TE OGH 1983/5/19 13Os81/83 (13Os82/83)

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Veröffentlicht am 19.05.1983
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 19.Mai 1983 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Schneider, Dr. Felzmann und Dr. Brustbauer als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Schneller als Schriftführerin in der Strafsache gegen Johann A und Manfred B wegen des Vergehens der versuchten Täuschung nach §§ 15, 108 Abs 1 StGB über die von der Generalprokuratur zur Wahrung des Gesetzes gegen die Urteile des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 26.November 1982, GZ. 2 e E Vr 11.018/82-16, und des Oberlandesgerichts Wien vom 7.März 1983, AZ. 21 Bs 62/83, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrags des Berichterstatters, Hofrats des Obersten Gerichtshofs Dr. Schneider, und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalts Dr. Tschulik, zu Recht erkannt:

Spruch

In der Strafsache 2 e E Vr 11.018/82 des Landesgerichts für Strafsachen Wien verletzen 1. das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 26.November 1982, GZ. 2 e E Vr 11.018/82-16, 2. das Urteil des Oberlandesgerichts Wien vom 7.März 1983, AZ. 21 Bs 62/83, insoweit, als der Berufung des Angeklagten Johann A wegen Nichtigkeit nicht Folge gegeben wurde, was gemäß § 477 Abs 1, zweiter Satz, StPO zur Aufhebung des Schuld- und Strafausspruchs betreffend Manfred B genötigt hätte, die Bestimmung des § 108 Abs 1

StGB

Die beiden Urteile sowie alle darauf beruhenden Beschlüsse und Verfügungen werden aufgehoben und es wird gemäß §§ 288 Abs 2 Z. 3, 292 StPO in der Sache selbst erkannt:

Johann A und Manfred B werden von der Anklage, es haben am 13.April 1982 und zu nicht mehr feststellbaren Zeitpunkten vorher in Wien 1. Manfred B dem Staat in seinem Recht auf Ausschließung nicht haftpflichtversicherter und nicht zugelassener Kraftfahrzeuge vom öffentlichen Straßenverkehr dadurch absichtlich einen Schaden zuzufügen versucht, daß er die Polizeibeamten Insp. Siegfried C und Robert D sowie andere, namentlich nicht bekannte Polizeibeamte durch Täuschung über Tatsachen, indem er auf dem nicht haftpflichtversicherten und nicht zum Verkehr zugelassenen PKW. 'Ford Capri' die Probefahrtkennzeichentafeln W ... angebracht und mit dem PKW. am öffentlichen Straßenverkehr teilgenommen habe, ohne Probefahrten im Sinn des § 45 Abs 1 KFG. durchzuführen, zu einer Unterlassung, nämlich zur Abstandnahme von der Hinderung der Weiterfahrt, zu verleiten gesucht;

2. Johann A den Manfred B durch Aufforderung zur Ausführung der zu Punkt 1. angeführten Straftat bestimmt, und hiedurch beide das Vergehen der versuchten Täuschung nach §§ 15, 108 Abs 1 StGB begangen, gemäß § 259 Z. 3 StPO freigesprochen.

Text

Gründe:

Mit dem Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 26. November 1982, GZ. 2 e E Vr 11.018/82-16, wurden der am 13. September 1938 geborene Kfz-Mechanikermeister Johann A und der am 30. März 1960 geborene Kfz-Mechaniker Manfred B des Vergehens der versuchten Täuschung nach §§ 15, 108 Abs 1 StGB, Johann A als Anstifter schuldig erkannt und zu Geldstrafen verurteilt. Nach dem Inhalt des Schuldspruchs und der hiezu getroffenen Urteilsfeststellungen liegt Manfred B zur Last, im Auftrag seines damaligen Dienstgebers Johann A mit dessen nicht zum Verkehr zugelassenen PKW. 'Ford Capri', auf dem das Probefahrtkennzeichen W ... angebracht war, wiederholt, zuletzt am 13.April 1982, am öffentlichen Straßenverkehr teilgenommen zu haben, ohne hiebei Probefahrten (§ 45 Abs 1 KFG.) durchzuführen, und auf diese Weise versucht zu haben, dem Staat in seinem Recht auf Ausschließung nicht haftpflichtversicherter und nicht zugelassener Kraftfahrzeuge vom öffentlichen Straßenverkehr absichtlich einen Schaden zuzufügen, indem er Polizeibeamte durch Täuschung über Tatsachen zur Abstandnahme von der Hinderung der Weiterfahrt, mithin zu einer Unterlassung verleiten wollte. Dem Angeklagten Johann A wird angelastet, Manfred B zur Ausführung der Tat angestiftet zu haben. Dieses Urteil wurde vom Angeklagten Johann A mit Berufung angefochten; seitens des Angeklagten Manfred B ist es unbekämpft geblieben. Mit der Entscheidung vom 7.März 1983, AZ. 21 Bs 62/83, gab das Oberlandesgericht Wien der Berufung des Angeklagten Johann A wegen Nichtigkeit und Schuld nicht Folge; seiner Strafberufung wurde teilweise Folge gegeben und die Höhe des Tagessatzes herabgesetzt. Die beiden Urteile stehen mit dem Gesetz nicht im Einklang. Richtig ist zwar, daß gemäß § 45 Abs 1 und 2 KFG.

mit nicht zum Verkehr zugelassenen Kraftfahrzeugen auf Straßen mit öffentlichem Verkehr von Personen, die eine behördliche Bewilligung zur Vornahme von Probefahrten besitzen (§ 45 Abs 2 Anfang KFG.), nur Fahrten zur Feststellung der Gebrauchsfähigkeit oder der Leistungsfähigkeit des Fahrzeugs, seiner Teile und seiner Ausrüstungsgegenstände, zur Vorführung des Fahrzeugs, zu dessen überführung an einen anderen Ort im Rahmen des Geschäftsbetriebs oder zum Ort der Begutachtung oder Überprüfung durchgeführt werden dürfen. Verwendet jemand ein solches mit einem Probefahrtkennzeichen versehenes Kraftfahrzeug sonst im Straßenverkehr, ohne eine Probefahrt im Sinn des § 45 Abs 1 KFG. durchzuführen, so erweckt er bei den Straßenaufsichtsorganen die falsche Vorstellung, es handle sich um eine im Rahmen der ihm erteilten Befugnis unternommene Fahrt, und bewirkt solcherart durch Täuschung über Tatsachen das Unterbleiben einer Beanstandung wegen Teilnahme am öffentlichen Verkehr mit einem nicht zum Verkehr zugelassenen Kraftfahrzeug. Indem Johann A an seinem PKW. 'Ford Capri' die Probefahrtkennzeichen anbringen ließ und seinen damaligen Dienstnehmer Manfred B beauftragte, damit Fahrten zu unternehmen, die nicht als Probefahrten zu werten waren, bewirkte er daher ebenso wie der diesen Auftrag befolgende Manfred B Täuschungshandlungen, die darauf abzielten, einen Ausschluß dieses Fahrzeugs vom öffentlichen Verkehr bei einer Verkehrskontrolle hintanzuhalten.

Rechtliche Beurteilung

Den Tatbestand der Täuschung nach § 108 Abs 1 StGB

würde ein derartiges Verhalten aber nur unter der weiteren Voraussetzung erfüllen, daß der Täter dadurch den Staat in seinem konkreten Recht auf Ausschluß nicht zugelassener Kraftfahrzeuge vom Verkehr absichtlich schädigt.

Dies träfe zu, wenn das Fahrzeug nicht den materiellen Zulassungsvoraussetzungen gemäß § 37 Abs 2 KFG. entspräche und deshalb der Schutzzweck der gesetzlichen Regelungen betreffend die Verkehrszulassung von Kraftfahrzeugen vereitelt würde (vgl. u.a. LSK 1976/268 = EvBl 1976/290 =

ZVR 1977/32; LSK. 1978/3 = ZVR 1978/97).

In beiden, von der Generalprokuratur angefochtenen Urteilen wird als maßgebender Rechtsgrund für die Erfüllung des Täuschungsmerkmals der vermeintliche Mangel einer Haftpflichtversicherung herangezogen. Dabei haben die Gerichte übersehen, daß die Bewilligung nach § 45 Abs 1 KFG. an die Beibringung einer Versicherungsbestätigung gemäß § 61 Abs 1 KFG. gebunden (§ 45 Abs 3 lit c KFG.), für Probefahrten also der Abschluß einer Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung zwingend vorgeschrieben ist (§ 59 Abs 1 lit b KFG.). Wurde dem Angeklagten Johann A eine Bewilligung zur Vornahme von Probefahrten erteilt und ein Probefahrtkennzeichen zugewiesen, so war damit - bei Einhaltung der angeführten gesetzlichen Vorschriften - auch der Bestand einer Haftpflichtversicherung gegeben, die einem unfallgeschädigten Dritten ungeachtet allfälliger Regreßansprüche des Versicherers wegen Obliegenheitsverletzungen des Versicherten den Ersatz seiner Ansprüche auch im Fall einer mißbräuchlichen Verwendung des Fahrzeugs gewährleistet hätte.

Daß dem Johann A eine Bewilligung nach § 45 Abs 1 KFG. trotz Fehlens einer gültigen und rechtswirksamen

Versicherungsbestätigung gemäß § 61 Abs 1 KFG.

erteilt worden wäre, wurde von den Gerichten nicht festgestellt. Für eine derartige Feststellung hätten die Verfahrensergebnisse auch keinen Anhaltspunkt geboten. Ebensowenig ist im Verfahren hervorgekommen, daß das in Rede stehende Fahrzeug etwa den materiellen Zulassungsvoraussetzungen (§ 37 Abs 2 KFG.) nicht entsprochen hätte.

Das festgestellte Verhalten der Angeklagten Johann A und Manfred B verwirklicht sonach keine gerichtlich strafbare Handlung, sondern lediglich den Tatbestand einer durch Täuschungshandlungen verdeckten, nach § 134 Abs 1 KFG. strafbaren Verwaltungsübertretung. Der von der Generalprokuratur gemäß § 33 Abs 2

StPO erhobenen Beschwerde war daher stattzugeben. Gemäß §§ 292, 288 Abs 2 Z. 3, 259 Z. 3 StPO wurden Johann A und Manfred B von der Anklage, Täter (§ 12 StGB) des Vergehens nach §§ 15, 108 StGB zu sein, freigesprochen.

Anmerkung

E04173

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1983:0130OS00081.83.0519.000

Dokumentnummer

JJT_19830519_OGH0002_0130OS00081_8300000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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