TE OGH 1982/6/8 9Os61/82

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Veröffentlicht am 08.06.1982
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 8.Juni 1982 unter dem Vorsitz des Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Obauer und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth, Dr. Steininger, Dr. Horak und Dr. Reisenleitner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Gassner als Schriftführer in der Strafsache gegen Josef A wegen des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127 ff.

StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten sowie die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 13.November 1981, GZ. 1 a Vr 8833/80-38, nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Stern und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Tschulik, zu Recht erkannt:

Spruch

Den Nichtigkeitsbeschwerden des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen (in seinem freisprechenden Teil) unberührt bleibt, im Schuldspruch des Angeklagten wegen des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1, 128 Abs. 1 Z. 4, 130 (erstem Deliktsfall) StGB und demgemäß auch im Strafausspruch und im Ausspruch über den Privatbeteiligtenzuspruch aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zur nochmaligen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 9.April 1930 geborene Kraftfahrer der Marktgemeinde Perchtoldsdorf Josef A des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1, 128 Abs. 1 Z. 4, 130, erstem Deliktsfall, StGB schuldig erkannt, weil er in der Zeit zwischen dem 3.Jänner 1973 und dem 26.September 1978 in Gesellschaft der abgesondert verfolgten Tankwarte der Firma Josef B GesmbH.

Michael C, Stefan D, Johannes E und Karl F als Beteiligter (§ 12 StGB) in wiederholten Angriffen gewerbsmäßig Dieseltreibstoff im Gesamtwert von mindestens 15.450 S bzw. dessen Gegenwert der Firma Josef B GesmbH. mit dem Vorsatz weggenommen habe, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern.

Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Gründe der Z. 5 und 10 des § 281 Abs. 1

StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde; die Staatsanwaltschaft hat gleichfalls Nichtigkeitsbeschwerde erhoben, in der sie - zugunsten des Angeklagten - den Nichtigkeitsgrund der Z. 10 der bezeichneten Gesetzesstelle geltend macht.

Rechtliche Beurteilung

Beide Beschwerden sind begründet.

Soweit vom Angeklagten dem angefochtenen Urteil ein formeller Begründungsmangel im Sinne der Z. 5 des § 281 Abs. 1 StPO mit der Behauptung zum Vorwurf gemacht wird, das Erstgericht stütze sich auf die ihn belastenden Angaben des Michael C, des Stefan D, des Johannes E und des Karl F, die nicht Gegenstand der (der Urteilsfällung vorangegangenen) Hauptverhandlung am 13. November 1981 gewesen seien, erweist sich diese Mängelrüge zwar als nicht stichhältig:

Dem Beschwerdeeinwand ist zunächst schon durch den Beschluß des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 6.April 1982, ON. 47 d.A., mit dem das Protokoll über die Hauptverhandlung vom 13.November 1981 durch den Hinweis auf die erfolgte (einverständliche) Verlesung des Protokolles über die Hauptverhandlung vom 24.Juli 1981 ergänzt wurde, teilweise der Boden entzogen worden. Gegenstand dieser vertagten Hauptverhandlung waren nämlich auch die anläßlich der bezüglichen Zeugenvernehmungen verlesenen und den Zeugen vorgehaltenen Angaben des Michael C und des Stefan D vor der Gendarmerie sowie vor dem Untersuchungsrichter in ihren den Angeklagten belastenden Teilen (vgl. Band I, S. 191, 197, 469, 473 bis 475 /auf S. 544 d.A. offenbar irrtümlich 173

bis 175 /, 543 f., 546 f.d.A.). Daß im übrigen die belastenden Angaben des Zeugen Johann E vor der Gendarmerie (vgl. Band I, S. 184, Band II, S. 5 d.A.) und jene des Zeugen Karl F vor der Gendarmerie sowie vor dem Untersuchungsrichter (vgl. Band I, S. 201, 463, Band II, S. 9 d.A.) den Vernommenen in der Hauptverhandlung am 13. November 1981 vorgehalten und folglich verlesen worden sind, wird vom Angeklagten in seiner Beschwerde selbst eingeräumt. Auch diese Verfahrensergebnisse waren demnach Gegenstand der Hauptverhandlung und konnten vom Gericht bei der Urteilsfällung verwertet werden. Ein Verstoß gegen die Vorschrift des § 258 Abs. 1 StPO liegt sohin nicht vor.

Beizupflichten ist hingegen den Beschwerden des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft darin, daß die inkriminierte Tathandlung zum Nachteil des Angeklagten rechtsirrtümlich dem Tatbestand des - schweren gewerbsmäßigen -

Diebstahls unterzogen wurde.

Wie schon in der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes 9 Os 16/81, die einen im wesentlichen gleichartigen Sachverhalt betraf, dargelegt wurde, stellt es eine rechtsgeschäftlich (wenn auch nur konkludent eingeräumte) Befugnis, einen anderen zu verpflichten und Rechtshandlungen zu Lasten des Machtgebers vorzunehmen, im Sinne des § 153

StGB dar, wenn ein Kraftfahrer von seinem Dienstgeber ermächtigt ist, auf dessen Rechnung für sein Fahrzeug jeweils notwendige Tankvorgänge selbständig vorzunehmen und die bezogenen Treibstoffmengen mit Unterschrift zu bestätigen, wodurch er seinen Dienstgeber nach außen hin unmittelbar rechtsgeschäftlich verpflichtet. Soweit in einem solchen Fall der Täter den Erhalt von Treibstoff bestätigt, der in Wahrheit nicht für ein Firmenfahrzeug bezogen worden ist, und auf diese Weise seinen Dienstgeber zur Bezahlung eines dem tatsächlichen (geringeren) Treibstoffbezug nicht entsprechenden, höheren Betrages verpflichtet, mißbraucht er eine rechtlich eingeräumte Vertretungsmacht zum Schaden des Machtgebers. So gesehen war auch dem Angeklagten A als Kraftfahrer der Marktgemeinde Perchtoldsdorf durch Rechtsgeschäft die Befugnis eingeräumt, seinen Dienstgeber zu verpflichten. Nach den bezüglichen Urteilsfeststellungen hatte er nämlich von diesem den Auftrag, die von ihm gelenkten Kraftfahrzeuge bei der Tankstelle der Firma Josef B GesmbH. aufzutanken, mit welcher die Gemeinde Perchtoldsdorf die Vereinbarung getroffen hatte, daß die bezogenen Treibstoffmengen monatlich abgerechnet werden sollten. Die ihm eingeräumte Befugnis hat aber der Beschwerdeführer nach den Konstatierungen des Schöffengerichtes dadurch mißbraucht, daß er bei den einzelnen Tankvorgängen auf den betreffenden Lieferscheinen bzw. ab Februar 1976 auf den Sammellisten, welche die Grundlage für die monatliche Abrechnung mit der Gemeinde Perchtoldsdorf bildeten, auch den Bezug in Wahrheit nicht für seinen Dienstgeber getankter Treibstoffmengen bestätigte, wobei der Gegenwert des tatsächlich nicht bezogenen Treibstoffes zwischen den jeweils an der Tat Beteiligten aufgeteilt, beziehungsweise den Tankwarten als Trinkgeld überlassen wurde (vgl. Band II, S. 30 f. d. A.). Nach dem Tatplan des Angeklagten lag der für die strafrechtliche Beurteilung seines gesamten Tatverhaltens entscheidende Deliktsakt sonach weder in der unter Gewahrsamsbruch erfolgten Entnahme eines - dem Gegenwert der zu Unrecht verrechneten Treibstoffmenge entsprechenden -

Bargeldbetrages aus der Kasse der Firma Josef B GesmbH. durch die tatbeteiligten Tankwarte, noch in der Täuschung Verfügungsberechtigter der Marktgemeinde Perchtoldsdorf, sondern in der mißbräuchlich vorgenommenen Bestätigung angeblich getankter Treibstoffmengen, durch welche der Angeklagte seinen Dienstgeber erst zur Bezahlung einer in Wahrheit nicht bestehenden Schuld verpflichtete. Der aus diesem Verhalten resultierende Schaden trat daher - tätergewollt - im Vermögen der Marktgemeinde Perchtoldsdorf unmittelbar ein und nicht, wie das Erstgericht rechtsirrig vermeinte, erst infolge nachträglicher überwälzung eines zunächst die Firma Josef B GesmbH. treffenden Vermögensnachteiles. Das festgestellte Tatverhalten des Angeklagten A verwirklicht sohin weder den vom Erstgericht angenommenen Tatbestand des (schweren gewerbsmäßigen) Diebstahls, noch jenen des (schweren gewerbsmäßigen) Betruges, wie ihn die Staatsanwaltschaft dem Angeklagten in der Anklageschrift angelastet hatte, sondern entspricht vielmehr (objektiv) dem Tatbild der (mit geringerer Strafe bedrohten) Untreue nach § 153 Abs. 1 und 2 StGB Dennoch kann eine Entscheidung in der Sache selbst nicht erfolgen, weil das Schöffengericht nicht alle für eine Beurteilung der Tat als Untreue erforderlichen Feststellungen zur inneren Tatseite getroffen hat. Voraussetzung für diesen Tatbestand ist - neben der vom Erstgericht angenommenen tätergewollten Vermögensschädigung -, daß der Täter seine Vertretungsbefugnis wissentlich (§ 5 Abs. 3 StGB) mißbraucht, also den Inhalt und Umfang seiner Befugnis kennt, sich dessen gewiß ist, daß seine Vorgangsweise durch die ihm erteilte Befugnis nicht gedeckt ist, und weiß, daß er den Machtgeber hiedurch unmittelbar verpflichtet. Hiezu fehlen jedoch im Urteil hinreichende Konstatierungen, weshalb eine Aufhebung des Schuldspruchs und eine Verfahrenserneuerung nicht zu vermeiden ist. Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

Anmerkung

E03708

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1982:0090OS00061.82.0608.000

Dokumentnummer

JJT_19820608_OGH0002_0090OS00061_8200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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