TE OGH 1983/9/21 11Os120/83

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 21.09.1983
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 21. September 1983 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichts-Dr. Piska und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Walenta, Dr. Schneider, Dr. Reisenleitner und Dr. Felzmann als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Borotschnik als Schriftführers in der Strafsache gegen Robert A wegen des Vergehens der fahrlässigen Tötung nach dem § 80 StGB über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Kreisgerichtes Wiener Neustadt als JugendSchöffengerichtes vom 24. Mai 1983, GZ 9 Vr 2268/82-23, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. Reisenleitner, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Drögsler und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Ersten Generalanwaltes Dr. Nurscher, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird teilweise, und zwar dahin Folge gegeben, daß die über den Angeklagten verhängte Geldstrafe auf 90 (neunzig) Tagessätze, im Nichteinbringungsfall 45 (fünfundvierzig) Tage Ersatzfreiheitsstrafe, herabgesetzt wird.

Im übrigen wird der Berufung nicht Folge gegeben.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde neben dem Jugendlichen Martin B, der den ihn betreffenden Schuldspruch nicht bekämpfte, auch der am 30. Mai 1910 geborene Pensionist Robert A des Vergehens der fahrlässigen Tötung nach dem § 80 StGB schuldig erkannt. Ihm liegt zur Last, am 13. November 1982 in Baden fahrlässig den Tod der Ulrike C herbeigeführt zu haben, indem er die Fahrbahn des Erzherzog-Wilhelm-Ringes unvorsichtig, nämlich ohne genügende Beobachtung des sich auf der Fahrbahn abspielenden Verkehrsgeschehens, insbesondere des sich (gesehen in seiner Gehrichtung) von rechts nähernden, von Martin B gelenkten Mopeds überquerte.

Martin B wurde schuldig befunden, als Mopedlenker auf den (in seiner Fahrtrichtung gesehen) von links nach rechts die Fahrbahn überquerenden Fußgänger Robert A falsch reagiert zu haben, wodurch es zu einem Kontakt zwischen dem Moped und dem Fußgänger kam, wobei die Soziusfahrerin Ulrike C stürzte und einen Schädelbruch erlitt, der zu ihrem Tod führte.

Der Angeklagte Robert A ficht den gegen ihn ergangenen Schuldspruch mit einer auf die Nichtigkeitsgründe nach § 281 Abs. 1 Z 5 und 9 (lit a) StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde und den Strafausspruch mit Berufung an.

Rechtliche Beurteilung

Der Nichtigkeitsbeschwerde kommt keine Berechtigung zu. Formelle Begründungsmängel des Urteils in der Bedeutung des erstgenannten Nichtigkeitsgrundes ersieht der Beschwerdeführer darin, daß sich das Schöffengericht nicht mit der Frage auseinandergesetzt habe, welche Bedeutung die vom Mopedlenker vorgenommene Geschwindigkeitsverringerung für das Verhalten des Angeklagten A gehabt habe. Dieser Angeklagte sei nämlich hiedurch zur Annahme veranlaßt worden, er könne noch vor dem Moped die Straße überqueren, was aber dann infolge der vom Mopedlenker durchgeführten Beschleunigung des Fahrzeuges nicht möglich gewesen sei. Zudem hätten die Witterungsverhältnisse (neblig, feucht, durch Laub rutschige Fahrbahn) eine dauernde Beobachtung des sich nähernden Verkehrs durch den immerhin 73-jährigen Angeklagten A nicht erlaubt, der sein Augenmerk auch auf den von ihm eingehaltenen Weg habe richten müssen und als älterer Mensch nicht in der Lage sei, Entfernungen richtig einzuschätzen oder die Annäherungsgeschwindigkeit und die Fahrlinie eines Mopeds zu beurteilen. Auch als er sich bereits in der Fahrbahnmitte befunden habe, sei das Moped wegen einer Fahrbahnkrümmung für ihn noch nicht wahrnehmbar gewesen; sobald er es in einer Entfernung von 60 bis 70 m gesehen habe, habe er seinen Schritt beschleunigt, um die Fahrbahn vor dem Kraftfahrzeug zu überqueren. Zum Unfall sei es nur wegen der Fahrweise des Mopedlenkers B gekommen, der, statt zu bremsen, sein Fahrzeug nur kurz verlangsamt, dann aber wieder beschleunigt habe. Bezüglichen Ausführungen in den Entscheidungsgründen zuwider habe der Angeklagte A die Fahrbahn auch nicht schräg, sondern im rechten Winkel übersetzen wollen.

Dieses Vorbringen hält jedoch einer überprüfung nicht stand. Mit der Frage, ob der Angeklagte A durch das Verhalten des Mopedlenkers (geringfügige Geschwindigkeitsverringerung, sodann wieder Beschleunigung) irritiert und deshalb zu seinem als verkehrswidrig beurteilten überquerungsmanöver verleitet wurde, brauchte sich das Schöffengericht nicht zu befassen, weil eine derartige Behauptung vom Beschwerdeführer erstmals in seiner Rechtsmittelschrift aufgestellt wurde. Robert A hatte stets erklärt, das Moped erst unmittelbar vor dem Zusammenprall bemerkt zu haben (S 43, 94 und 111); davon, daß er erst durch die Fahrweise des Mopedlenkers zu einem Fehlverhalten veranlaßt worden wäre, war im erstinstanzlichen Verfahren nicht die Rede.

Daß Robert A die Fahrbahn nicht senkrecht zu ihrem Verlauf, sondern in leicht schrägem Winkel überquerte, konnte das Gericht schon auf Grund der eigenen Verantwortung des Beschwerdeführers feststellen (S 92).

Ein Begründungsmangel im Sinn des § 281 Abs. 1 Z 5 StPO haftet dem Urteil somit nicht an.

In seiner auf § 281 Abs. 1 Z 9 (lit a) StPO gestützten Rechtsrüge macht der Beschwerdeführer geltend, ihn treffe deshalb kein Verschculden am Unfall, weil er, als er die Fahrbahn betreten habe, das für ihn von rechts kommende Moped noch nicht habe sehen können. Er habe die Fahrbahn, der Vorschrift des § 76 Abs. 5 StVO entsprechend, mit angemessener Eile zu überqueren versucht; als er auf eine Entfernung von etwa 45 m das Moped gesehen habe, habe er versucht, die Fahrbahn rasch zu räumen. Hieraus könne ihm kein Vorwurf gemacht werden, der Unfall sei vielmehr auf das Verhalten des Martin B zurückzuführen, der nach kurzer Geschwindigkeitsverringerung durch Gaswegnehmen das Moped wieder beschleunigt und versucht hatte, durch Auslenken seines Fahrzeuges nach rechts noch vor dem auf der Fahrbahn befindlichen Fußgänger (statt hinter diesem) vorbeizufahren. Ihm (A) wäre ein anderes als das von ihm gesetzte Verhalten jedenfalls nicht zumutbar gewesen. Auch diesem Vorbringen kann nicht gefolgt werden.

Daß der Angeklagte A bei gehöriger Aufmerksamkeit das sich für ihn von rechts nähernde Moped von der Fahrbahnmitte aus hätte bemerken müssen, stellte das Schöffengericht in übereinstimmung mit dem Sachverständigengutachten (S =23) denkrichtig fest (S 141) und schloß hieraus auf das Mitverschulden des Beschwerdeführers, der trotz des sich nähernden Fahrzeuges die überquerung der Fahrbahn fortsetzte. Gerade weil es sich um eine relativ breite Fahrbahn handelte, deren Beobachtung nach rechts (in Gehrichtung des Fußgängers gesehen) durch eine Kurve nur auf etwa 70 m möglich war, wäre dem Beschwerdeführer das überschreiten der Fahrbahn in Etappen (bis zur Mittellinie und von dort erst nach Vergewisserung über allenfalls sich nähernde Verkehrsteilnehmer) durchaus zumutbar gewesen. Etwa auf Grund von körperlichen Gebrechen nicht in der Lage gewesen zu sein, sich auf das Verkehrsgeschehen entsprechend einzustellen, wurde im Verfahren erster Instanz von ihm nicht behauptet.

Das Erstgericht erblickte das strafrechtlich relevante Mitverschulden in mangelnder Beobachtung des Verkehrsgeschehens (S 136) und wies auch zutreffend darauf hin, daß der Angeklagte als Fußgänger nach § 76 Abs. 5 StVO, weil er die Fahrbahn außerhalb eines Schutzweges übersetzen wollte, zur Wahl des kürzesten Weges verpflichtet gewesen wäre und zudem den Fahrzeugverkehr nicht hätte behindern dürfen; dies sei ihm bei Einhaltung seiner Verpflichtung, sorgfältig zu prüfen, ob er die Straße noch vor dem Eintreffen von Kraftfahrzeugen mit Sicherheit überqueren könne, auch möglich gewesen, weil er etwa in Straßenmitte Sicht auf das noch ca 45 m entfernte Moped hatte (S 141, 145, 146). Wäre der Angeklagte A in der Fahrbahnmitte stehen geblieben, hätte sich der Unfall nicht ereignet. Angesichts der Fortsetzung seines Weges trotz der Annäherung des Mopeds war aber eine Kollision zwischen ihm und dem Fahrzeug des Martin B nachgerade zu erwarten. Eine solche Kollision wäre in der durch sein Weitergehen geschaffenen Situation nur durch eine Vollbremsung des Mopeds zu verhindern gewesen (S 145 i Vbdg mit S 123 ff). Der Beschwerdeführer behinderte somit durch sein Verhalten beim überqueren der Fahrbahn der Vorschrift des § 76 Abs. 5 StVO zuwiderhandelnd den Fahrzeugverkehr, was ihm vom Erstgericht mit Recht als Verschulden zugerechnet wurde.

Daß auch der Mopedlenker durch sein Fehlverhalten zum Unfall beitrug, was zur Verurteilung des Mitangeklagten B führte, ändert nichts am (Mit-)Verschulden des Beschwerdeführers. Da dem Erstgericht somit auch in der rechtlichen Beurteilung kein Irrtum unterlief, war die Nichtigkeitsbeschwerde zu verwerfen. Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten Robert A nach dem § 80 StGB unter Anwendung des § 37 Abs. 1 StGB eine Geldstrafe im Ausmaß von 120 Tagessätzen zu je 400 S (im Fall der Uneinbringlichkeit 60 Tage Ersatzfreiheitsstrafe). Es wertete bei der Strafbemessung als erschwerend keinen Umstand, als mildernd den bisher ordentlichen Lebenswandel des Angeklagten und das Mitverschulden des jugendlichen Mopedlenkers Martin B (hinsichtlich dessen der Schuldspruch inzwischen in Rechtskraft erwuchs). Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte A die Gewährung bedingter Strafnachsicht, in eventu eine schuldangemessene Herabsetzung der verhängten Geldstrafe an.

Ferner begehrt er, ihn mit seinem Entschädigungsbegehren gegen Martin B auf den Zivilrechtsweg zu verweisen.

Der Berufung hinsichtlich des Strafausspruches kommt nur teilweise, und zwar in ihrem Eventualbegehren Berechtigung zu. Die Strafzumessungsgründe wurden vom Schöffengericht im wesentlichen richtig und auch vollständig festgestellt.

Der Vergleich zu der vom Jugendschöffensenat gefundenen Sanktion gegenüber dem jugendlichen Mopedlenker ist vorliegend nicht zielführend, weil dieser Ausspruch einerseits den besonderen Gegebenheiten des Jugendstrafrechtes entspringt, andererseits nicht bekämpft wurde und daher nicht Gegenstand des Verfahrens vor dem Obersten Gerichtshof ist;

aus einer allenfalls zu milden, jedoch in Rechtskraft erwachsenen Sanktion gegen einen Mitangeklagten kann nicht die Forderung abgeleitet werden, das Rechtsmittelgericht müsse im Hinblick darauf auch die Strafe gegen jene Angeklagte mildern, die ein Rechtsmittel erhoben.

Zu Recht verneinte das Erstgericht das Vorliegen der Voraussetzungen für die Gewährung einer bedingten Strafnachsicht. Der Vollzug einer Geldstrafe ist schhon um der spezialpräventiv erforderlichen Effektivität der Sanktion willen geboten (vgl ÖJZ-LSK 1976/22 ua). Im Hinblick auf den bisher ordentlichen Lebenswandel des doch schon im fortgeschrittenen Alter stehenden Berufungswerbers fand der Oberste Gerichtshof, daß die vom Erstgericht festgesetzte Anzahl der Tagessätze doch etwas überhöht ist und gelangte zu einer mäßigen Herabsetzung.

Die Höhe des Tagessatzes wurde nicht bekämpft.

Sie entspricht im übrigen den festgestellten

Einkommensverhältnissen.

Wohl reklamiert der Berufungswerber zu Recht, daß über seine Anschlußerklärung (siehe S 90 der Akten) im Urteil nicht abgesprochen wurde. Dadurch kann er sich aber nicht für beschwert erachten, weil er bloß sseine Verweisung auf den Zivilrechtsweg anstrebt, die Nichterledigung seines - zudem nicht näher präzisierten - Adhäsionsantrages aber (materiell) einer solchen Verweisung gleichkommt und einer Geltendmachung allfälliger Ersatzansprüche im Zivilrechtsweg nicht entgegensteht. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die angeführte Gesetzesstelle.

Anmerkung

E04326

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1983:0110OS00120.83.0921.000

Dokumentnummer

JJT_19830921_OGH0002_0110OS00120_8300000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten