TE OGH 1983/7/20 11Os96/83

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Veröffentlicht am 20.07.1983
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 20. Juli 1983 unter dem Vorsitz des Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr.Kießwetter und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, Dr. Schneider, Dr. Hörburger und Dr. Lachner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Eier als Schriftführer in der Strafsache gegen Günter A wegen des Verbrechens des schweren Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 127 Abs. 1, 129 Z. 1 StGB und anderer Delikte über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 7. März 1983, GZ. 6 d Vr 13.563/82-46, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Schneider, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Mühl und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur Generalanwalt Dr. Scheibenpflug zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird dahin Folge gegeben, daß die über den Angeklagten verhängte Freiheitsstrafe auf 18 (achtzehn) Monate herabgesetzt wird.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 8. April 1961 geborene Günter A des Verbrechens des Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 127 Abs. 1, 129 Z. 1 StGB (Punkt I des Urteilssatzes) und der Vergehen des unbefugten Gebrauchs von Fahrzeugen nach dem § 136 Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 3 erster Fall, StGB (Punkt II/1 des Urteilssatzes) sowie der schweren Sachbeschädigung nach den §§ 125, 126

Abs. 1 Z. 7 StGB (Punkt II/2 des Urteilssatzes) schuldig erkannt. Es liegt ihm zur Last, in Wien I./ am 18. September 1982 fremde bewegliche Sachen, nämlich ein Autoradio, eine Decke, zwei Sonnenbrillen und eine Stange Zigaretten im Gesamtwert von 2.710 S, dem Franz B durch Aufbrechen des Personenkraftwagens Lada mit dem Kennzeichen W 665.518 mit dem Vorsatz weggenommen zu haben, sich durch die Sachzueignung unrechtmäßig zu bereichern; II./ am 28. September 1982 1./ ein Fahrzeug, das zum Antrieb mit Maschinenkraft eingerichtet ist, nämlich den Personenkraftwagen VW Passat mit dem Kennzeichen W 613.408, ohne Einwilligung des Berechtigten Rudolf C in Gebrauch genommen zu haben, indem er sich die Gewalt über das Fahrzeug durch eine der in den §§ 129 bis 131 StGB geschilderten Handlungen, nämlich mittels eines durch Einbruch erlangten Schlüssels, verschaffte, und wobei der durch die Tat verursachte Schaden am Fahrzeug 11.313,84 S betrug; 2./ an einer fremden Sache einen 5.000 S übersteigenden Schaden dadurch herbeigeführt zu haben, daß er mit dem Personenkraftwagen VW Passat die Einfriedung um den Lagerplatz des Franz D jun.

niederstieß und überfuhr, wodurch am Zaun ein Schaden in der Höhe von 15.000 S entstand.

Der Angeklagte Günter A bekämpft mit seiner auf die Z. 5 und 10 des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde lediglich den Schuldspruch wegen Vergehens der schweren Sachbeschädigung nach den §§ 125, 126 Z. 7 StGB (Punkt II/2 des Urteilssatzes). In der Rechtsrüge macht der Beschwerdeführer geltend, daß das Niederfahren der Umzäunung des Lagerplatzes dazu gedient habe, den unbefugt in Gebrauch genommenen PKW aus dem Herrschaftsbereich des Verfügungsberechtigten zu entziehen und ein Gewaltverhältnis über das Fahrzeug zu begründen, weshalb das Verhalten unter die (allerdings in bezug auf andere Begehungsumstände) ohnedies herangezogene Qualifikationsnorm des § 136 Abs. 2 StGB falle, wodurch die auf die qualifizierende Handlung zurückgehende Beschädigung des Zauns bereits abgegolten und daher nicht gesondert zuzurechnen sei.

Rechtliche Beurteilung

Dem Einwand kommt indes keine Berechtigung zu.

Gemäß dem § 136 Abs. 2 StGB unterliegt der Täter einer strengeren Bestrafung, wenn er ein Fahrzeug unbefugt in Gebrauch nimmt, indem er sich die Gewalt über das Fahrzeug durch eine der in den §§ 129 bis 131 StGB geschilderten Handlungen verschafft. Die vom Angeklagten ins Treffen geführte Begehungsweise durch eine Einbruchshandlung im Sinn des § 129 Z. 1 StGB kann als qualifizierender Umstand des unbefugten Gebrauches von Fahrzeugen nur Anwendung finden, wenn die bezügliche Hindernisüberwindung noch vor der Ingebrauchnahme des Fahrzeuges stattfindet (Kienapfel, BT II, RN 38 zu § 136), weil später bereits eine Verfügungsgewalt des Täters besteht und insoweit von 'Verschaffen' nicht mehr gesprochen werden kann. Ein (vollendeter) Gebrauch liegt aber bereits vor, wenn das Fahrzeug unter Einsatz des maschinellen Antriebs fortbewegt wird, wobei auch eine geringfügige Ortsveränderung genügt (Kienapfel, BT II, RN 12

und 14 zu § 136; Bertel im WK, Rz 4 zu § 136; Leukauf-Steininger, Komm. zum StGB2, RN 6 zu § 136). Da der Angeklagte nach dem Urteilssachverhalt zunächst mit dem auf einem Lagerplatz abgestellt gewesenen, von ihm unter Verwendung eines durch Einbruch weggenommenen Schlüssels geöffneten sowie gestarteten Personenkraftwagen losfuhr und erst im Anschluß daran vorsätzlich die Umzäunung des Lagerplatzes niederstieß, trat die Beschädigung des Zaunes nach Eintritt des Vollendungsstadiums des angesichts der Verwendung eines widerrechtlich erlangten Schlüssels gemäß dem § 136 Abs. 2

StGB qualifizierten unbefugten Gebrauchs des Fahrzeuges nicht anläßlich einer vor der Ausführungshandlung gelegenen Hindernisüberwindung ein und vermag demgemäß keinen zusätzlichen Qualifikationsumstand darzustellen.

Die in Rede stehende Qualifikationsnorm setzt auch dem Standpunkt des Beschwerdeführers zuwider keinen Bruch des Gewahrsams des Berechtigten an dem Fahrzeug (nach Art einer diebischen Wegnahme) voraus. Aus dem Wortlaut des § 136 Abs. 2 StGB ergibt sich vielmehr, daß die Tat (im Sinn des § 136 Abs. 1 StGB) ganz allgemein bei Vorliegen einer der in den §§ 129 bis 131 StGB geschilderten Handlungen mit strengerer Strafe bedroht ist und mit dem Verschaffen der Gewalt über das Fahrzeug keineswegs ein spezifischer, insbesondere durch Gewahrsamswechsel gekennzeichneter Gebrauch, sondern die Ingebrauchnahme schlechthin umschrieben wird.

Somit kann auch keine Rede davon sein, daß die Heranziehung der Qualifikation überhaupt nur wegen der Verbringung des Personenkraftwagens aus dem umzäunten Lagerplatz gerechtfertigt sei und deshalb die anläßlich der überwindung des gegen das Wegfahren bestandenen Hindernisses verübte Sachbeschädigung nicht gesondert zugerechnet werden dürfe.

Die Mängelrüge ist ebenfalls nicht zielführend, weil die wegen unzureichender Begründung bekämpfte Feststellung, daß der Angeklagte sich vor der Sachbeschädigung nicht lange bemühte, den Personenkraftwagen durch das Tor aus dem Lagerplatz zu bringen, keine entscheidende Tatsache betrifft.

Denn für die rechtliche Beurteilung der vorsätzlichen Beschädigung der Umzäunung ist es bedeutungslos, ob der Angeklagte hierin den einzigen Weg sah, den unbefugt in Gebrauch genommenen Kraftwagen zwecks Fortsetzung der Verwendung an anderen Orten vom Lagerplatz wegzubringen oder ob er sich hiebei über eine andere, die Sachbeschädigung vermeidende Möglichkeit hinwegsetzte. Die unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war daher - wie die Generalprokuratur zutreffend darlegte - zu verwerfen. Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten nach dem § 129 StGB unter Anwendung des § 28 StGB eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren. Es wertete bei der Strafbemessung das Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen und die auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden Vorstraftaten als erschwerend, hingegen das Geständnis als mildernd.

Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte unter Geltendmachung weiterer Milderungsumstände die Herabsetzung der Freiheitsstrafe an.

Der Berufung kommt Berechtigung zu:

Die Sicherstellung von laut Urteilsfaktum I gestohlenen Sachen (s. S. 259 und unjournalisiert in ON. 14) ist dem Angeklagten zusätzlich als mildernd zuzurechnen. Allerdings fällt ihm die zweifache Qualifikation des § 136 StGB, nämlich nach Abs. 2 und 3 (erster Fall) als weiterer Erschwerungsumstand zur Last.

Dagegen reklamiert der Angeklagte zu Unrecht die Milderungsumstände des § 34 Z. 1 (erster Fall) und Z. 7 StGB, sowie - zu den Urteilsfakten II - der Berauschung:

Einem - wie hier - zu den Tatzeiten ca. 21 1/2 Jahre alten Angeklagten kommt der erstangeführte Milderungsgrund, der ausdrücklich eine Tatbegehung vor Vollendung des 21. Lebensjahres verlangt, nicht zugute.

Unbesonnenheit liegt nicht bei jeder - wie zum Urteilsfaktum I festgestellten - 'plötzlichen Idee' zur Tatbegehung (S. 258/259) vor. Die Annahme des Milderungsumstandes der Unbesonnenheit in der Bedeutung des § 34 Z. 7 StGB verlangt vielmehr überdies, daß der (auf eine augenblickliche Eingebung zurückzuführenden) Tat keine kriminelle Neigung oder grundsätzliche Geringschätzigkeit fremder Interessen zugrunde liegt (vgl. dazu Leukauf-Steininger, Komm.2, RN 13

zu § 34 StGB). Bei der im vorliegenden Fall gegebenen Deliktshäufung und Vorstrafenbelastung des Angeklagten ist aber diesen Kriterien nicht entsprochen.

Zur Annahme des Milderungsumstandes der Berauschung (im Zusammenhang mit den Urteilsfakten II) mangelt es an den Voraussetzungen des § 35 StGB. Solche ergeben sich weder aus dem erstgerichtlichen Urteil noch aus den Akten;

sie wurden vom Berufungswerber auch gar nicht behauptet. Auf der Basis der korrigierten Strafzumessungsgründe und der allgemeinen Strafbemessungsnormen (§ 32 StGB) erachtet der Oberste Gerichtshof eine Freiheitsstrafe von achtzehn Monaten als dem vom Angeklagten zu verantwortenden Schuld- und Unrechtsgehalt der Tat adäquat.

In diesem Sinn war der Berufung Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die im Urteilsspruch zitierte Gesetzesstelle.

Anmerkung

E04244

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1983:0110OS00096.83.0720.000

Dokumentnummer

JJT_19830720_OGH0002_0110OS00096_8300000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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