TE OGH 1983/10/19 11Os128/83

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Veröffentlicht am 19.10.1983
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 19.Oktober 1983

unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Schneider und Dr. Reisenleitner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Borotschnik als Schriftführer in der Strafsache gegen Rudolf A wegen des Verbrechens der schweren Nötigung nach den §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB und anderer Delikte über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Schöffengericht vom 24.Mai 1983, GZ 22 Vr 2.928/82-37, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, der Ausführungen des Verteidigers DDr. Stern und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur Generalanwalt Dr. Strasser zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Rudolf A 1./ des Vergehens der Förderung gewerbsmäßiger Unzucht nach dem § 215 StGB, 2./ des Vergehens der Zuhälterei nach dem § 216 StGB, 3./ des Verbrechens der schweren Nötigung nach den §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB und 4./ des Vergehens der Körperverletzung nach dem § 83 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Es liegt ihm zur Last, zu 1./ Ernestine B, indem er sie an sogenannte Animierlokale, wo sie der Geheimprostitution nachging, vermittelte, der gewerbsmäßigen Unzucht zugeführt zu haben, und zwar

a) vom 20.

bis 21.Oktober sowie vom 24.Oktober bis etwa 1.November 1982 in Walding, b) vom 9.November bis zum 15.November 1982 in Wien, c) vom 24. November bis zum 30.November 1982 in Mauthausen; zu 2./ Ende Oktober 1982 einige Tage in Walding, sodann vom 9.November bis 15. November 1982 in Wien und vom 24.November bis zum 30.November 1982 in Mauthausen seinen Unterhalt zumindest zum Teil aus der gewerbsmäßigen Unzucht der Ernestine B durch deren Ausbeutung zu gewinnen gesucht zu haben, indem er ihre Einnahmen aus der Prostitution bis auf geringe Beträge zur Gänze an sich nahm; zu 3./ Ernestine B durch Faustschläge (laut den Urteilsgründen durch einen Faustschlag) und durch Reißen an den Haaren sowie durch die Drohung, er werde sie 'grün und blau' schlagen, ihr die Ohren ab- und das Gesicht zerschneiden, er komme mit seinen Freunden und 'drehe die ganze Bude um', tue ihrem Mann etwas an und er fände sie schon, wenn sie 'abhauen' sollte, a) zur Ausübung der Prostitution während einiger Tage Ende Oktober 1982

in Walding und in der zweiten Novemberwoche bis zum 15.November 1982 in Wien, sowie in der Zeit vom 24.November bis 30.November 1982 in Mauthausen und Linz, b) am 28.November 1982 in Linz zur Rückkehr nach Mauthausen und c) am 20.November und 23.November 1982 in Linz zur Herausgabe eines Betrages von 190 S für Fahrtspesen genötigt sowie zu 4./ um den 10.November 1982 in Wien Ernestine B durch Faustschläge (den Urteilsgründen nach durch einen Faustschlag) ins Gesicht leichte Verletzungen, nämlich ein Hämatom am linken Auge und Schwellungen im Gesicht, zugefügt zu haben.

Rechtliche Beurteilung

Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte mit einer ausdrücklich auf die Nichtigkeitsgründe der Z 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Keine Unvollständigkeit der Begründung zum Schuldspruch wegen des Vergehens der Körperverletzung (Punkt 4) haftet dem Ersturteil, der Beschwerde zuwider, deshalb an, weil es sich nicht mit der Aussage des Zeugen Rudolf 'Q' (richtig: C) befaßte, wonach dieser bei Ernestine B keine Verletzungen bemerkt habe (ON 16, in Verbindung mit ON 36, S 147, 150 d.A). Einer Erörterung dieser Angaben bedurfte es nicht, weil die Zeugin B nach ihren vom Erstgericht in freier Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) für glaubwürdig befundenen Angaben nach den Mißhandlungen in der Wohnung C das Hämatom 'überschminkt' (ON 36, S 142 d.A) und bei der Anzeigeerstattung den Wahrnehmungen des Inspektors D, auf welche das Erstgericht ferner seine Feststellungen stützt, zufolge einen blauen Fleck, also ein Hämatom, unter dem linken Auge aufgewiesen hatte (ON 2, S 12, in Verbindung mit ON 36, S 150 d.A).

Die Feststellung, wonach der Angeklagte Ernestine B über seinen Freund Normann E an die Animierlokale 'X' und Y' in Walding bzw. Mauthausen (Punkt 1 a und c des Schuldspruches) vermittelte, ist in bezug auf beide Fälle durch die Aussagen der Zeugin B (ON 36 S 133, 140 d.A) und im ersten Fall auch durch jene des Zeugen Karl F (ON 36, S 149 d.A) gedeckt. Daß das Erstgericht unter Heranziehung dieser Beweisergebnisse den die Vermittlungstätigkeit bestreitenden Angaben des Zeugen E und des Angeklagten die Glaubwürdigkeit versagte, ist (ebenfalls) ein Akt unanfechtbarer freier Beweiswürdigung. Angesichts der Verpflichtung zur gedrängten Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) war eine nähere Erörterung der Angaben des Zeugen E ebenso entbehrlich wie der - in der Hauptverhandlung verlesenen - Aussagen des Zeugen F vor dem Untersuchungsrichter (ON 13 und ON 36, S 150 d.A), in welchen der letztgenannte Zeuge von der Vermittlungstätigkeit (noch) nichts erwähnt sowie im Gegensatz zu seinen Aussagen in der Hauptverhandlung (ON 36, S 148 d.A) die Ausübung der Prostitution durch B verneint hatte. Schließt doch das Unterbleiben von Angaben über die Vermittlungstätigkeit in einer früheren Vernehmung die Richtigkeit späterer positiver Aussagen an sich nicht aus. Wenn das Erstgericht diesen Angaben sowie jenen, die mit den Aussagen der Zeugin B über die Ausübung der Geheimprostitution übereinstimmen, Glauben schenkte, so fällt dies erneut in den Bereich der freien Beweiswürdigung des Gerichtes (§ 258 Abs 1 StPO). Was die Frage der Nötigung (Punkt 3 des Schuldspruches) anlangt, so ergaben die Beweisergebnisse keinen Hinweis, daß Karl F unmittelbarer oder mittelbarer Zeuge einer solchen gewesen war. Deshalb war nicht erörterungsbedürftig, daß er auch in der Hauptverhandlung die Kenntnis einer Nötigung B durch den Angeklagten verneinte (ON 36, S 149 oben d.A).

Somit zeigt die Beschwerde schon in ihrem bisher behandelten Umfang keinen Nichtigkeit nach dem § 281 Abs 1 Z 5 StPO bewirkenden Begründungsmangel formaler Natur auf, sondern versucht nach Inhalt und Zielsetzung des Vorbringens bloß, in unzulässiger Weise die schöffengerichtliche Beweiswürdigung nach Art einer Schuldberufung zu bekämpfen.

Gleiches gilt für die gesamten übrigen Einwendungen unter demselben Nichtigkeitsgrund, mit welchen unter Heranziehung von Teilen der Aussagen der Zeugen Rudolf C, Johann B und Anna G, insbesondere über nicht die Tat selbst betreffende Nebenumstände, andere nach Ansicht der Beschwerde denkbare Schlußfolgerungen, als sie das Erstgericht zog, abgeleitet werden.

Soweit der Beschwerdeführer in seiner Rechtsrüge zunächst zum Schuldspruch Punkt 4 wegen des Vergehens der Körperverletzung nach dem § 83 Abs 1 StGB Feststellungsmängel zur Frage einer Gesundheitsschädigung der Ernestine B geltend macht, verkennt er, daß das als Folge des Faustschlages ins Gesicht festgestellte Hämatom mit Schwellungen eine (traumatisch bedingte) sichtbare pathologische Veränderung am Körper des Opfers darstellt, die gemeiniglich, auch wenn sie nur geringfügig ist, als Verletzung angesehen wird (vgl. auch EvBl 1983/23). Für die Subsumtion des diese Folgen herbeiführenden Tatverhaltens des Angeklagten unter § 83 Abs 1 StGB waren daher weitere Feststellungen entbehrlich. Auch die übrigen zum Schuldspruch wegen des Verbrechens der schweren Nötigung, des Vergehens der Förderung gewerbsmäßiger Unzucht und der Zuhälterei (Punkte 3 bzw. 1 und 2) in der Beschwerde relevierten Feststellungsmängel liegen nicht vor:

Vorerst reicht schon die vom Erstgericht vorgenommene Wertung der vom Schuldspruch wegen schwerer Nötigung erfaßten Drohungen im wörtlichen Sinn (S 158 ff. und 169 d. A) für die rechtliche Beurteilung des solcherart in tatsachenmäßiger Beziehung festgestellten Bedeutungsinhaltes der Äußerungen im Sinn der §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1

StGB aus. Das Erstgericht hat ferner, was die Beschwerde neuerlich verkennt, nicht bloß im Rahmen seiner rechtlichen Beurteilung - zutreffenderweise (vgl. SSt. 48/34; EvBl

1982/28) - die objektive Eignung der Drohungen des Angeklagten, der Bedrohten begründete Besorgnisse einzuflößen (§ 74 Z 5 StGB), bejaht, sondern im gegebenen Zusammenhang in subjektiver Beziehung sogar eine ernst zu nehmende 'Absicht' des Angeklagten auf Verwirklichung des (jeweils) angedrohten übels als erwiesen angenommen (S 169 d.A). Daß ein derartiger Vorsatz vorliegend auch jenen, daß die Genötigte die Drohung ernst nehme, zum Inhalt hatte, steht angesichts des festgestellten Sinngehaltes der Drohungen und ihrer tätergewollten spezifischen Zweckbestimmung (S 158 ff. d.A) außer Frage. Nähere Feststellungen zur subjektiven Tatseite des Verbrechens der schweren Nötigung waren insofern nach Lage des Falles nicht erforderlich.

Gleiches gilt für den Tätervorsatz in bezug auf die vom Beschwerdeführer ausgeübte Gewalt, nämlich das Reißen an den Haaren und den Faustschlag, als Mittel der Nötigung.

Daß es sich hiebei - folgt man den Feststellungen - um die Anwendung nicht unerheblicher physischer Gewalt handelte, durch die der Widerstand des Opfers überwunden werden sollte und die nach den Umständen des Falles geeignet war, den entgegenstehenden Willen des Opfers zu beugen, kann ebensowenig ernsthaft bezweifelt werden wie die gleichzeitige Kenntnis des Angeklagten, das Opfer (nicht nur durch gefährliche Drohung, sondern auch) mit Gewalt und unter Umständen, welche deren Anwendung als den guten Sitten widerstreitend erscheinen ließen, zu dem von ihm verlangten Verhalten zu veranlassen. Hierin erschöpft sich aber die innere Tatseite der Nötigung.

Letztlich versagen auch die Einwendungen der Rechtsrüge zu den Schuldsprüchen Punkte 1 und 2 wegen der Vergehen nach den §§ 215 und 216 StGB:

Zum ersteren enthalten die Urteilsgründe, entgegen dem Beschwerdevorwurf, die für das Tatbild der Förderung gewerbsmäßiger Unzucht nach dem § 215 StGB wesentliche Feststellung des Zuführens zur gewerbsmäßigen Unzucht im Sinn einer gezielten Einflußnahme auf das Opfer dergestalt, daß dessen gesamte Lebensführung in jene einer Prostitution umgewandelt wird. Ein solches Einwirken ist gerade etwa in der vorliegend erfolgten Vermittlung an sogenannte 'Animierclubs', in denen (u.a.) der Prostitution nachgegangen wird, gelegen (vgl. Mayerhofer-Rieder, StGB2, ENr. 7 zu § 215 StGB). Richtig ist schließlich zwar, daß im Fall der Zuhälterei nach dem § 216 StGB der Tätervorsatz auch den Ausbeutungswillen zu umfassen hat. Die von der Beschwerde vermißte Feststellung in dieser Richtung hat aber das Erstgericht ausdrücklich getroffen (S 160 d.A). Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang, daß für den erwähnten Vorsatz das Begleitwissen des Täters um die für die Ausbeutung der Prostituierten wesentlichen Tatumstände genügt, d.h. daß ihm jener Sachverhalt, wodurch sein Verhalten gegen vitale Interessen der Prostituierten verstößt, bekannt ist, was dann unzweifelhaft zutrifft, wenn sie, wie im vorliegenden Fall vom Angeklagten, zur Prostitution genötigt und ihr der dabei erzielte Verdienst fast zur Gänze abgenommen wurde (vgl. SSt. 50/59 a.E, 48/7). Die Nichtigkeitsbeschwerde war somit zu verwerfen.

Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten nach dem § 106 Abs 1 StGB unter Anwendung des § 28 StGB eine Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Jahren.

Es wertete bei der Strafbemessung als erschwerend das Zusammentreffen von drei Vergehen mit einem Verbrechen, die dreifache Wiederholung des Vergehens der Förderung gewerbsmäßiger Unzucht, die mehrfache Wiederholung von Nötigungshandlungen sowie vier einschlägige Vorstrafen, welche die Möglichkeit der Strafschärfung nach dem § 39

StGB begründen. Als mildernd wurde hingegen kein Umstand angenommen. Mit seiner Berufung strebt Rudolf A die Herabsetzung der über ihn verhängten Freiheitsstrafe an.

Der Berufung kommt keine Berechtigung zu.

Die Strafzumessungsgründe wurden vom Erstgericht im wesentlichen richtig und vollständig erfaßt und auch zutreffend gewürdigt. Das in erster Instanz gefundene Strafmaß entspricht dem Verschuldensgrad und der Täterpersönlichkeit des Angeklagten, der ein äußerst getrübtes Vorleben aufzuweisen hat, sowie dem objektiven Gewicht der strafbaren Handlungen. Für die begehrte Korrektur der Strafhöhe besteht kein Anlaß.

Auch der Berufung mußte somit ein Erfolg versagt bleiben. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

Anmerkung

E04366

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1983:0110OS00128.83.1019.000

Dokumentnummer

JJT_19831019_OGH0002_0110OS00128_8300000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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