TE OGH 1982/9/15 11Os123/82

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Veröffentlicht am 15.09.1982
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 15. September 1982 unter dem Vorsitz des Senatpräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Walenta, Dr. Horak, Dr. Schneider und Dr. Reisenleitner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Krausam als Schriftführers in der Strafsache gegen Ernst A wegen des Vergehens der schweren Körperverletzung nach den § 83 Abs. 1, 84 Abs. 1 StGB über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengerichtes vom 23. April 1982, GZ 2 e Vr 9.001/ 81-82, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Walenta, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Proksch und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Ersten Generalanwaltes Dr. Nurscher, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird dahin Folge gegeben, daß die über den Angeklagten verhängte Freiheitsstrafe auf 15 (fünfzehn) Monate herabgesetzt wird.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 16. März 1948 geborene Tapezierermeister Ernst A des Vergehens der schweren Körperverletzung nach den § 83 Abs. 1, 84

Abs. 1 StGB schuldig erkannt. Ihm liegt zur Last, in Gesellschaft der gesondert verfolgten Friedrich und Karl B als Beteiligte (§ 12 StGB) am 19. August 1981 (in Wien) im bewußten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter den Franz C durch Faustschläge, Fußtritte und Schläge mit einer Blechschere vorsätzlich am Körper verletzt zu haben, wobei die Tätlichkeiten eine an sich schwere Verletzung des Genannten, nämlich einen offenen Impressionsbruch des Scheitelbeines links, einen knöchernen Ausriß aus dem rechten Ellbogen, sowie zahlreiche Rißquetschwunden im Gesicht und am Schädel, verbunden mit einer länger als 24 Tage dauernden Gesundheitsschädigung und Berufsunfähigkeit zur Folge hatten. Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Z 5 und 10 des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. Zum erstgenannten Nichtigkeitsgrund behauptet er zu Unrecht, die Urteilsgründe seien undeutlich, unvollständig, unzureichend und widersprüchlich.

Rechtliche Beurteilung

Die Annahme, daß nicht nur der Beschwerdeführer, sondern auch die Brüder B auf den Zeugen C einschlugen, konnte das Schöffengericht (S 353) im Rahmen seiner freien Beweiswürdigung auf die (ursprünglichen) Angaben der Zeugen Gertrude D und Franz C vor der Polizei (vgl insbes Seite 42, 65) und auf die Aussagen des Beschwerdeführers selbst (S 42, 64, 101 b) stützen. Zur Frage, warum es den später abgeschwächten Angaben der Zeugin D nicht folgte, nahm es zureichend und denkmöglich Stellung (S 353, 354). Ob der gesondert verfolgte Karl B die Tätlichkeiten eröffnete und ob er Franz C (auch) Fußtritte versetzte, ist für die Beurteilung der gegenständlichen Strafsache ohne Belang. Auch mit der den Karl B entlastenden Aussage des Zeugen Peter E setzte sich das Schöffengericht hinreichend auseinander (S 354, 355). Größe und Körperkraft des Zeugen Franz C spielen im Hinblick darauf, daß er drei Personen gegenüberstand, ebensowenig eine Rolle wie die Frage, wann er die von ihm getragene Blechschere verlor. Es kann auch keine Rede davon sein, daß die Aussage des Zeugen C, er habe zuerst einen Schlag verspürt, dann weitere heftige Schläge erhalten und könne sich an nichts mehr erinnern, die Feststellung des Erstgerichtes, der Beschwerdeführer und die Brüder B hätten abwechselnd auf C eingeschlagen, ausschließen würde. Schließlich begründete das Schöffengericht auch denkmöglich, warum es einen gemeinsamen Mißhandlungsvorsatz auf Seiten der Brüder B und des Beschwerdeführers annahm (S 356 oben). Dem Urteil haften sohin die behaupteten formalen Begründungsmängel nicht an.

Soweit Ernst A unter dem Nichtigkeitsgrund der Z 5 des § 281 Abs. 1 StPO in der Frage seiner Vorsatzbildung das Fehlen von Feststellungen über den Grad seiner Alkoholisierung und im Zusammenhang mit der Behauptung einer Notwehrsituation über den Umfang seiner eigenen Verletzungen sowie über Größe und Körperkraft des Zeugen Franz C rügt, macht er sachlich materielle Nichtigkeitsgründe geltend, doch kommt auch diesem Vorbringen keine Berechtigung zu. Das Verfahren ergab keine Anhaltspunkte dafür, daß der Angeklagte unter Berücksichtigung seines festgestellten folgerichtigen Gesamtverhaltens infolge von Alkoholgenuß in seiner Diskretions- und Dispositionsfähigkeit zur Tatzeit in relevanter Weise beeinträchtigt gewesen wäre.

Das Schöffengericht brauchte sich daher mit der Frage des Alkoholisierungsgrades nicht weiter zu befassen. Es bedurfte aber, abgesehen von der bereits erörterten Frage der Körperkraft des Zeugen C, auch keiner weiteren Feststellungen über die Verletzungen, die der Angeklagte selbst erlitt, waren sie doch auch nach ihrer in der Rechtsmittelschrift behaupteten Natur (Nasenbeinzertrümmerung, Platzwunde am Kopf und Stichwunde an der linken Schulter) nicht geeignet, die vom Angeklagten selbst zugegebenen (S 337) Fußtritte gegen den noch am Boden liegenden (S 114) Zeugen C auszuschließen; mit der Frage einer Notwehrsituation setzte sich das Gericht aber ohnehin ausdrücklich auseinander und verneinte diese zutreffend (Seite 357).

Unter Berufung auf den Nichtigkeitsgrund nach dem § 281 Abs. 1 Z 10 StPO bringt der Beschwerdeführer noch vor, sein Verhalten wäre rechtsrichtig als das Vergehen des Raufhandels nach dem § 91 Abs. 1 StGB zu beurteilen gewesen; allenfalls komme ihm wegen der Verwendung der Blechschere durch den Zeugen C auch in diesem Zusammenhang eine Notwehrsituation zugute. Hierin kann dem Angeklagten jedoch gleichfalls nicht gefolgt werden. Der Beschwerdeführer übersieht, daß das Vergehen nach dem § 91 Abs. 1 StGB auf der subjektiven Tatseite voraussetzt, daß die Täter nicht mit - wenn auch nur ad hoc gefaßtem, spontanem - gemeinsamen Verletzungs- oder Mißhandlungsvorsatz tätig werden, sondern sich ihr Vorsatz (bloß) auf die Beteiligung an der Schlägerei richtet (Leukauf-Steininger, Komm zum StGB2, RN 7 und 12 zu § 91); handeln jedoch die Teilnehmer einer Partei mit gemeinsamem Verletzungsoder Mißhandlungsvorsatz und verletzen eine andere Person schwer, so ist § 91 StGB auf sie nicht anwendbar (Leukauf-Steininger, Komm zum StGB2, RN 17 und 18 zu § 91 StGB). Diesen gemeinsamen Vorsatz stellte das Schöffengericht aber vorliegend ausdrücklich fest (S 356, 357).

Die diese Konstatierungen und auch die Feststellungen zur Notwehrfrage negierenden Ausführungen der Beschwerde entsprechen nicht dem Gesetz, weil sie einen urteilsfremden Sachverhalt der rechtlichen Beurteilung unterziehen.

Die unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen. Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten nach dem § 84 Abs. 1 StGB eine Freiheitsstrafe in der Dauer von achtzehn Monaten. Bei der Strafbemessung wertete es die zahlreichen einschlägigen Vorstrafen und den relativ raschen Rückfall als erschwerend und berücksichtigte demgegenüber die einem Geständnis nahekommende Schuldeinsicht des Ernst A, dessen Provokation durch Franz C sowie die eigenen Verletzungen als mildernd.

Der Angeklagte begehrt mit seiner Berufung eine Herabsetzung des Strafausmaßes.

Die Berufung ist begründet.

Das Erstgericht hat die Strafzumessungsgründe zwar im wesentlichen richtig festgestellt, der Tatsache der Provokation jedoch zu wenig Gewicht beigemessen und ungeachtet des getrübten Vorlebens des Angeklagten ein Strafmaß gefunden, das als zu hoch angesehen werden muß. Eine Freiheitsstrafe in der Dauer von fünfzehn Monaten trägt nach Auffassung des Obersten Gerichtshofes dem vom Angeklagten zu verantwortenden Handlungs- und Erfolgsunwert der Tat ausreichend Rechnung.

Der Berufung des Angeklagten war sohin Folge zu geben und die vom Erstgericht verhängte Freiheitsstrafe angemessen herabzusetzen. Die Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.

Anmerkung

E03870

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1982:0110OS00123.82.0915.000

Dokumentnummer

JJT_19820915_OGH0002_0110OS00123_8200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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