TE OGH 1982/10/19 10Os155/82

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Veröffentlicht am 19.10.1982
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 19. Oktober 1982 durch den zehnten Senat unter dem Vorsitz des Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich sowie in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini, Dr. Schneider, Dr. Hörburger und Dr. Lachner als Richter unter Beiziehung des Richteramtsanwärters Dr. Rathmanner als Schriftführer in der Strafsache gegen Franz A wegen des Vergehens der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 und Abs 2 (erster Fall) StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 1. Juli 1982, GZ 8 Vr 1166/82-29, nach öffentlicher Verhandlung - Vortrag des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini, Anhörung der Ausführungen des Verteidigers Dr. Korab und des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Hauptmann - zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Franz A des Vergehens der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 und Abs 2

(erster Fall) StGB schuldig erkannt, begangen dadurch, daß er sich zwischen dem 10. und dem 15. März 1982 in Graz ein ihm zur Reparatur anvertrautes Biedermeiersofa im Wert von ca 6.000 S mit dem Vorsatz zueignete, sich dadurch unrechtmäßig zu bereichern.

Rechtliche Beurteilung

Der auf § 281 Abs 1 Z 4, 9 lit a und 10 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten gegen dieses Urteil kommt keine Berechtigung zu.

Nicht stichhältig ist zunächst die Verfahrensrüge (Z 4). Die Verlesung der bei der Polizei mit Leopoldine B aufgenommenen Niederschrift (S 77-79) in der Hauptverhandlung war zwar, worin dem Beschwerdeführer beizupflichten ist, durch den vom Erstgericht zur Begründung dieses Vorgangs herangezogenen (S 88/103) § 252 Abs 1 Z 1

StPO schon deshalb nicht gedeckt, weil sich Abs 1 jener Verfahrensbestimmung nur auf gerichtliche Protokolle bezieht (vgl ÖJZ-LSK 1981/95, SSt 43/41 ua), wohl aber nach deren Abs 2, demzufolge Augenscheins- und Befundaufnahmen, gegen den Angeklagten früher ergangene Straferkenntnisse sowie für die Sache bedeutsame Urkunden und Schriftstücke anderer Art - zu denen auch polizeiliche Protokolle und Berichte über die Angaben von Auskunftspersonen gehören (vgl ÖJZ-LSK 1981/96, EvBl 1953/30 ua) - vorgelesen werden müssen, wenn nicht beide Teile darauf verzichten, also auch dann, wenn nur der Verteidiger widerspricht. Durch die gerügte Verlesung wurden demnach weder das Unmittelbarkeits- noch das Mündlichkeitsprinzip in ihrer konkreten strafprozessualen Ausgestaltung noch andere Verfahrensgrundsätze hintangesetzt, deren Beachtung durch das Wesen eines (auch) die Verteidigung sichernden Verfahrens geboten gewesen wäre.

Gleichfalls zu Unrecht reklamiert der Angeklagte in der Rechtsrüge (Z 10, allenfalls Z 9 lit a) das Fehlen 'expliziter' Feststellungen darüber, ob er das ihm zur Reparatur anvertraute Sofa wirklich verkauft hat. Gewiß muß nach § 270 Abs 2 Z 5 StPO in den Entscheidungsgründen (in gedrängter Darstellung, aber) mit voller Bestimmtheit (unter anderem) angegeben sein, welche Tatsachen der Gerichtshof als erwiesen (oder als nicht erwiesen) angenommen hat, doch ist diesem Bestimmtheitserfordernis jedenfalls Genüge getan, wenn aus dem Urteil unmißverständlich hervorgeht, von welchen Tatsachenannahmen das Gericht ausgegangen ist.

Eben das aber trifft im vorliegenden Fall, wie der Beschwerdeführer ausdrücklich einräumt, in Ansehung der überzeugung des Schöffengerichts, daß er das urteilsgegenständliche Sofa tatsächlich verkauft hat, ohnedies zu. Der geltend gemachte Feststellungsmangel liegt demnach nicht vor.

Ohne jeden Anhaltspunkt in Spruch oder Gründen des Urteils hingegen unterstellt der Angeklagte dem Erstgericht eine (ebenfalls) nicht ausdrücklich getroffene Konstatierung dahin, daß er schon bei der übernahme des Sofas die Absicht gehabt habe, es zu verkaufen. Demzufolge läßt die darauf beruhende (in Rede stehende) Rechtsrüge sowohl mit dem Einwand, diesfalls wäre das inkriminierte Tatverhalten als Betrug zu beurteilen, als auch mit der Behauptung eines (nach dem zuvor Gesagten bloß vermeintlichen) Feststellungsmangels darüber eine prozeßordnungsgemäße Ausführung vermissen.

Die weitere Rechtsansicht des Beschwerdeführers schließlich, mit der er - urteilskonform von der Annahme ausgehend, daß er bei der Entgegennahme des Sofas noch keinen Zueignungsvorsatz hatte - die rechtliche Beurteilung seiner Tat bloß als Unterschlagung (§ 134 Abs 2 StGB) anstrebt (sachlich Z 10) ist verfehlt. Denn auf den Zeitpunkt des Entschlusses, sich (oder Dritten) das fremde Gut zuzueignen, kommt es für die Abgrenzung zwischen den Tatbeständen der Veruntreuung und der Unterschlagung nicht an; entscheidend ist vielmehr, daß der Angeklagte den Gewahrsam an dem Sofa durch dessen übergabe an ihn zur Reparatur, also durch ein Anvertrauen (§ 133 StGB) und nicht auf andere Weise (§ 134 StGB) erlangt hat (vgl EvBl 1976/291 = ÖJZ-LSK 1976/283 ua). Bei der Unterstellung der Tat unter § 133 Abs 1 und Abs 2 (erster Fall) StGB ist dem Erstgericht mithin ein Rechtsirrtum nicht unterlaufen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Erstgericht verurteilte den Angeklagten nach dem ersten Strafsatz des § 133 Abs 2 StGB zu zehn Monaten Freiheitsstrafe. Bei der Strafbemessung wertete es seine zahlreichen einschlägigen Vorstrafen wegen Eigentumsdelikten als erschwerend, als mildernd hingegen keinen Umstand.

Auch die Berufung des Angeklagten, mit der er eine Herabsetzung des Strafmaßes unter 6 Monate sowie die folgende Umwandlung der Freiheitsstrafe in eine Geldstrafe und die Gewährung bedingter Strafnachsicht anstrebt, erweist sich als unberechtigt. Die vom Berufungswerber reklamierten weiteren Milderungsgründe liegen nicht vor.

Dafür, daß er die Tat unter dem Einfluß eines abnormen Geisteszustands begangen hätte, ergeben sich aus seinem mehrmaligen, zum Teil auf Hungerstreiks und zum Teil auf seine Diabetes zurückzuführenden Aufenthalt im Landessonderkrankenhaus Graz während seiner Untersuchungshaft in diesem Verfahren (S 67, 111) ebensowenig Anhaltspunkte wie aus dem Ausbleiben eines Resozialisierungserfolges trotz des oftmaligen Vollzuges von Freiheitsstrafen an ihm. Auch von einer besonders verlockenden Gelegenheit für ihn zur Veruntreuung, die über die Tatsache seines (schon zur Tatbestandsverwirklichung vorauszusetzenden) Gewahrsams an dem (ihm zur Reparatur anvertrauten) Sofa hinausgegangen wäre, kann nach der Aktenlage keine Rede sein; ein vorgefaßter Zueignungsvorsatz aber wurde ihm, wie schon dargelegt, ohnehin gar nicht angelastet. Die Annahme einer (nicht auf Arbeitsscheu zurückzuführenden) drückenden Notlage zur Tatzeit hinwieder ist deshalb nicht gerechtfertigt, weil er nach seinen eigenen Angaben in der Hauptverhandlung (S 90; vgl auch S 85 f., 113) neben seiner (gewiß kleinen) Sozialrente 'von Gelegenheitsarbeiten lebte', also durch Nebenbeschäftigungen ein weiteres Einkommen bezog.

Völlig verfehlt ist ferner die Auffassung, er habe sich dadurch der Zufügung eines größeren Schadens enthalten, daß er die ihm übertragene (noch unbezahlte) Arbeit am Sofa nicht durchgeführt und deshalb nicht ein noch wertvolleres Möbelstück veruntreut habe:

hätte doch der Schaden des Eigentümers auch in diesem Fall nicht höher sein können als der Wert des dem Berufungswerber übergebenen, noch reparaturbedürftigen veruntreuten Biedermeiersofas. Das nach der Urteilsfällung (in einer Eingabe) abgelegte Geständnis des Angeklagten schließlich fällt als mildernd nicht (mehr) ins Gewicht.

Insgesamt hat das Schöffengericht somit die Strafzumessungsgründe durchaus zutreffend festgestellt; das darauf beruhende angefochtene Strafmaß ist nach der tat- und persönlichkeitsbezogenen Schuld des Berufungswerbers (§ 32 StGB) keineswegs als überhöht anzusehen. Eine Strafherabsetzung konnte daher nicht in Betracht gezogen werden. Demgemäß scheidet schon wegen der (sechs Monate übersteigenden Dauer) der ausgesprochenen Freiheitsstrafe die Möglichkeit der Verhängung einer Geldstrafe an deren Stelle (§ 37 Abs 1 StGB) aus. Die Gewährung bedingter Strafnachsicht aber konnte schon wegen des einschlägig schwer getrübten Vorlebens des Angeklagten nicht ins Auge gefaßt werden, weil darnach jegliche Gründe für die Annahme eines bei ihm trotzdem zu erwartenden künftigen Wohlverhaltens (§ 43 Abs 1 StGB) fehlen.

Der Berufung mußte daher gleichfalls ein Erfolg versagt bleiben.

Anmerkung

E03891

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1982:0100OS00155.82.1019.000

Dokumentnummer

JJT_19821019_OGH0002_0100OS00155_8200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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