TE OGH 1983/11/9 11Os153/83

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Veröffentlicht am 09.11.1983
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 9.November 1983 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießweter, Dr. Walenta, Dr. Schneider und Dr. Reisenleitner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Borotschnik als Schriftführers in der Strafsache gegen Annemarie A wegen des Vergehens des schweren Diebstahles nach den §§ 127 Abs. 1, Abs. 2 Z 3, 129 Abs. 1 Z 1 und Z 4 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung der Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Schöffengerichtes vom 10.Juni 1983, GZ 15 Vr 3.044/82- 15, nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. Reisenleitner, der Ausführungen der Verteidigerin Dr. Hütthaler und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwaltes Dr. Presslauer, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben und das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Ausspruch, die Angeklagte habe einen Teil der im Punkt 1. des Urteilssatzes angeführten Diebstahlstaten unter Ausnützung eines Zustandes der Bestohlenen begangen, der sie hilflos machte, ferner in der Unterstellung der der Angeklagten nach den Punkten 1. bis 5. des Urteilssatzes zur Last liegenden Diebstahlstaten auch unter die Bestimmung des § 128 Abs. 1 Z 1 StGB und demgemäß auch im Strafausspruch aufgehoben und im Umfang der Aufhebung gemäß dem § 288 Abs. 2 Z 3

StPO in der Sache selbst erkannt:

Annemarie A wird für das ihr nach dem unberührt gebliebenen Teil des Schuldspruches weiterhin zur Last fallende Vergehen des schweren Diebstahls nach den §§ 127 Abs. 1, Abs. 2 Z 3, 128 Abs. 1 Z 4 StGB nach dem Par 128 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von einem Jahr verurteilt.

Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen. Mit ihren Berufungen werden die Staatsanwaltschaft und die Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen der Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde die am 4.Juni 1950 geborene Annemarie A des Vergehens des schweren Diebstahls nach den §§ 127 Abs. 1, Abs. 2 Z 3, 128

Abs. 1 Z 1 und Z 4 StGB schuldig erkannt.

Es liegt ihr zur Last, in Salzburg in wiederholten Angriffen fremde bewegliche Sachen in einem 5.000 S übersteigenden Wert nachgenannten Personen mit dem Vorsatz weggenommen zu haben, sich durch die Zueignung der Sachen unrechtmäßig zu bereichern, und zwar:

1.) in der Zeit von März 1982 bis 28.August 1982 -

teilweise unter Ausnützung einer Gelegenheit, die durch eine ihr aufgetragene Arbeit als Haushaltshilfe geschaffen wurde - Bargeld im Gesamtbetrag von ungefähr 20.000 S ihrer am 25.September 1896 geborenen, gehbehinderten und hochgradig sehbehinderten Auftraggeberin Elisabeth B, sohin zumindest teilweise unter Ausnützung eines Zustandes der Bestohlenen, der sie hilflos machte;

2.)

Ende März 1982 Bargeld im Betrag von 100 S der Maria C;

3.)

Anfang April 1982 Bargeld im Betrag von 100 DM der Inge D;

4.)

im Juni 1982 unter Ausnützung einer Gelegenheit, die durch eine ihr aufgetragene Arbeit als Bedienerin geschaffen wurde, Bargeld im Betrag von 1.000 S ihrer Auftraggeberin Maria Aglaia E;

              5.)              am 9.November 1982 Bargeld im Betrag von 1.000 S der Erika F. Die Angeklagte bekämpft das Urteil im Schuldspruch mit einer auf die Gründe der Z 4, 5, 9 lit. a und 10 des Par 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde und im Strafausspruch mit Berufung. Die Staatsanwaltschaft bekämpft diesen Ausspruch gleichfalls mit Berufung.

Den erstgenannten Nichtigkeitsgrund erblickt die Angeklagte in der Ablehnung des Antrages auf Vernehmung der Rosi G als Zeugin. Nach dem Antrag sollte mit dieser Beweisaufnahme nachgewiesen werden, daß die Angeklagte in Ansehung der ihr angelasteten Diebstähle zum Nachteil der Elisabeth B (Punkt 1. des Urteilssatzes) nicht im ausschließlichen Gelegenheitsverhältnis stand (S 109).

Rechtliche Beurteilung

Die Abweisung des Antrages vermochte Verteidigungsrechte der Angeklagten nicht zu beeinträchtigen, weil das Erstgericht ohnehin im Sinn des angestrebten Beweisergebnisses feststellte, daß ein alleiniges Gelegenheitsverhältnis in den betreffenden Fällen nicht gegeben war (S 125 f). Der anläßlich der Antragstellung als Beweisthema bezeichnete Umstand wurde somit als erwiesen angenommen, sodaß insoweit eine Benachteiligung der Angeklagten durch das Unterbleiben der Zeugenvernehmung ausgeschlossen ist. Die überprüfung der Berechtigung des Antrages hat allein von den bei seiner Stellung vorgebrachten Gründen auszugehen (SSt. 41/71), weshalb die in der Beschwerde nachgetragenen Behauptungen, daß die Zeugin Rosi G nicht nur über die Frage des Gelegenheitsverhältnisses sondern auch über andere Vorgänge hätte Aufklärung geben können, keine gesetzmäßige Ausführung des in Anspruch genommenen Nichtigkeitsgrundes darstellt.

Unter Anrufung des Nichtigkeitsgrundes der Z 5 des Par 281 Abs. 1 StPO wendet die Angeklagte eine Unvollständigkeit der Entscheidungsgründe ein, weil das Erstgericht Hinweise übergangen haben soll, daß die Zeugin Elisabeth B in anderen Fällen vermeintlich abhanden gekommene Sparbücher und einen vermißten Betrag von 200 DM schließlich in ihrer Wohnung aufgefunden habe. Der Vorwurf ist unrichtig, weil das Erstgericht ohnehin die bezüglichen Verfahrensergebnisse in seine Erwägungen einbezog und hiebei auch die Möglichkeit erwog, daß die Zeugin B die Geldbeträge, deren Wegnahme der Angeklagten zur Last liegt, bloß in ihrer Wohnung verlegt haben könnte (S 115, 124 f). Eine solche Fallgestaltung wurde jedoch vom Erstgericht mit lebensnaher Begründung verneint. Von einer unterbliebenen Bedachtnahme auf die in Rede stehenden Umstände und einem deshalb dem Urteil anhaftenden Begründungsmangel kann daher keine Rede sein.

Ebensowenig zielführend sind die Darlegungen der Angeklagten, mit denen sie aus Verfahrensergebnissen die Unverläßlichkeit der Angaben der Zeugin B ableiten will, weil diese Zeugin nach Meinung der Angeklagten unter der Vorstellung leide, ständig bestohlen zu werden. Diese Einwände zeigen keinen Begründungsmangel in der Bedeutung des § 281 Abs. 1 Z 5 StPO auf, sondern bekämpfen in einer im Rechtsmittelverfahren gegen Urteile der Schöffengerichte unzulässigen und daher unbeachtlichen Weise die Beweiswürdigung des Erstgerichtes, welches auf Grund des persönlichen Eindruckes von dieser Zeugin deren Angaben für überzeugend und glaubwürdig erachtete (S 124, 125).

Die Erörterung des Umstandes, daß bei Diebstahlstaten zum Nachteil der Elisabeth B auch eine Krankenschwester im Gelegenheitsverhältnis gestanden sein könnte, war dem Beschwerdevorbringen zuwider mangels eines Gegensatzes zu den Urteilskonstatierungen entbehrlich; das Schöffengericht hob - wie schon erwähnt - ohnehin hervor, daß von einer alleinigen Gelegenheit der Angeklagten zur Verübung der diebischen Angriffe nicht ausgegangen werden konnte. Der weitere sinngemäße Einwand, aus den Angaben der Zeugin B habe sich eine teilweise Bestätigung der leugnenden Verantwortung der Angeklagten ergeben, weshalb die Begründung des Erstgerichtes für die angenommene Unglaubwürdigkeit dieser Verantwortung unvollständig geblieben sei, ist schließlich ebenfalls nicht stichhältig, weil er durch die Aktenlage nicht gedeckt ist. Die Zeugin bestätigte nämlich in ihrer Aussage (S 92 f) die Version, daß nach den damaligen Umständen eine Wegnahme des Geldes durch die Angeklagte nicht bewirkt worden sein konnte, in keiner Weise. Das von der Angeklagten bezeichnete Verfahrensergebnis stellte daher keinen gegen die Richtigkeit der erstgerichtlichen Feststellungen sprechenden Umstand dar, weshalb darauf in den Entscheidungsgründen nicht eingegangen werden mußte. Soweit die Angeklagte im gegebenen Zusammenhang lediglich ihre vom Erstgericht abgelehnte Verantwortung wiederholt, bringt sie damit keinen dem angerufenen Nichtigkeitsgrund entsprechenden Begründungsfehler zur Darstellung.

Der Mängelrüge kommt daher in keiner Beziehung Berechtigung zu. Das auf die Z 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO gestützte Vorbringen der Angeklagten entbehrt weitgehend einer gesetzmäßigen Ausführung des angerufenen Nichtigkeitsgrundes, weil darin überwiegend im Rahmen einer unbeachtlichen Kritik an der Beweiswürdigung des Schöffengerichtes die Annahme der Täterschaft der Angeklagten bekämpft und abschließend ohne jegliche Konkretisierung eingewendet wird, daß der Urteilssachverhalt einer strafrechtlichen Subsumtion nicht zugänglich sei. Für eine der Prozeßordnung entsprechende Geltendmachung des materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrundes wäre jedoch ein Festhalten an dem gesamten im Urteil konstatierten Sachverhalt, dessen Vergleichung mit dem darauf angewendeten Gesetz und die Darlegung erforderlich gewesen, daß dem Erstgericht bei Beurteilung eben dieses Sachverhaltes ein bestimmter Rechtsirrtum unterlaufen sei.

Die darüber hinaus von der Angeklagten noch reklamierten Feststellungsmängel liegen nicht vor, weil die vermißten Konstatierungen für die Tatbeurteilung unerheblich sind. Die Subsumtion des festgestellten Sachverhaltes als Diebstahl hängt nämlich weder von einer genaueren Klärung der Zeitpunkte der Angriffe ab, noch von Feststellungen über Einzelheiten der Wegnahmehandlungen oder - von der noch zu erörternden Qualifikation abgesehen - über die damalige Anwesenheit des Opfers in der Wohnung, in der die Delikte verübt wurden.

Berechtigt ist hingegen die aus dem Grund der Z 10 des § 281 Abs. 1 StPO erhobene Rechtsrüge, mit welcher sich die Beschwerdeführerin gegen die von einer Ausnützung eines hilflosen Zustandes der Bestohlenen Elisabeth B ausgehende Annahme der Diebstahlsqualifikation nach dem § 128 Abs. 1 Z 1 StGB wendet. Nach dem Urteilssachverhalt blieben nähere Einzelheiten der in wiederholten Angriffen zum Nachteil der gehbehinderten und erheblich sehbehinderten 85-jährigen Elisabeth B in deren Wohnung erfolgten Wegnahme von Bargeld (Punkt 1. des Urteils) ungeklärt. Das Erstgericht vermochte nicht festzustellen, daß sich Elisabeth B während der Tathandlungen in der Wohnung befand (S 119 und 129 f); die Möglichkeit derartiger Feststellungen besteht nach den der Aktenlage entsprechenden Ausführungen des erstgerichtlichen Urteils nicht mehr.

Gemäß dem § 128 Abs. 1 Z 1 StGB unterliegt ein Diebstahl u.a. dann einer strengeren Strafdrohung, wenn er unter Ausnützung eines Zustandes des Bestohlenen, der diesen hilflos macht, begangen wird. Diese Qualifikationsbestimmung setzt voraus, daß der bestohlene Gewahrsamsinhaber wegen besonderer, von den Regelfällen abweichender Umstände dem hiedurch zumindest erleichterten Angriff auf seinen Besitz hilflos gegenübersteht (vgl. SSt. 50/57). Im vorliegenden Fall konnte wegen der körperlichen Behinderung der Bestohlenen von einem der Qualifikation entsprechenden Zustand der Hilflosigkeit ausgegangen werden. Die weitere rechtliche Annahme allerdings, daß dieser Zustand bei Verübung eines Teiles der Diebstahlstaten ausgenützt wurde, ist durch die Sachverhaltskonstatierungen des Erstgerichtes nicht gedeckt. Wenn sich nämlich die Bestohlene anläßlich der Wegnahme des Geldes überhaupt nicht in ihrer Wohnung und demnach nicht im Bereich des Tatortes aufhielt, wurden die Diebstähle unter Ausnützung der Abwesenheit des Opfers und nicht seiner körperlichen Hilflosigkeit verübt, deren die Sicherung des Besitzes beeinträchtigende Auswirkungen bei der Tat keine unmittelbare Rolle spielten. Auch die vom Erstgericht erwogene Begünstigung der Diebstähle wegen des allerdings keineswegs außergewöhnlichen Umstandes, daß die Täterin vor einer überraschung durch Elisabeth B sicher sein konnte, vermag eine Ausnützung der Hilflosigkeit der abwesenden Bestohlenen nicht zu begründen, weil die Verhinderung an der Sicherung des Besitzes eben allein schon zufolge der Abwesenheit und nicht zufolge körperlicher Gebrechen des Opfers eingetreten war (siehe hiezu EvBl. 1979/8; vgl. auch Kienapfel, BT II RN 14, 15 zu § 128 StGB). Es war daher wie aus dem Spruch ersichtlich zu erkennen. Bei der vorzunehmenden Strafneubemessung wertete der Oberste Gerichtshof als erschwerend die Tatwiederholung, die zweifache, einen höheren Strafsatz bedingende Qualifikation des Diebstahls, die zahlreichen einschlägigen Vorstrafen und einen raschen Rückfall (nach der am 4.Dezember 1981 beendeten letzten Strafverbüßung), als mildernd eine teilweise Schadensgutmachung.

Wohl fällt gegenüber dem erstgerichtlichen Urteil eine weitere Qualifikation weg, doch übersah das Erstgericht anderseits den Erschwerungsumstand eines raschen Rückfalls.

Im Ergebnis erscheint dem Obersten Gerichtshof jedoch ein Strafausmaß in der Dauer eines Jahres als der Tatschuld und der Täterpersönlichkeit angemessen. Dieses Strafmaß liegt deutlich über der zuletzt verhängten Freiheitsstrafe und trägt damit auch den von der Anklagebehörde in ihrer Berufung herausgestrichenen Umständen Rechnung.

Die Kostenentscheidung fußt auf der im Spruch genannten Gesetzesstelle.

Anmerkung

E04446

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1983:0110OS00153.83.1109.000

Dokumentnummer

JJT_19831109_OGH0002_0110OS00153_8300000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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