TE OGH 1983/11/8 10Os152/83

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Veröffentlicht am 08.11.1983
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 8. November 1983 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini, Dr. Friedrich, Dr. Lachner und Hon. Prof. Dr. Brustbauer als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. von der Thannen als Schriftführer in der Strafsache gegen Michael A wegen des Vergehens der fahrlässigen Ansichbringens von Sachen nach § 165 StGB über die vom Angeklagten Michael A gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 11. März 1983, GZ 5 a Vr 12.549/82-14, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrates des Obersten Gerichtshofes, Hon. Prof. Dr. Brustbauer, der Ausführungen des Verteidigers, Dr. Andreas Leopold Dolezal, und der Ausführungen des Generalanwaltes, Dr. Tschulik, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und in der Sache selbst erkannt:

Michael A wird von der Anklage, im Juni 1982 in Wien drei von einem unbekannten Täter der Firma Heinz B GesmbH durch Einbruch gestohlene Cassettenrecorder im Gesamtwert von 13.481 S, mithin Sachen, die ein anderer mit Strafe bedrohte Handlung gegen fremdes Vermögen erlangt hat, dadurch, daß er sie vom abgesondert, wegen Hehlerei verfolgten Reinhard C, zum Preis von 7.000 S zum Ankauf übernahm, fahrlässig an sich gebracht und hiedurch das Vergehen des fahrlässigen Ansichbringens von Sachen nach § 165 StGB begangen zu haben, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Mit seiner Berufung wird er auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Michael A wegen des im Spruch näher bezeichneten Verhaltens des Vergehens des fahrlässigen Ansichbringens von Sachen nach § 165 StGB schuldig erkannt. Nach den Entscheidungsgründen hatte C, der als Vermittler auftrat, dem Angeklagten erklärt, die Geräte stammten von einem Bekannten, der beschädigte Geräte verkaufe;

die Cassettenrecorder, die er ihm an seinem (des Angeklagten) Arbeitsplatz im D übergab, waren tatsächlich äußerlich leicht beschädigt und nicht originalverpackt.

Das Erstgericht nahm an, daß sich ein mit den rechtlich geschützten Werten angemessen verbundener, besonnener und einsichtiger Mensch in der Lage des Beschwerdeführers nicht mit der ihm von C erteilten Auskunft begnügt, sondern insbesondere auch deshalb, weil ihm gleich drei Geräte angeboten wurden, 'noch näher geforscht' hätte, und zwar hauptsächlich nach dem Namen des Verkäufers, nach der Firma, für die er tätig sei, und darnach, wo er seine Tätigkeit ausübe; dementsprechend erblickte es eine dem Beschwerdeführer anzulastende Fahrlässigkeit darin, daß er gleichzeitig drei Geräte übernahm, ohne sich dabei über die Person des Verkäufers genauer zu erkundigen.

Rechtliche Beurteilung

Der auf § 281 Abs. 1 Z 5, 9 lit a und 9 lit c StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten gegen diesen Schuldspruch kommt in Ansehung der gegen den Fahrlässigkeitsvorwurf gerichteten Rechtsrüge (Z 9 lit a) Berechtigung zu.

Das Vergehen nach § 165 StGB begeht, wer eine der im § 164 Abs. 1 Z 1 und 2 StGB mit Strafe bedrohten Handlungen fahrlässig begeht; gemäß § 6 StGB handelt fahrlässig, wer die für ihn objektiv gebotene und subjektiv mögliche, ihm zumutbare Sorgfalt außer acht läßt und deshalb die Möglichkeit der (aus seinem Verhalten resultierenden) Verwirklichung eines tatbildgemäßen Sachverhalts nicht erkennt (Abs.

1 -  unbewußte Fahrlässigkeit) oder aber diese Möglichkeit sogar

(ohnehin) erkennt, den verpönten Sachverhalt jedoch (anders als bei

einem Handeln mit bedingtem Vorsatz - § 5

Abs. 1 zweiter Halbsatz StGB) nicht herbeiführen will (Abs.

2 - bewußte Fahrlässigkeit). Die Annahme einer der Tat zugrunde

gelegenen Fahrlässigkeit des Beschwerdeführers bezüglich des ihm zur Last fallenden An-sich-Bringens einer gestohlenen Sache (§ 164 Abs. 1 Z 2 StGB) würde demnach voraussetzen, daß er die Bedenklichkeit der ihm angebotenen Geräte in bezug auf ihre Herkunft aus einem Diebstahl erkannt (Abs. 2) oder doch jedenfalls nur als Folge einer Pflichtverletzung der soeben beschriebenen Art nicht erkannt (Abs. 1) hätte.

Ein im dargelegten Sinn bewußt fahrlässiges Handeln, also eine übernahme der gestohlenen Kassettenrekorder im Bewußtsein der Bedenklichkeit ihrer Herkunft, wird indessen im Urteil nicht dargetan, und auch aus den Verfahrensergebnissen ergibt sich dafür kein Anhaltspunkt; für die Annahme eines unbewußt fahrlässigen Erwerbs der in Rede stehenden Geräte durch ihn hinwieder reichen die vom Schöffengericht ins Treffen geführten Argumente nicht aus. Denn zum einen war der Umstand allein, daß dem Angeklagten gleichzeitig drei Kassettenrekorder zum Kauf angeboten wurden, im Hinblick auf die Erklärung des mit ihm näher bekannten C zur Begründung seiner Vermittlungstätigkeit, daß einer seiner (C' s) Bekannten (transport-) beschädigte Ware (zu günstigen Konditionen) verkaufe, keineswegs schon als auffällig anzusehen; und zum anderen hätte eine (aus § 165 StGB resultierende) Verpflichtung zur Abstandnahme von dem ihm angebotenen günstigen Kaufgeschäft bloß deswegen, weil er den Verkäufer nicht persönlich und dessen Bezugsquelle nicht genau kannte - und nur in der Verletzung einer derartigen Pflicht könnte, wie zur Klarstellung bemerkt sei, sein tatbestandsmäßiges Fehlverhalten liegen, nicht aber (bereits) in der (seiner Unkenntnis darüber allenfalls zugrunde gelegenen) Unterlassung entsprechender Nachforschungen (als solcher) -, für ihn lediglich dann bestanden, wenn auf Grund irgendwelcher konkreter Gegebenheiten aus der (vom Schöffengericht mit Recht als für die Bestimmung des Umfangs seiner objektiven Sorgfaltspflicht maßgebenden Kriterien herangezogenen) Sicht einer mit den rechtlich geschützten Werten angemessen verbundenen, besonnenen und einsichtigen Maßfigur in seiner Lage der reale Verdacht (und nicht bloß die theoretisch-abstrakte Möglichkeit) zutage getreten wäre, daß die ihm angebotenen Geräte aus einer strafbedrohten Handlung gegen fremdes Vermögen stammen könnten. Davon kann jedoch nach dem gesamten Inhalt der Entscheidungsgründe nicht gesprochen werden, und auch nach der Aktenlage hätten dahingehende Feststellungen gar nicht getroffen werden können.

So ist insbesondere von einer über die weithin üblichen Preisnachlässe für transportbeschädigte Ware, speziell im Diskonthandel, hinaus auffallend geringen Höhe des vom Beschwerdeführer bezahlten Kaufpreises nirgends die Rede; gleichermaßen sind Umstände, die gegen eine von letzterem reklamierte Vertrauenswürdigkeit des ihm als Cafetier und Badegast in dem seiner Mutter gehörigen D bekannt gewesenen Reinhard C gesprochen hätten, der in Ansehung des verfahrensgegenständlichen Sachverhalts von der Anklage wegen Hehlerei rechtskräftig freigesprochen wurde (Landesgericht für Strafsachen Wien, GZ 5 a Vr 12520/

82-19), dem Akt nicht zu entnehmen. Mit Rücksicht darauf mußten aber auch die Beschaffenheit der (in Ansehung ihrer Beschädigung dem Angebot entsprechenden) Geräte, deren (dementsprechende) übergabe in nicht originalverpacktem Zustand und ohne Garantiescheine sowie die aktenkundigen äußeren Begleitumstände der (von C jeweils bei einem Besuch der vorerwähnten Badeanstalt unternommenen) Anbahnung und (ohne Ausstellung einer Rechnung durchgeführten) Abwicklung des inkriminierten Kaufgeschäftes aus der Sicht einer im zuvor dargestellten Sinn wertverbundenen Maßfigur durchaus nicht den realen Verdacht auf eine Herkunft der Cassettenrecorder aus einem Diebstahl erwecken.

Der von der Generalprokuratur vertretenen Ansicht, der Beschwerdeführer wäre selbst unter der Annahme einer Vertrauenswürdigkeit des Vermittlers C sowie des Fehlens 'erheblicher' Bedenken gegen die Preisangemessenheit der ihm von diesem angebotenen Ware in der konkreten Tatsituation verpflichtet gewesen, sich über deren Herkunft Gewißheit zu verschaffen, die mit dem (offenbar auf die Berufstätigkeit des C Bezug nehmenden, jedoch schon im Hinblick auf dessen vorerwähnten Freispruch nicht zielführenden) Hinweis darauf zu unterstützen versucht wird, daß die deliktische Provenienz von Wertgegenständen, die gemeiniglich (auch im Fall eines verbilligten Abverkaufs wegen leichter äußerer Beschädigungen) nur in einem Handelsgeschäft gegen Rechnung verkauft werden, 'für ihn wie für jedermann' sogar 'ohne weiteres erkennbar' gewesen sei, weil bekanntermaßen gerade in Gast- und Kaffeehauslokalen häufig unter der Hand Diebsgut umgesetzt werde, kann nicht beigepflichtet werden, weil der Verkauf weder in einem solchen Lokal noch unter der Hand, sondern gleichsam unter der Gewähr des dem Beschwerdeführer gut bekannten C stattgefunden hat. Mangels einer zufolge dieser Fallgestaltung ihm vorzuwerfenden Fahrlässigkeit beim Erwerb der gestohlenen Cassettenrecorder war daher der Angeklagte in Stattgebung seiner Nichtigkeitsbeschwerde sogleich freizusprechen.

Mit seiner - Straf- gleichwie im schöffengerichtlichen Verfahren nicht zulässigen (§ 283 Abs. 1 StPO) Schuld-Berufung war er auf diese Entscheidung zu verweisen.

Anmerkung

E04404

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1983:0100OS00152.83.1108.000

Dokumentnummer

JJT_19831108_OGH0002_0100OS00152_8300000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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