TE OGH 1983/7/1 9Os97/83

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Veröffentlicht am 01.07.1983
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat unter dem Vorsitz des Hofrates des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Steininger und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, Dr. Horak, Dr. Reisenleitner und Hon. Prof. Dr. Brustbauer als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Vogel als Schriftführer in der Strafsache gegen Jakob A wegen des Verbrechens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs. 3 StGB und einer anderen strafbaren Handlung nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung über die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten und die Berufung der Privatbeteiligten, B-C reg Gen mbH gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Schöffengericht vom 24. März 1983 (im Urteil unrichtig: 31.3.1983), GZ 17 Vr 118/80-62, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuerlicher Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Privatbeteiligte wird mit ihrer Berufung auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 17. März 1917 geborene Pensionist Jakob A (zu 1/a und b) des Verbrechens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs. 3

StGB und (zu 2) des Vergehens des Verstrickungsbruches nach § 271 Abs. 1 StGB schuldig erkannt und zu einer (bedingt nachgesehenen) Freiheitsstrafe verurteilt. Ihm liegt zur Last, er habe (1.) in Gmünd mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, Angestellte der B-E, Zweigstelle Gmünd, durch Täuschung über Tatsachen zu Handlungen verleitet, welche das genannte Institut an seinem Vermögen schädigten, wobei der Schaden 100.000 S überstieg, und zwar (a) durch die Vorgabe eines rückzahlungsfähigen und rückzahlungswilligen Kreditnehmers in Verbindung mit der Behauptung, Inhaber einer Gummiwarenerzeugungsfirma zu sein und den Kredit für Geschäftszwecke zu benötigen, am 8. Juni 1977 zur Gewährung eines Kredites in der Höhe von 550.000 S sowie bis Juli 1978 zur Einräumung einer Kontoüberziehung von weiteren 70.000 S, (b) am 10. Februar und 2. März 1978 durch die falsche Vorgabe, er werde das Geld von 150.000 S in spätestens 14 Tagen zurückbezahlen und den diesbezüglichen Konsens mit den Verfügungsberechtigten der X herstellen, zur Auszahlung eines Geldbetrages von insgesamt 150.000 S vom Sparkonto der X sowie (2.) am 7. September 1979 in Salzburg dadurch, daß er einen bereits zu 7 E 4642/76 des Bezirksgerichtes Salzburg gepfändeten Perserteppich Nr 2939 im Wert von 18.000 S nach London verschickte, eine Sache, die behördlich gepfändet worden war, ganz der Verstrickung entzogen.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen diesen Schuldspruch vom Angeklagten erhobene, auf die Gründe der Z 5 und 9 lit a des § 281 Abs. 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde ist berechtigt.

Betrug fordert im subjektiven Tatbestand zumindest bedingten Vorsatz. Dieser ist dann gegeben (§ 5 Abs. 1, zweiter Halbsatz StGB), wenn der Täter die Verwirklichung eines Sachverhaltes, der einem gesetzlichen Tatbild entspricht, ernstlich für möglich hält und sich mit ihr abfindet. Der mit dolus eventualis handelnde Täter erkennt sonach das mit seinem Handeln verbundene Risiko und veranschlagt es so hoch, daß er die Möglichkeit der Verwirklichung des Tatbildes ernst nimmt, das heißt, als naheliegend ansieht, sich aber dennoch zur Tat entschließt, weil er auch einen solchen nachteiligen Ablauf der Ereignisse hinzunehmen gewillt ist (= sich damit abfindet); bei bewußter Fahrlässigkeit aber handelt der Täter im, wenn auch leichtfertigen, Vertrauen darauf, den verpönten Erfolg nicht herbeizuführen.

Der Täter hat das Risiko zwar erkannt, aber nicht richtig eingeschätzt. Bei der Beurteilung, ob bedingter Vorsatz oder bewußte Fahrlässigkeit vorliegt, kommt es demnach unter anderem auf das objektive Moment, nämlich das Gewicht des eingegangenen Risikos und die Größe und Nähe der Gefahr, aber auch auf die Erkenntnis und Einschätzung dieser Umstände durch den Täter an. Grundlegend ist ferner, daß der Umstand, daß der Täter die Möglichkeit der Tatbildverwirklichung ernst nimmt (= als naheliegend ansieht), gleichermaßen Ausgangspunkt für (bedingt) vorsätzliches wie für (bewußt) fahrlässiges Handeln sein kann; der Unterschied liegt erst in der Fortsetzung des Willensbildungsprozesses, und zwar darin, daß der Täter in einem Fall sich dennoch zur Tat entschließt, weil er einen das Tatbild verwirklichenden Ablauf der Ereignisse hinzunehmen gewillt ist, im anderen Fall aber im - wenn auch leichtfertigen - Vertrauen darauf handelt, den verpönten Erfolg nicht herbeizuführen (vgl zu all dem Mayerhofer-Rieder, StGB2, § 5, E Nr 13 und 14). Wendet man diese Grundsätze auf die vom Erstgericht zur subjektiven Tatseite getroffenen Konstatierungen an (vgl III/129 f, 132 und 133), dann zeigt sich, daß das Urteil - wie die Beschwerde zutreffend aufzeigt - an Undeutlichkeiten und Feststellungsmängeln leidet. Was den ersten Punkt anlangt, läßt die tatrichterliche Formulierung ('...

daß das Gutachten von einer sehr anerkannten Person auf diesem Gebiet stammt, begründet noch nicht das Verhalten des Angeklagten, auf den Prozeßgewinn zu vertrauen und daher die Kredite aufzunehmen' ...) nicht erkennen, ob das Erstgericht damit als erwiesen annahm, der Beschwerdeführer habe - dem Gutachten von Prof Dr. H Glauben schenkend -

auf den Prozeßgewinn vertraut, wogegen als gravierende Feststellungslücke hervorzuheben ist, daß das Urteil kein Wort darüber enthält, ob sich der Angeklagte mit dem von ihm in Kauf genommenen Erfolg auch abfand (vgl II/132 oben), was aber - wie oben gezeigt - für die Abgrenzung von dolus eventualis zu bewußter Fahrlässigkeit essentiell ist.

Da schon die aufgezeigten Mängel, die vom Obersten Gerichtshof nicht saniert werden können, die Durchführung einer neuen Hauptverhandlung und somit die Kassierung der beiden Schuldsprüche wegen Betruges unumgänglich machen (§ 285 e StPO), erübrigt es sich, auf das weitere, hierauf bezügliche Beschwerdevorbringen weiter einzugehen. Lediglich der Vollständigkeit halber sei aber vermerkt, daß das Ersturteil auch Beweisergebnisse mit Stillschweigen übergangen hat, die für die Beurteilung der Täuschungshandlungen des Angeklagten nicht von vornherein als irrelevant qualifiziert werden können. So wurde etwa nicht erörtert, daß der Angeklagte und der Zeuge I übereinstimmend erklärt hatten, letzterer habe auf Grund der bezüglichen Unterlagen von den Zivilprozessen gewußt (vgl I/441 und II/70 ff), daß Josef I deponierte, die Kredite sollten rückgezahlt werden, wenn der Angeklagte die Prozesse gewinne und daß schließlich dieser Zeuge angab, er wisse nicht, was der Beschwerdeführer antwortete, als er - I - den Vorschlag machte, der Angeklagte solle sich mit der X in Verbindung setzen (vgl zu all dem abermals II/70 ff). Endlich ist - und auch hier ist der Beschwerde zu folgen - das Urteil dort in sich widersprüchlich, wo es einerseits konstatiert, der Angeklagte habe 'die angeführten Zivilprozesse' verloren (II/132 oben), andererseits aber feststellt, der vom Beschwerdeführer gegen seinen Bruder Moe A geführte Prozeß sei (im Urteilszeitpunkt) noch anhängig (II/130). Aber auch der Schuldspruch wegen des Vergehens nach § 271 Abs. 1 StGB (Punkt 2 des Urteilssatzes) ist nicht frei von Nichtigkeit bewirkenden Begründungsmängeln.

Diesbezüglich läßt nämlich die angefochtene Entscheidung - was für die Beurteilung der subjektiven Tatseite von Relevanz sein könnte - völlig unerörtert, daß der Angeklagte in der Hauptverhandlung vom 19. November 1981 (vgl I/406) sich dahin verantwortete, er sei von Rechtsanwalt Dr. J verständigt worden 'bezüglich des Teppichs sei alles zurückgezogen worden, man brauche nichts mehr' und daß der Zeuge Dr. K - der Vertreter des betreibenden Gläubigers, der die Strafanzeige wegen Verdachtes des Verstrickungsbruches erstattet hatte, - deponierte (I/412), die Exekution (auf den Teppich) sei auf Grund einer Mitteilung von Rechtsanwalt Dr. J eingestellt worden. Wenn es in subjektiver Hinsicht zur Tatbestandserfüllung des § 271 Abs. 1 StGB auch genügt, daß der Täter sich über die behördliche Beschlagnahme oder Pfändung durch die angeführten Handlungen - vorliegend: Entziehung - bewußt hinwegsetzt oder diesen Umstand auch nur ernstlich für möglich hält und sich damit abfindet, durfte die durch das erwähnte Vorbringen indizierte Frage, ob diese Voraussetzungen vorliegend gegeben waren, oder ob der Beschwerdeführer die Pfändung möglicherweise (allenfalls irrtümlich) für aufgehoben erachtete, nicht unbehandelt bleiben. Es mußte sonach auch insoweit bereits bei einer nichtöffentlichen Beratung mit einer Kassierung des Schuldspruchs vorgegangen werden. Die Privatbeteiligte war mit ihrer Berufung auf diese Entscheidung zu verweisen.

Anmerkung

E04239

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1983:0090OS00097.83.0701.000

Dokumentnummer

JJT_19830701_OGH0002_0090OS00097_8300000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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