TE OGH 1982/4/22 12Os38/82

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Veröffentlicht am 22.04.1982
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 22. April 1982 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Breycha und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller, Dr. Steininger, Dr. Hörburger und Dr. Lachner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Nemec als Schriftführerin in der Strafsache gegen Günther A wegen des Vergehens des schweren Diebstahls nach §§ 127 Abs. 1, 128 Abs. 1 Z 4 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 10. September 1981, GZ 3c Vr 332/81-58, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller, der Ausführungen der Verteidigerin Dr. Mühl und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Hauptmann, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Aus Anlaß der Nichtigkeitsbeschwerde wird gemäß § 290 Abs. 1 StPO das angefochtene Urteil, welches im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch wegen Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs. 1 StGB (Punkt 2. des Urteilssatzes) und demgemäß im Strafausspruch aufgehoben und gemäß § 288 Abs. 2 Z 3 StPO in der Sache selbst erkannt:

'Günther A ist schuldig, am 5. September 1980 in Wien Edward B mit Gewalt, nämlich durch einen Biß in die Brust zur Unterlassung seiner Anhaltung wegen des zu Punkt 1. des Urteilssatzes angeführten Diebstahls zu nötigen versucht zu haben.

Er hat hiedurch das Vergehen der versuchten Nötigung nach §§ 15, 105 Abs. 1 StGB begangen und wird hiefür sowie für die ihm weiterhin zur Last liegenden Vergehen des schweren Diebstahls nach §§ 127 Abs. 1, 128 Abs. 1 Z 4 StGB (Punkt 1 des Urteilssatzes), der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB (Punkt 3 des Urteilssatzes) und der versuchten Bestimmung zur falschen Beweisaussage vor Gericht nach §§ 15, 12 letzte Täterschaftsform, 288 Abs. 1 StGB (Punkt 4 des Urteilssatzes) nach § 128 Abs. 1 StGB unter Anwendung des § 28 Abs. 1 StGB sowie gemäß §§ 31, 40 StGB unter Bedachtnahme auf die Urteile des Landesgerichtes Salzburg vom 13. Jänner 1981, AZ 19 Vr 2348/80, und des Kreisgerichtes Krems an der Donau vom 27.11.1981, AZ 9 E Vr 830/81

zu 2 Jahre und 22 Tage Zusatzfreiheitsstrafe verurteilt. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 13. September 1942 geborene, zuletzt beschäftigungslose Monteur Günther A der Vergehen des schweren Diebstahls nach §§ 127 Abs. 1, 128 Abs. 1 Z 4 StGB (Faktum 1) des Urteilssatzes), der Nötigung nach § 105 Abs. 1 StGB (Faktum 2) des Urteilssatzes), der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB (Faktum 3) des Urteilssatzes) und der versuchten Bestimmung zur falschen Beweisaussage vor Gericht nach §§ 15, 12 letzte Täterschaftsform, 288 Abs. 1 StGB (Faktum 4) des Urteilssatzes) schuldig erkannt.

Ihm liegt zur Last, in Wien am 4. September 1980 der Sylvia C eine Kellnerbrieftasche im Wert von ca 300 S mit 5.600 S Bargeld mit dem Vorsatz weggenommen zu haben, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern (Punkt 1), am 4. September 1980 (richtig: am 5. September 1980) den Edward B durch einen Biß in die Brust zur Unterlassung seiner Anhaltung wegen des Diebstahls genötigt (Punkt 2) und durch diese Tätlichkeit vorsätzlich am Körper verletzt zu haben (Punkt 3) sowie im Herbst 1980

Hildegard D brieflich zur falschen Beweisaussage vor Gericht durch Bestätigung seines Alibis für den 4. September 1980 zu bestimmen versucht zu haben (Punkt 4).

Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte Günther A mit einer auf

die Z 4, 5 und 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

In Ausführung des erstangeführten Nichtigkeitsgrundes macht er geltend, durch die Abweisung seiner Beweisanträge (S 230 bzw S 138), seine angeblich am 5. September 1981

vorgelegene Behinderung infolge einer Nervenentzündung im rechten Fuß durch Erhebung in der Strafvollzugsanstalt Hirtenberg zu überprüfen und eine Anfrage an die Bundespolizeidirektion Salzburg über frühere ungerechtfertigte Verhaftungen des Angeklagten in den Jahren 1974 und 1975 infolge Auftretens eines Doppelgängers zu richten, in seinen Verteidigungsrechten verletzt worden zu sein. Zum ersteren Beweisantrag führt der Angeklagte noch insbesonders aus, er wäre infolge des erwähnten Fußleidens gar nicht in der Lage gewesen, sich einer Anhaltung durch die Zeugen B und C durch einen Sprung aus dem PKW und durch Weglaufen zu entziehen, könne daher nicht mit der wegen Diebstahls angehaltenen Person identisch sein.

Rechtliche Beurteilung

Die Abweisung der Beweisanträge erfolgte zu Recht.

Selbst wenn die Strafvollzugsanstalt Hirtenberg bestätigt hätte, daß der Angeklagte vor Verlassen dieser Anstalt am 26. August 1980 durch die erwähnte Nervenentzündung im rechten Fuß behindert gewesen ist, würde dies nicht ausschließen, daß er zehn Tage später zu den vom Erstgericht angenommenen Fluchthandlungen in der Lage war. Soweit der Beschwerdeführer aber die Notwendigkeit der Klärung dieser Fragen durch einen geichtsärztlichen Sachverständigen betont, fehlt es an einem darauf abzielenden Beweisantrag.

Der Nachweis des Auftretens eines Doppelgängers des Angeklagten vor mehreren Jahren in Salzburg hätte, wie bereits vom Erstgericht zutreffend erkannt (S 244 letzter Absatz, 245), gleichfalls keine Verteidigungsrechte verletzt, weil im vorliegenden Fall insbesondere auch die von den Zeugen Edward B und Sylvia C wiedergegebenen Äußerungen des von ihnen angehaltenen, des Diebstahls geständigen Mannes insbesondere dessen Hinweise auf den Wohnsitz, die Krankheit der Lebensgefährtin und den Hafturlaub, auf seine Identität mit dem Angeklagten schließen lassen. Für die vom Beschwerdeführer erwähnte theoretische Möglichkeit, daß seine Lebensumstände dem Doppelgänger zufällig bekannt geworden sein könnten, sind im Verfahren keinerlei konkrete Anhaltspunkte hervorgekommen.

Nach Ansicht des Beschwerdeführers liegt ferner ein Begründungsmangel im Sinne des § 281 Abs. 1 Z 5 StPO vor, weil das Erstgericht eine Erörterung des Umstandes unterlassen hat, daß der Zeuge B den Angeklagten auf Lichtbildern jüngeren Datums (ON 41, aufgenommen am 11. Mai 1980, daher nicht - wie der Beschwerdeführer vermeint -

identisch mit den anläßlich seiner Verhaftung am 10. September 1980 aufgenommenen Fotos, ON 51) nicht mit Sicherheit wiedererkannt hat (S 181, 182). Die in diesem Zusammenhang in der Nichtigkeitsbeschwerde aufgestellte Behauptung, die Zeugen hätten ursprünglich vermeint, den Angeklagten anhand älterer Lichtbilder als Täter wiederzuerkennen, trifft nicht auf Edward B (vgl S 36, 80, 179 f), sondern nur auf Sylvia C zu (S 77, 134), welche ihn aber auch bei einer Gegenüberstellung eindeutig identifizieren konnte (S 77). Zudem ist es keineswegs entscheidend (und war daher auch nicht erörterungsbedürftig), daß der Zeuge B den Angeklagten anhand von Lichtbildern jüngeren Datums nicht mit Sicherheit zu identifizieren vermochte hat er ihn doch bei der persönlichen Gegenüberstellung (S 80, 180, 181) eindeutig wiedererkannt.

In der Rechtsrüge nach § 281 Abs. 1 Z 9 lit. a StPO vertritt der Angeklagte die Auffassung, seine schriftliche Anfrage an Hildegard D, ob sie sich erinnern könne, am 4. September 1980 mit ihm in Linz gewesen zu sein, könne schon begrifflich den Tatbestand der versuchten Bestimmung zur falschen Beweisaussage vor Gericht nicht erfüllen.

Diesem Einwand ist zunächst entgegenzuhalten, daß es bei der Beurteilung, ob eine Äußerung als Versuch einer Bestimmung zur falschen Beweisaussage anzusehen ist, nicht auf den Wortlaut, sondern auf den Sinn dieser Äußerung ankommt. Wenn sich der Angeklagte bei seinem Versuch die Zeugin zur wahrheitswidrigen Bestätigung seines Alibis zu veranlassen, der Form einer Anfrage bediente, dann hatte dies keineswegs zur Folge, daß die Erreichung des mit der Anfrage verbundenen Zwecks, also die Erzielung eines Entschlusses zur falschen Beweisaussage bei der Zeugin D, unter keinen Umständen möglich gewesen wäre. Im konkreten Falle liegt mithin zwar ein mißlungener, aber keineswegs ein absolut untauglicher Bestimmungsversuch vor.

Soweit in diesem Zusammenhange auch das Vorliegen der subjektiven Tatseite bekämpft wird, erweist sich die Beschwerde nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt, weil sie die diesbezüglichen Feststellungen des Erstgerichtes (S 244) negiert und der als unglaubwürdig abgelehnten Verantwortung des Angeklagten zum Durchbruch verhelfen will. Die zur Gänze unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Günther A war daher zu verwerfen.

Aus Anlaß dieses Rechtsmittels war jedoch gemäß § 290 Abs. 1 StPO von Amts wegen wahrzunehmen, daß das angefochtene Urteil an einer vom Beschwerdeführer nicht geltend gemachten Nichtigkeit im Sinne der Z 10 des § 281 Abs. 1 StPO leidet:

Nach den Sachverhaltsfeststellungen zu Punkt 2.) des Urteilssatzes fügte der Angeklagte, als er von Sylvia C und Edward B unter Anwendung von körperlicher Gewalt an der Flucht gehindert wurde, dem Letztgenannten einen Biß in die linke Brustseite zu, um seine (weitere) Anhaltung zu vereiteln, vermochte jedoch vorerst nicht zu flüchten, mußte vielmehr den Diebstahl eingestehen und erklärte sich auch bereit, das angeblich in seiner Wohnung verwahrte Diebsgut sogleich zurückzugeben. Hierauf wurde er von den beiden Zeugen unter dem Vorwand, ihn in seine Wohnung zu bringen, mit dem PKW zu einer Tankstelle mitgenommen, von welcher aus Sylvia C die Polizei anzurufen gedachte;

erst bei dieser Tankstelle gelang es dem Angeklagten, die Flucht zu ergreifen.

Das dem Angeklagten zu Punkt 2.) des Urteilssatzes vorgeworfene Tatverhalten führte mithin nicht zu dem angestrebten Erfolg, den Zeugen B zu veranlassen, von der weiteren Anhaltung Abstand zu nehmen, sondern stand mit der später geglückten Flucht des Angeklagten den Urteilsannahmen zufolge in keinem ursächlichen Zusammenhang.

Der Tatbestand der Nötigung ist jedoch ein echtes Erfolgsdelikt. Die Vollendung der Tat setzt voraus, daß der Täter sein Ziel, einen anderen zu einem Verhalten zu zwingen, auch tatsächlich erreicht hat; bis dahin liegt nur Versuch vor (Leukauf-Steininger2, RN 22 zu § 105 StGB).

Rechtsrichtig wäre daher der Angeklagte zu Punkt 2.) des angefochtenen Urteils nicht der vollendeten, sondern nur der versuchten Nötigung nach §§ 15, 105 Abs. 1 StGB schuldig zu erkennen gewesen. Der dem Angeklagten zum Nachteil gereichende Subsumtionsfehler begründet ungeachtet des Umstandes, daß das versuchte und vollendete Delikt an sich derselben Strafdrohung unterliegen, Nichtigkeit des Schuldspruches nach § 281 Abs. 1 Z 10 StPO und gibt, da er ungerügt geblieben ist, Anlaß zu einem amtswegigen Vorgehen im Sinne des § 290 Abs. 1 StPO (EvBl 1977/165). Demnach war aus Anlaß der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten gemäß § 290 Abs. 1 StPO das angefochtene Urteil im Schuldspruch wegen Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs. 1 StGB (Punkt 2 des Urteilssatzes) sowie im Strafausspruch aufzuheben und wie im Spruche zu erkennen.

Bei der erforderlich gewordenen Neubemessung der Strafe war nunmehr nicht nur auf das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 13. Jänner 1981, AZ 19 Vr 2348/80 (5 Monate Freiheitsstrafe wegen § 136 Abs. 1 StGB), sondern auch auf das Urteil des Kreisgerichtes Krems an der Donau vom 27. November 1981, AZ 9 E Vr 830/81 (8 Tage Freiheitsstrafe wegen § 83 Abs. 2 StGB) gemäß §§ 31, 40 StGB Bedacht zu nehmen.

Im übrigen konnte der Oberste Gerichtshof im wesentlichen von den vom Erstgericht angenommenen Strafzumessungsgründen ausgehen, zu denen als mildernd noch die Umstände hinzuzuzählen waren, daß es auch beim Vergehen der Nötigung beim Versuch geblieben ist und eine verlockende Gelegenheit zum Diebstahl nicht ausgeschlossen werden kann.

Unter Beücksichtigung des Vorlebens des Berufungswerbers und des Tatherganges vermeint der Oberste Gerichtshof, daß selbst bei der zu Eigentumsdelikten neigenden Persönlichkeit des Angeklagten bei gemeinsamer Aburteilung aller strafbarer Handlungen eine Freiheitsstrafe von nicht mehr als zweieinhalb Jahren verhängt worden wäre, sodaß die im Spruch genannte Zusatzfreiheitsstrafe tatschuldangemessen ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390 a StPO

Anmerkung

E03643

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1982:0120OS00038.82.0422.000

Dokumentnummer

JJT_19820422_OGH0002_0120OS00038_8200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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