TE OGH 1983/5/18 10Os79/83

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Veröffentlicht am 18.05.1983
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini, Dr. Friedrich, Dr. Lachner und Hon. Prof. Dr. Brustbauer als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Preiß als Schriftführer in der Strafsache gegen Rudolf A wegen des Verbrechens wider die Volksgesundheit nach § 12 Abs 1 SuchtgiftG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Schöffengericht vom 15. März 1983, GZ 12 Vr 157/83-27, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben und das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch zu den Punkten I) und III) sowie im gesamten Strafausspruch einschließlich des darauf beruhenden Ausspruches gemäß § 38 StGB aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen. Gemäß § 290 Abs 1 StPO wird das auf § 26 Abs 1 StGB beruhende Einziehungserkenntnis (zur Gänze) aufgehoben.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf die vorstehende Entscheidung verwiesen.

Gemäß § 390 a StPO fallen ihm die Kosten des Verfahrens über seine Nichtigkeitsbeschwerde zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 4. Jänner (im Urteil S 202 unrichtig: November) 1961 geborene Angeklagte Rudolf A des Verbrechens wider die Volksgesundheit nach § 12 Abs 1 SuchtgiftG schuldig erkannt, weil er vorsätzlich den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift in solchen Mengen einführte und in Verkehr setzte, daß daraus in größerer Ausdehnung eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen entstehen konnte, und zwar (dadurch, daß er) I.) am 22. Oktober 1982 in Rosenbach dazu beitrug, 'daß die abgesondert verfolgte Gertraud B 20 Gramm Heroin nach Österreich einführte', II.) in der Zeit von Sommer 1982 bis Ende November 1982 in Klagenfurt und Völkermarkt in Teilmengen insgesamt ca 8,2 Gramm Heroin 'durch überlassen an Werner C, Gerald D, Gerhard E und andere' in Verkehr setzte, III.) in der Zeit von Sommer 1982 bis 11. Jänner 1983

in Klagenfurt, Völkermarkt, Wien und Istanbul unberechtigt Suchtgifte und zwar mindestens 12 Gramm Heroin und mindestens 15 Gramm Cannabisharz erwarb und besaß.

Nach § 12 Abs 1 SuchtgiftG wurde der Angeklagte hiefür zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer eines Jahres und nach § 12 Abs 1 und Abs 2 SuchtgiftG zu einer Geldstrafe in der Höhe von 40.000 S (für den Fall der Uneinbringlichkeit zu 2 Monaten Ersatzfreiheitsstrafe) verurteilt.

Gemäß § 38 Abs 1 StGB wurde die Vorhaft vom 18. Jänner 1983, 10,15 Uhr, bis 15. März 1983, 10,30 Uhr (richtig 10 Uhr; S 290) auf die verhängte Freiheitsstrafe angerechnet.

Gemäß § 12 Abs 3 SuchtgiftG wurden die beim Angeklagten beschlagnahmten suchtgifthältigen Substanzen für verfallen erklärt. Gemäß § 26 Abs 1 StGB wurden sichergestellte Gegenstände und zwar 'laut Verzeichnis ON 11, Postzahlen 04-06' (es sind dies eine Blechdose, ein Löffel und eine Injektionsspritze) 'sowie 15 und 16' (gemeint ersichtlich Postzahlen in ON 20; das sind eine 'Dealer-Waage' in schwarzem Etui samt Zubehör und eine 'Dealer-Waage' in rotem Etui mit Zubehör) eingezogen.

Nach den maßgebenden Urteilsannahmen hat es der Angeklagte (Punkt I) am 22. Oktober 1982 anläßlich der Grenzkontrolle am Grenzübergang Rosenbach unterlassen, den kontrollierenden Zollwachebeamten Anzeige darüber zu erstatten, daß seine Begleiterin Gertraud B in Istanbul 20 Gramm Heroin eingekauft hatte und dieses Suchtgift - in ihrer Scheide verborgen - (soeben) nach Österreich einführte. Obwohl das Erstgericht 'ein bewußtes gemeinschaftliches Zusammenwirken mit Gertraud B als nicht erweislich' bezeichnet, sah es in der Unterlassung der Anzeigenerstattung bei der Grenzkontrolle (bei der trotz Personsdurchsuchung das Heroin nicht gefunden werden konnte) einen 'wesentlichen Beitrag zur Tatausführung' im Sinne des § 12 StGB (S 295; 298, 299).

Zum 'Faktum II' stellt das Erstgericht - entscheidungswesentlich - fest, daß der Angeklagte in der Zeit von Sommer 1982 bis Ende November 1982 in Teilmengen insgesamt ca 8,2 Gramm Heroin von Manfred F und Rudolf Martin G um insgesamt 21.500 S erwarb und davon 6,5 Gramm an die ihm als 'Dealer' (=Personen, die ihrerseits Suchtgifte in kleinen Mengen an einen größeren Personenkreis weitergeben; S 299) bekannten Werner C und Gerald D weitergab sowie 'geringe Mengen' dem Gerhard E überließ (S 296).

Zu dem Schuldspruchfaktum III traf das Erstgericht die - teils spruchkonformen, teils vom Urteilsspruch abweichenden - Konstatierungen, daß der Angeklagte in der Zeit von Sommer 1982 bis 11. Jänner 1983 in Klagenfurt, Völkermarkt, Wien und Istanbul unberechtigt Suchtgifte und zwar mindestens 12 Gramm Heroin 'hauptsächlich von den oben genannten Personen' (gemeint ersichtlich F und G) und 15 Gramm Cannabisharz von einem Unbekannten, sowie - 'ein paar Gramm' - auch von Manfred F erwarb und 'teilweise für seinen Gebrauch verwendete', teilweise - abweichend vom Urteilsspruch - 'in größeren oder kleineren Mengen an andere Personen weitergab' (S 296, 297).

Rechtliche Beurteilung

Diese Schuldsprüche bekämpft der Angeklagte unter (teils geradezu willkürlich anmutender) ziffernmäßiger Anrufung der Nichtigkeitsgründe nach § 281 Abs 1 Z 3, 4, 5, 9 (an einer Stelle unverständlich 'lit c'), 10 und 11

StPO, der im Ergebnis jedoch in Ansehung der Schuldspruchfakten I und III Berechtigung zukommt.

Obwohl in einem Rechtsirrtum über die Möglichkeit der Begehung des Verbrechens wider die Volksgesundheit nach § 12 Abs 1 SuchtgiftG als Beteiligter nach dem dritten Fall des § 12 StGB durch Unterlassung befangen, zeigt der Angeklagte - im Rahmen der Rechtsrüge - im Ergebnis zutreffend auf (S 309), daß vorliegend das Erstgericht zu Pkt I mangels einer - allenfalls aus dem Ingerenzprinzip erfließenden - Garantenstellung in bezug auf das angegriffene Schutzobjekt im Sinne des § 2 StGB rechtsirrig die bloße Unterlassung der Erstattung einer Anzeige gegen Gertraud B anläßlich der Kontrolle am Zollgrenzposten Rosenbach als sonstigen Tatbeitrag zu dem von Gertraud B gesetzten Verbrechen wider die Volksgesundheit beurteilt hat. Verletzt der Täter nämlich - wie im vorliegenden Fall - (nur) eine allgemeine, jedermann treffende Pflicht zur Verhütung strafbaren Unrechts, so haftet er nicht als sonstiger Tatbeteiligter im Sinne des § 12, dritter Fall, StGB zur betreffenden Straftat, sondern unter Umständen nach § 286 Abs 1 StGB Mangels weiterer Urteilskonstatierungen darüber, ob die Verhinderung der (mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedrohten) Straftat der Gertraud B durch den Angeklagten leicht und ohne sich oder einen Angehörigen der Gefahr eines beträchtlichen Nachteiles auszusetzen, bewirkt werden konnte (§ 286 Abs 2 Z 1 StGB), zeigt sich, daß die Aufhebung dieses Schuldspruches und die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung nicht zu vermeiden ist, eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes in der Sache selbst daher noch nicht einzutreten hat (§§ 285 e, 288 Abs 2 Z 3 StPO).

Gleichfalls im Ergebnis berechtigt erweist sich die Mängelrüge (§ 281 Abs 1 Z 5 StPO), mit der sinngemäß aufgezeigt wird (S 310), daß infolge des bestehenden Widerspruches zwischen der zum Schuldspruchfaktum III getroffenen Feststellung, der Angeklagte habe auch die in diesem Punkt inkriminierte Heroinmenge (von 'mindestens 12 Gramm') 'teilweise in größeren oder kleineren Mengen an andere Personen weitergegeben' (S 297) und dem Urteilstenor, der allerdings nur vom Erwerb und vom Besitz dieser Suchtgifte spricht (S 292), nicht erkennbar ist, ob das Erstgericht insoweit nur von einem bloßen Erwerben und Besitzen der dort angeführten Suchtgiftmengen ausgeht (§ 16 Abs 1 Z 2, 3. und 4. Fall, SuchtgiftG), oder aber von einem - allenfalls den Tatbestand des § 12 Abs 1 SuchtgiftG erfüllenden - Inverkehrsetzen zumindest von Teilmengen der unter Punkt III des Schuldspruches angeführten Suchtgifte. Auch diese vom Beschwerdeführer im Ergebnis zutreffend aufgezeigte Mangelhaftigkeit des Urteils erfordert eine Neudurchführung der Hauptverhandlung und verhindert eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes in der Sache selbst.

Insoferne war daher der Nichtigkeitsbeschwerde bereits bei einer nichtöffentlichen Beratung Folge zu geben, mit teilweiser Urteilsaufhebung vorzugehen und dem Erstgericht die Verfahrenserneuerung im Umfang der Aufhebung aufzutragen. Im übrigen erweist sich die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten teils als nicht gesetzmäßig ausgeführt, teils als unbegründet:

Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 'Z 3, 4 und 5 StPO' erblickt der Angeklagte in dem Umstand, daß das Erstgericht - allerdings ohne einen darauf abzielenden Antrag von ihm -

es unterlassen hat, ein 'Vernehmungsprotokoll der Untersuchungsbeamten anläßlich des Vorfalles an der Grenze einschließlich der Untersuchungsergebnisse' beizuschaffen. Unter Anrufung der Nichtigkeitsgründe nach § 281 Abs 1 Z 4 und 5 StPO rügt der Angeklagte weiters, daß die zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung gegen den Beschwerdeführer bereits in Untersuchungshaft befindliche Zeugin Gertraud B in der Hauptverhandlung nicht vernommen worden ist. Auch insoweit mangelt es an einem darauf abzielenden Antrag des Beschwerdeführers, und damit an der Beschwerdelegitimation.

Soweit der Angeklagte zu allen Schuldspruchpunkten die vom Erstgericht festgestellten Mengen als unzureichend begründet bezeichnet, ist ihm entgegenzuhalten, daß er in Ansehung des von der Aufhebung betroffenen Faktums I selbst von 20 Gramm Heroin gesprochen hat (S 79; 163).

Die Mengenfeststellungen zu Punkt II des Schuldspruches (Ankauf von 8,2 Gramm Heroin durch den Angeklagten und Weitergabe von zumindest 6,5 Gramm an C und D sowie geringer Mengen an E) gründet das Erstgericht mängelfrei auf die Verantwortung des Angeklagten (S 287) sowie die Angaben der Zeugen F (S 168) und G (S 174). Die Mengenfeststellungen zum - ebenfalls aufgehobenen - Punkt III des Schuldspruches stützt das Erstgericht auf das diesbezügliche Geständnis des Angeklagten (S 287). Von einem formellen Begründungsmangel kann sohin insoferne keine Rede sein. Das diesbezügliche Vorbringen stellt sich vielmehr als unzulässiger Angriff auf die schöffengerichtliche Beweiswürdigung dar. Dem vom Angeklagten nicht gerügten Umstand, daß das Erstgericht zu Punkt II des Schuldspruches von einer in Verkehr gesetzten Heroinmenge von 8,2 Gramm ausgeht, in den Urteilsgründen jedoch ausführt, daß der Angeklagte von den erworbenen 8,2 Gramm Heroin nur insgesamt 6,5 Gramm an C und D und 'geringe Mengen Heroin' an E weitergegeben hat, kommt in Anbetracht der die Grenzmenge bei weitem übersteigenden Quanten im vorliegenden Fall deshalb keine entscheidungswesentliche Bedeutung zu (vgl ÖJZ-LSK 1982/184), weil das Erstgericht unter Verletzung der zwingenden Vorschrift des § 12 Abs 4 SuchtgiftG es des weiteren unterlassen hat, eine Verfallsersatzstrafe zu verhängen. Gegen diese sich zum Vorteil des Angeklagten auswirkende Gesetzesverletzung hat die Staatsanwaltschaft kein Rechtsmittel eingelegt; (demzufolge wird im zweiten Rechtsgang diesbezüglich das Verschlechterungsverbot zu beachten sein).

Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 11 StPO erblickt der Angeklagte schließlich in der Nichtanwendung des 'außerordentlichen Milderungsrechtes' durch das Erstgericht. Insoweit sind seine Ausführungen als Berufungsvorbringen zu werten, welches mit Rücksicht auf die Teilaufhebung des Schuldspruches und demgemäß die Aufhebung des gesamten Strafausspruches keiner weiteren Erörterung bedarf. Letzteres gilt auch für das Vorbringen des Angeklagten unter ziffernmäßiger Anrufung der Nichtigkeitsgründe nach § 281 Abs 1 'Z 9, 10, insb 9 lit c StPO', mit dem er sich gegen die gemäß § 12 Abs 1 und 2 SuchtgiftG verhängte Geldstrafe in der Höhe von 40.000 S wendet, die er als zu wenig am Nutzen orientiert bezeichnet. Insoferne war die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten teils nach § 285 d Abs 1 Z 1 StPO in Verbindung mit dem § 285 a Z 2 StPO als nicht prozeßordnungsgemäß ausgeführt, teils nach § 285 d Abs 1 Z 2 StPO als offenbar unbegründet ebenfalls bereits in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

Gemäß § 290 Abs 1 StPO war schließlich auch der Ausspruch gemäß § 26 Abs 1 StGB über die Einziehung der sichergestellten Gegenstände aufzuheben (§ 281 Abs 1 Z 11 StPO), weil diesen (Blechdose, Löffel, Injektionsspritze, Waagen) die im § 26 Abs 1 StGB für die Einziehung geforderte spezifische kriminelle Gefährlichkeit mangelt (EvBl 1980/ 9 ua). Er war sogleich aus dem Urteil zu eliminieren. Nur der Vollständigkeit halber ist darauf zu verweisen, daß das Ersturteil auch im Ausspruch über die Vorhaftanrechnung mit einer - sich zum Nachteil des Angeklagten auswirkenden - Nichtigkeit im Sinne des § 281 Abs 1 Z 11

StPO behaftet ist, als diese auf die Freiheitsstrafe (allein) beschränkt wurde. Im zweiten Rechtsgang wird daher eine Anrechnung der Vorhaft, der gesetzlichen Anordnung des § 38 Abs 1 StGB entsprechend, auf sämtliche (Freiheitsund Geld-)Strafen zu erfolgen haben.

Anmerkung

E04168

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1983:0100OS00079.83.0518.000

Dokumentnummer

JJT_19830518_OGH0002_0100OS00079_8300000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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