TE OGH 1981/10/15 13Os137/81

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Veröffentlicht am 15.10.1981
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 15.Oktober 1981 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Horak, Dr. Schneider und Dr. Hörburger als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Larcher als Schriftführerin in der Strafsache gegen Vinzenz A wegen des Vergehens der schweren Körperverletzung nach §§ 83 f. StGB. und einer anderen strafbaren Handlung über die von der Staatsanwaltschaft erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und die vom Angeklagten erhobene Berufung gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 27.Mai 1981, GZ. 11 Vr 3692/80-36, nach öffentlicher Verhandlung nach Anhörung des Vortrags des Berichterstatters, Hofrats des Obersten Gerichtshofs Dr. Horak, der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalts Dr. Tschulik, und der Ausführungen des Verteidigers Dr. Griesser zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, in seinem den Angeklagten freisprechenden Teil und im Strafausspruch aufgehoben und die Sache zur nochmaligen Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Der am 23.Mai 1956 geborene Fleischergeselle Vinzenz A wurde des Vergehens der schweren Körperverletzung nach den §§ 83 Abs 1, 84 Abs 1 StGB. in drei Fällen schuldig erkannt. Hingegen wurde er von der weiteren Anklage, er habe am 27.Mai 1981 in Graz den Peter B dadurch der Gefahr einer behördlichen Verfolgung ausgesetzt, daß er ihn in der diese Strafsache betreffenden Hauptverhandlung der an Karl C am 14.Dezember 1980 begangenen vorsätzlichen schweren Körperverletzung, mithin einer von Amts wegen zu verfolgenden, mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedrohten Handlung falsch verdächtigte, wobei er wußte (§ 5 Abs 3 StGB.), daß die Verdächtigung falsch war, gemäß § 259 Z. 3 StPO. freigesprochen. Das Schöffengericht gelangte diesbezüglich zur Ansicht, daß der Angeklagte hiedurch zwar den Tatbestand des § 297 Abs 1 StGB. (qualifiziert nach dem zweiten Strafsatz) verwirklicht habe, daß ihm aber der Strafaufhebungsgrund der tätigen Reue nach § 297 Abs 2 StGB. zustatten komme, weil er die Gefahr einer behördlichen Verfolgung des B durch den Widerruf seiner Verdächtigung in der Hauptverhandlung freiwillig beseitigt habe, bevor die Behörde zu dessen Verfolgung etwas unternahm.

Diesen Freispruch bekämpft die Staatsanwaltschaft mit einer auf die Gründe der Z. 5 und 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, in der sie sich unter dem Gesichtspunkt eines Begründungsmangels und eines auf unrichtiger Gesetzesanwendung beruhenden Feststellungsmangels gegen die Annahme der Freiwilligkeit des Widerrufs wendet.

Rechtliche Beurteilung

Ihr kommt im Ergebnis Berechtigung zu.

Freiwilligkeit gemäß § 297 Abs 2 StGB. setzt - ebenso wie nach § 16 StGB. - das Fehlen zwingender (wenn auch allenfalls nur psychischer oder vermeintlicher) Gründe für den Widerruf der Anschuldigungen voraus. Hat sich dagegen nach den Beweisergebnissen bereits die Unrichtigkeit der Beschuldigungen herausgestellt, sodaß dem Täter ein anderer Ausweg als der Widerruf seiner Falschbezichtigung nicht übrigbleibt, so wird dadurch die Freiwilligkeit der Gefahrenbeseitigung ausgeschlossen (siehe Pallin im Wiener Kommentar, RZ. 25 zu § 297

StGB.). Gerade ein solcher Fall liegt hier vor. Seine wider besseres Wissen erhobene Beschuldigung, Peter B sei der Täter der an Karl C begangenen vorsätzlichen schweren Körperverletzung, hat der Angeklagte nämlich, worauf die Staatsanwaltschaft in ihrer Beschwerde zutreffend verweist, erst widerrufen, als Zeugen ihn in der Hauptverhandlung belasteten und als Täter identifizierten, womit sie eine Täterschaft des B ausschlossen.

Für den Angeklagten waren bei seinem Widerruf demnach Gründe maßgebend, welche der Beseitigung einer (allenfalls objektiv gegebenen und von ihm auch gewollten) Gefahr behördlicher Verfolgung des Peter B den Charakter der Freiwilligkeit nehmen. Daran vermag nichts zu ändern, daß allein der - vor dem Untersuchungsrichter übrigens geständig gewesene - Angeklagte (und nicht etwa sein von ihm zunächst als 'Karl' bezeichneter Begleiter Peter B) bereits nach den Polizeierhebungen der Tat dringend verdächtig war und er auch nach dem Widerruf seiner falschen Verdächtigung bei seiner die eigene Täterschaft leugnenden Verantwortung blieb.

Den Beschwerdeausführungen zuwider reichen die - wenn auch in anderem Zusammenhang (S. 150) - getroffenen Feststellungen aus, um verläßlich beurteilen zu können, daß die Strafbarkeit der in Rede stehenden Tat des Angeklagten mangels Freiwilligkeit des Widerrufs seiner den Peter B als Täter bezeichnenden Behauptungen nicht aus dem Grund des § 297 Abs 2 StGB. aufgehoben war.

Dennoch ist die Sache noch nicht spruchreif: Der Tatbestand des § 297 Abs 1 StGB. setzt nämlich u.a. voraus, daß der Täter den anderen durch die wissentliche Falschbezichtigung konkret der Gefahr einer behördlichen Verfolgung aussetzt. Hiezu ist zwar nicht erforderlich, daß es tatsächlich zu einer Verfolgungshandlung kommt, doch muß es nach den näheren Umständen wenigstens wahrscheinlich (und nicht bloß möglich), d.h. als regelmäßige Folge zu erwarten sein, daß irgendeine Behörde den Verdächtigten verfolgen werde, wogegen es an einer Tatbestandsverwirklichung (zumindest in der Entwicklungsstufe der Deliktsvollendung) fehlt, wenn von vornherein nicht einmal die Wahrscheinlichkeit eines behördlichen Einschreitens gegen den Verdächtigten bestand (SSt 46/39;

LSK 1979/72 u.a.). Ferner muß der Täter bei seiner Falschbezichtigung die Gefahr einer behördlichen Verfolgung eines anderen - wenigstens dolo eventuali - herbeiführen wollen, daß auf Grund seiner Beschuldigung gegen den Verdächtigten Schritte, die als behördliche Verfolgung anzusehen sind, unternommen werden. Da das Erstgericht in beiden Richtungen keine ausreichenden Tatsachenfeststellungen getroffen hat, war in Stattgebung der staatsanwaltschaftlichen Nichtigkeitsbeschwerde das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt zu bleiben hatte, in seinem den Angeklagten freisprechenden Teil und demgemäß auch im Strafausspruch aufzuheben und die Sache zur nochmaligen Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückzuverweisen. Dabei wird im fortgesetzten Verfahren auch zu beachten sein, daß ein Täter, dem die nach der Art seiner Handlungsweise an sich mögliche Herbeiführung einer von ihm gewollten Verfolgungsgefahr nur wegen der (relativen) Untauglichkeit seines Vorgehens im Einzelfall mißlungen ist, wegen versuchter Verleumdung haftet (siehe 11 Os 96/80 und Pallin im Wiener Kommentar, RZ. 23 zu § 297 StGB.).

Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

Die Staatsanwaltschaft hat die von ihr angemeldete Berufung in einem an die Generalprokuratur gerichteten, von dort am 10.September 1981 beim Obersten Gerichtshof eingelangten Schreiben zurückgezogen.

Anmerkung

E03354

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1981:0130OS00137.81.1015.000

Dokumentnummer

JJT_19811015_OGH0002_0130OS00137_8100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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