TE OGH 1984/4/5 7Ob10/84

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Veröffentlicht am 05.04.1984
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Petrasch, Dr. Wurz, Dr. Warta und Dr. Egermann als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Andreas D*****, vertreten durch Dr. Raimund Mittag, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei D*****-AG, *****, vertreten durch Dr. Armin Paulitsch, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung des Bestehens des Versicherungsschutzes (Streitwert 80.000 S), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 5. Dezember 1983, GZ 3 R 207/83-30, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 21. Juni 1983, GZ 30 Cg 982/82-26, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Beklagte ist schuldig, dem Kläger die mit 4.289,40 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 600 S Barauslagen und 335,40 S USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger hatte bereits vor November 1978 eine Rechtsschutzversicherung bei der Beklagten abgeschlossen, der die Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung (ARB 1965) und die Sonderbedingungen für die Rechtsschutzversicherung (SBR) zugrundeliegen. Nach Punkt IV Art 1 Abs 1 der Sonderbedingungen gewährt der Versicherer über den Versicherungsschutz nach Art 1 lit a der ARB hinaus Versicherungsschutz für die Kosten aus der gerichtlichen oder außergerichtlichen Verfolgung oder Abwehr von Ansprüchen aus Verträgen über den Kauf ... von Fahrzeugen, wenn sich der Versicherungsschutz auch sonst auf diese Fahrzeuge bezieht. Nach Abs 4 muss der Abschluss der in den Absätzen 1 und 2 genannten Verträge in die Laufzeit des Versicherungsvertrags fallen.

Nach A Punkt 1. der zusätzlich zu den ARB 1965 geltenden Ergänzenden Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung (ERB 1965) gewährt der Versicherer den in Art 1 Abs 1 lit a bis c ARB beschriebenen Versicherungsschutz bezüglich des in der Polizze bezeichneten Kraftfahrzeugs. Wird ein in der Polizze bezeichnetes Kraftfahrzeug zum Zweck der Veräußerung abgemeldet, so ruht gemäß A Punkt 5 der ERB 1965 der Versicherungsvertrag hinsichtlich dieses Fahrzeugs von dem Zeitpunkt ab, zu dem die amtliche Bestätigung über die Abmeldung beim Versicherer eingeht. Wenn der Versicherungsnehmer im Zeitpunkt der Abmeldung ein anderes, nicht rechtsschutzversichertes Kraftfahrzeug der gleichen Kategorie besitzt oder ein anderes Kraftfahrzeug der gleichen Kategorie innerhalb von 6 Monaten nach der Abmeldung erwirbt bzw im Betrieb nimmt, so lebt der Versicherungsvertrag wieder auf und geht bei gleichzeitiger Regulierung der Prämie auf dieses Kraftfahrzeug über.

Im November 1978 hatte der Kläger 4 Omnibusse bei der Beklagten versichert, darunter einen mit dem pol. Kennzeichen *****. Als Ersatz für dieses Fahrzeug kaufte er am 5. Dezember 1978 einen anderen Omnibus, der am 15. Jänner 1979 geliefert und am 18. Jänner 1979 angemeldet wurde und das pol. Kennzeichen ***** erhielt. Der alte Bus war mit Zustimmung des Verkäufers des neuen Fahrzeugs, wie dies häufig der Fall ist, noch kurzfristig vom Kläger weiter benützt worden. Er wurde am 5. März 1979 polizeilich abgemeldet.

Am 2. Februar 1979 teilte der Kläger der damaligen Außenbeamtin der Beklagten Stefanie S***** mit, dass der neue Bus als Ersatz für den alten vorgesehen sei und der alte an die Verkäuferfirma zurückgestellt werde. Über die Abmeldung des alten Busses und die Notwendigkeit dieser Abmeldung für die Erlangung des Versicherungsschutzes für das neue Fahrzeug wurde nicht gesprochen. Stefanie S***** füllte ein Antragsformular aus, wobei sie jedoch die Rubrik Vertragserweiterung und nicht die Rubrik Vertragsumwandlung ankreuzte, das polizeiliche Kennzeichen des neuen Fahrzeugs einsetzte und als Laufzeitbeginn den 3. Februar 1979 fixierte. Der Kläger unterfertigte dieses Formular. In der Folge erhielt er einen Versicherungspolizzennachtrag, in dem beide Busse als zur alten Polizzennummer versichert angeführt waren.

Am neuen Bus traten nach kurzer Zeit Mängel auf, sodass im Sommer 1979 ein Motortausch erfolgte. Da der Bus danach Steigungen nicht mehr bewältigte, holte der Kläger ein Privatgutachten vom 14. Jänner 1980 ein, auf dessen Grundlage er mit Schreiben vom 18. Jänner 1980 gegenüber der Verkäuferfirma den Rücktritt vom Vertrag erklärte. Schließlich brachte er zu 2 Cg 432/80 des Kreisgerichts Wels eine Klage gegen die Verkäuferfirma ein. Mit Schreiben vom 21. Dezember 1979 erstattete er der Beklagten Schadensmeldung und ersuchte um Gewährung von Versicherungsschutz für seinen Prozess gegen die Verkäuferfirma. Die Beklagte lehnte den Versicherungsschutz mit der Begründung ab, der neue Omnibus sei bei ihr nicht als Ersatzfahrzeug für den alten, sondern als eigenes Fahrzeug versichert worden. Da dieser Omnibus bereits vor Abschluss des Versicherungsvertrags erworben worden sei, bestehe keine Deckungspflicht aus der Rechtsschutzversicherung für den Prozess aus Anlass des Vertragsrücktritts.

Beide Vorinstanzen haben dem auf Deckung aus der Rechtsschutzversicherung für die Kosten des Prozesses vor dem Kreisgericht Wels gerichteten Klagebegehren stattgegeben, wobei das Berufungsgericht die Revision für zulässig erklärt und ausgesprochen hat, dass der Wert des Streitgegenstands 60.000 S, nicht aber 300.000 S übersteigt. Rechtlich vertrat das Berufungsgericht den Standpunkt, infolge des vorliegenden Dissenses sei es zwischen den Streitteilen nicht zum Abschluss eines eigenen Versicherungsvertrags bezüglich des neuen Omnibus gekommen. Da dieser als Ersatzfahrzeug angeschafft worden sei, erstrecke sich der Versicherungsschutz auch auf ihn. Im Hinblick auf den Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses nach Beginn des Laufes der Versicherung müsse die Beklagte für Prozesse aufgrund des Kaufvertragsabschlusses Versicherungsschutz leisten. Die Daten des neuen Fahrzeugs seien ihr bereits im Februar 1979 bekanntgegeben worden.

Die von der Beklagten gegen das Urteil des Berufungsgerichts wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision ist nicht gerechtfertigt.

Rechtliche Beurteilung

Vorerst ist der Rechtsansicht des Berufungsgerichts über das Nichtzustandekommen eines selbständigen Versicherungsvertrags bezüglich des neuen Busses beizupflichten. Auch wenn man davon ausgeht, das Stefanie S***** nicht Abschlussagentin war und daher gemäß § 44 VersVG ihr Wissen dem Versicherer nicht zugerechnet werden kann, ändert dies nichts daran, dass sie gemäß § 43 Z 1 VVG als bevollmächtigt galt, den Antrag auf Abschluss des Versicherungsvertrags entgegenzunehmen. Da mündlichen Ergänzungen eines schriftlich gestellten Antrags möglich und zulässig sind, gilt der aus den schriftlichen und mündlichen Erklärungen zusammengesetzte Antrag als dem Versicherer in dieser Gesamtheit zugekommen, also in dem Sinne, in dem das Geschäft dem Agenten angetragen und von ihm entgegengenommen worden ist. Leitet allerdings der Agent den Antrag nur verstümmelt an den Versicherer weiter, kann dem Versicherer zwar das Nichtkennen des weitergehenden Antrags nicht angelastet werden, doch kommt es, falls er nur den verstümmelten Antrag annimmt, mangels eines übereinstimmenden Parteiwillens nur unter der Voraussetzung des § 5 Abs 2 VersVG zum Abschluss eines Vertrags mit dem vom Versicherer angenommenen Inhalt (VersR 1976, 1195, VersR 1980, 471 ua). Den Vorschriften des § 5 Abs 2 VersVG hat aber die dem Kläger übermittelte Nachtragspolizze nicht entsprochen, sodass es zum Abschluss eines neuen Versicherungsvertrags bezüglich des gekauften Omnibusses nicht gekommen ist. Demnach geht die Argumentation der Beklagten, soweit sie sich auf das Bestehen einer eigenen Rechtsschutzversicherung für den neuen Omnibus stützt (AZ 5 Abs 2 ERB 1965), ins Leere. Bei dem neuen Fahrzeug handelt es sich vielmehr um ein als Ersatz für den bereits versicherten Omnibus angeschafftes, das der Kläger bereits vor der Abmeldung des alten Fahrzeugs erworben hatte und als Ersatzfahrzeug in Betrieb nahm. Zutreffend hat das Berufungsgericht auch darauf verwiesen, dass die Daten des neuen Fahrzeugs dem Versicherer bereits im Februar 1979 mitgeteilt worden waren, sodass der Kläger hiedurch der in Abschnitt A Z 5 Abs 2 ERB 1965 festgesetzten Verpflichtung entsprochen hat.

Das Fahrzeug, für das Rechtsschutz verlangt wird, genießt also nach A Z 5 ERB 1965 grundsätzlich Versicherungsschutz im Rahmen des Vertragsrechtsschutzes.

Auch die zweite entscheidende Rechtsfrage hat das Berufungsgericht richtig gelöst. Tatsächlich kommt es auf den Zeitpunkt des ersten Auftretens von Schäden am neuen Fahrzeug nicht an. Versicherungsfall ist nämlich nicht das Auftreten von Schäden, sondern im Falle eines auf die Nicht- oder Schlechterfüllung eines Kaufvertrags zurückgehenden Prozesses jener Verstoß, aus dem der Prozess entsteht. Dass hier zu diesem Zeitpunkt für das fragliche Fahrzeug noch kein Versicherungsvertrag abgeschlossen worden war, spielt keine Rolle, weil Versicherungsschutz aus dem Vertragsrechtsschutz nach IV Art 1 Abs 4 der Sonderbedingungen für die Rechtsschutzversicherung dann zu leisten ist, wenn der Abschluss der in Abs 1 und 2 genannten Verträge in die Laufzeit des Versicherungsvertrags für das alte Fahrzeug fällt. Es kommt also nur auf den Kauf dieses Fahrzeugs innerhalb der Laufzeit des Versicherungsvertrags an. Andernfalls wäre ein Versicherungsschutz aus dem Vertragsrechtsschutz für Streitigkeiten wegen des Ankaufs eines Ersatzfahrzeugs so gut wie undenkbar, weil, worauf das Berufungsgericht zutreffend verweist, das Ersatzfahrzeug in der Regel vor der Abmeldung des alten Fahrzeugs angeschafft wird. In diesem Zusammenhang sei auf § 22 Abs 7 Z 4 der deutschen Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung verwiesen, demzufolge sich der Versicherungsschutz auch auf die Wahrnehmung rechtlicher Interessen aus schuldrechtlichen Verträgen hinsichtlich des Rechtsgeschäfts erstreckt, das dem Erwerb des Ersatzfahrzeugs zugrundeliegt, soweit der Abschluss dieses Rechtsgeschäfts in die Laufzeit des Versicherungsvertrags fällt (abgedruckt in Böhme, Allgemeine Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung). Wenn auch die österreichischen Versicherungsbedingungen keine gleichartige Bestimmung enthalten, so müssen sie doch auch in diesem Sinne ausgelegt werden, weil andernfalls der Versicherungsschutz auf eine derart geringe Anzahl von Fällen eingeschränkt wäre, dass hiefür die Berechtigung der Einhebung einer Prämie fraglich erscheinen könnte. Demnach gebietet schon eine Interessenabwägung die Auslegung der Versicherungsbedingungen in diesem Sinn. Gerade das Erwerbsgeschäft für das Ersatzfahrzeug ist der häufigste Fall, aus dem Rechtsstreitigkeiten entstehen können. Da dieses Geschäft meistens vor der Abmeldung des alten Fahrzeugs getätigt wird und die Sonderbedingungen Käufe ausdrücklich als Verträge nennen, für die Versicherungsschutz gewährt wird, muss dies dahin ausgelegt werden, dass der Ankauf des Ersatzfahrzeugs auf jeden Fall unter Versicherungsschutz steht, wenn er in die Laufzeit der Versicherung fällt und keine andere Rechtsschutzversicherung für dieses Fahrzeug besteht.

Legt man die Versicherungsbedingungen im aufgezeigten Sinn aus, so spielt es keine Rolle, wann erstmals Schäden am neuen Omnibus aufgetreten sind. Maßgebend ist vielmehr, dass dieser neue Omnibus Ersatzfahrzeug für ein zum Zeitpunkt seiner Anschaffung versichertes anderes Fahrzeug war, und dass zum Zeitpunkt des Ansprechens des Versicherungsschutzes dem Versicherer einerseits die Daten des neuen Fahrzeugs bekanntgegeben waren und er auch von der Abmeldung des alten Fahrzeugs erfahren hatte. Sohin erstreckt sich der Versicherungsschutz auch auf Streitigkeiten betreffend den Erwerb des neuen Omnibusses. Da der Abschluss jenes Kaufvertrags, aus dem der fragliche Rechtsstreit entstanden ist, in die Laufzeit des Versicherungsvertrags fiel, muss die Beklagte den verlangten Versicherungsschutz gewähren.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

Textnummer

E117057

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1984:0070OB00010.840.0405.000

Im RIS seit

09.02.2017

Zuletzt aktualisiert am

09.02.2017
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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