TE OGH 1981/7/9 13Os65/81

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Veröffentlicht am 09.07.1981
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat unter dem Vorsitz des Hofrats des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Walenta, Dr. Schneider, Dr. Friedrich und Dr. Hörburger als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Mischer als Schriftführers in der Strafsache gegen Walter A wegen des Verbrechens der Körperverletzung nach den §§ 83 Abs 1, 86 StGB. und anderer strafbarer Handlungen nach Anhörung der Generalprokurtur in nichtöffentlicher Sitzung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Schöffengerichts vom 11.Februar 1981, GZ. 7 Vr 2443/80-38, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, welches im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch wegen Verbrechens der Körperverletzung mit tödlichem Ausgang nach §§ 83 Abs 1, 86 StGB. (Punkt III des Urteilssatzes) und demgemäß auch im Strafausspruch (einschließlich des davon abhängigen Ausspruchs nach § 38

StGB.) sowie im Zuspruch gemäß § 369 StPO. an den Privatbeteiligten Heinrich B aufgehoben und die Sache zu neuerlicher Verhandlung und Entscheidung in diesem Umfange an das Erstgericht zurückverwiesen. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Angeklagte Walter A (neben anderen strafbaren Handlungen auch) des Verbrechens der Körperverletzung mit tödlichem Ausgang nach §§ 83 Abs 1, 86 StGB. schuldig erkannt, begangen dadurch, daß er am 18.Oktober 1980 im Augebiet der Schütt, Gemeinde Arnoldstein, den Heinz B durch einen Schuß aus einem Kleinkalibergewehr vorsätzlich am Körper verletzte, wobei die Tat den Tod des Heinz B zur Folge hatte.

Nach den hier wesentlichen Urteilsfeststellungen saß der Angeklagte in dem von Franz C gelenkten Personenkraftwagen neben dem Fahrer und wollte mit seinem Kleinkalibergewehr vom Fahrzeug aus Hasen jagen. Als Ewald D mit seinem Kleinkraftrad, auf dem hinter dem Fahrer Werner E und Heinz B saßen, das langsam fahrende Auto überholte, erklärte der Angeklagte plötzlich, er werde den Burschen einen 'Patschn' schießen, lehnte sich aus dem rechten vorderen Seitenfenster und gab mit seinem Gewehr auf eine Entfernung von etwa 50 m einen gezielten Schuß auf das Hinterrad des Kleinkraftrades ab, traf dabei aber Heinz B und verletzte ihn tödlich.

Mit Recht behauptet die Nichtigkeitsbeschwerde (die nur diesen Teil des Schuldspruchs bekämpft) aus dem Grund der Z. 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO. einen Feststellungsmangel in bezug auf den nach § 83 StGB. tatbestandsmäßigen Verletzungs- (Abs 1) oder Mißhandlungsvorsatz (Abs 2).

Das Erstgericht stellte fest, daß der Angeklagte einen gezielten Schuß auf das Hinterrad des Kleinkraftrads abgegeben hat (S. 357). Bei der rechtlichen Wertung der Tat spricht es zwar davon, daß der Angeklagte einen gezielten Schuß auf das (mit drei Personen besetzte) Motorrad abgab (S. 361); es hat jedoch an anderer Stelle ausdrücklich hervorgehoben, daß es 'die Absicht des Angeklagten, er habe lediglich auf den Hinterreifen des Kleinmotorrades ..... geschossen, als erwiesen angenommen' habe (S. 362), womit es - im Zusammenhang mit den oben angeführten Konstatierungen - unmißverständlich seine Überzeugung zum Ausdruck gebracht hat, daß der Angeklagte nur den Hinterreifen des Fahrzeuges treffen wollte. Ausdrückliche Feststellungen darüber, welche Vorstellungen den Angeklagten dabei begleiteten - ob er dabei ernstlich die Möglichkeit bedachte (d.h. als naheliegend angesehen hat), daß er durch die Schußabgabe auch eine der am Kleinkraftrad sitzenden Personen treffen werde (und daher mit Verletzungsvorsatz im Sinne des Abs 1 des § 83 StGB. handelte) oder ob er bei der von ihm gewollten Beschädigung des Hinterrads das damit verbundene Risiko so hoch veranschlagte (und damit ernstlich für möglich hielt), daß bei einem Sturz des einspurigen Fahrzeugs die darauf fahrenden Burschen verletzt werden oder ihnen ein körperliches Übel zugefügt wird (Verletzungs- - Abs 1 - oder Mißhandlungsvorsatz - Abs 2 des § 83 StGB.), enthält das angefochtene Urteil nicht.

Lediglich im Rahmen der rechtlichen Beurteilung hat das Erstgericht zur Wissenskomponente des Vorsatzes einerseits angenommen, daß der Angeklagte es nach Ansicht des Gerichts ernstlich für möglich halten mußte, daß selbst nur bei einem Treffer in das Hinterrad des Kleinmotorrads die auf dem einspurigen Fahrzeug befindlichen Personen zum Sturz kommen und dabei verletzt werden (S. 361) und andererseits, daß der Angeklagte wissen mußte, taß ein genaues Zielen (auf den Hinterreifen) - Mißhandlungsvorsatz i.S. des § 83 Abs 2 StGB. - nicht möglich ist und somit mit einer Verletzung oder Tötung der auf dem Kleinmotorrad befindlichen Personen durch den Schuß hätte rechnen müssen.

Rechtliche Beurteilung

Mit dieser - in Judikatur und Literatur (vgl. hiezu nur SSt 36/2, LSK 1978/142 u.v.a. sowie Leukauf-Steininger, StGB. 2, RN. 18 zu § 5 StGB.) schon unzählige Male als zur Dartuung eines bedingten Vorsatzes für sich allein absolut ungeeignet bezeichneten - Formulierung wird aber die Möglichkeit offen gelassen, daß der Angeklagte bei Abgabe des Schusses (wenn auch unter besonders gefährlichen Verhältnissen leichtfertig) darauf vertraute, daß eine Verletzung oder Gesundheitsschädigung der am Kleinkraftrad mitfahrenden Personen nicht eintreten werde, und daher das mit seiner Handlung verbundene Risiko als gering veranschlagte. Es fehlt daher an einer tragfänigen Grundlage für die zur Annahme eines dolus eventualis (§ 5 Abs 1 zweiter Halbsatz StGB.) unerläßlichen Prämisse, daß der Angeklagte bei Abgabe des gezielten Schusses auf den Hinterreifen des Motorrads die Möglichkeit der Deliktsverwirklichung ernstlich für möglich hielt, d.h. das mit seiner Handlung verbundene Risiko erkannte und so hoch veranschlagte, daß er die Tatbildverwirklichung als naheliegend ansah. Auch wenn die Annahme des Erstgerichts, der Angeklagte habe sich mit dem Erfolg abgefunden (S. 361) als Tatsachenfeststellung gewertet wird, aus welcher der Schluß gezogen werden könnte, das Erstgericht habe damit (auch) konstatiert, daß der Angeklagte diesen Erfolgseintritt für möglich hielt (und nicht bloß für möglich halten mußte), erstreckt sich dieser Rückschluß aber nicht auf das weitere Essentiale des bedingten Vorsatzes, daß der Angeklagte den Schadenseintritt 'ernstlich' für möglich hielt, das mit seinem Verhalten verbundene Risiko sohin als naheliegend ansah (und sich auch damit abfand); gewiß setzt das 'Sich-Abfinden' mit einem Erfolg zwangsläufig voraus, daß der Täter diesen für möglich hält, es setzt aber nicht voraus, daß er ihn (deshalb auch schon) als naheliegend ansieht.

Da mithin eine Verfahrenserneuerung in erster Instanz nicht zu vermeiden ist, war nach Anhörung der Generalprokuratur gemäß § 285 c StPO. (i.d.F. BGBl. 1980/28) in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde schon bei einer nichtöffentlichen Beratung wie im Spruch zu erkennen.

Anmerkung

E03249

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1981:0130OS00065.81.0709.000

Dokumentnummer

JJT_19810709_OGH0002_0130OS00065_8100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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