TE OGH 1983/9/8 12Os101/83

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Veröffentlicht am 08.09.1983
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, Hon.Prof.Dr. Steininger, Dr. Hörburger und Dr. Lachner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Ramschak-Heschgl als Schriftführerin in der Strafsache gegen Peter A wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 erster Fall StGB

nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 21.Juni 1983, GZ 20 j Vr 12.931/82-28, den Beschluß gefaßt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Peter A von der Anklage, er habe am 11.August 1982 in Wien in Gesellschaft der abgesondert verfolgten Jugendlichen Alfred B und Alfred C als Beteiligter (§ 12 StGB.) dem Alexander D mit Gewalt gegen dessen Person und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben eine fremde bewegliche Sache, nämlich eine angebrochene Packung mit ca. 8 Zigaretten Marke 'Johnny' im ungefähren Wert von 7,50 S, mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, indem Alfred B dem Alexander D Schläge androhte, falls ihm dieser die Zigaretten nicht gäbe, Peter A sodann seinen Arm von hinten um den Hals des D legte und ihn über die Rückenlehne einer Parkbank drückte, während Alfred C ihn festhielt und Alfred B ihm die Zigarettenpackung wegnahm, und habe hiedurch das Verbrechen des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143

erstem Fall StGB begangen, gemäß § 336 StPO freigesprochen. Im dieser Entscheidung zugrundeliegenden Wahrspruch hatten die Geschwornen die dem Anklagevorwurf entsprechende Hauptfrage stimmeneinhellig verneint; andere Fragen waren ihnen nicht gestellt worden.

Der Freispruch erfolgte im zweiten Rechtsgang, nachdem ein gleichlautender (allerdings im Stimmenverhältnis 4 gegen 4 zustande gekommener) Wahrspruch im ersten Rechtsgang zur Aussetzung der Entscheidung und Verweisung der Sache an ein anderes Geschwornengericht beim Landesgericht für Strafsachen Wien Anlaß gegeben hatte.

Rechtliche Beurteilung

Gegen den nunmehr ergangenen Freispruch richtet sich die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft, in welcher der Nichtigkeitsgrund nach § 345 Abs 1 Z 11

lit a StPO zwar geltendgemacht, jedoch nicht zur prozeßordnungsgemäßen Darstellung gebracht wird:

Aus dem angerufenen materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrund kann nämlich eine unrichtige rechtliche Beurteilung der Tat durch die Geschwornen nur dann gerügt werden, wenn die Tatfrage als solche bejaht und überdies die durch die Bejahung dieser Schuldfrage festgestellten Tathandlungen rechtsirrig als eine in die Zuständigkeit der Gerichte gehörige strafbare Handlung angesehen oder nicht angesehen worden ist. Wurde hingegen die auf die Tatbegehung gerichtete Schuld-(Haupt- oder Eventual-)frage schlechthin verneint, dann können die rechtlichen Erwägungen, welche die Geschwornen zu diesem Wahrspruch geführt haben, nicht mit Nichtigkeitsbeschwerde bekämpft werden. Auch wenn diese Erwägungen in der Niederschrift nach § 331 Abs 3 StPO.

festgehalten worden sind, kommt ihnen lediglich die Bedeutung eines Hinweises auf die Motive - nicht aber der Charakter einer anfechtbaren Begründung - des Wahrspruches zu (EvBl 1969/298; vgl. ÖJZ-LSK 1982/49). Mithin bleibt der Wahrspruch, soweit er in der Beantwortung richtig gestellter Fragen besteht, auch in Ansehung der darin vorgenommenen rechtlichen Beurteilung (vgl. § 337 StPO.:

'... bei Zugrundelegung der Tatsachen, die im Wahrspruche der Geschwornen festgestellt sind, und der rechtlichen Beurteilung, die die Geschwornen der Tat haben angedeihen lassen ...') einer Anfechtung im Nichtigkeitsverfahren entrückt (EvBl 1971/116, EvBl 1970/286, SSt. 30/115; Lohsing-Serini S. 555).

Gerade auf die (demnach unzulässige) Bekämpfung eines vermeintlich rechtsirrigen Wahrspruches zielt aber die gegenständliche Beschwerde inhaltlich ab; wird in ihr doch der Sache nach die Richtigkeit der den Geschwornen unterstellten Rechtsauffassung bestritten, die gewaltsame Wegnahme einiger Zigaretten im Freundeskreis könne keinesfalls einen gerichtlich strafbaren Tatbestand darstellen. Im übrigen ist dem Inhalt der Niederschrift nach § 331 Abs 3 StPO. gar nicht zu entnehmen, daß die Geschwornen die erwähnte (in diesem Umfang rechtlich nicht haltbare) Auffassung dem Wahrspruch zugrundegelegt haben; denn in der Niederschrift wird die dem Angeklagten und den abgesondert verfolgten Jugendlichen vorgeworfene Anwendung von Gewalt und Drohung gegen Alexander D zum Zwecke der Sachwegnahme keineswegs als erwiesen im Sinne des Anklagevorwurfs bezeichnet, sondern es werden Zweifel an der Aussage des Belastungszeugen zum Ausdruck gebracht. Selbst wenn aber die Rechtsansicht, von der die Geschwornen ausgegangen sind, nach der Aktenlage eindeutig feststünde, würde deren Unrichtigkeit infolge der oben aufgezeigten Anfechtungsbeschränkung im geschwornengerichtlichen Verfahren (unmittelbar) keine Nichtigkeit des auf einem solchen Rechtsirrtum beruhenden Wahrspruches begründen. Dieser ist vielmehr - wenn (wie im vorliegenden Falle) eine Aussetzung der Entscheidung ausnahmsweise nicht (mehr) in Betracht kommt (§ 334 Abs 4 StPO.), und wenn auch von der Einleitung des Moniturverfahrens (§ 332 Abs 4 StPO.) Abstand genommen worden ist - ungeachtet eines beim Wahrspruch unterlaufenen Rechtsirrtums dem Urteil zugrundezulegen und unterliegt keiner Anfechtung im Wege einer Rechtsrüge. Die auf § 345 Abs 1 Z. 11 lit a StPO. gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft ist mithin nicht gesetzmäßig ausgeführt, woran auch der von der Anklagebehörde unternommene Versuch, dem die Hauptfrage eindeutig verneinenden Wahrspruch im Wege einer Interpretation der Niederschrift nach § 331 Abs 3 StPO. gerade den gegenteiligen Sinn (einer Feststellung der Erfüllung aller Tatbestandsmerkmale des schweren Raubes) beizumessen, nichts zu ändern vermag.

Die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft war daher bereits bei einer nichtöffentlichen Beratung als nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt gemäß §§ 344, 285 d Abs 1 Z. 1 StPO. in Verbindung mit § 285 a Z. 2

StPO. zurückzuweisen.

Anmerkung

E04327

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1983:0120OS00101.83.0908.000

Dokumentnummer

JJT_19830908_OGH0002_0120OS00101_8300000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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