TE OGH 1982/9/8 11Os132/82

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 08.09.1982
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Schneider und Dr. Reisenleitner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Krausam als Schriftführers in der Strafsache gegen Robert A wegen des Vergehens der Geschenkannahme durch Beamte nach dem § 304 Abs. 2 StGB nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengerichtes vom 29. März 1982, GZ 4 b Vr 9.822/81-20, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Robert A des Vergehens der Geschenkannahme durch Beamte nach dem § 304 Abs. 2 StGB schuldig erkannt und nach dieser Gesetzesstelle unter Anwendung des § 37 Abs. 1 StGB zu einer Geldstrafe sowie gemäß dem § 20 Abs. 2 StGB zur Bezahlung eines Geldbetrages von 23.000 S verurteilt.

Den Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Z 4 des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, den Straf- sowie den Verfallsausspruch ausdrücklich mit Berufung, womit er jedoch im letztgenannten Fall der Sache nach den Nichtigkeitsgrund der Z 11 des § 281 Abs. 1 StPO geltend macht (vgl Foregger-Serini3, § 443 StPO, Erl II).

Rechtliche Beurteilung

Die Verfahrensrüge ist berechtigt.

Zutreffend macht Robert A in diesem Zusammenhang geltend, daß das Erstgericht durch die Unterlassung der beantragten Einvernahme der Zeugin Margarethe B und insbesondere durch die Ablehnung des von seinem Verteidiger in der Hauptverhandlung gestellten Antrages auf Einholung eines Gutachtens über die Vernehmungsfähigkeit dieser - bisher nur vor der Polizei vernommenen - Zeugin und durch die bloße Verlesung eines in einem anderen Verfahren erstatteten Gutachtens über diese Frage seine Verteidigungsrechte beeinträchtigt habe. Die Mündlichkeit und die Unmittelbarkeit des Verfahrens sind Grundsätze der Strafprozeßordnung, von denen nur abgegangen werden darf, wo dies die Strafprozeßordnung aus besonders wichtigen Gründen ausdrücklich zuläßt. Da Sachverständigengutachten auf Grund des aufgenommenen Befundes jederzeit mündlich erstattet werden können, ist beim Sachverständigenbeweis die volle Beachtung der beiden zitierten Grundsätze möglich und, abgesehen von den Ausnahmen des § 252 Abs. 1 StPO, auch prinzipiell vorgeschrieben (vgl Mayerhofer-Rieder, II/1, § 252 StPO, E 1, 18). Der Verwertung des aus dem Strafverfahren gegen Margarethe B stammenden, zum gleichen Beweisthema (auf Grund einer Befundaufnahme am 14.12.1981) erstatteten Gutachtens des Sachverständigen Prim. Dr. C hatte sich der Angeklagte am 29.3.1982 (S 441) ausdrücklich widersetzt (vgl Mayerhofer-Rieder aaO E 52) und die Einholung eines eigenen Gutachtens im vorliegenden Verfahren sowie die Erläuterung dieses Gutachtens 'durch den neu zu bestellenden' Sachverständigen in der Hauptverhandlung begehrt. Zur Darlegung stichhältiger Gründe, die ihn veranlaßten, sich mit der (von ihm bereits erwarteten) anschließend gemäß dem § 252 Abs. 2 StPO stattfindenden Verlesung des aus einem anderen Verfahren stammenden Gutachtens nicht einverstanden zu erklären und auf der Einhaltung der Verfahrensgrundsätze der Mündlichkeit und Unmittelbarkeit zu beharren, war der Beschwerdeführer entgegen der aus dem abweislichen Beschluß (S 443 f) hervorleuchtenden Ansicht des Erstgerichtes nicht verpflichtet. Anderseits stand ihm vorerst allerdings auch nicht das Recht zu (vgl § 119, 125, 126 StPO), die Bestellung eines anderen Sachverständigen zu begehren (falls der Wortlaut des Beweisantrages überhaupt dahin zu interpretieren ist). Zumindest dadurch, daß es das Schöffengericht unterließ, Prim. Dr. C als Sachverständigen vorzuladen, mit ihm (auf Grund der bereits vorliegenden Befundaufnahme) in eine Erörterung der Frage der Vernehmungsfähigkeit der (Haupt-)Zeugin Margarethe B einzutreten und insbesonders dem Verteidiger das ihm zustehende und von ihm beanspruchte Fragerecht einzuräumen (vgl Mayerhofer-Rieder II/2, § 281 Z 4 StPO, E 99 a), wurden aber die Verteidigungsrechte des Angeklagten schon aus formellen Gründen verletzt. Bei der gegebenen Sachlage kann auch keinesfalls gesagt werden (vgl § 281 Abs. 3 StPO), daß der festgestellte Formverstoß und das dadurch bedingte, ohne diesen Verstoß allenfalls vermeidbare Unterbleiben der beantragten persönlichen Einvernahme der Zeugen Margarethe B durch das erkennende Gericht keinen dem Beschwerdeführer nachteiligen Einfluß üben konnte, zumal der genannte Gutachter selbst die Möglichkeit einer Nachuntersuchung ab 'Sommer 1982' aufzeigt (S 409).

Da sich sohin - wie auch die Generalprokuratur ausführte - zeigt, daß die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung nicht zu vermeiden ist und eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes in der Sache selbst noch nicht einzutreten hat, war gemäß dem § 285 e StPO bereits bei einer nichtöffentlichen Beratung wie aus dem Spruch ersichtlich zu erkennen, wobei auf das übrige Beschwerdevorbringen nicht mehr eingegangen zu werden brauchte.

Mit seiner durch die Aufhebung des Urteils auch im Strafausspruch gegenstandslos gewordenen Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

Anmerkung

E03831

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1982:0110OS00132.82.0908.000

Dokumentnummer

JJT_19820908_OGH0002_0110OS00132_8200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten