TE OGH 1983/3/23 11Os165/82

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Veröffentlicht am 23.03.1983
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 23. März 1983 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Schneider und Dr. Reisenleitner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Wanke-Czerwenka als Schriftführer in der Strafsache gegen Nikolaus A wegen des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Diebstahls nach den §§ 127 Abs 1, Abs 2 Z 3, 128 Abs 2, 130 (erster Fall) StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 9. Juni 1982, GZ 8 b Vr 9.564/79-89, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung, nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Prüfling, der Ausführungen des Privatbeteiligtenvertreters Dr. Proksch und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur Generalanwalt Dr. Strasser zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, in den Schuldsprüchen Punkt I A 1 und 2 und demgemäß im Strafausspruch (einschließlich des Ausspruchs über die Anrechnung der Vorhaft) sowie im Adhäsionserkenntnis aufgehoben und es wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 10. Juni 1927 geborene Hilfsarbeiter Nikolaus A (zum Teil bereits im zweiten Rechtsgang) des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Diebstahls nach den §§ 127 Abs 1, Abs 2 Z 3, 128 Abs 2, 130 erster Fall StGB (I A des Schuldspruches) und des Vergehens der versuchten Nötigung nach den §§ 15, 105 Abs 1 StGB (I B des Schuldspruches) schuldig erkannt, weil er zu I A in der Zeit von Mai 1974 bis Oktober 1979 als Hilfsarbeiter der Firma Anton B unter Ausnützung einer Gelegenheit, die durch die ihm aufgetragene Verwaltung der Werkzeuge und eines Dieselaggregates in einer Schottergrube geschaffen worden war, in der Absicht, sich durch wiederkehrende Tatbegehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, und mit dem Vorsatz unrechtmäßiger Bereicherung seinem Dienstgeber 1. Dieselöl im Gesamtwert von mindestens 600.000 S und

2. Behältnisse (Kanister, Kannen, Flaschen etc), Werkzeuge und deren Zubehör, Farbe, Rostlöse- und Schmiermittel, Kfz-Bestandteile sowie drei Arbeitsanzüge im Gesamtwert von ca 30.000 S weggenommen, sowie zu I B im Juni 1981 Leopoldine C durch gefährliche Drohung, nämlich durch die briefliche Mitteilung, er werde sie darstellende 'Pornofotos' an die Presse weitergeben, zur Fortsetzung bzw Wiederaufnahme intimer Beziehungen und zur Ausfolgung der Papiere für einen PKW zu nötigen versucht hatte.

Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Nichtigkeitsgründe der Z 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Rechtliche Beurteilung

Zu den Schuldsprüchen wegen Diebstahls Punkt I A:

Seine Feststellungen über den Diebstahl von Dieselöl im Gesamtwert von zumindest 600.000 S durch den Angeklagten (I A 1) gründet das Erstgericht ua auf ein ausschließliches Gelegenheitsverhältnis des Angeklagten, welches darin bestanden haben soll, daß, abgesehen vom bestohlenen Dienstgeber, lediglich der Angeklagte, nicht aber die weiteren in der Schottergrube beschäftigten Arbeiter einen Schlüssel zum Haus des Dienstgebers besaßen, in welchem die Nacht über die Schlüssel zur Zapfsäule für das Dieselöl verwahrt wurden (Band II, S 170 f, 174 f d.A).

Zutreffend macht der Angeklagte dazu der Sache nach eine Unvollständigkeit der Urteilsbegründung im Sinn des Nichtigkeitsgrundes nach dem § 281 Abs 1 Z 5 StPO geltend, wenn er bemängelt, daß die Angaben des Zeugen Johann D (im ersten Rechtsgang) trotz Verlesung in der (neu durchgeführten) Hauptverhandlung am 9. Juni 1982 (Band II S 148) unerörtert blieben. Denn danach (Band I S 425, 428, 468) war ein weiterer Schlüssel, durch dessen Verwendung man letztlich die Zapfsäule in Betrieb nehmen konnte, unter dem Gerätehaus versteckt und somit auch anderen Personen zugänglich. (Dies steht übrigens im Einklang mit den Aussagen der Zeugen Viktor E und Leopold F im ersten Rechtsgang /Band I, S 422, 430, 466/. Allerdings wurden diese Aussagen in der nunmehrigen Hauptverhandlung vom 7. bzw 9. Juni 1982 nicht verlesen; sie wurden daher auch zurecht nicht als Grundlage der Urteilsfällung herangezogen /§ 258 Abs1

StPO/). Die Richtigkeit dieser Darstellung vorausgesetzt, kann aber entgegen der Annahme des Erstgerichtes nicht davon die Rede sein, daß für den Angeklagten ein ausschließliches Gelegenheitsverhältnis zum Treibstoffdiebstahl bestanden hätte und nicht auch andere Personen, denen das Versteck des Schlüssels bekannt war, die (nächtlichen) Diebstähle hätten verüben können.

Da die Annahme des ausschließlichen Gelegenheitsverhältnisses des Angeklagten eine von (wenn auch) mehreren Prämissen darstellt, von denen das Erstgericht bei seiner Schlußfolgerung auf die Täterschaft des Angeklagten (über den von ihm zugestandenen Umfang des Diebstahls von ca 50 Liter Dieselöl /Band II, S 143 d.A/ hinaus) ausgeht (Bd II S 175 d.A), und das Urteil keinen Aufschluß darüber gibt, ob das Erstgericht auch bei Wegfall dieser Voraussetzung zur selben überzeugung gekommen wäre, ist die erstgerichtliche Begründung zum Schuldspruch I A 1 nichtig im Sinn des § 281 Abs 1 Z 5 StPO

Diese die Annahme der Täterschaft des Angeklagten betreffende formelle Nichtigkeit macht, zumal eine Trennung im Sinn des § 289 StPO (durch Beschränkung der Urteilsaufhebung auf den das Geständnis des Angeklagten übersteigenden Diebstahlsumfang) nach wie vor untunlich ist (vgl auch die Kassationsentscheidung im ersten Rechtsgang Band II, S 9 d.A), die Aufhebung des Schuldspruches I A 1 zur Gänze erforderlich, ohne daß es eines Eingehens auf das übrige Beschwerdevorbringen zu diesem Schuldspruch bedarf. Nur am Rande sei noch erwähnt, daß der Angeklagte auch im weiteren zutreffend Urteilsnichtigkeit nach dem § 281 Abs 1 Z 5 StPO hinsichtlich der Begründung für die Menge des gestohlenen Dieselöles geltend macht. Ergibt sich doch die vom Erstgericht hiefür herangezogene Berechnung der - zudem nur wertmäßig bezeichneten - Fehlmenge (Band II, S 174 d.A) nicht aus der Aussage des Zeugen Günther B in der letzten Hauptverhandlung (Band II, S 153 ff d.A). Bei dieser Berechnung handelt es sich vermutlich u die im Vorverfahren vorgelegten Aufstellungen (Band I, S 75 a, 75 d, e, 163 d. A), welche in dieser Hauptverhandlung weder verlesen, noch vom Zeugen B auch nur zitiert wurden. Die - dem § 258 Abs 1 StPO widerstreitende - Verwertung dieser Unterlagen im Urteil begründet daher auch insofern Nichtigkeit nach der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO (vgl Mayerhofer-Rieder, E Nr 7, 8 zu § 258 StPO; LSK 1979/303 zu § 281 Z 5 StPO ua).

Gleiches gilt, soweit das Erstgericht auf Grund des vom Angeklagten vor der Polizei abgelegten Geständnisses (gemeint offenbar Band I, S 107) den Diebstahl sämtlicher unter Punkt I A 2 des Spruches genannten Sachen als erwiesen annimmt (Band II, S 173 d.A). Auch dieses Geständnis war mangels Verlesung der entsprechenden Teile der Polizeierhebungen nicht Gegenstand der Hauptverhandlung. Die Vorhalte einiger Aussagen des Angeklagten vor der Polizei (Band II, S 134, 138, 140 mit Beziehung auf Band I, S 36

und 37 d.A) betreffen nur einen geringen Teil der angeblichen Diebsbeute (nämlich eine Luftkupplung, Glühlampen und Wischerblätter). Da der Angeklagte in der Hauptverhandlung zu Faktum I A 2 auch in Ansehung der Herkunft der Sachen nur teilweise geständig war (Band II, S 132 bis 142 d.A) und seine ihm in der Hauptverhandlung vorgehaltenen Angaben vor der Polizei, er habe 'die Diebstähle' nur deshalb verübt, um seiner Freundin G ein 'gutes Leben zu gestalten' (siehe Band II, S 144 mit Beziehung auf Band I, S 115 d.A), nicht die erforderliche Detaillierung und Konkretisierung in Ansehung bestimmter oder bestimmbarer Sachen enthalten, ist die Urteilsbegründung jedenfalls in bezug auf die nicht vom Geständnis des Angeklagten in der Hauptverhandlung erfaßten, ihm im Punkt I A 2 des Spruches zur Last liegenden Diebstähle unzureichend geblieben.

Den entsprechenden unter dem Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 5 StPO erhobenen Beschwerdeeinwendungen des Angeklagten kommt daher allenfalls Berechtigung zu.

Da auch im Fall des Schuldspruches I A 2 eine Trennung der Entscheidung gemäß dem § 289 StPO nicht tunlich wäre, ist eine Erörterung des weiteren Beschwerdevorbringens zu diesem Schuldspruch gleichermaßen entbehrlich.

Zum Schuldspruch wegen versuchter Nötigung Punkt I B:

Die insoweit erhobene Mängelrüge entbehrt der prozeßordnungsgemäßen Ausführung. Es trifft nämlich nicht zu, daß sich das Erstgericht auf die Begründung beschränkte, es ergebe sich 'aus der Einsicht in die vorgelegten Beweismittel', daß die Drohung des Angeklagten 'nicht absolut untauglich' sei.

Das Erstgericht stützte vielmehr seine einschlägigen Feststellungen (vgl Band II, S 170, 172, 176), insbesondere (auch) über den (Bedeutungs-)Inhalt des vom Angeklagten an die Zeugin C gesandten Briefes, auf eine Fotokopie des Schreibens (vgl Band II, S 49 ff = 67 ff, 149 d.A), die dem Angeklagten in der Hauptverhandlung vorgehalten und daher zulässigerweise als Beweisergebnis bei der Urteilsfällung berücksichtigt wurde, ferner auf die geständige Verantwortung des Angeklagten (Band II, S 149 ff d.A), auf die von ihm dem Gericht selbst vorgelegten Fotos (Band II, S 151 d.A und Beilage I hiezu) und auf die für glaubwürdig befundenen Aussagen der Zeugin Leopoldine C (Band II, S 159 f d.A). Der aus diesen Beweisergebnissen in unanfechtbarer freier Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) auf den Gegenstand des Schuldspruches Punkt I B wegen versuchter Nötigung nach den §§ 15, 105 Abs 1 StGB bildenden Sachverhalt in objektiver und subjektiver Beziehung (ersichtlich) gezogene Schluß des Erstgerichtes ist denkrichtig und lebensnah. Der Schuldspruch Punkt I B ist deshalb in tatsachenmäßiger Beziehung mängelfrei begründet.

Soweit schließlich noch eingewendet wird, es fehle am Tatbildmerkmal der Gefährlichkeit der Drohung, zumal die Drohung objektiv nicht geeignet gewesen sei, der Bedrohten begründete Besorgnisse einzuflößen, und es lägen in diesem Zusammenhang zumindest Feststellungsmängel vor, geht auch diese Rechtsrüge fehl:

Der Drohung mit einer Weitergabe von Fotos an die Presse, und zwar von Fotos, auf denen die bedrohte Frau, wie im vorliegenden Fall, nackt und mit gespreizten Beinen in eindeutig sexualbezogener Pose abgebildet ist, kommt Rechtserheblichkeit iS des § 74 Z 5 StGB zu; dies unabhängig davon, ob es (mit Wahrscheinlichkeit) zur Veröffentlichung in einem Medium kommt oder nicht. Denn schon die Weitergabe eines solchen Bildes an Außenstehende führt insoweit in der Regel zu einer Schmälerung des Rufes der abgebildeten Person in sittlicher Beziehung (vgl in diesem Zusammenhang auch Mayerhofer-Rieder, E Nr 46 zu § 74 StGB ua). Somit stellt die inkriminierte Ankündigung unter den gegebenen Umständen eine Drohung mit einer Verletzung an der Ehre dar, wobei es bei Anlegung eines objektiven Maßstabes - entgegen der Beschwerdeauffassung - keinem Zweifel unterliegen kann, daß eine solche Drohung geeignet ist, bei der Bedrohten begründete Besorgnisse hervorzurufen. Weiterer Feststellungen in tatsächlicher Hinsicht bedurfte es hiezu nicht. Demnach haftet dem Ersturteil in der Einordnung des Verhaltens des Beschwerdeführers unter das Tatbild der versuchten Nötigung nach den §§ 15, 105 Abs 1 StGB ein Rechtsirrtum nicht an.

Mithin war über die Nichtigkeitsbeschwerde insgesamt wie aus dem Spruch ersichtlich zu erkennen.

Mit seiner durch die Aufhebung des Urteils auch im Strafausspruch und im Adhäsionserkenntnis gegenstandslos gewordenen Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

Anmerkung

E04120

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1983:0110OS00165.82.0323.000

Dokumentnummer

JJT_19830323_OGH0002_0110OS00165_8200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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