Ausführungen der Verteidiger Dr. Krainz, Dr. Frizberg sowie Dr. Pewny und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Strasser, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Gemäß § 290 Abs. 1 StPO wird das angefochtene Urteil, welches im übrigen unberührt bleibt, im Ausspruch nach § 38 StGB aufgehoben und in diesem Umfang gemäß § 288 Abs. 2 Z 3 StPO in der Sache selbst erkannt:

Die von den Angeklagten Karl A und Ingeborg C jeweils vom 1. Mai 1979, 10,15 Uhr, bis zum 21. Juni 1979, 15,45 Uhr, vom Angeklagten Wilhelm C vom 1. Mai 1979, 10,15 Uhr, bis zum 30. Mai 1980, 14,00 Uhr, und vom Angeklagten Mustapha Soubhi B vom 1. Mai 1979, 13,15 Uhr, bis zum 30. Mai 1980, 14,00 Uhr, erlittene Vorhaft wird gemäß § 38 Abs. 1 Z 1 StGB auf die über die Genannten verhängten Freiheitsstrafen und gemäß § 23 Abs. 4 lit. a FinStrG auf die ausgesprochenen Geldstrafen

angerechnet.

Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen den Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden (I.) Mustapha Soubhi B (1.) des Verbrechens nach § 6 (Abs. 1) SuchtgiftG (aF) und (2.) des Finanzvergehens des Schmuggels (als Beteiligter) nach §§ 11 (dritter Fall), 35 Abs. 1 FinStrG sowie (II.) Karl A, Wilhelm C und Ingeborg C (1.) des Verbrechens nach § 6 (Abs. 1) SuchtgiftG (aF) in der Erscheinungsform des Versuchs nach § 15 StGB und (2.) des (Finanz-)Vergehens der Abgabenhehlerei nach § 37 Abs. 1 lit. a FinStrG schuldig erkannt, begangen dadurch, daß (zu I.) Mustapha Soubhi B (zu 1.) im April 1979 an der italienisch-österreichischen Staatsgrenze vorsätzlich den bestehenden Vorschriften zuwider 968,2 Gramm eines (außer feldspatähnlichem Material) 174 Gramm Codein-Base und 33,9 Gramm Morphin-Base enthaltenden Pulvers, also Suchtgift in einer solchen Menge, daß daraus in größerer Ausdehnung eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen entstehen konnte, einführte, indem er es durch Wilhelm C und Ingeborg C über die Grenze transportieren ließ, und (sodann) gemeinsam mit den übrigen Angeklagten (in §sterreich) in Verkehr zu setzen suchte, und (zu 2.) am 19. April 1979 beim Grenz-Zollamt Arnoldstein vorsätzlich eine eingangsabgabepflichtige Ware, und zwar das zuvor bezeichnete Suchtgift, unter Verletzung der zollrechtlichen Stellungs- und Erklärungspflicht dem Zollverfahren entzog, sowie (zu II.) Karl A, Wilhelm C und Ingeborg C im April und Mai 1979 in St. Gallen und Mandling (Steiermark) vorsätzlich (zu 1.) den bestehenden Vorschriften zuwider das oben (zu I.1.) beschriebene Pulver in der dort angeführten, also in einer solchen Menge, daß daraus in größerer Ausdehnung eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen entstehen konnte, gemeinsam mit Mustapha Soubhi B durch Verkauf in Verkehr zu setzen suchten, und (zu 2.) das zuvor bezeichnete Suchtgift, hinsichtlich dessen ein Schmuggel begangen wurde, zum Zweck des Verkaufs an sich brachten.

Dieses Urteil wird - nach der Zurückziehung der (auch) von der Angeklagten Ingeborg C erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde im Gerichtstag - (nur noch) vom Angeklagten Mustapha Soubhi B mit Nichtigkeitsbeschwerde und ferner von ihm, von den Angeklagten Karl A und Ingeborg C sowie von der Staatsanwaltschaft (bloß) hinsichtlich der genannten Rechtsmittelwerber mit Berufung bekämpft.

Rechtliche Beurteilung

Der auf § 281 Abs. 1 Z 5 und 11 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten B kommt keine Berechtigung zu.

Als einen Begründungsmangel des Urteils (Z 5) zur subjektiven Tatseite des § 6 Abs. 1 SuchtgiftG (aF) rügt der Beschwerdeführer, daß das Erstgericht nicht dargetan habe, wie er als einfacher Mensch ohne wesentliche Schulbildung die ihm angelastete Einsicht in die mit dem geplanten Inverkehrsetzen des Suchtgifts verbundene Gemeingefahr (S 241 f, 245 f/II) gewonnen haben sollte. Dazu genügt indessen ein Hinweis auf die festgestellte schwere einschlägige Vorstrafe, die dieser Angeklagte in Italien erlitten hat und der das Schöffengericht bei der Beweiswürdigung wesentliche Bedeutung beimaß (S 236, 243/II), sowie auf die weitere Konstatierung, daß (auch) er das in Rede stehende Rauschgift sogar für Heroin hielt, dessen Gefährlichkeit heutzutage (notorischerweise) allgemein bekannt ist (S 237 f, 241, 245 f/II). Von dem behaupteten Fehlen jeder Begründung für die Feststellung seines tatbestandsmäßigen Gefährdungsvorsatzes kann daher keine Rede sein.

Eine Urteilsnichtigkeit nach Z 11, der Sache nach aber - weil bei einer Richtigkeit des Einwands die gerichtliche Zuständigkeit zur Aburteilung des Finanzvergehens nach § 35 Abs. 1 FinStrG überhaupt entfiele (§ 53 Abs. 2 lit. a FinStrG) - nach Z 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO erblickt der Beschwerdeführer (gleichwie der Angeklagte Karl A, der allerdings die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgezogen hat, im Rahmen seiner Berufung) darin, daß das Erstgericht bei der Berechnung der für das eingeführte Suchtgift zu entrichtenden Eingangsabgaben (zwecks Ermittlung des Verkürzungsbetrages) zu Unrecht eine Einfuhrumsatzsteuer und einen Außenhandelsförderungsbeitrag mitberücksichtigt habe. Diese Rüge ist indessen schon darum verfehlt, weil Morphin und Codein an sich durchaus für medizinische Zwecke Verwendung finden können (vgl S 215/II) und deshalb auch im erlaubten Verkehr einen materiellen Wert haben, sodaß für die in bezug auf Haschisch, Heroin und LSD, die ausschließlich Gegenstände kriminellen Mißbrauchs sind, vertretene (EvBl 1976/229, 1981/8) Auffassung, jene Suchtgifte hätten keinen (der Bemessung von Einfuhrumsatzsteuer und Außenhandelsförderungsbeitrag zugrunde zu legenden) Zollwert - für die Zeit nach dem Inkrafttreten der 9.

ZTGNov gegenteilig: EvBl 1979/237 -, hier jedenfalls kein Raum ist. Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Aus Anlaß dieses Rechtsmittels hat sich aber der Oberste Gerichtshof davon überzeugt, daß das angefochtene Urteil zum Nachteil sämtlicher Angeklagten insoweit mit einer von ihnen nicht geltend gemachten Nichtigkeit nach § 281 Abs. 1 Z 11 StPO behaftet ist, als ihnen die gerichtliche Vorhaft nicht auch auf die (nach dem Finanzstrafgesetz) über sie verhängten Geldstrafen und außerdem die verwaltungsbehördliche Verwahrungshaft (vgl S 23 f/I, 59a/ I) weder auf diese Geldstrafen noch auf die ihnen (nach dem SuchtgiftG) zugemessenen Freiheitsstrafen angerechnet wurde, wie dies nach § 38 Abs. 1 Z 1 StGB und § 23 Abs. 4 lit. a FinStrG geboten gewesen wäre.

Der Ausspruch über die Anrechnung der Vorhaft war daher gemäß § 290 Abs. 1 StPO von Amts wegen wie im Spruch zu korrigieren. Das Erstgericht verurteilte die Angeklagten nach § 6 (Abs. 1) SuchtgiftG (unter Bedachtnahme auf § 28 StGB und auf § 22 FinStrG, bei Karl A und bei Ingeborg C auch unter Anwendung des § 41 Abs. 1 Z 3 StGB) zu Freiheitsstrafen, und zwar Karl A zu zehn Monaten, Ingeborg C zu acht Monaten und Mustapha Soubhi B zu zweieinhalb Jahren, sowie außerdem nach dem FinStrG zu Geldstrafen, die es bei B gemäß § 35 Abs. 4 mit 100.000 S, im Fall der Uneinbringlichkeit sechs Monate Ersatzfreiheitsstrafe, sowie bei A und bei Ingeborg C gemäß § 37 Abs. 2 mit je 30.000 S, im Fall der Uneinbringlichkeit je zwei Monate Ersatzfreiheitsstrafe, ausmaß. Dabei nahm es bei allen Angeklagten ihre massive (bei B einschlägige) Vorabstrafung und das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen als erschwerend an, wogegen es bei A und B das Geständnis, bei A (überdies) und bei Ingeborg C ihre finanzielle Notlage sowie den Umstand, daß das Verbrechen beim Versuch geblieben ist, und bei Ingeborg C (außerdem) ihre untergeordnete Beteiligung am Suchtgiftdelikt als mildernd wertete. Den Berufungen, mit denen die Staatsanwaltschaft (nur) hinsichtlich der zuvor genannten Angeklagten eine (bei Ingeborg C und Karl A unter Ausschaltung der außerordentlichen Strafmilderung vorzunehmende) Erhöhung der Freiheitsstrafen, diese Angeklagten aber deren Herabsetzung, und zwar Ingeborg C zudem unter Gewährung bedingter Strafnachsicht, sowie A des weiteren auch eine Herabsetzung der Geldstrafe anstreben, kommt keine Berechtigung zu. In Ansehung der Freiheitsstrafen ist den Angeklagten zwar einzuräumen, daß ihnen wegen der kumulativen Verhängung von Geldstrafen über sie (§ 22 Abs. 1 FinStrG) für das (jeweilige) Finanzvergehen dessen Zusammentreffen mit dem Verbrechen nach § 6 Abs. 1 SuchtgiftG zu Unrecht (nochmals) als erschwerend angelastet wurde; desgleichen kann beim Angeklagten A von einer massiven Vorabstrafung (§ 33 Z 2 StGB) nicht gesprochen werden, zumal nicht ersichtlich ist, inwiefern die seinen Vorverurteilungen zugrunde liegenden strafbaren Handlungen auf der gleichen schädlichen Neigung (§ 71 StGB) beruhen sollten wie die ihm nunmehr zur Last fallenden; bei Ingeborg C ist außerdem ihre Abhängigkeit von ihrem Ehegatten Wilhelm C in bezug auf die Tatbegehung (§ 34 Z 4 StGB) zusätzlich als mildernd zu berücksichtigen. Auf die Geständnisse der Angeklagten A und B sowie auf die finanzielle Notlage (auch) des Angeklagten A dagegen hat das Erstgericht ohnedies Bedacht genommen. Bei den solcherart korrigierten, tatsächlich gegebenen Strafzumessungsgründen ist eine außerordentliche Strafmilderung (§ 41 Abs. 1 Z 4 StGB) in bezug auf die Angeklagte Ingeborg C, die sich seit ihrer letzten Haftentlassung immerhin fast viereinhalb Jahre lang wohlverhalten hat, nach Lage des Falles gerechtfertigt; beim Angeklagten A aber ist die Anwendung des § 41 StGB deshalb nicht aktuell, weil ihn betreffend auf das Urteil des Kreisgerichtes Leoben vom 25. September 1980, AZ 13 e Vr 690/78, mit dem er zu neun Monaten Freiheitsstrafe verurteilt wurde, nach §§ 31, 40 StGB Rücksicht zu nehmen war (vgl ÖJZ-LSK 1976/378). Hiebei und unter Berücksichtigung der jeweiligen Intensität ihrer Tatbeteiligung gelangte der Oberste Gerichtshof zur Auffassung, daß die vom Erstgericht über sämtliche Angeklagten verhängten Freiheitsstrafen sowohl absolut als auch im Verhältnis zueinander nach oben gleichwie nach unten hin im Ergebnis durchaus ihrer tat- und persönlichkeitsbezogenen Schuld (§ 32 StGB) entsprechen. Die Gewährung bedingter Strafnachsicht kam bei Ingeborg C schon im Hinblick auf ihr Vorleben aus spezialpräventiven Erwägungen, nach Art und Bedeutung des ihr zur Last fallenden Suchtgiftdeliktes aber auch aus Gründen der Generalprävention nicht in Betracht (§ 43 Abs. 1 StGB).

Bei der Bemessung der Geldstrafen darf wohl nicht übersehen werden, daß die (durch die Höhe des Abgabenbetrages bestimmte) Strafrahmenobergrenze trotz der sehr starken Streckung des eingeschmuggelten Suchtgift-Pulvers, welches nur zu rund 3,5 % aus Morphin-Base, im übrigen aber bloß (zu rund 18 %) aus erheblich geringwertigerer Kodein-Base sowie (zum größten Teil, und zwar zu rund 78,5 %) aus überhaupt wertlosem feldspatähnlichem Material bestand, infolge der (naturgemäß auf fiskalische Gesichtspunkte abgestellten) maßgebenden zollrechtlichen Bestimmungen - der Punkte 2 lit. b und 3 lit. b der Allgemeinen Tarifierungsvorschriften des ZTG, wonach jede Anführung eines Stoffes in einer Tarif-Nummer auch für Gemische gilt, in denen der betreffende Stoff enthalten ist, und solche Gemische nach dem Stoff einzureihen sind, der ihr Wesen bestimmt -

genau so hoch ist, als ob die gesamte Menge aus Morphin-Base bestanden hätte. Diesem bei der Einschätzung der Täter- -Schuld (§ 23 Abs. 1 FinStrG) in bezug auf das Finanzvergehen bedeutsamen Umstand hat aber das Erstgericht dadurch, daß es (auch) die über den Angeklagten A verhängte Geldstrafe ohnedies nur mit einer im untersten Bereich des (sich bis zu rund 475.000 S erstreckenden) Strafrahmens gelegenen Höhe ausmaß, hinlänglich Rechnung getragen.

Sämtlichen Berufungen mußte daher gleichfalls ein Erfolg versagt bleiben.

Anmerkung

E03109

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1981:0100OS00174.8.0407.000

Dokumentnummer

JJT_19810407_OGH0002_0100OS00174_8000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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