TE OGH 1983/11/3 13Os88/83

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 03.11.1983
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 3.November 1983

unter dem Vorsitz des Hofrats des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Kießwetter, Dr. Schneider, Dr. Lachner und Dr. Felzmann als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Kirchbacher als Schriftführers in der Strafsache gegen Ernst A wegen des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs. 1 und 2 StGB. über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengerichts vom 1.März 1983, GZ. 3 b Vr 7107/81-40, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrags des Berichterstatters, Hofrats des Obersten Gerichtshofs Dr. Schneider, der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalts Dr. Gehart, und der Ausführungen des Verteidigers Dr. Grießer zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Der am 15.Juni 1944 geborene Angestellte Ernst A wurde mit dem angefochtenen Urteil des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs. 1 und 2, zweiter Fall, StGB. schuldig erkannt, weil er in der Zeit vom 11. Juni bis zum 28.November 1980 in Wien die ihm durch Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, als Geschäftsführer der B reg.Gen.m.b.H. über deren Vermögen zu verfügen, wissentlich mißbrauchte, indem er der D Handelsgesellschaft m.b.H. & Co. KG. (im folgenden kurz 'D' genannt) über den ihr eingeräumten Kreditrahmen von zwei Millionen Schilling hinaus ohne Zustimmung des Vorstands und des Aufsichtsrats sowie ohne ausreichende Besicherung Kredit bis zu einer Höhe von 9,165.973,79 S gewährte, und hiedurch der B einen Vermögensnachteil in der Höhe von ungefähr 6,1 Millionen Schilling zufügte.

Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte mit einer auf § 281 Abs. 1 Z. 5 und Z. 9 lit. a StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Rechtliche Beurteilung

Zum Nichtigkeitsgrund nach § 281 Abs. 1 Z. 5 StPO

bezeichnet der Beschwerdeführer das Urteil in mehrfacher Richtung als im Ausspruch über (entscheidende) Tatsachen undeutlich und unvollständig begründet. Der Mängelrüge kommt jedoch keine Berechtigung zu.

Entscheidend ist im vorliegenden Fall zunächst die Frage, ob sich der Angeklagte in Ausübung der ihm durch seine Anstellung als Geschäftsführer (mit Prokura) der B (nach außen hin) eingeräumten Befugnis zur Einlösung von Schecks bewußt über die ihn im Innenverhältnis bindenden Schranken hinweggesetzt hat, welche es einem Bankgeschäftsführer im Interesse des von ihm vertretenen Instituts verbieten, Schecks zu honorieren, von denen er weiß, daß sie weder durch ein Guthaben noch durch einen dem Aussteller eingeräumten Kredit gedeckt sind, und solcherart faktisch einem Schuldner, der (wie die Firma D) den ihm eingeräumten (hier: Kontokorrent-) Kreditrahmen bereits ausgeschöpft hat, darüber hinaus ohne entsprechende Sicherheiten (weiteren) Kredit zu gewähren (vgl. u. a. EvBl. 1981/115). Diese Frage wurde vom Schöffengericht in Gesamtwürdigung der Verfahrensergebnisse bejaht. Es verwies hiebei darauf, daß bei der B über die Bewilligung von Krediten ausschließlich der Vorstand - bei Krediteinräumungen über 300.000 S mit Zustimmung des Aufsichtsrats - zu entscheiden hatte, der Angeklagte aber ungeachtet dieser (insoweit klaren) Regelung bewußt eigenmächtig der Fa. D ermöglichte, durch überziehung eines Girokontos bis zu einem Soll von mehr als 9 Millionen Schilling, sohin um ein Mehrfaches des ihr eingeräumten und - bei durch Insolvenz der Verlassenschaft des bisherigen Bürgen problematisch gewordener Besicherung - bereits voll ausgeschöpften Kreditrahmens von 2 Millionen Schilling einen von den berufenen Organen der Bank nicht genehmigten unbesicherten (zusätzlichen) Kredit in Millionenhöhe in Anspruch zu nehmen (S. 121, 122/II). Eine Undeutlichkeit bei der Feststellung der dem Angeklagten durch seine Verpflichtungen im Innenverhältnis bei der Einlösung von Schecks zu Lasten des Kontos der Fa. D gezogenen Schranken ist dem Erstgericht nicht unterlaufen.

Als nicht entscheidungswesentlich erweisen sich hingegen der vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Umstand, daß das Kontokorrentkonto der Fa. D im maßgeblichen Zeitraum (auch) durch mit Genehmigung des Vorstands der B eskontierte, in der Folge jedoch von den Bezogenen nicht eingelöste Wechsel (rück-)belastet wurde, und der im Zusammenhang damit weitwendig vorgebrachte Vorwurf mangelhafter Begründung der Urteilsannahme, daß die Genehmigung der Wechseleskontierungen durch den Vorstand im gegebenen Fall nicht auch die freie Disposition der Fa. D über den ihrem Kontokorrentkonto (unter Vorbehalt des Eingangs zunächst) gutgeschriebenen Diskonterlös deckte. Es kann nämlich dahingestellt bleiben, ob - wie der Beschwerdeführer vermeint -

die Zurverfügungstellung der Diskontrealisate an die Fa. D ungeachtet des Umstands, daß sie ihren Kontokorrentkreditrahmen stets (wesentlich) überzogen hatte, weil durch Vorstandsbeschlüsse über die Hereinnahme der Wechsel zum Diskont gedeckt, als im Sinn des § 153 StGB.

tatbildlicher Befugnismißbrauch ausscheidet. Denn wie das Erstgericht unbekämpft konstatierte, wurden im fraglichen Zeitraum dem (unabhängig davon jedenfalls überzogenen) Kontokorrentkonto der Fa. D infolge Nichteinlösung eskontierter Wechsel insgesamt 3,789.747,46 S angelastet (S. 123/II); selbst nach Abzug dieses Betrags verbliebe immer noch - ohne die vom Gericht mit einer Million Schilling global veranschlagten Debetzinsen - eine überziehung des Kreditrahmens um rund 2,37 Millionen Schilling, welche der Angeklagte als der Bank durch Befugnismißbrauch zugefügten Vermögensnachteil jedenfalls zu verantworten hätte (vgl. auch S. 132/II). Es bedeutet darum im konkreten Fall auch keinen entscheidungswesentlichen Mangel des Urteils, daß das Erstgericht die einzelnen Bewegungen auf dem Kontokorrentkonto, ob auf Gutschrift und (späterer) Rückbelastung von Diskontwechseln oder auf anderweitigen Dispositionen beruhend, nicht im Detail feststellte; genügt es doch für die rechtliche Beurteilung als Untreue, wenn die gesamte, als Einheit zu betrachtende Geschäftsführungstätigkeit des Machthabers zu einer Beeinträchtigung des Vermögens des Vertretenen führt (vgl. u.a. EvBl. 1980/129).

Daraus, daß die vom Angeklagten zwar oberflächlich, doch immerhin über die Ausweitung des Kreditobligos der B bei der Fa. D (nachträglich) informierten Organe (Vorstand und Aufsichtsrat) das Geschehen zur Kenntnis nahmen, jedoch eindeutig ihren Willen äußerten, daß für die (fehlende) Besicherung des Kreditengagements und womöglich für eine Sanierung des problematischen Kreditfalls Sorge zu tragen sei, konnte das Erstgericht nach den Denkgesetzen einwandfrei ableiten, daß dem Angeklagten weder ausdrücklich noch stillschweigend (vgl. § 863 ABGB.) eine Ermächtigung zu weiteren Kreditgewährungen an die Fa. D erteilt wurde. Auch in dieser Richtung geht die Mängelrüge fehl, soweit sie sich nicht überhaupt in einem unzulässigen und daher unbeachtlichen Angriff gegen die auf denkrichtigen Erwägungen beruhende Beweiswürdigung des Schöffengerichts erschöpft. Darin hinwieder, daß der Beschwerdeführer drei von der Fa. D ausgestellte Schecks über insgesamt 1,680.000 S, deren Einlösung er trotz eines bereits auf rund sieben Millionen Schilling angestiegenen Debetsaldos zugesichert hatte (vgl. S. 83, 85/I), bei Einlangen nicht sogleich auf das bezogene Konto, sondern vorerst auf ein Konto 'Pro diverse' verbuchen ließ, um wegen einer gerade in Gang befindlichen Revision die neuerliche überziehung des Kontos zu verschleiern, konnte das Erstgericht nach allgemeiner Lebenserfahrung durchaus ein Indiz für einen wissentlichen Befugnismißbrauch erblicken.

Mit der Verantwortung des Beschwerdeführers schließlich, er habe stets mit einem Gelingen der 'Sanierung' des Kreditfalls D gerechnet und auch die zuvor erwähnten Scheckeinlösungen nur im Interesse der von ihm ansonsten für gefährdet erachteten Sanierung bewilligt, hat sich das Erstgericht - den Beschwerdeausführungen zuwider - ohnedies hinreichend auseinandergesetzt und schlüssig begründet, warum es dieser Darstellung den Glauben versagte, vielmehr als erwiesen annahm, daß sich der Angeklagte der Gefahr eines für die Bank als Folge seiner eigenmächtigen Kreditgewährungen resultierenden Vermögensnachteils durchaus bewußt war und sich mit dessen Eintritt auch innerlich abfand (S. 129 ff./II). Das Gericht verwies in diesem Zusammenhang auch auf den Umstand, daß der Angeklagte gegenüber dem Vorstand und dem Aufsichtsrat die Aussichten der Verwirklichung des 'Sanierungsplans' als unzweifelhaft günstig und dessen Realisierung als unmittelbar bevorstehende Gewißheit hinstellte, obwohl er über keinerlei überzeugende Grundlagen für eine derartige Darstellung des Sachverhalts verfügte. Der Einwand des Beschwerdeführers, Mitglieder der solcherart fehlinformierten Organe hätten an der Richtigkeit seiner Darstellung nicht gezweifelt, geht darum ins Leere. Hierher gehört auch die vom Erstgericht beweiswürdigend herangezogene Tatsache, daß ein vom Angeklagten als vorhandenes und real zur Verfügung stehendes Mittel zur Besicherung des aushaftenden Kreditobligos im Juni 1980 angekündigtes Sparbuch des Roman E in Wahrheit anderweitig verpfändet war. Die Annahme des Schöffengerichts, daß der Angeklagte diesen (ihm wohlbekannten) Umstand geflissentlich verschwieg, ist durchaus lebensnah, wäre doch das Gegenteil nur unter der Voraussetzung eines dem Angeklagten als erfahrenem Bankfachmann nicht zusinnbaren Maßes an Leichtgläubigkeit denkbar.

Dem Beschwerdevorbringen zuwider ebenfalls durch entsprechende Ergebnisse des Beweisverfahrens (S. 571 ff./I) gedeckt ist die Feststellung, daß in der Folge noch ein zweites derartiges Manöver mittels eines verpfändeten Sparbuchs mit Wissen des Angeklagten unternommen wurde;

die dem Erstgericht bei der Angabe des Einlagebetrags (zehn statt richtig sechs Millionen Schilling) und des Zeitpunkts (Herbst statt richtig 31.Juli 1980) unterlaufene Ungenauigkeit ändert daran nichts.

In Ausführung seiner Rechtsrüge (§ 281 Abs. 1 Z. 9 lit. a StPO.) reklamiert der Beschwerdeführer abermals eine Beurteilung des Sachverhalts dahin, daß ihm ein Befugnismißbrauch nicht anzulasten sei, weil Vorstand und Aufsichtsrat der B, indem sie ihm bei der Behandlung des Kreditfalls D faktisch freie Hand ließen, seine Handlungsweise zumindest stillschweigend genehmigt hätten. Nach den Urteilsfeststellungen kann indes von einer der Annahme eines Befugnismißbrauchs entgegenstehenden ausdrücklichen oder konkludenten Ermächtigung seitens des Geschäftsherrn (der B) zu den in Rede stehenden Kreditausweitungen keine Rede sein. Denn der Beschwerdeführer hat das mit einer weiteren Kreditgewährung an die Fa. D verbundene Risiko gegenüber den Organen der B bewußt verschleiert, weshalb er sich nicht mit Fug auf eine Zustimmung der von ihm solcherart unrichtig bzw. unvollständig informierten Organe zu den ihm als Befugnismißbrauch anzulastenden Rechtshandlungen berufen kann (vgl. RZ. 1964 S. 214 ff.).

Entscheidend für den ihm angelasteten Befugnismißbrauch ist letztlich, daß er seinen Verpflichtungen im Innenverhältnis wie überhaupt den Grundsätzen redlicher und verantwortungsbewußter, an den Interessen des Geschäftsherrn und an den besonderen Umständen des Falls orientierten Geschäftsführung zuwiderhandelte (vgl. Kienapfel BT II § 153 RN. 45 f.).

Soweit der Beschwerdeführer noch einwendet, zumindest habe er in gutem Glauben annehmen können, daß der Vorstand der B seine Handlungsweise billige, und sich abermals darauf beruft, er habe durch eine 'zum überleben notwendige Finanzspritze' lediglich die erwartete Sanierung der Fa. D ermöglichen wollen, ficht er die Annahmen der Wissentlichkeit seines Befugnismißbrauchs sowie seines (bedingten) Schädigungsvorsatzes an. Dabei geht er jedoch nicht von den Urteilsfeststellungen aus, nach denen er sich zum einen über die ihn im Innenverhältnis bindenden Schranken (siehe oben) bewußt hinwegsetzte, zum anderen mit den Eintritt eines Vermögensnachteils für die B als einer möglichen Folge seines Handelns ernstlich rechnete und diesen (sogar) 'billigend' in Kauf nahm, sich also (jedenfalls) damit abfand (S. 122/II), sondern von seiner, vom Erstgericht als widerlegt angesehenen Verantwortung. Insoweit bringt er den geltend gemachten materiellen Nichtigkeitsgrund, der nur durch einen Vergleich des im Urteil als erwiesen angenommenen Sachverhalts mit dem darauf angewendeten Gesetz dargetan werden kann, nicht zu prozeßordnungsgemäßer Darstellung.

Da das Urteil des Schöffengerichts demnach - wie die Generalprokuratur zutreffend darlegte - weder mit den behaupteten Begründungsmängeln noch mit einem Rechtsirrtum behaftet ist, war die Nichtigkeitsbeschwerde zu verwerfen.

Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten nach § 153 Abs. 2 StGB. eine Freiheitsstrafe von 21 Monaten, deren Vollziehung es unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachsah. Bei der Strafbemessung wertete es die zahlreichen Tatwiederholungen und den hohen Schaden als erschwerend, hingegen den bisher untadeligen Wandel und die erhebliche Fahrlässigkeit der Genossenschaftsorgane (in Ausübung ihrer Aufsichtspflicht) als mildernd.

Der öffentliche Ankläger strebt mit seiner Berufung die Erhöhung der Freiheitsstrafe und die Ausschaltung der bedingten Strafnachsicht an.

Der Berufung kommt keine Berechtigung zu.

Berücksichtigt man, daß es sich bei dem bisher unbescholtenen Angeklagten um einen 39-jährigen Angestellten handelt, dessen Verfehlungen durch die - vom Erstgericht zutreffend hervorgehobene - Nachlässigkeit der Aufsichtsorgane geradezu unterstützt wurden, und übersieht man auch nicht, daß eine Bereicherung des Angeklagten nicht erwiesen werden konnte, so erscheint die vom Erstgericht verhängte Freiheitsstrafe nach der besonderen Lage des Falls (noch) angemessen.

Aber auch gegen die Gewährung der bedingten Strafnachsicht bestehen nach der Persönlichkeit des Täters, der zudem nunmehr einen anderen Beruf ausübt, keine (präventiven oder sonstigen) Bedenken, wobei auch das nunmehr rund drei Jahre lange Zurückliegen der Taten nicht unberücksichtigt geblieben ist.

Der Angeklagte hat seine - angemeldete, nicht ausgeführte - Berufung im Gerichtstag vor dem Obersten Gerichtshof zurückgezogen.

Anmerkung

E04429

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1983:0130OS00088.83.1103.000

Dokumentnummer

JJT_19831103_OGH0002_0130OS00088_8300000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten