TE OGH 1983/4/21 13Os40/83 (13Os41/83)

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Veröffentlicht am 21.04.1983
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 21.April 1983 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Schneider, Dr. Felzmann und Dr. Brustbauer als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Baumgartner als Schriftführerin in der Strafsache gegen Fritz Robert A wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB. über die von der Generalprokuratur zur Wahrung des Gesetzes gegen die Urteile des Strafbezirksgerichts Wien vom 6.August 1982, GZ. 3 U 1314/82-4, und des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Berufungsgerichts vom 11. November 1982, AZ. 13 a Bl 1067/82, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrags des Berichterstatters, Hofrats des Obersten Gerichtshofs Dr. Schneider, und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalts Dr. Bassler, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Text

Gründe:

Mit dem Urteil des Strafbezirksgerichts Wien vom 6.August 1982, GZ. 3 U 1314/82-4, wurde der am 25.Oktober 1958 geborene medizinischtechnische Assistent Fritz Robert A des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB. schuldig erkannt. Er hat am 9.April 1982 in Wien Peter B dadurch vorsätzlich am Körper verletzt, daß er diesem einen Gummihammer nachwarf und ihn am Kopf traf, was eine Platzwunde zur Folge hatte.

Hiefür wurde Fritz Robert A nach § 83 Abs. 1 StGB.

zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 250 S, im Fall der Uneinbringlichkeit zu fünfzehn Tagen Ersatzfreiheitsstrafe, verurteilt. Gemäß § 43 Abs. 1 StGB. wurde die Strafe unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen. Der gegen den Schuldspruch erhobenen Berufung des Angeklagten wegen Nichtigkeit und Schuld gab das Landesgericht für Strafsachen Wien (nach Beweiswiederholung und -ergänzung) mit dem Urteil vom 11. November 1982, AZ. 13 a Bl 1067/82) (unter ON. 9 im erstgerichtlichen Akt erliegend), nicht Folge. Das Berufungsgericht hielt 'bestenfalls zugunsten des Angeklagten einen Mißhandlungserfolg im Sinne des § 83 Abs. 2 StGB. für erwägenswert' (S. 59/60), verwies aber - zutreffend - auf die rechtliche Gleichwertigkeit der in den Absätzen 1 und 2

des § 83 StGB. vertypten Begehungsweisen.

Nach den maßgebenden Urteilsfeststellungen reparierte Fritz Robert A

in den Abendstunden des 9.April 1982

in einer (für Fahr- und Motorräder bestimmten Gemeinschafts-) Garage der Wohnhausanlage in Wien III., ein Motorrad, als die im selben Häuserkomplex wohnenden Peter B, ein damals 17-jähriger Bankangestellter, sein Bruder Herbert B und Wolfgang C die Garage betraten, in der sich auch einige Knaben aufhielten. Die Burschen belästigten den Angeklagten durch - ihrem Inhalt nach nicht festgestellte, auf ihn bezogene - Witze und Herumrangeln (wodurch A allerdings nur in seiner Ruhe gestört war - s. S. 58). Der Angeklagte ersucht die Genannten, den Raum zu verlassen, widrigenfalls er ihnen einen Gummihammer nachwerfen werde. Da die Bemerkungen über ihn nicht aufhörten, drehte sich der knieende Angeklagte zur Tür, zielte und warf einen (aus einem Holzstiel mit einem kurzen Metallteil und einem mittelharten Gummiteil bestehenden) Gummihammer in Richtung des den Raum bereits verlassenden, im Bereich der (einzigen) Tür befindlichen Peter B, der von dem Werkzeug links seitlich am Hinterkopf getroffen wurde. Er erlitt eine Platzwunde, die genäht werden mußte. Aus den - unbestritten gebliebenen und auch von der Generalprokuratur ihren Ausführungen zugrundegelegten - Angaben des Verletzten (S. 6 und 46) ergibt sich, daß die Platzwunde (oberhalb des linken Ohrs) mit zwei Nähten behandelt und einem Verband, den Peter B eine Woche lang tragen mußte, versorgt worden ist. Eine Berufsunfähigkeit ist nicht eingetreten.

Sowohl das Bezirks- als auch das Landesgericht nahmen (übereinstimmend) vorsätzliches Handeln des Angeklagten Fritz Robert A an und verwarfen seine Verantwortung, er habe nicht Peter B, sondern nur die Tür treffen wollen, um solcherart seinem Ersuchen, den nur 20 m2 großen Raum zu verlassen und ihm Ruhe zu geben, Nachdruck zu verleihen; das Berufungsgericht bezeichnete diese Verantwortung als 'beschönigende Schutzbehauptung' (S. 59). Die Generalprokuratur erblickt in den schon einleitend zitierten Entscheidungen des Strafbezirksgerichts Wien und des Landesgerichts für Strafsachen Wien (als Berufungsgerichts) Gesetzesverletzungen, und zwar in der Bestimmung des § 42 StGB. bzw. auch in jener des § 477 Abs. 1 StPO. Sie beantragt demgemäß die Aufhebung der von diesen Gerichten gefällten Urteile und den Freispruch des Angeklagten gemäß § 259 Z. 4 StPO. Zur Begründung ihres Antrages führt die Generalprokuratur aus:

'Nach dem § 42 Abs 1 StGB ist eine von Amts wegen zu verfolgende, nur mit Geldstrafe, mit nicht mehr als ein Jahr Freiheitsstrafe oder mit einer solchen Freiheitsstrafe und Geldstrafe bedrohte Tat nicht strafbar, wenn 1./ die Schuld des Täters gering ist, 2./ die Tat keine oder nur bedeutende Folgen nach sich gezogen hat und überdies 3./ eine Bestrafung nicht geboten ist, um den Täter von strafbaren Handlungen abzuhalten oder der Begehung strafbarer Handlungen durch andere entgegenzuwirken.

Rechtliche Beurteilung

Im vorliegenden Fall liegen alle diese Voraussetzungen für die Annahme mangelnder Strafwürdigkeit der Tat vor:

Das Offizialdelikt der Körperverletzung nach dem § 83 Abs 1 StGB ist mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen bedroht.

Die Schuld des vom Verletzten provozierten Angeklagten ist nach Lage des Falles und den, nach Beweiswiederholung, vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen - wobei lediglich ein bedingter Verletzungsvorsatz des Angeklagten allenfalls bloß ein Mißhandlungsvorsatz im Sinne des § 83 Abs 2 StGB unterstellt wurde (sh S 59) - als durchaus gering anzusehen. Die Verletzung des Peter

B -

eine 1 cm lange Platzwunde oberhalb des linken Ohres (S 6), die zweimal genäht und mit einem Verband versorgt werden mußte, den der Verletzte ca eine Woche getragen hat (S 46) -

kann (noch) als unbedeutende Folge im Sinne der Z 2 der zitierten Gesetzesstelle gewertet werden (vgl E Nr 24 in Mayerhofer-Rieder, StGB2, § 42 und Anmerkung hiezu); letztlich ist eine Bestrafung des unbescholtenen Angeklagten weder aus spezialpräventiven noch angesichts der gegebenen Tat-Begleitumstände aus generalpräventiven Gründen geboten.

Die oben bezeichneten Urteile, die eine Prüfung der Voraussetzungen des § 42 StGB vermissen lassen, verletzen daher das Gesetz in der zitierten Bestimmung, das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien in Verbindung mit dem § 477 Abs 1 (zweiter Satz) StPO, wonach das Berufungsgericht materiellrechtliche Gesetzesverletzungen zum Nachteil eines verurteilten Angeklagten von Amts wegen aufzugreifen hat. Der Schuldspruch des Angeklagten Fritz Robert A wegen Vergehens der Körperverletzung nach dem § 83 Abs 1 StGB ist aber wegen Nichtanwendung des § 42 Abs 1 StGB mit dem materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrund nach dem § 281 Abs 1 Z 9 lit b StPO behaftet, welche Gesetzesverletzung sich zum Nachteil des Angeklagten auswirkte.' Der Oberste Gerichtshof hält den - nach der Strafdrohung des § 83 Abs. 1 StGB. anwendbaren - sachlichen Strafausschließungsgrund des § 42 StGB. im vorliegenden Fall nicht für gegeben, weil weder eine geringe Schuld des Täters (§ 42 Abs. 1 Z. 1 StGB.) vorliegt noch generalpräventive Erwägungen (zweiter Fall der Z. 3 leg. cit.) außer Betracht bleiben können. Unter geringer Schuld des Täters ist vor allem ein erhebliches Zurückbleiben seines tatbildmäßigen Verhaltens hinter dem in der betreffenden Strafdrohung (hier: § 83 StGB.) typisierten Unrechts- und Schuldgehalt zu verstehen. Indes haben auch in den persönlichen Eigenschaften des Täters und in den Umständen der Tatbegehung gelegene schuldmildernde Gründe Berücksichtigung zu finden (vgl. dazu u.a. LSK. 1976/379, JBl. 1976 S. 442, 12 Os 142/79; Leukauf-Steininger, Komm.2, RN. 9 zu § 42 StGB.), sodaß bei der Beurteilung des Grades der Schuld des Täters auch die Strafzumessungsregeln des § 32 Abs. 2 StGB. ins Gewicht fallen können.

Würdigt man das tatbildmäßige Verhalten des (zur Zeit der Tat 23 1/2-jährigen) Angeklagten, gelangt man zu dem Ergebnis, daß dieses keinesfalls (umsoweniger erheblich) hinter dem von § 83 (Abs. 1 und 2) StGB. vorausgesetzten durchschnittlichen Schuld- und Unrechtsgehalt zurückbleibt.

Man muß hiebei in Betracht ziehen, daß der Angeklagte gegen einen (um rund sieben Jahre jüngeren) Bekannten, welcher ihn (lediglich) gehänselt hatte - daß er auch an der durch das Herumrangeln verursachten Belästigungen beteiligt war, wurde von den Tatsacheninstanzen nicht festgestellt - und der bereits im Begriff war, der Aufforderung des Angeklagten, er möge den Garagenraum verlassen, Folge zu leisten, den vorstehend beschriebenen (Gummi-) Hammer gezielt so warf, daß das Opfer am Kopf getroffen wurde. Der nicht geringen Gefährlichkeit dieses Tatwerkzeugs, das u.a. einen mit einem Metallteil versehenen Holzstiel aufwies, entspricht übrigens auch die durch das Nachwerfen hervorgerufene, zweimal genähte und mit einer Gesundheitsstörung von rund einer Woche verbundene Kopfverletzung. Daß der Angeklagte nicht aus Unbesonnenheit handelte, ergibt sich schon daraus, daß er die Tat vorher angekündigt hatte.

Auch die im vorliegenden Fall gegebene - zutreffend als Milderungsumstand angenommene - Provokation durch Hänseln ist insbesondere bei richtiger Würdigung der Tatausführung gegen einen ohnehin die Garage bereits Verlassenden keinesfalls geeignet, die Schuld als gering im Sinn des § 42 Abs. 1 Z. 1 StGB. aufzufassen. Die - selbstverständlich auch durch strafgesetzliche Normen geprägte - Rechtsordnung kann eine Aggressionshandlung wie die vorliegende, mag sie auch gegen jemanden gesetzt werden, der den Täter vorher belästigt hat, aber immerhin zu dessen Bekanntenkreis zählt und bereits aufforderungsgemäß die Garage verlassen wollte, nicht in der Weise dulden, daß sie ihr die Strafwürdigkeit abspricht. Das Verhalten des Angeklagten verlangt es daher, auch um andere - gleich emotional beeinflußte -

Personen von ähnlichen (hier mit einer einwöchigen Gesundheitsstörung des Opfers verbundenen) Gewaltakten abzuhalten, eine Strafe auszusprechen bzw. wenigstens bedingt anzudrohen. Demnach spricht auch die vom Gesetz ausdrücklich geforderte Rücksichtnahme auf die Erfordernisse der Generalprävention (§ 42 Abs. 1 Z. 3, zweiter Fall, StGB.) gegen den Freispruch des Angeklagten gemäß § 259 Z. 4 StPO.

Ist mithin die geringe Schuld (ohne Anlegen eines extrem strengen Maßstabs: siehe hiezu LSK. 1979/307 =

EvBl. 1980/7) zu negieren und das Strafbarkeitserfordernis aus generalpräventiven Gründen zu bejahen, braucht auf die Fragen der Tatfolgen (unter dem Gesichtspunkt des § 42 Abs. 1 Z. 2 StGB.) und die Belange der Spezialprävention (erster Fall der Z. 3 leg. cit.) nicht mehr eingegangen zu werden, wozu jedoch bemerkt werden kann, daß letztere der Anwendung des § 42 StGB. nicht hinderlich gewesen wären.

Da die von der Generalprokuratur behaupteten Gesetzesverletzungen nicht unterlaufen sind, war die Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zu verwerfen.

Anmerkung

E04195

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1983:0130OS00040.83.0421.000

Dokumentnummer

JJT_19830421_OGH0002_0130OS00040_8300000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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