TE OGH 1984/4/5 7Ob6/84

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Veröffentlicht am 05.04.1984
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrasch, Dr. Wurz, Dr. Warta und Dr. Egermann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei I***** Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Dr. Wilhelm Dieter Eckhart, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wider die beklagte Partei Firma Autohaus K***** & Co *****, vertreten durch Dr. Hannes Zieger, Rechtsanwalt in Klagenfurt, Nebenintervenient auf Seiten der beklagten Partei mj. Sabine T*****, vertreten durch ihren Vormund Josef T*****, dieser vertreten durch Dr. Helmut Schwartz, Rechtsanwalt in Feldkirchen, als Verfahrenshelfer, wegen S 100.000 sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 10. November 1983, GZ 6 R 177/83-26, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 21. Juni 1983, GZ 27 Cg 192/82-21 teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 4.289,40 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 600,-- Barauslagen und S 335,40 USt) binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der beklagten Partei wurde von der Behörde unter anderem das Probefahrtkennzeichen K ***** zugewiesen. Der Ausgabe dieses Probefahrtkennzeichens liegt eine zwischen der klagenden Partei und der beklagten Partei abgeschlossene Haftpflichtversicherung zugrunde. Am 1. 10. 1981 verursachte Josef T*****, ein Angestellter der beklagten Partei, mit deren nicht zum Verkehr zugelassenen PKW Ford Escort, an dem das genannte Probefahrt- kennzeichen angebracht war, einen Verkehrsunfall.

Die klagende Partei begehrt den Ersatz der von ihr für die Geschädigten erbrachten Leistungen und die Feststellung der Ersatzpflicht der beklagten Partei für künftige Leistungen. Sie beruft sich auf Leistungsfreiheit. Josef T***** habe das Probefahrtkennzeichen mit Duldung der beklagten Partei für eine Privatfahrt verwendet.

Die beklagte Partei behauptet, daß es sich bei der Fahrt, auf der sich der Unfall ereignete, um eine Probefahrt gehandelt habe. Privatfahrten habe sie ihren Angestellten strikte verboten. Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Nach den vom Berufungsgericht auf Grund einer Beweiswiederholung geringfügig abgeänderten Feststellungen war Josef T***** in der Gebrauchtwagenabteilung der beklagten Partei als Schätzmeister beschäftigt. Er war für Schätzungen und Testfahrten von Gebrauchtwagen zuständig. Mit Bescheinigung der beklagten Partei vom 10. 1. 1979 wurde ihm die Bewilligung zur Durchführung von Probe- und Überführungsfahrten gemäß § 45 Abs 6 KFG erteilt. Ende 1977 wurde von der beklagten Partei ihren Betriebsangehörigen mit schriftlicher Dienstanweisung die Verwendung der Probefahrtkennzeichen für Privatfahrten strikte verboten. Für den Fall des Zuwiderhandelns wurden Sanktionen angedroht. Es wurde auf die Notwendigkeit der Eintragung von Probefahrten in das Fahrtenbuch hingewiesen. Die beklagte Partei untersagte ihren Schätzmeistern jedoch nicht ausdrücklich, daß sie im Rahmen von Probefahrten Gasthäuser besuchen, weil hiebei Kundenkontakte für möglich gehalten wurden. Ergänzend zu der schriftlichen Dienstanweisung vom Jahre 1977 erging im Jahre 1978 oder 1979 eine mündliche Anweisung der Firmenleitung, daß die Schätzmeister Eintauschfahrzeuge auch nach Dienstschluß zB auf der Heimfahrt testen und anschließend schätzen können, wenn sie während der Dienstzeit dazu nicht mehr die Zeit gefunden haben. In einem solchen Fall ließen die Schätzmeister ihr Privatfahrzeug über Nacht auf dem Firmengelände stehen und probierten die Gebrauchtwagen auf dem Heimweg aus, um am nächsten Tag die Schätzung abzugeben. Bei dem Ford Escort handelte es sich um ein Eintauschfahrzeug, das der beklagten Partei am 1. 10. 1981 von einer Kundin übergeben worden war. Für die Fahrt, auf der sich der Unfall ereignete, hatte Josef T***** keinen konkreten Auftrag. Er nützte den allgemeinen Ermächtigungsrahmen aus. Er verwendete das der Gebrauchtwagenabteilung zur Verfügung stehende, in seiner Tischlade verwahrte Probekennzeichen. Josef T***** blieb am 1. 10. 1981 ca 20 Minuten über den für 17 Uhr festgesetzten Dienstschluß im Büro, um noch Arbeiten für den nächsten Tag zu besprechen. Gegen 18 Uhr traf er im Gasthaus F***** in D***** ein, wo er bis gegen 18, 40 Uhr blieb. Er konsumierte in dieser Zeit zwei Rotweinmischungen. Er erwähnte gegenüber der Kellnerin nicht, daß er noch einen Kunden erwarte oder noch einen Kundenbesuch machen wolle. Er verließ gegenüber seiner sonstigen Gewohnheit das Gasthaus frühzeitig. Josef T***** war häufig Gast im Gasthaus F*****. Es kann nicht festgestellt werden, daß er das zu schätzende Auto einem Kunden vorführen wollte. Die Fahrt am 1. 10. 1981 trug er nicht in das Fahrtenbuch ein. Bis zum Unfallszeitpunkt hatte er insgesamt 15 Fahrten in das Fahrtenbuch eingetragen. Unter diesen befand sich keine Eintragung mit der Fahrtstrecke Betrieb-Wohnung und zurück.

Das Erstgericht vertrat den Standpunkt, daß bei Vermengung einer Privatfahrt mit einer Probefahrt wie im vorliegenden Fall keine Probefahrt mehr vorliege, sodaß der Versicherer leistungsfrei sei. Das Berufungsgericht bestätigte den Zuspruch von S 100.000 s.A. und wies das Mehrbegehren von S 8.528 s.A. sowie das Feststellungsbegehren ab. Es sprach aus, daß der von der Abänderung betroffene Wert des Streitgegenstandes S 60.000, nicht aber S 300.000 übersteige. Es erklärte die Revision für zulässig.

Das Berufungsgericht bejahte in Übereinstimmung mit dem Erstgericht eine Verletzung der Obliegenheit, das Fahrzeug nicht zu einem anderen als dem vereinbarten Zweck zu verwenden. Die Verwendung eines Probefahrtkennzeichens für private Zwecke sei auch dann unzulässig, wenn mit dieser Fahrt ein geschäftlicher Zweck verbunden sei. Die Obliegenheitsverletzung sei keine unverschuldete. Durch die Weisung, auch ohne besondere Genehmigung Testfahrten nach Arbeitsschluß in der Weise durchzuführen, daß das zu schätzende Fahrzeug zur Heimfahrt benützt werden dürfe, habe die beklagte Partei die Erlaubnis erteilt, Probefahrten mit Fahrten zu anderen Zwecken zu verbinden. Sie habe damit den Schätzmeistern die Möglichkeit eröffnet, die Probefahrtkennzeichen auch zu anderen als den im § 45 Abs 1 KFG umschriebenen Zwecken zu mißbrauchen. Die Leistungsfreiheit des Versicherers sei jedoch nach Art 6 Abs 3 AKHB mit S 100.000 begrenzt.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen das Urteil des Berufungsgerichtes erhobene Revision der beklagten Partei ist nicht berechtigt.

Nach § 45 Abs 1 KFG sind Probefahrten Fahrten zur Feststellung der Gebrauchsfähigkeit oder der Leistungsfähigkeit von Fahrzeugen oder ihrer Teile oder Ausrüstungsgegenstände oder Fahrten, um das Fahrzeug vorzuführen. Als Probefahrten gelten auch Fahrten zur Überführung eines Fahrzeuges an einen anderen Ort im Rahmen des Geschäftsbetriebes und Fahrten zum Ort der Begutachtung oder Überprüfung des Fahrzeuges. Um von einer Probefahrt sprechen zu können, muß diese demnach einem der im Gesetz aufgezählten Zwecke dienen. Es wurde bereits mehrmals ausgesprochen, daß mit dem Hauptzweck der Probefahrt auch Nebenzwecke verbunden werden können, wenn dadurch der Hauptzweck der Probefahrt nicht verloren geht. Dies ist etwa der Fall, wenn anläßlich einer Probefahrt eine Tankstelle oder Toilette aufgesucht wird. Dient eine Fahrt mit einem Kraftfahrzeug auf einer Straße mit öffentlichem Verkehr zwar zunächst einem der im § 45 Abs 1 KFG angeführten Zwecke, erfährt in der Folge aber der funktionelle Zusammenhang des Verhaltens des Lenkers mit einem dieser Zwecke eine Unterbrechung, die nicht durch eine innerhalb angemessener Zeit vorgenommene Befriedigung von sich täglich einstellenden Lebensbedürfnissen bedingt ist, und wird das betreffende Fahrzeug gleichwohl noch auf der Straße mit öffentlichem Verkehr verwendet, so liegt insoweit, weil durch die in § 45 Abs 1 KFG vorgesehenen Begriffsmerkmale nicht mehr gedeckt, keine Probefahrt mehr vor (VwGHSlg NF 10.552 (A); ZVR 1977/261). Nach den Feststellungen der Vorinstanzen hatte Josef T***** von der beklagten Partei im Eintauschweg hereingenommene Fahrzeuge auf Grund von Test- und Probefahrten zu schätzen. Bei dem unfallsbeteiligten PKW handelte es sich um ein solches Eintauschfahrzeug, das Josef T***** auf Grund der ihm generell erteilten Ermächtigung in Betrieb nahm. Nach diesen Feststellungen muß davon ausgegangen werden, daß zwar zunächst die Inbetriebnahme des Fahrzeuges zu einem der im § 45 Abs 1 KFG angeführten Zweck erfolgte. Die Unterbrechung dieser Fahrt durch einen rund 40 Minuten dauernden Gasthausaufenthalt zum Zwecke der Konsumation alkoholischer Getränke diente aber nicht mehr der Befriedigung eines der obgenannten Bedürfnisse. Der Hauptzweck der Probefahrt trat dadurch derart in den Hintergrund, daß von einer Probefahrt nicht mehr gesprochen werden kann. Der Frage, ob Josef T***** die Fahrt am nächsten Tag in das Fahrtenbuch eingetragen hätte, kommt dann aber keine Bedeutung mehr zu. Insoweit die Revision davon ausgeht, daß die Fahrt in das Gasthaus dem Zwecke der Vorführung des PKW an Kunden gedient habe, entfernt sie sich vom festgestellten Sachverhalt. Daß der Tarif für den anderen als den vereinbarten Verwendungszweck eine höhere Prämie vorsieht, ist zwischen den Parteien nicht strittig. Durch die Verwendung des Probefahrtkennzeichens im Unfallszeitpunkt wurde daher die Obliegenheit nach Art 6 Abs 2 lit a AKHB in der im Unfallszeitpunkt geltenden Fassung verletzt.

Obliegenheitsverletzungen eines Mitversicherten machen zwar grundsätzlich nur diesem gegenüber leistungsfrei und wirken nicht gegen den Versicherungsnehmer (SZ 52/92). Die Repräsentantenhaftung wird im österreichischen Recht abgelehnt (EvBl 1978/69 mwN). Auch wenn der Versicherungsnehmer für solche Personen daher nicht einstehen muß, kann ihn nach dem Selbstverschuldensprinzip ein zur Leistungsfreiheit des Versicherers führender Vorwurf treffen (Prölss-Martin VVG22 85). Dies ist etwa dann der Fall, wenn es an der erforderlichen Sorgfalt in der Betriebsführung fehlt und der Betrieb demzufolge Organisationsmängel aufweist, die den Eintritt des Versicherungsfalles erheblich begünstigen (vgl Prölss-Martin aaO; Jabornegg, Die Verantwortlichkeit des Versicherungsnehmers für Dritte bei schuldhafter Herbeiführung des Versicherungsfalles und sonstigem gefährdenden Verhalten in VersRdSch 1975 100 f insbesondere 123, 128). Dem Berufungsgericht ist auch darin beizupflichten, daß der beklagten Partei in dieser Hinsicht ein Verschulden zur Last fällt, weil sie wegen der möglichen Kundenkontakte Gasthausbesuche ihrer Schätzmeister im Rahmen von Probefahrten tolerierte und dadurch eine dem vereinbarten Zweck zuwiderlaufende Verwendung der Probefahrtkennzeichen hinnahm. Die Beweislast für mangelnde Kausalität trägt der Versicherungsnehmer (Prölss-Martin aaO 87). Diesen Beweis hat die beklagte Partei nicht einmal angetreten. Die ungenaue Bezeichnung der klagenden Partei war zu berichtigen (MGA ZPO13 § 1 B/1).

Demgemäß ist der Revision ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E74018 7Ob6.84

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1984:0070OB00006.84.0405.000

Dokumentnummer

JJT_19840405_OGH0002_0070OB00006_8400000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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