TE OGH 1983/1/27 13Os161/82

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Veröffentlicht am 27.01.1983
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Schneider, Dr. Felzmann und Dr. Brustbauer als Richter sowie des Richteramtsanwärters Mag. Hammer als Schriftführers in der Strafsache gegen Thomas A wegen des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 StGB und anderer strafbarer Handlungen nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Kreisgerichts Krems a.d. Donau als Schöffengerichts vom 10. Februar 1982, GZ. 9 Vr 391/81-38, den Beschluß gefaßt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird, soweit sie auf die Nichtigkeitsgründe des § 281 Abs 1 Z. 1, 3, 4 und 5 StPO gestützt ist, zurückgewiesen.

Soweit die Nichtigkeitsbeschwerde den Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z. 9 lit a StPO geltend macht, wird über sie und über die Berufung in einem Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung entschieden werden.

Text

Gründe:

Der am 26.Februar 1953 geborene, ehemalige Volksschullehrer und nunmehr als Rezeptionist tätige Thomas A wurde des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (1), des Verbrechens der gleichgeschlechtlichen Unzucht mit Jugendlichen nach § 209 StGB (2) und des Vergehens des Mißbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 StGB (3) schuldig erkannt. Darnach hat er von September 1976 bis April 1981 in Krems an der Donau, Dürnstein und Kottes vorsätzlich (zu 1) wiederholt unmündige Personen dadurch, daß er jeweils ihr Glied entblößte, betastete und reibende Bewegungen daran vornahm und in einigen Fällen mit ihnen einen Mund- und einen Analverkehr vollzog, auf andere Weise als durch Beischlaf zur Unzucht mißbraucht sowie zu unzüchtigen Handlungen, nämlich zum Mund- wie auch zum Handverkehr mit anderen Personen, verleitet, um sich dadurch geschlechtlich zu erregen oder zu befriedigen, und zwar den Martin B (geb. am 21.April 1970), den Thomas C (geb. am 30.Juni 1970), den Werner D (geb. am 3. März 1972), den Manfred D (geb. am 3.November 1966), den Franz E (geb. am 25.März 1966), den Franz F (geb. am 8.März 1971), den Wolfgang G (geb. am 17.Mai 1970), den Martin H (geb. am 12.Juni 1969), den Harald I (geb. am 10.Mai 1972) und den Oswald E (geb. am 27. Mai 1972); des weiteren (zu 2) als Person männlichen Geschlechts nach Vollendung des achtzehnten Lebensjahrs mit einer jugendlichen Person, nämlich mit dem am 11.April 1963 geborenen Günter D, durch einen Analverkehr gleichgeschlechtliche Unzucht getrieben und schließlich (zu 3) durch die oben (zu 1 und 2) beschriebenen Handlungen seiner Aufsicht und Erziehung unterstehende minderjährige Personen zur Unzucht mißbraucht (S. 353, 354).

Den Schuldspruch ficht der Angeklagte mit einer die Z. 1, 3, 4, 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO anrufenden Nichtigkeitsbeschwerde an.

Die der Z. 1 und teilweise auch die der Z. 4 des § 281 Abs 1 StPO gewidmeten Ausführungen (S. 383, 387 und 399) beziehen sich auf die vom Gericht abgewiesenen (S. 267, 268) Anträge des Verteidigers, gemäß § 72 StPO

den Senat abzulehnen (S. 267) und die Hauptverhandlung sofort zu unterbrechen, um 'beim ... Gerichtshofpräsidenten die § 15- Beschwerde' einbringen zu können (S. 268).

Dazu war vorgebracht worden, daß Severin J, der Sohn des Senatsvorsitzenden, seinen Klassenkameraden, den Zeugen Günter D, angesprochen habe, daß ihm der kostenlose Musikunterricht (des Angeklagten für Knaben) 'aber wirklich sehr komisch' vorkomme und er, Günter D, (als Zeuge vor Gericht) die Wahrheit sagen möge, denn er sei schon 18 Jahre alt und daher voll strafmündig (S. 267). Trotz der außerordentlichen Publizität dieses Verfahrens (Beilage I zu ON. 37, S. 313, ferner S. 381) mit den auffälligen Parteiungen und den ungewÄhnlichen Emotionen in der betroffenen Bevölkerung, die zwangsläufig zu einer breiten Erörterung auch von Einzelheiten des Prozeßstoffs führten, knüpft der Verteidiger an dieses Vorbringen leichthin den schwerwiegenden Vorwurf einer Verletzung der Amtsverschwiegenheit durch das Gericht (hier wohl gemeint durch den Prozeßvorsitzenden) und hält es für befangen.

Rechtliche Beurteilung

Indes: Die Mitwirkung eines abgelehnten Richters an der Hauptverhandlung und an der Urteilsfällung stellt den Nichtigkeitsgrund der Z. 1 des § 281 Abs 1 StPO

nicht her (siehe die in der Beschwerde selbst auf Seite 387 zitierte Judikatur). Die Abweisung des Ablehnungsantrags bedarf deshalb über die am Ende des vorigen Absatzes zum Ausdruck gebrachte überlegung der sachverhalts-ii S fernen Unverhältnismäßigkeit des erhobenen Vorwurfs hinaus keiner weiteren Behandlung.

Ebensowenig unterlief unter den dargetanen Umständen durch die Abweisung des Vertagungsantrags eine Nichtigkeit nach der Z. 4 des § 281 Abs 1 StPO (siehe die Ausführungen in SSt. XXVI/61, vorletzter Absatz, und § 281 Abs 3 StPO).

Zur Z. 3 des § 281 Abs 1 StPO bezieht sich die Beschwerde zunächst auf den den Ausschluß der Öffentlichkeit betreffenden Punkt 14 des Protokollberichtigungsantrags (S. 382 und 376), der allerdings abgewiesen wurde (S. 409). Dem Vorbringen ist daher der Boden entzogen. Davon abgesehen ist, dazu ungereimt, von einem Beschluß auf Wiederherstellung der Öffentlichkeit die Rede, der nicht öffentlich verkündet worden sei (S. 382), doch sei, so wird ohnedies eingeräumt, der Ausschuß der Öffentlichkeit (nach Wiederherstellung: S. 311) faktisch nach und nach aufgehoben worden; irgendeine Relevanz des bemängelten Vorgangs für die Sachentscheidung ist nicht erkennbar und wird auch nicht behauptet.

Entgegen der Rüge findet sich auf Seite 41 des Hauptverhandlungsprotokolls (S. 235) die (handschriftliche) Eintragung, daß dem Angeklagten die (in seiner Abwesenheit abgelegte) Aussage des Zeugen Wolfgang G bekanntgegeben wurde. Auch hier fehlt der Beschwerde ein aktenmäßiges Substrat. Daß aber dem Angeklagten auch die Aussage des in seiner Abwesenheit vernommenen Zeugen Thomas C bekanntgegeben wurde, erhellt schon daraus, daß er nach der Ablegung dieser Aussage dazu ausführlich Stellung genommen hat (S. 221 ff., inbes. S. 225 oben).

Die Einleitung zur nächsten Verfahrensrüge (§ 281 Abs 1 Z. 4 StPO), daß nämlich das Erstgericht 'im gegenständlichen Fall das Opportunitätsprinzip einführte, womit es die prozeßökonomischen Nachteile, die sich aus dem Legalitätsgrundsatz ergeben, durch Abstriche vom Grundsatz der materiellen Wahrheit ausglich' (S. 382, 383), entspricht offenbar bereits dem weithin erkennbaren Konzept, den erhebenden Gendarmeriebeamten, vor welchen belastende Aussagen abgelegt worden waren, eine kriminelle Vernehmungsmethode vorzuwerfen (siehe S. 6 bis 8, auch S. 159 und 179 a verso, ferner siehe S. 379: 'verantwortungslose Vorgangsweise der Inspektoren', S. 380:

'Vorspiegelung von falschen Tatsachen').

Von der Abweisung des Ablehnungs- und Vertagungsantrags abgesehen, beschwert sich der Angeklagte über das Unterbleiben einer von ihm beantragten, jedoch vom Gericht summarisch abgelehnten (S. 349) Beweisaufnahme durch die Vernehmung von Zeugen (siehe S. 384); zunächst der Anneliese K (nicht L) und der Irmgard A zum Beweis dafür, daß der Schuldirektor Karl M (auf dessen Intrige der Angeklagte diese Strafsache zurückführt) als Zeuge die Unwahrheit sagte, als er deponierte, daß der Beschwerdeführer zwei Personen (die Eheleute N) zu einer falschen Zeugenaussage zu verleiten trachtete (S. 308, 309). Dazu, daß Direktor M schon vor Jahren dritten Personen gegenüber erklärt haben soll, daß der Angeklagte von der Schule müsse (S. 310), konnte das Gericht mit Fug einer Vernehmung der Anneliese K entraten, weil es auf Grund der zur Einleitung dieser Strafsache führenden Umstände (S. 363; siehe auch S. 3, 11

bis 18, 207 bis 211, 220 bis 221) und des persönlichen Eindrucks von dem - glaubwürdig befundenen - Zeugen M (S. 367) die Version des Beschwerdeführers von der gegen ihn gesponnenen Intrige mit eingehender Begründung verwarf (S. 363 bis 365). Ein Eingehen darauf, daß der Sohn des Bürgermeisters 'mit einer Lehrerin befreundet bzw. verlobt war' (S. 391), war daher entbehrlich.

Ansonst ist das Beweisthema ohne Relevanz für die Sachentscheidung (wenn sich der Angeklagte im Zusammenhang mit diesem Beweisthema auch noch so ungewÄhnlich in einem Gerichtssaal verhalten haben soll, wie dies aus seinem Protokollberichtigungsantrag zu Punkt 17, S. 377, hervorzugehen scheint). Irmgard A war ihrerseits aber dann ohnedies als Zeugin gehört worden (S. 337 f., insbesondere S. 340). Reinhold P (nicht Q) und Marianne B sollten nichts weniger als die Unschuld des Angeklagten schlechthin beweisen (S. 206); wie dies zu geschehen hätte (waren die Genannten doch weder Zeugen der inkriminierten Vorfälle noch der Protokollierung belastender Angaben), bleibt nicht nur für den Schöffensenat (S. 366, 367) unerfindlich. Andreas R, Thomas S, Alois T und Franz B (S. 347), aber auch Manfred G (S. 348, 349) wurden zum Beweis dafür beantragt, daß der Angeklagte weder mit ihnen noch mit anderen jemals Unzucht getrieben habe.

Ersteres liegt dem Angeklagten ohnehin nicht zur Last, war daher keines Beweises bedürftig. Aus welchen Gründen diese Personen, die weder Tatzeugen noch Zeugen der Vernehmung von Unzuchtspartnern des Angeklagten waren (S. 368), aber dessen sittliche Verfehlungen mit anderen auszuschließen vermöchten, wurde anläßlich des Beweisantrags in keiner Weise dargelegt, obwohl dies bei der angestrebten negativen Beweisführung über im allgemeinen nicht vor Dritten ablaufende Vorgänge der Natur der Sache nach erforderlich gewesen wäre.

Veronika E und Elisabeth E wurden dafür namhaft gemacht, daß die mit der Vernehmung der Zeugen Franz E und Harald I befaßten Organe der Sicherheitsbehörde an deren Vernehmung mit der (offenbar gemeint:) vorgefaßten überzeugung von der Schuld des Angeklagten herangingen. Auch hier bleibt der Antragsteller jede Erklärung dafür schuldig, auf welche Weise hiedurch innere Vorgänge dargetan werden können, zumal auch diese Personen nicht Zeugen von Vernehmungen waren (S. 348).

Schließlich hätten Otto U und Amtsinspektor V zu bezeugen gehabt, daß der Angeklagte 'auf eine (nach) der Strafprozeßordnung nicht zulässige Art und Weise vernommen wurde' und den unmündigen Unzuchtspartnern des Angeklagten ihre Depositionen 'jeweils in einer Art vorgesprochen' wurden, daß es diesen Zeugen nicht mehr möglich war, anders auszusagen (S. 347 und 348). Das Schöffengericht hat an die Würdigung der ersten, den Angeklagten belastenden Aussagen besondere Sorgfalt gewendet und alle diejenigen Argumente angeführt, die es davon überzeugten, daß hier das Ergebnis von Einvernahmen vorliegt, die 'in ruhigem Ton', sachgemäß dem Alter der Vernommenen entsprechend, 'ohne jeden noch so geringen Druck seitens der Vernehmenden auf die vernommenen Knaben' durchgeführt wurden (S. 361 und 362).

Eine besondere Gewähr dafür, daß sich unter solchen Umständen mit ausreichender Gewißheit die wahren Begebenheiten eruieren ließen, erblickte der Senat darin, daß in der Person des den Einvernahmen durch die Gendarmerie beigezogenen Dipl.Jugendfürsorgers Johannes W ein sachkundiger, am Schul- und Kriminaldienst unbeteiligter Beamter ohne Interesse an einer Förderung oder Hinderung der Berufslaufbahn des Angeklagten als Zeuge zur Verfügung stand, der von der optimalen Durchführung der Einvernahmen in seiner Gegenwart berichtete und dem das Gericht volle Glaubwürdigkeit zubilligte (S. 363). So konnte der Senat durch die Zeugenschaft dieses Jugendfürsorgers, aber auch die der Gendarmeriebeamten und auch der Unzuchtspartner, die zum Teil auch noch vor Gericht bei den den Angeklagten belastenden Angaben blieben (S. 87 bis 89, 211 bis 220; 93 bis 95, 221 bis 226; 113 bis 115; 117

bis 119, 230 bis 235), ein verläßliches Bild von der korrekten Durchführung dieser Amtshandlungen gewinnen und in freier Würdigung aller einschlägigen Beweisergebnisse zur Feststellung gelangen, daß die Knaben vor den Sicherheitsorganen die Wahrheit gesprochen haben. Die für den Schuldspruch erforderlichen Konstatierungen haben nun auch in der gebotenen gedrängten Darstellung im Urteil ihren Niederschlag gefunden (S. 361 bis 363), ohne daß eine behauptete Undeutlichkeit im Sinn der Z. 5

des § 281 Abs 1 StPO (S. 393) unterlaufen wäre. Die Vernehmung des Gendarmeriebeamten U und des Amtsinspektors V konnte daher gleichfalls ohne Beeinträchtigung von Verteidigungsrechten unterbleiben, zumal auch hier der Antragsteller jegliche Präzisierung, in welcher Hinsicht bei der Vernehmung des Angeklagten gegen die Strafprozeßordnung verstoßen worden sein soll und jedwede Erklärung dafür, weshalb Zeugen nicht anders können, als eine vom Vernehmenden vorgegebene Aussage abzulegen, schuldig blieb. Daß die Abweisung des Antrags auf Vernehmung eines Vertreters des Wiener Jugendhilfswerks zum Beweis dafür, daß der Angeklagte kein Homosexueller sei (S. 349), ohne Begründung geblieben ist, schadet nicht, weil ganz allgemein dieses Beweisthema (in Ablehnung des Antrags auf Beiziehung eines Sachverständigen: S. 347) zu Recht für nicht entscheidend befunden wurde (S. 367); geht es doch nicht um die sexuelle Lebenshaltung des Angeklagten, sondern um die Aufklärung individueller Straftaten. Gleiches gilt vom Antrag auf Vernehmung des Manfred G (S. 347, 348, 349), zu dem bereits Stellung genommen wurde.

Daß das Schöffengericht die Zeugeneinvernahmen 'im wesentlichen mit der Begründung abgelehnt hat, daß diesen Beweismitteln ... von vornherein der innere Beweiswert abgesprochen wurde', ist daher unrichtig. Von einer 'vorgreifenden Beweiswürdigung durch das Erstgericht' (S. 384) kann keine Rede sein.

Letztlich war noch die Beiziehung eines psychologischen Sachverständigen zum Beweis dafür beantragt worden, daß vier Buben (Martin B, Thomas C, Wolfgang G und Franz F) nicht in der Lage waren bzw. sind, die Eindrücke in der Form zu verarbeiten, 'daß daraus eine Aussageehrlichkeit bzw. Aussagefähigkeit mit Recht angenommen werden kann'; ferner, daß Personen ihres Alters grundsätzlich nicht in der Lage seien, gerichtliche Depositionen 'in der Form wiederzugeben, daß keine Phantasie hineinspielt' (S. 346 und 347). Der Argumentation des Gerichtshofs zur Abweisung dieses Antrags (S. 349), es sei hier das Verhalten der Vernehmungsbeamten zu prüfen gewesen, was auf Grund der Aussage des fachkundigen Zeugen Johannes W möglich war, auch seien die Vernommenen im Zeitpunkt der Ablegung ihrer Aussagen, nicht aber in demjenigen einer allfälligen Begutachtung zu beurteilen, ist vollauf beizupflichten (S. 367). Dies auch deshalb, weil es nach Lage des Falls keiner die Beiziehung eines Sachverständigen gebietenden, besonderen Sachkunde bedurfte, um die Glaubwürdigkeit der Aussagen zu beurteilen.

Davon abgesehen, dürfen minderjährige (nicht bloß unmündige) Zeugen nur mit Zustimmung ihres gesetzlichen Vertreters (ev. Kollisionskurators: § 271 abGB.) ärztlich (psychiatrisch) untersucht oder auch psychologisch exploriert werden (SSt. XXIX/85, EvBl 1970 Nr. 259, 1954

Nr. 36, 1972 Nr. 69, RiZ. 1961 S. 11, LSK. 1978/392 = SSt. XLIX/55 und grundsätzlich: LSK. 1976/151). Daß es bei der Wahrheitsfindung auf ein zahlenmäßiges überwiegen der Entlastungszeugen (S. 385) nicht ankommen kann, versteht sich wohl von selbst.

In seiner Mängelrüge konzediert der Beschwerdeführer zwar (wenn auch unter unrichtiger Zitierung der diesbezüglichen Verfahrensbestimmung mit '§ 270 (2) Z 7';

siehe hiezu BGBl. Nr. 423/1974, Art. I Z. 83), daß das Gericht, wie erwähnt, zu bloß gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe verpflichtet ist (§ 270 Abs 2 Z. 5 StPO). Dennoch trachtet er, durch Aufgreifen von unerörtert gebliebenen Einzelheiten aus Depositionen, denen im wesentlichen vom Schöffengericht der Glauben versagt wurde, und durch ihre einseitige Ausdeutung zugunsten des Angeklagten, sei es in isolierter Betrachtung, sei es in Kombination mit anderen, gezielt ausgewählten, aus dem Zusammenhang gerissenen Details, stets aber weitere essentielle Verfahrensresultate ignorierend, Begründungsmängel aufzuzeigen. Damit unternimmt er freilich in Wahrheit nichts anderes als eine im Nichtigkeitsverfahren verpönte Bekämpfung der Beweiswürdigung.

Dies betrifft zunächst die Aussage des Zeugen Martin B:

unterschiedslos werden von der Beschwerde 'Doktorspielen' mit (sexuell unverfänglichem) 'Vater-Mutter-Kind-Spielen' gleichgesetzt; die behaupteten Widersprüche liegen nicht vor. Auf angebliche Beobachtungen des Angeklagten über die sexuelle Entwicklung dieses Knaben war schon deshalb nicht eigens einzugehen, weil das Gericht die Verantwortung des Beschwerdeführers als unglaubwürdig ablehnte. Auch die vorgelegten Lichtbilder (S. 218, 349, Beilagen I-III zu ON. 37) bedurften keiner Erörterung, weil darnach die Kabinentüren offensichtlich nicht bis zum Boden reichen und damit die Verhältnisse am Tatort den wiederholten Angaben des Martin B, er habe unter der Kabinentür durchgeschaut und dabei die Unzuchtshandlungen des Angeklagten beobachtet (S. 24, 88, 213, 216, 217), nicht entgegenstehen. Vollends an der Sache vorbei geht die Argumentation der Beschwerde zur Benotung der Leistungen des Genannten, denn nicht ein Vergleich mit den Eintragungen im Lehrerkatalog, sondern nur mit den Leistungen dieses Schülers selbst könnte ergeben, daß er nicht ungebührlich begünstigt wurde. Daß der geschlechtliche Mißbrauch der Knaben in einem öffentlichen Bad von anderen (gleichfalls mißbrauchten) Kindern beobachtet wurde, heißt noch nicht, daß dieser Mißbrauch, wie die Beschwerde meint, 'vor allen Leuten' (S. 391) geschah.

Sogar die Färbung des Sperma bleibt nicht unbestritten (S. 219, 391): Das (intensive) Gelb des Urins wird vergleichsweise herangezogen, um die Beschreibung des Ejakulats durch den Zeugen Martin B mit gelb als unzutreffend und damit dessen ganze Aussage als unglaubwürdig hinzustellen; es erübrigt sich, solche gänzlich belanglosen Auffassungabweichungen betreffend physiologische Einzelheiten zu erörtern.

Entgegen den Beschwerdebehauptungen wird auch zur Aussage des Zeugen Franz F ausreichend Stellung genommen: Dessen den betreffenden Schuldspruch tragenden ersten Angaben vor der Sicherheitsbehörde wurden als Urteilsgrundlage angeführt (S. 357); ihrem späteren Widerruf aber ist das Schöffengericht ebensowenig gefolgt wie der Abkehr anderer Zeugen von ihren ursprünglich belastenden Angaben (S. 366). Ob der Angeklagte nach den Beobachtungen des Zeugen Wolfgang G mit der linken oder mit der rechten Hand an die Hose des Thomas C griff (S. 230 bis 235), ist nicht entscheidend. Auch hier geht es nur um die Bekämpfung der Beweiswürdigung.

In diesem Sinn war auch nicht auf weitwendige Ausführungen der Beschwerde einzugehen, wonach das Gericht Details aus den als unglaubwürdig abgelehnten Aussagen vernommener Zeugen (so des Franz F in der Hauptverhandlung, S. 226 ff.) nicht eigens erörtert hat. Daß bei einer Vernehmung auch gefragt, vorgehalten, unter Umständen zur Verdeutlichung auch vorgezeigt (so S. 298) und (eine Niederschrift) vorgelesen wird, ist zur Wahrheitsfindung oft unerläßlich (dies auch zum Beschwerdevorbringen auf S. 393 und 394). Darin einzig und allein eine Methode zur Verschleierung der Wahrheit zu erblicken, bleibt dem Beschwerdeführer vorbehalten. Warum einzelne Niederschriften nicht unterfertigt wurden, bedurfte nach befriedigender Aufklärung (S. 289, 294) ebenfalls keiner Erwähnung im Urteil. War die Zeugin Anneliese K entbehrlich, war es auch eine Auseinandersetzung mit der in diesem Zusammenhang relevierten (S. 395) Aussage des Zeugen Y.

Der Gerichtshof hat auf die schon früh einsetzenden (siehe S. 86) intensiven Aktivitäten zur Entlastung des Angeklagten, insbesondere auf die Briefe an Staatsanwalt Dr. Z, keineswegs in Bestreitung des 'Rechtes jedes Staatsbürger(s) ... Briefe an Behörden zu schreiben' (S. 386), sondern als Ausdruck gemeinsamer Bemühungen einer teils in enger Verbindung zum Angeklagten stehenden Personengruppe eigens hingewiesen (S. 364). Dabei hat das Kreisgericht der Frage (siehe S. 386), ob diese Briefe auf derselben Schreibmaschine geschrieben wurden, zu Recht keine Bedeutung beigemessen (S. 368) und schließlich auch eine Beweisaufnahme darüber, ob der Angeklagte 'homosexuell veranlagt' sei (S. 386, 396), mit zutreffenden Gründen abgelehnt (siehe weiter oben).

Im übrigen übernimmt die Beschwerde mannigfache, den Angeklagten entlastende Beweisergebnisse, seine leugnende Verantwortung eingeschlossen, völlig unkritisch und macht allen mit der Untersuchung dieser Strafsache befaßten Organen (S. 379), so auch dem Prozeßvorsitzenden, eine verantwortungslose, ja sogar kriminelle Vorgangsweise zum Vorwurf (so ist in der Rechtsmittelschrift von einem 'wohl fast nicht mehr zu überbietenden Vorwurf gegenüber einem Verhandlungsrichter' die Rede:

S. 378). Derart wertet der Nichtigkeitswerber die für den Schuldspruch maßgebenden Urteilskonstatierungen selektiv ab, womit sich sein Rechtsmittel als ein zwar umfangreicher, nichtsdestoweniger aber prozeßordnungsgemäß wirkungsloser Angriff auf die Beweiswürdigung des Schöffensenats erweist und sich als solcher einer sachlichen Behandlung verschließt.

Die Rüge des 'Verhaltens des Vertreters der Staatsanwaltschaft Krems' (S. 387) wird offenbar nur illustrativ vorgetragen und ist einer (ersichtlich gar nicht angestrebten) Erledigung durch den Obersten Gerichtshof unzugänglich.

Mithin war die Nichtigkeitsbeschwerde, soweit sie sich auf die Z. 1, 3, 4 und 5 des § 281 Abs 1 StPO

stützt, teils als offenbar unbegründet nach § 285 d Abs 1 Z. 2 StPO, teils als nicht gesetzmäßig ausgeführt nach § 285 d Abs 1 Z. 1 in Verbindung mit § 285 a Z. 2 StPO schon bei einer nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen.

Zur Verhandlung und Entscheidung über die Nichtigkeitsbeschwerde, soweit sie den Grund des § 281 Abs 1 Z. 9 lit a StPO anruft, und über die Berufung, die der Angeklagte gegen den Strafausspruch ergriffen hat, wird ein Gerichtstag anberaumt werden.

Anmerkung

E04047

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1983:0130OS00161.82.0127.000

Dokumentnummer

JJT_19830127_OGH0002_0130OS00161_8200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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