TE OGH 1982/9/8 11Os101/82

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Veröffentlicht am 08.09.1982
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 8.September 1982

unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Schneider und Dr. Reisenleitner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Krausam als Schriftführers in der Strafsache gegen Siegfried A wegen des Verbrechens der versuchten schweren Erpressung nach den § 15, 144 Abs. 1, 145 Abs. 1 Z. 1 und 2 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die von dem Angeklagten gegen das Urteil des Kreisgerichtes Krems an der Donau als Schöffengerichtes vom 5.Mai 1982, GZ. 15 Vr 179/82-31, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. Schneider, de Ausführungen des Verteidigers Dr. Hirtzberger und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwaltes Dr. Presslauer, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 12.Februar 1957 geborene, zuletzt beschäftigungslos gewesene Siegfried A des Vergehens der Körperverletzung nach dem § 83 Abs. 2 StGB, der Verbrechen der versuchten schweren Erpressung nach den § 15, 144 Abs. 1, 145 Abs. 1 Z. 1

und 2 StGB und der schweren Nötigung nach den § 105 Abs. 1, 106 Abs. 1 Z. 1 und 2 StGB sowie des Vergehens nach dem § 36 Abs. 1 lit. b WaffenG. schuldig erkannt. Ihm liegt zur Last, I./ in der Nacht vom 25. zum 26.Jänner 1982 in Krems/Donau vorsätzlich Ingrid B 1. durch Versetzen von fünf Faustschlägen in das Gesicht am Körper mißhandelt und ihr dadurch fahrlässig Verletzungen, nämlich Kopfschmerzen, Nasenbluten und ein Hämatom im Gesicht zugefügt zu haben;

2. in Gesellschaft der abgesondert verfolgten Christian C und Roman

D als Beteiligter (§ 12, erster Fall, StGB) a) durch die zu I./1. beschriebene Handlung und dadurch, daß er am 26.Jänner 1982 in der Zeit von ca. 2,00 Uhr bis 7,00 Uhr ihr Zimmer versperrte und den Schlüssel einsteckte, sie hiedurch gefangen hielt, wobei sie regungslos, bloß mit einem Morgenmantel bekleidet, stehen mußte und, sobald sie sich bewegte, mißhandelt wurde, sowie dadurch, daß er äußerte, 'du wirst auch lachen, wenn du angefressen bist', wobei er ihr ein Rasiermesser zeigte, sohin durch Gewalt und durch gefährliche Drohung 'mit einer erheblichen Verstümmelung, nämlich der Verunstaltung des Gesichtes' (gemeint: mit einer auffallenden Verunstaltung des Gesichtes), wodurch er sie längere Zeit in einen qualvollen Zustand versetzte, versucht zu haben, Ingrid B zu einer Handlung, nämlich zur Bezahlung von 30.000 S an Christian C zu nötigen, welche sie an ihrem Vermögen geschädigt hätte, wobei er mit dem Vorsatz handelte, durch das Verhalten der Genötigten Christian C unrechtmäßig zu bereichern;

b) durch die zu I./1. und 2. a) genannten Handlungen zur Herausgabe eines Ringes der Ingrid E und ihrer Wohnungsschlüssel für ihre Wohnung in Linz, sohin zu Handlungen, genötigt zu haben;

II./ in der Zeit von Februar 1982 bis 3.März 1982

in Linz vorsätzlich eine Stahlrute, sohin eine verbotene Waffe (§ 11 WaffenG.), unbefugt besessen zu haben.

Der Angeklagte bekämpft die Schuldsprüche wegen der Verbrechen der versuchten schweren Erpressung (I./2. a) und der schweren Nötigung (I./2. b) mit einer auf die Nichtigkeitsgründe der Z. 5, 9 lit. a und 10

des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. Den einleitenden allgemeinen Ausführungen der Mängelrüge, mit denen der Angeklagte eine offenbar unzureichende Begründung der erstgerichtlichen Feststellungen einwendet, jedoch der Sache nach vorwiegend darüber Beschwerde führt, daß das Erstgericht seiner leugnenden Verantwortung, die durch die Angaben der Zeugen Christian C, Roman D und Ingrid B in der Hauptverhandlung gestützt worden sei, keinen Glauben geschenkt und vielmehr die früheren Angaben der Ingrid B am 27.Jänner 1982 vor der Gendarmerie und am 28.Jänner 1982 vor dem Untersuchungsrichter des Kreisgerichtes Krems/Donau als richtig angesehen habe, kann die Darlegung eines Begründungsmangels nicht entnommen werden. Das Erstgericht verwies bei seinen Erwägungen zur Beweiswürdigung keineswegs nur generell auf die übrigen Beweisergebnisse und die menschliche Erfahrung, sondern bezeichnete die herangezogenen Verfahrensumstände und unterzog die daraus resultierende Beweislage einer ausreichenden Erörterung. Weder die - im übrigen lebensnah begründete - Ansicht des Erstgerichtes, der Angeklagte könne im volkstümlichen Sprachgebrauch als Zuhälter bezeichnet werden, noch der bei mangelfreier Würdigung der von den früheren Angaben abweichenden Aussage der Zeugin Ingrid B angefügte, ersichtlich eine Charakterisierung des Milieus und nicht die Umschreibung einer Feststellungsgrundlage anstrebende illustrative Hinweis auf eine in einem anderen Strafverfahren hervorgekommene Zeugenbeeinflussung - die darüber hinaus den Beschwerdebehauptungen zuwider in der Hauptverhandlung zur Sprache kam (vgl. S. 258) - betreffen entscheidende, nämlich für das Erkenntnis in der Schuldfrage oder für die Wahl des anzuwendenden Strafsatzes maßgebende Tatsachen.

Rechtliche Beurteilung

Der Beschwerdeführer unternimmt - wie die Generalprokuratur zutreffend darlegt - nach Art und Zielsetzung seines Vorbringens lediglich einen im Rechtsmittelverfahren gegen Urteile der Schöffengerichte unzulässigen und solcherart unbeachtlichen Angriff auf die erstgerichtliche Beweiswürdigung, ohne aufzuzeigen, daß die bekämpften Schlußfolgerungen mit den Denkgesetzen oder der Lebenserfahrung nicht vereinbar oder doch so weit hergeholt seien, daß das Urteil mit logischen Fehlern behaftet wäre. Mit den von einer Einschätzung des Beweiswertes einzelner Verfahrensergebnisse aus der Sicht des Angeklagten ausgehenden Behauptungen, daß aus den vom Gericht berücksichtigten Umständen auch andere, für den Angeklagten günstigere Konklusionen abgeleitet werden könnten, wird der Nichtigkeitsgrund der Z. 5 des § 281 Abs. 1 StPO nicht zur gesetzmäßigen Darstellung gebracht. Auch die anschließenden Ausführungen, mit denen sich der Beschwerdeführer gegen einzeln angeführte Sachverhaltsannahmen des Erstgerichtes wendet, erweisen sich als nicht zielführend:

Das auf eine Verabredung zurückzuführende Vorhaben des Angeklagten, mit Christian C bei der - nötigenfalls gewaltsamen - Eintreibung eines größeren Geldbetrages bei Ingrid B - und nicht nur bei einer 'Bestrafung' durch Zufügung von Mißhandlungen - zu helfen, erschloß das Erstgericht mängelfrei aus den gegebenen Prämissen und tat damit seiner Begründungspflicht (§ 270 Abs. 2 Z. 5 StPO) Genüge (S. 282). Von einer bei Begründung des erpresserischen Charakters der gegen Ingrid B gerichteten Tätlichkeiten unterlaufenen Aktenwidrigkeit kann - abgesehen davon, daß die bezügliche Konstatierung in den Angaben der Ingrid B vor dem Untersuchungsrichter des Kreisgerichtes Krems/

Donau ihre Deckung findet (S. 41) - schon deshalb keine Rede sein, weil im Urteil nicht etwa der Inhalt der bezughabenden Zeugenaussagen oder der Verantwortung des Angeklagten unrichtig wiedergegeben, sondern nur die Beweiskraft der verschiedenen Angaben beurteilt und daraus auf den festgestellten Sachverhalt geschlossen wird. Die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten Angaben der genannten Zeugin vor der Gendarmerie aber sind mit der erwähnten Feststellung vereinbar und bedurften keiner besonderen Erörterung, weil es auch nach dieser Darstellung den drei Männern neben einer Bestrafung der Ingrid B darum ging, sie in Hinkunft 'von solchen Dingen' - nämlich Geldleistungen an Christian C nicht zu erbringen, sondern durch übergabe eines verfälschten Sparbuches bloß vorzutäuschen - abzuhalten. Auch die in diesem Zusammenhang behauptete Undeutlichkeit der erstgerichtlichen Sachverhaltsannahmen liegt nicht vor, weil es nach Lage des Falles nicht entscheidend ist, ob von Ingrid B die Bezahlung eines Geldbetrages von 30.000 S während oder nach ihrer Mißhandlung gefordert wurde. Die bezüglichen Konstatierungen, daß die Mißhandlungen jedenfalls zwecks Abnötigung des Geldbetrages gesetzt wurden und das Opfer zur Vermeidung weiterer Mißhandlungen ein Zahlungsversprechen abgab, treffen eine klare und zur Beurteilung der objektiven und subjektiven Tatseite ausreichende Aussage.

Ob Roman D der Ingrid B bereits vor dem späteren, mit dem Angeklagten und Christian C gemeinsam getätigten Vorgehen gegen die Genannte eine Ohrfeige versetzte, betrifft im Rahmen der angefochtenen Schuldsprüche ebensowenig eine entscheidende Tatsache wie die Frage, ob der Angeklagte das Opfer nur durch die im Urteilsspruch bezeichnete Äußerung mit dem Aufschneiden des Mundes bedrohte oder diese Drohung zusätzlich auch noch mit anderem Wortlaut, aber gleichem Sinngehalt wiederholt wurde. Mit der Feststellung, daß die vom Angeklagten und seinen Mittätern als 'Gerichtsverhandlung' gegen Ingrid B angesehene deliktische Einwirkung mehrere Stunden gedauert habe, ist der ebenfalls konstatierte Umstand, daß die Täter in einem Teil dieses Zeitraumes abwechselnd kurzfristig schliefen, durchaus vereinbar, sodaß auch in diesem Zusammenhang ein Begründungsmangel nicht erkennbar ist. Der Mängelrüge kommt daher in keiner Beziehung Berechtigung zu. Die auf den Nichtigkeitsgrund der Z. 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO gestützte Rechtsrüge geht davon aus, daß das Verbrechen der Erpressung nach dem § 144 Abs. 1

StGB nur dann verwirklicht werden könne, wenn der Täter vorerst vom Opfer die entsprechende Handlung, Duldung oder Unterlassung fordert und erst im Anschluß daran durch Gewalt oder durch gefährliche Drohung seiner Forderung Nachdruck verleiht. Der Einwand ist nicht begründet, weil entsprechend dem Wesen des einen Angriff auf die freie Willensentschließung oder Willensbetätigung darstellenden Delikts auch Gewaltakte oder gefährliche Drohungen, die nach dem Vorsatz des Täters auf Einschüchterung und Beseitigung des Widerstandes gegen ein erst danach zu forderndes Verhalten des Opfers abzielen, Ausführungshandlungen einer Erpressung sein können. Gleiches gilt im übrigen auch für Verhaltensweisen, die nach einer erzwungenen Zusage des Opfers, sich den Intentionen des Täters gemäß verhalten zu wollen, stattfinden, soweit sie der Sicherung oder Vertiefung der angestrebten Willensbeugung durch Steigerung der Furcht vor der Verwirklichung einer gefährlichen Drohung oder vor der Wiederholung der Gewaltanwendung dienen.

Schließlich kommt auch dem unter Anrufung des Nichtigkeitsgrundes der Z. 10 des § 281 Abs. 1 StPO vorgebrachten Einwand gegen die der Heranziehung der Qualifikationen nach den § 106 Abs. 1 Z. 2 und 145 Abs. 1 Z. 2 StGB zugrunde liegende Annahme, die Genötigte sei durch die Tathandlungen längere Zeit in einen qualvollen Zustand versetzt worden, keine Berechtigung zu. Denn die gerügte Beurteilung beruht keineswegs nur auf der Wiederholung kurzer zeitlicher Mißhandlungen, sondern auf dem im Rahmen eines fortdauernden Angstzustandes dem Opfer aufgezwungenen stundenlangen Ausharren in stehender bewegungsloser Haltung. Diesen Sachverhalt sah das Erstgericht mit Recht als Versetzung in einen längere Zeit andauernden qualvollen Zustand an. Soweit der Beschwerdeführer davon ausgeht, daß die Versetzung des Opfers in diesen qualvollen Zustand nicht mehr dem Ziel der versuchten Erpressung gedient, sondern ausschließlich einen bloßen Revancheakt dargestellt haben könnte, läßt er die gegenteiligen Feststellungen des Ersturteils (S. 275 f.) unbeachtet und vergleicht solcherart nicht den gerichtlich konstatierten Sachverhalt mit dem darauf angewendeten Strafgesetz, wie es Voraussetzung einer prozeßordnungsmäßigen Darstellung des angerufenen Nichtigkeitsgrundes wäre.

Die zur Gänze unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Siegfried A war daher zu verwerfen.

Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten nach dem § 145 Abs. 1 StGB unter Bedachtnahme auf den § 28 StGB eine Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Jahren. Es berücksichtigte bei der Strafbemessung die Begehung mehrerer (insgesamt vier) strafbarer Handlungen (verschiedener Art) und die zahlreichen, auf gleicher schädlicher Neigung beruhenden, sogar die Voraussetzungen des § 39 StGB erfüllenden Vorstrafen als erschwerend, hingegen die Umstände, daß die Erpressung nur bis ins Versuchsstadium gedieh und nicht zur eigenen Bereicherung verübt wurde, die freiwillige Rückgabe der abgenötigten Wohnungsschlüssel und das zu den beiden Vergehenstatbeständen abgelegte reumütige Geständnis als mildernd. Der Berufung, mit welcher der Angeklagte die Herabsetzung der Freiheitsstrafe anstrebt, kommt keine Berechtigung zu:

Das Erstgericht stellte nämlich die Strafzumessungsgründe richtig und vollständig fest, unterzog sie auf der Basis der allgemeinen, für die Strafbemessung geltenden Normen (§ 32 StGB) einer zutreffenden Würdigung und verhängte demgemäß eine angemessene Freiheitsstrafe.

Im Gegensatz zur Meinung des Berufungswerbers wurde von der Strafschärfungsmöglichkeit des § 39 StGB nicht Gebrauch gemacht; das Erstgericht verweist im Zusammenhang mit der gemäß dem § 33 Z. 2 StGB als erschwerend zuzurechnenden Vorstrafenbelastung lediglich (theoretisch) darauf, daß (sogar) die Voraussetzungen des § 39 StGB gegeben wären, ohne hieraus - zusätzlich zur Annahme des Erschwerungsgrundes nach dem § 33 Z. 2 StGB - irgendwelche Konsequenzen zu ziehen. Mithin kann schon deshalb von einem Verstoß des Erstgerichtes gegen ein Doppelverwertungsverbot (hier: von Vorstrafen, die auf gleicher schädlicher Neigung beruhen) nicht die Rede sein.

Der Umstand, daß das Erpressungsfaktum beim Versuch blieb (und daher, wie der Berufungswerber hinweist, insoweit kein - materieller - Schaden entstand), wurde vom Erstgericht ohnehin berücksichtigt. Aus den dargelegten Gründen sah sich der Oberste Gerichtshof zu einer Reduktion der vom Erstgericht ausgemessenen Freiheitsstrafe nicht veranlaßt.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die im Urteilsspruch zitierte Gesetzesstelle.

Anmerkung

E03834

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1982:0110OS00101.82.0908.000

Dokumentnummer

JJT_19820908_OGH0002_0110OS00101_8200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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