TE OGH 1981/6/30 10Os191/80

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Veröffentlicht am 30.06.1981
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Racek in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini, Dr. Friedrich, Dr. Hörburger und Dr. Lachner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Reissig als Schriftführer in der Strafsache gegen Werner A wegen des Vergehens der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung nach § 287 Abs 1 (§§ 127 Abs 1, 128 Abs 1 Z. 4, 129 Z.1) StGB. nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 21. August 1980, GZ. 4 d Vr 9019/79-44, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 13.Februar 1948 geborene Werner A des Vergehens der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung nach § 287 Abs 1 (§§ 127 Abs 1, 128 Abs 1 Z. 4, 129 Z. 1) StGB. schuldig erkannt, weil er sich in Wien in der Nacht zum 9. Jänner 1980, wenn auch nur fahrlässig, durch den Genuß von Alkohol und Einnahme mehrerer Tabletten Valium in einen die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rauschzustand versetzte und in diesem Zustand dem Toshiaki B fremde bewegliche Sachen in einem 5.000 S übersteigenden Wert, und zwar zwei Kassettenrecorder, zwei Klarinetten, einen Plastikkoffer und ein Paar schwarze Halbschuhe im Gesamtwert von mindestens 39.300 S durch Einbruch mit dem Vorsatz wegnahm, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, sohin eine Handlung beging, die ihm außer diesem Zustand als Verbrechen des schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127 Abs 1, 128 Abs 1 Z. 4, 129 Z. 1 StGB. zugerechnet würde. Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte unter Anrufung der Z.5, 9 lit b und 11 des § 281 Abs 1 StPO.

Rechtliche Beurteilung

Der Beschwerde kommt Berechtigung zu.

Nicht begründet ist allerdings die Rechtsrüge nach § 281 Abs 1 Z. 9 lit b StPO., welche dem Beschwerdeführer angesichts dessen den Strafaufhebungsgrund der tätigen Reue zugebilligt wissen will, daß er nach den Urteilsfeststellungen, als sein Bewußtsein nach der Tat in den Morgenstunden des 9. Jänner 1980 wieder einsetzte, den ihm bekannten Schaden durch Rücksendung der zu diesem Zeitpunkt in seinem Besitz befindlichen entfremdeten Gegenstände unter einem fingierten Namen - von noch weiteren fehlenden Sachen habe er nichts mehr gewußt - ohne Andringen des Beschädigten gutgemacht und sich überdies bei seiner ersten polizeilichen Einvernahme zur Tat bereit erklärt habe, auch den restlichen Schaden gutzumachen. Zwar ist dem Beschwerdeführer zuzubilligen, daß Straflosigkeit des Grunddeliktes wegen tätiger Reue auch zur Straflosigkeit seiner Begehung im Zustand der vollen Berauschung nach § 287 Abs 1 StGB. führen würde (Leukauf-Steininger, Kommentar zum StGB2, RN 11 zu § 287).

Dieser Strafaufhebungsgrund verlangt jedoch, daß der Täter rechtzeitig, d.h. bevor die Behörde von seinem Verschulden erfahren hat, den ganzen aus seiner Tat entstandenen Schaden gutmacht oder sich vertraglich zu voller Schadensgutmachung binnen einer bestimmten Zeit verpflichtet (§ 167 Abs 2 StGB.). Der Beschwerdeführer hat demgegenüber durch Rücksendung bloß eines Teiles der Beute und außerdem wegen der Unterlassung der Erstattung des durch den Einbruch entstandenen Sachschadens (an der Türe des Zimmers) den von ihm verursachten Schaden lediglich teilweise gutgemacht. Damit fehlt es aber für die Annahme tätiger Reue am Erfordernis der Gutmachung des gesamten Schadens. Daran kann weder das durch den Angeklagten bei seiner ersten polizeilichen Einvernahme erklärte Anbot, sich um den Ersatz des restlichen Schadens zu bemühen (S. 116), noch der Umstand etwas ändern, daß sich der Beschwerdeführer an weitere Beute und deren Verbleib nicht zu erinnern vermag, weil sich der Täter Gewißheit verschaffen muß, ob er alles zurückgegeben bzw. ersetzt hat (Leukauf-Steininger, Kommentar zum StGB.2, RN 18 zu § 167), und ihn ein Versehen nicht entschuldigt. Als sich der Angeklagte stellte, hatte die Sicherheitsbehörde bereits von seinem Verschulden erfahren (S. 101 bis 105); würde seine Selbststellung (S. 115) trotzdem als Selbstanzeige im Sinn des § 167 Abs 3 StGB. angesehen, so wäre jedenftlls der (sofortige) Erlag eines dem restlichen seiner Tat entsprungenen Schaden entsprechenden Betrages (noch im Zuge der Selbstanzeige) nötig gewesen, damit der Beschwerdeführer Straflosigkeit wegen tätiger Reue erlangt hätte. Das Versprechen, sich um die Schadensgutmachung zu bemühen, reicht hiefür keinesfalls aus (LSK 1978/132).

Gestützt auf den erstbezeichneten Nichtigkeitsgrund wirft der Beschwerdeführer dem Erstgericht vor, das Urteil in Ansehung der subjektiven Tatseite nur unvollständig begründet zu haben, indem es hiebei seine Verantwortung überging, er habe mit seiner Tat 'vielleicht' seine ehemalige Freundin Susanne C 'treffen' wollen; daraus wäre eine andere Lösung der Beweisfrage, ob er mit Bereicherungsvorsatz gehandelt habe, ableitbar gewesen. Der Sache nach macht er damit - und zwar zu Recht -

einen Begründungsmangel im Sinne der Z. 5 des § 281 Abs 1 StPO. bezüglich der inneren Tatseite der im Rausch begangenen (ansonsten strafbaren) Handlung geltend.

Beim Delikt nach § 287 StGB. muß die Rauschtat jedenfalls als Betätigung eines auf die Herbeiführung des strafgesetzwidrigen Erfolges gerichteten Willens erscheinen, als auch alle subjektiven Tatbestandsmerkmale des betreffenden Grunddelikts verkörpern, denn dem Volltrunkenen fehlt nicht der deliktstypische Willensentschluß (die Willensreaktion), sondern es mangeln ihm bloß die Diskretionsfähigkeit oder Dispositionsfähigkeit oder überhaupt beide Fähigkeiten (SSt 47/35;

EvBl. 1980/183 u.v.a.). Er verantwortet jenes Delikt nur deshalb nicht strafrechtlich, weil es bei einem darauf gerichteten Vorsatz an dem für die entsprechende Strafbarkeit (darüber hinaus) notwendigen biologischen Schuldelement gebricht.

Im vorliegenden Fall hat nun das Erstgericht zwar als erwiesen angenommen, daß der Angeklagte die eingangs angeführten Sachen mit Bereicherungs-'Absidht' (gemeint ist wohl: -Vorsatz) wegnahm, zur Begründung dieser Feststellung aber tatsächlich lediglich auf den Hinweis beschränkt, daß er sich 'dieses Deliktes vollinhaltlich schuldig' bekannt habe. Der Angeklagte hat jedoch nur die Herbeiführung seines Berauschungszustandes zugegeben, ein Handeln mit Bereicherungsvorsatz dagegen ausdrücklich in Abrede gestellt (S. 249); als Ziel seines Vorhabens hat er vielmehr (im Hinblick auf seinen Rauschzustand zur Tatzeit bloß) vermutet, er habe durch seine Tat vielleicht seine Freundi Susanne C, die ihn kurz vorher verlassen hatte, treffen wollen (S. 251), womit er die Möglichkeit einer bloßen Sachentziehung andeutete und dabei außerdem offen ließ, ob diese dauernd oder nur vorübergehend sein sollte. Mit dieser Verantwortung hätte sich das Erstgericht demnach auseinandersetzen müssen, zumal er am nächsten Tag, als er auf der Straße zu sich kam und sich dabei im Besitz von zwei Klarinetten, einem Kassettenrecorder und einem Plastikkoffer vorfand, diese Sachen sogleich mit der Post der Wohnungsinhaberin zurückstellte. Das Ersturteil ist daher insoweit mit einem - Nichtigkeit bewirkenden - Begründungsmangel (Z. 5) behaftet, weshalb es - schon auf Grund dieser Erwägungen -

gemäß § 285 e StPO. (in der Fassung BGBl. 1980 Nr. 28) nach Anhörung der Generalprokuratur bereits bei einer nichtöffentlichen Beratung in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde aufzuheben und die Verfahrenserneuerung (bei gleichzeitiger Verweisung des Angeklagten mit seiner Berufung auf diese Entscheidung) anzuordnen war. Im zweiten Rechtsgang wird das Erstgericht aber auch zu beachten haben, daß § 287 Abs 1 StGB. das Vorliegen eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rauschzustandes erfordert, somit einen Zustand, der ausschließlich oder überwiegend auf Alkohol oder andere berauschende Mittel zurückzuführen ist. Hat dagegen die Zurechnungsunfähigkeit ihre Ursache (ausschließlich oder überwiegend) in anderen Umständem, scheidet eine Bestrafung nach § 287 StGB. aus (Leukauf-Steininger2 RN 7 zu § 287 StGB.). Das Gutachten des Sachverständigen Dr.Gross ON. 24 gibt diesbezüglich ungeachtet der wiederholten Verwendung des Ausdrucks 'Berauschung' keinen eindeutigen Aufschluß, weil es die Annahme einerseits einer vollen Berauschung, andererseits aber auch einer tiefgreifenden Bewußtseinsstärung - sowie in Ansehung dieser letzteren Alternative deren Ursache - völlig offenläßt (S. 203). Demnach wird (allenfalls durch ein weiteres Sachverständigengutachten) zu klären sein, ob die vom Erstgericht festgestellte Menge von etwa 10 Stück Valium-Tabletten zu 10 mg auch für sich allein bereits geeignet gewesen sein konnte, einen Zustand der Zurechnungsunfähigkeit im Sinne des § 11 StGB. herbeizuführen, in welchem Falle einem - die Wirkung der Tabletten verstärkenden - Alkoholkonsum ebensowenig eine Bedeutung zukäme wie der im vorliegenden schriftlichen Gutachten des Sachverständigen Prim.Dr. Heinrich Gross (S. 203) umgekehrt festgehaltenen Potenzierung der Alkoholwirkung durch das Valium - oder ob dieser Zustand, / der Zurechnungsunfähigkeit / in welchem sich der Angeklagte zur Tatzeit befunden hat, nicht ausschließlich oder überwiegend nur auf den Tablettenkonsum, sondern zusätzlich auch auf den vom Erstgericht mit einigen Flaschen Bier festgestellten Alkoholgenuß zurückzuführen war (welcher bei dem vom Sachverständigen erhobenen Gesundheitszustand - vgl. insbesondere S. 193 ff. - für sich allein noch keineswegs die Eignung besaß, einen solchen Zustand herbeizuführen).

Zum Vorbringen des Angeklagten in der Nichtigkeitsbeschwerde betreffend den Nichtigkeitsgrund nach § 281 Abs 1 Z. 11 StPO. (S. 297) ist abschließend für das neue Verfahren zu bemerken, daß sich der Angeklagte ab dem 8. Oktober 1979, 21 Uhr 40, in Verwaltpngsstrafhaft befunden hat, welche am 18. Oktober 1979 um 21 Uhr 40 hätte enden sollen. Er wurde jedoch an diesem Tage bereits um 12 Uhr 30 dem Gericht überstellt (S. 22, 31); die Haft wurde ihm allerdings erst ab 23 Uhr 10

auf die Strafe angerechnet, obgleich es sich bei dem unberücksichtigt gebliebenen Zeitraum ersichtlich um eine ebenfalls nach § 38 StGB. anzurechnende Vorhaft handelt.

Anmerkung

E03234

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1981:0100OS00191.8.0630.000

Dokumentnummer

JJT_19810630_OGH0002_0100OS00191_8000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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