TE OGH 1982/4/15 12Os29/82

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Veröffentlicht am 15.04.1982
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 15.April 1982 unter dem Vorsitz des Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth, Dr. Kral, Dr. Steininger und Dr. Lachner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Nemec als Schriftführerin in der Strafsache gegen Günther A wegen des Vergehens der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 und 2 StGB über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 24.November 1981, GZ 26 Vr 1169/81-16, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Steininger, Verlesung der Rechtsmittelschrift des Angeklagten und Anhörung der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Tschulik, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird Folge gegeben und die Strafe auf 9 (neun) Monate herabgesetzt.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 11.Juni 1948 geborene, zuletzt beschäftigungslose Günther A des Vergehens der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 und 2

StGB schuldig erkannt, weil er am 17.Dezember 1980 in Absam einen ihm von Robert B zur Weiterleitung an die Firma C übergebenen Geldbetrag von 11.424,76 S, mithin ein ihm anvertrautes Gut in einem 5.000 S übersteigenden Wert, sich mit dem Vorsatz zugeeignet hat, sich dadurch unrechtmäßig zu bereichern.

Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Z. 5, 9 lit a und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

In dieser Beschwerde macht der Angeklagte - zusammengefaßt dargestellt - einerseits unter dem Gesichtspunkt eines formellen Begründungsmangels im Sinne des erstbezeichneten Nichtigkeitsgrundes geltend, der Ausspruch des Gerichtes über seine finanziellen Verhältnisse (zur Tatzeit) stünde mit sich selbst im Widerspruch, andererseits behauptet er Feststellungsmängel im Sinne des § 281 Abs 1 Z. 9 lit a StPO zur inneren Tatseite, weil das Erstgericht zu der für die Annahme eines auf unrechtmäßige Bereicherung gerichteten Vorsatzes seiner Ansicht nach wesentlichen Frage eines präsenten Deckungsfonds keine ausreichenden Konstatierungen getroffen habe. Außerdem vermißt er mängelfreie Feststellungen über die Schadenshöhe (§ 281 Abs 1 Z. 10 StPO).

Rechtliche Beurteilung

Das Beschwerdevorbringen erweist sich jedoch nach keiner Richtung hin als zielführend.

Mit den finanziellen Verhältnissen des Angeklagten hat sich das Erstgericht in den Entscheidungsgründen ausführlich befaßt und hiebei weder das dem Angeklagten am 3. oder 4.Dezember 1980 von Josef D für die Bezahlung einer Verwaltungsstrafe eingeräumte, für diesen Zweck auch tatsächlich verwendete und am 18. oder 19.Dezember 1980 ordnungsgemäß rückerstattete Darlehen von 8.000 S, noch das Einlangen eines Hausstandsgründungsdarlehens von 30.000 S am 23. Dezember 1980 auf dem bis dahin überzogenen Konto seiner Lebensgefährtin Emilie E bei der Tiroler Handels- und Gewerbebank sowie den Umstand, daß der Angeklagte am 4.Feber 1981 über einen Betrag von 11.664 S verfügt hat, übergangen. Es hat jedoch zudem festgestellt, daß der Lohn des Angeklagten bei der Firma C im Jahre 1980 bis auf das Existenzminimum gepfändet gewesen ist, ihm auch Anfang Dezember 1980 nur die pfändungsfreien Bezüge ausbezahlt worden sind und er am 9.Dezember 1980 zur Zahlung einer Verwaltungsstrafe von seiner Dienstgeberfirma einen Lohnvorschuß von 3.000 S erhalten hat (vgl. S. 96 ff. d.A.).

Aus all diesen Umständen konnte das Schöffengericht frei von inneren Widersprüchen und sonstigen Begründungsmängeln ableiten, daß sich der Angeklagte ständig und insbesondere auch zur Tatzeit in Geldnot befunden hat.

Daß vom Gericht keine weiteren Erhebungen über die finanziellen Verhältnisse des Angeklagten zur Tatzeit gepflogen wurden, könnte nur dann mit Erfolg als Verfahrenmangel gemäß der Z. 4 des § 281 Abs 1 StPO geltend gemacht werden, wenn der Beschwerdeführer in der Hauptverhandlung einen entsprechenden Beweisantrag gestellt hätte, was aber nicht geschehen ist.

Im übrigen werden in den Urteilsgründen die Beweise angeführt, auf die sich das Gericht bei der Annahme stützte, der Angeklagte habe den von Robert B für die Firma C übernommenen Geldbetrag von 11.424,76 S für sich behalten und mit Bereicherungsvorsatz sich zugeeignet (vgl. S. 98 d.A.), und in schlüssiger und lebensnaher Weise die Erwägungen dargelegt, die dem Gericht bei Gesamtwürdigung der Verfahrensergebnisse (§ 258 Abs 2 StPO) die überzeugung verschafften, daß die Verantwortung des Angeklagten, er habe den ihm anvertrauten Geldbetrag ohnedies in der Firma C abgeliefert, als widerlegt anzusehen ist. Der Einwand des Beschwerdeführers, daß ein solches Verhalten 'unlogisch' gewesen wäre, weil er im Jahre 1980 über eine Million S kassiert und ordnungsgemäß abgerechnet habe, stellt demgegenüber lediglich den unbeachtlichen Versuch dar, die Beweiswürdigung des Schöffengerichtes nach Art einer im Nichtigkeitsverfahren unzulässigen Schuldberufung zu bekämpfen;

auf die Behauptung, daß die für den Schuldspruch herangezogenen Gründe nicht zwingend seien und das Erstgericht auf Grund der festgestellten Tatsachen auch zu anderen, für den Angeklagten günstigeren Schlußfolgerungen hätte gelangen können, kann der Nichtigkeitsgrund der Z. 5 des § 281 Abs 1 StPO nicht gestützt werden.

Ebenfalls unzutreffend ist der Vorwurf eines die innere Tatseite betreffenden Feststellungsmangels: Wie bereits dargelegt, hat das Schöffengericht als erwiesen angenommen, daß der Angeklagte sich den für die Firma C übernommenen und an sie nicht abgelieferten Geldbetrag mit Bereicherungsvorsatz zugeeignet, also in sein freies Vermögen überführt hat. Weitere Konstatierungen darüber, ob sich sein Vorsatz auf eine unrechtmäßige Bereicherung erstreckt hat, bedurfte es nach Lage des Falles nicht, weil im erstinstanzlichen Verfahren weder der Angeklagte selbst vorgebracht hat, einen Anspruch auf die durch die Tat bewirkte Vermehrung seines Vermögens gehabt und sich den Geldbetrag wegen einer fälligen Gegenforderung zum Zwecke der Aufrechnung zugeeignet zu haben, noch sonst für eine solche Fallgestaltung sprechende Umstände hervorgekommen sind. Ebensowenig kann sich der Beschwerdeführer mit Erfolg darauf berufen, es sei ihm - ungeachtet seiner finanziellen Schwierigkeiten - ein präsenter Deckungsfonds zur Verfügung gestanden, durch den eine unverzügliche Schadensdeckung gewährleistet gewesen sei. Denn selbst bei Vorhandensein eines präsenten Deckungsfonds wäre eine Veruntreuung nur dann auszuschließen, wenn der Täter das in sein Vermögen überführte Gut dem Berechtigten alsbald wiedererstatten will. Hievon kann aber im vorliegenden Fall keine Rede sein. Nach den Urteilsfeststellungen hat der Angeklagte durch seinen Vermerk auf dem der Firma C von Robert B erteilten Auftrag 'Kunde möchte Erlagschein' den Eingang des bar entrichteten Geldbetrages verschleiert und, nachdem die Firma C ihren Kunden gemahnt und von ihm die Quittung über die erfolgte Barzahlung an den Angeklagten ausgefolgt erhalten hatte, sich mit der - auch in der Hauptverhandlung aufrechterhaltenen - Behauptung, den Geldbetrag ohnedies ordnungsgemäß abgeführt zu haben, ausdrücklich einer Wiedererstattung des Schadensbetrages widersetzt. Damit wurde aber manifestiert, daß der Beschwerdeführer keineswegs willens war, den für die Firma C übernommenen verfahrensgegenständlichen Betrag seinem Dienstgeber zu erstatten, sondern eine unrechtmäßige Bereicherung durch Zueignung fremden Vermögens erstrebt und sohin bewußt rechtswidrig gehandelt hat. Unter diesen Voraussetzungen hätte der Angeklagte daher den Tatbestand der Veruntreuung selbst dann zu verantworten, wenn er - objektiv - über ausreichende, jederzeit frei verfügbare Mittel verfügt haben sollte, um einen Rückforderungsanspruch seines Dienstgebers befriedigen zu können (vgl. SSt. 46/14 u.a.).

Ein Feststellungsmangel (im Sinne des § 281 Abs 1 Z. 10 StPO) haftet schließlich auch dem Ausspruch des Gerichtes über die Höhe des veruntreuten Geldbetrages nicht an. Ein bei der Firma C allenfalls bestehendes, nicht ausbezahltes Guthaben des Angeklagten, durch welches die tatsächliche Schadenssumme nachträglich vermindert werden konnte, blieb mit Recht unberücksichtigt, weil, wie schon an anderer Stelle erwähnt, solche Gegenforderungen nur bei einem im Zueignungszeitpunkt gegebenen, dem Partner sogleich bekanntgegebenen Aufrechnungswillen zum Ausschluß einer unrechtmäßigen Bereicherung führen, wogegen das bloße Bestehen kompensabler Forderungen nicht genügt, um ein bewußt rechtswidriges Verhalten negieren zu können (vgl. Leukauf-Steininger, Kommentar zum StGB2, RN. 23 zu § 133 StGB und die dort zitierte Judikatur). Demnach ist der Angeklagte auch dann für den gesamten - rechtswidrig - in sein Vermögen überführten Geldbetrag haftbar und nach dem ersten Strafsatz des § 133 Abs 2 StGB zu bestrafen, wenn sich nach seinem Ausscheiden aus der Firma C bei der Abrechnung der gegenseitigen Forderungen ein die Wertgrenze von 5.000 S nicht übersteigender Schadensbetrag ergeben haben sollte. Die Nichtigkeitsbeschwerde war sohin zu verwerfen.

Das Schöffengericht verurteilte den Angeklagten nach dem ersten Strafsatz des § 133 Abs 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 1 (einem) Jahr. Dabei wertete es als erschwerend die vielen einschlägigen und zum überwiegenden Teil schweren Vorstrafen, die die Eignung der Strafschärfung nach § 39 StGB aufweisen, sowie weiters den raschen Rückfall, bezogen auf das Berufungsurteil (im Verfahren des Landesgerichtes Innsbruck zu 22 Vr 3408/79) vom Feber 1980, als mildernd hingegen, daß dem Angeklagten 'durch die leichtsinnige Vorgangsweise der Firma C, ohne Quittung kassierte Gelder entgegenzunehmen, was Inkassanten aus solcher unterlassener Bestätigung ins Gegenteil verkehren können, eine besonders verlockende Gelegenheit zur Tat gegeben war'.

Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte die Herabsetzung der Freiheitsstrafe an.

Der Berufung kommt im Ergebnis Berechtigung zu.

Die vom Erstgericht festgestellten Strafzumessungsgründe bedürfen zunächst insoweit einer Korrektur, als der Erschwerungsgrund des raschen Rückfalls zu entfallen hat. Denn seit der letzten Aburteilung (Berufungsurteil vom 7.Feber 1980; Strafverbüßung erst ab 11.August 1981, also nach der neuerlichen Verfehlung) bis zur gegenständlichen Straftat (die am 17.Dezember 1980 verübt wurde) sind mehr als zehn Monate verstrichen, sodaß von einem raschen Rückfall nicht gesprochen werden kann. Soweit der Berufungswerber allerdings als (weiteren) Milderungsgrund eine drückende Notlage im Sinne des § 34 Z. 10 StGB

reklamiert, so fehlt es nach der Aktenlage an den Voraussetzungen für die Annahme dieses Milderungsgrundes, zumal keine Anhaltspunkte dafür hervorgekommen sind, daß es dem Berufungswerber vor der Tat an den Mitteln zur Bestreitung der notwendigsten Lebenshaltungskosten (Essen, Wohnung, Kleidung udgl.) gefehlt und er die Tat nur deshalb begangen hätte, um diese Kosten bestreiten zu können. Wiewohl der Berufungswerber mehrfach einschlägig vorbestraft ist, so fällt bei Beurteilung der Schwere seiner Schuld doch zu seinen Gunsten ins Gewicht, daß er vor der gegenständlichen Veruntreuung von etwas mehr als 11.000 S rund 1 Million S für die Firma C kassiert und ordnungsgemäß abgeliefert hat (S. 96 d.A.). Angesichts dieses Umstands und des Entfalls eines Erschwerungsgrundes erachtete der Oberste Gerichtshof - trotz der kriminellen Vorbelastung des Berufungswerbers - eine angemessene Reduzierung des Strafmaßes für vertretbar.

In Stattgebung der Berufung war demnach die Strafe auf das aus dem Spruch ersichtliche Ausmaß herabzusetzen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

Anmerkung

E03703

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1982:0120OS00029.82.0415.000

Dokumentnummer

JJT_19820415_OGH0002_0120OS00029_8200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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