TE OGH 1984/2/15 11Os17/84

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Veröffentlicht am 15.02.1984
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Schneider und Dr. Reisenleitner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Helige als Schriftführerin in der Strafsache gegen Ferdinand A wegen des Verbrechens der Untreue nach dem § 153 Abs.1 und 2 StGB und einer anderen strafbaren Handlung nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengerichtes vom 20. Juni 1983, GZ 3 a Vr 4.207/83-23, den Beschluß

gefaßt bzw zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Strafsache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit ihren Berufungen wegen Strafe werden der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen. Die Berufung des Angeklagten wegen des Ausspruchs über die Schuld wird zurückgewiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Ferdinand A des Verbrechens der Untreue nach dem § 153 Abs. 1 und Abs.2 StGB und des Vergehens des schweren Diebstahls nach den § 127 Abs. 1 und Abs. 2 Z 3, 128 Abs. 1 Z 4

StGB, jeweils als Beteiligter nach dem § 12 (zweiter Fall) StGB, schuldig erkannt.

Rechtliche Beurteilung

Den Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Z 4, 5 und 9

lit a des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, welcher schon aus folgenden Erwägungen Berechtigung zukommt:

Für die Annahme einer Bestimmungstäterschaft ist erforderlich, daß der Vorsatz des Bestimmenden auf die Herbeiführung eines in groben Umrissen in seiner Vorstellung vorhandenen, der Art nach den objektiven Tatbestandsvoraussetzungen des betreffenden Delikts entsprechenden Verhaltens eines anderen gerichtet ist; für den Fall, daß der in Frage kommende Tatbestand einen spezifizierten Vorsatz verlangt, muß dieser Vorsatz auch in der Person des Bestimmenden gegeben sein (vgl Leukauf-Steininger 2 , § 12 StGB, RN 28). Beim Tatbestand der Untreue nach dem § 153 StGB hat daher das - allerdings auch mit nur bedingtem Vorsatz mögliche - Bedenken und Beschließen des Bestimmenden überdies den Umstand zu erfassen, daß der Haupttäter die ihm eingeräumte Befugnis 'geflissentlich' mißbrauchen wird (vgl Leukauf-Steininger 2 , § 153 StGB, RN 26).

Im vorliegenden Fall beschränkte sich das Erstgericht im angefochtenen Urteil bei der (sprachlich bzw inhaltlich zum Teil unverständlichen) Schilderung der angenommenen Tathandlung auf die Feststellung, daß Ferdinand A den gesondert verfolgten Leiter der Heimwerker-Abteilung des B C, Franz D, vor (aus Anlaß eines geplanten Hausbaus) in Aussicht genommenen Warenbestellungen wiederholt fragte, 'ob es nicht billiger ginge', worauf der Angesprochene schließlich dem drängenden Angeklagten zusagte, Baumaterialien ohne Lieferschein und ohne Rechnung um ca 50 % billiger zur Verfügung zu stellen. Welches durch seine Fragen herbeizuführende strafbare Verhalten des Franz D dem Angeklagten im Zeitpunkt der Tat vorschwebte, ist dem der Entscheidung zugrundeliegenden Tatsachensubstrat konkret nicht zu entnehmen. Auch die Wendungen, daß die Vorgangsweise einer Lieferung ohne Lieferschein und ohne Rechnung selbst für einen vollständigen Laien im Geschäftsverkehr 'mehr als bedenklich sei', ein 50 %iger Preisnachlaß den Erfahrungen des täglichen Lebens widerspreche, der Angeklagte 'als voll im Beruf integrierter Mensch auch eine kaufmännische Erfahrung aufweisen müßte' und 'ihm klar sein mußte', 'daß die getätigten Lieferungen nicht reelle sein konnten', lassen, soweit sie sich überhaupt zweifelsfrei auf den vor der ersten Bestellung angenommenen Tatzeitpunkt beziehen, offen, ob der Angeklagte - der sich mit bloßer Fahrlässigkeit verantwortete - die Möglichkeit eines Schadenseintritts durch strafrechtlich verbotenes Tun tatsächlich erkannte und einen gesetzliche Tatbilder verwirklichende Ablauf der Ereignisse hinzunehmen gewillt war, oder nur fahrlässig, nämlich im - wenn auch leichtfertigen - Vertrauen darauf handelte, den vom Erstgericht angenommenen, verpönten Erfolg nicht herbeizuführen (vgl EvBl 1975/192; Leukauf-Steininger 2 , RN 18 zu § 5

StGB).

Bereits diese Feststellungsmängel in objektiver und subjektiver Beziehung lassen das Urteil mit Nichtigkeit im Sinn der Z 9 lit a des § 281 Abs. 1

StPO behaftet erscheinen, ohne daß es noch des Eingehens auf die weiteren Beschwerdeausführungen bedurfte.

Da sich somit zeigt, daß die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung nicht zu vermeiden ist und eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs in der Sache selbst noch nicht eintreten kann, war gemäß dem § 285 e StPO bereits in nichtöffentlicher Sitzung wie aus dem Spruch ersichtlich zu erkennen.

Mit ihren Berufungen wegen Strafe waren der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung zu verweisen. Bei der Neudurchführung des Verfahrens wird das Schöffengericht im Zusammenhang mit der rechtlichen Einordnung der Tathandlungen (Abgrenzung der Tatbilder der Untreue und des Diebstahls) ua auch zu klären haben, in welcher Form der Haupttäter Franz D über die vom Punkt 2 des angefochtenen Schuldspruchs erfaßten Baumaterialien Verfügungsmacht erlangte bzw in welcher Art (faktisch oder rechtlich) er diese Macht ausübte bzw mißbrauchte (vgl ua EvBl 1981/93; Leukauf-Steininger 2 , § 153 StGB, RN 28). Die Berufung des Angeklagten wegen des Ausspruchs über die Schuld war zurückzuweisen, weil ein derartiges Rechtsmittel im Schöffengerichtsverfahren vom Gesetz (§ 280, 283 Abs. 1 StPO) nicht vorgesehen ist (§ 296 Abs. 2, 294 Abs. 4 StPO).

Anmerkung

E04768

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1984:0110OS00017.84.0215.000

Dokumentnummer

JJT_19840215_OGH0002_0110OS00017_8400000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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