TE OGH 1984/4/5 7Ob18/84

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Veröffentlicht am 05.04.1984
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Petrasch, Dr. Wurz, Dr. Warta und Dr. Egermann als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ruth G*****, vertreten durch Dr. Werner Thurner, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei Elfriede M*****, vertreten durch Dr. Gerald Carli, Rechtsanwalt in Hartberg, wegen 28.740,80 S sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgericht vom 17. November 1983, GZ 5 R 426/83-11, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichts Hartberg vom 25. Juli 1983, GZ 2 C 146/83-5, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Beklagte ist schuldig, der Klägerin die mit 2.699,71 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 240 S Barauslagen und 223,61 S USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der am 29. 8. 1981 verstorbene Josef N***** hat bei der M***** Wechselseitige Versicherungsanstalt eine Lebensversicherung abgeschlossen und als Begünstigter im Ablebensfall angegeben: „Der Überbringer der Versicherungspolizze beziehungsweise Elfriede S*****“. Bei Elfriede S***** handelt es sich um die Beklagte, die damals mit Josef N***** verheiratet war, deren Ehe jedoch vor dem Tod des Versicherungsnehmers geschieden wurde. Der Versicherungsnehmer ging nach der Scheidung seiner Ehe eine Lebensgemeinschaft mit der Klägerin ein. Zu deren Gunsten errichtete er ein Testament, in dem die Klägerin zur Alleinerbin eingesetzt wurde. Dieses Testament enthielt auch die Wendung: „Auch der Versicherung M***** und N*****“.

Aufgrund des erwähnten Testaments und ihrer Erbserklärung wurde der Klägerin der gesamte Nachlass nach Josef N***** eingeantwortet. Die zur Zeit des Verlassenschaftsverfahrens im Besitz der Versicherungspolizze befindliche Klägerin übergab die Polizze ihrem damaligen Anwalt, der sie dem Gerichtskommissär aushändigte. Dieser gab sie der Beklagten weiter, die mit der Polizze von der Versicherung 28.740,80 S behob.

Das von der Klägerin auf Zahlung der 28.740,80 S sA gerichtete Klagebegehren wurde vom Erstgericht mit der Begründung abgewiesen, bei der Begünstigung im Versicherungsvertrag handle es sich um eine Vereinbarung, die nur im Einvernehmen zwischen dem Versicherungsnehmer und dem Begünstigten abgeändert werden könne.

Das Berufungsgericht sprach der Klägerin den begehrten Betrag zu, wobei es ausführte, nach § 166 VersVG könne der Versicherungsnehmer, falls dem nicht eine gegenteilige Vereinbarung im Versicherungsvertrag entgegenstehe, einseitig die ausgesprochene Begünstigung ändern. Eine solche Änderung sei durch das vorgenannte Testament zugunsten der Klägerin erfolgt. Dass der Versicherer im Hinblick auf den Inhalt der Polizze berechtigt war, die Versicherungssumme an die Beklagte auszuzahlen, ändere nichts am materiellen Anspruch der Klägerin, weil im Verhältnis zwischen den Streitteilen nicht der Inhalt der Versicherungspolizze, sondern das Innenverhältnis der Streitteile zum Versicherungsnehmer maßgebend sei.

Das Berufungsgericht erklärte die Revision für nicht zulässig, weil die von ihm geäußerte Rechtsansicht durch die Judikatur gedeckt sei.

Rechtliche Beurteilung

Die von der Beklagten gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung (die Zitierung des § 503/2 ZPO in der Revision dürfte auf einem Irrtum beruhen) erhobene Revision ist zwar zulässig, jedoch nicht gerechtfertigt.

Eine Rechtfertigung der Revision könnten die Ausführungen, die Klägerin sei selbst der Auffassung gewesen, das Recht auf die Versicherungssumme stehe der Beklagten zu, weshalb sie die Polizze ausgefolgt habe, nicht bewirken. Diesen Ausführungen liegen nämlich weder entsprechende Behauptungen im Verfahren erster Instanz noch Feststellungen der Untergerichte zugrunde. Nach den getroffenen Feststellungen hat die Klägerin die Polizze ihrem Anwalt gegeben. Die Weitergabe an die Beklagte ist nicht durch den Anwalt der Klägerin, sondern durch den Gerichtskommissär ohne entsprechende Weisung erfolgt. Es kann daher keine Rede davon sein, dass die Klägerin die Polizze freiwillig an die Beklagte ausgefolgt hat. Demnach kann von einer Vereinbarung zwischen den Streitteilen, die bei ihrem Vorliegen für die Entscheidung beachtlich wäre, keine Rede sein.

Im Übrigen erachtet die Beklagte zusammengefasst folgende drei Rechtsfragen für revisionsbedürftig:

1. Durfte die erfolgte Begünstigung der Beklagten einseitig geändert werden und hätte eine solche Änderung, ohne Bekanntgabe an den Versicherer, gegenüber der Beklagten Rechtswirkungen?

2. Ist ein Innenverhältnis zwischen dem Versicherungsnehmer und den Streitteilen, das von der dem Versicherer mitgeteilten Begünstigung abweicht, im Streit zwischen den beiden Anspruchswerbern rechtlich bedeutsam oder nicht?

3. Kann eine Begünstigung im Sinne des § 166 VersVG auch durch letztwillige Verfügung angeordnet, widerrufen oder abgeändert werden?

Was die erste Frage anlangt, so ergibt sich die grundsätzliche Widerruflichkeit einer Begünstigung im Sinne des § 166 VersVG aus dem in diesem Punkte eindeutigen Wortlaut des Gesetzes. Nach diesem Wortlaut kann nicht zweifelhaft sein, dass die Unwiderruflichkeit die Ausnahme darstellt und von ihr nur ausgegangen werden kann, wenn eine diesbezügliche Vereinbarung vorliegt. Eine solche Vereinbarung wurde hier nicht einmal behauptet. Dass die Wirkung einer Begünstigung oder einer Änderung der Begünstigung für den Versicherer von dessen Verständigung abhängt, ergibt sich schon aus der Überlegung, dass der Versicherer immer nur von einem Sachverhalt ausgehen kann, der ihm bekannt ist (vgl Prölss-Martin, VVG22, 1101 f). Da dieser Umstand aus dem Gesetz klar hervorgeht und das Berufungsgericht in diesem Punkte auch keine andere Rechtsansicht vertreten hat, wären die Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Revision, falls nur diese Frage zur Diskussion stände, nicht gegeben.

Was die beiden anderen Fragen anlangt, so handelt es sich um solche grundsätzlicher Bedeutung, bezüglich derer im Interesse der Rechtssicherheit ein Bedürfnis nach einer einheitlichen Rechtsprechung im Sinne des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO besteht. Die Annahme des Berufungsgerichts, eine solche Judikatur, die eine neuerliche Zulassung der Revision entbehrlich erscheinen lassen könnte, liege vor, trifft nur für die erste dieser beiden Fragen zu. Diesbezüglich hat der Oberste Gerichtshof schon in der in VersR 1963, 986, veröffentlichten Entscheidung klar zum Ausdruck gebracht, dass das Innenverhältnis zwischen dem Versicherungsnehmer und den Ansprechern einer Versicherungsleistung von dem durch die Bekanntgabe der Begünstigung an den Versicherer entstehenden Rechtsverhältnis zu unterscheiden ist. Im Streit zwischen den Ansprechern der Leistung kommt es auf das ersterwähnte Innenverhältnis an. Ohne diesen Rechtssatz in der gleichen Deutlichkeit zu wiederholen, hat der Oberste Gerichtshof in zwei weiteren Entscheidungen, und zwar in der der erwähnten Entscheidung vorangegangenen Entscheidung VersRdSch 1959, 85 und in der nachfolgenden 8 Ob 47/65 Ausführungen gemacht, die die Geltung des oben dargestellten Grundsatzes zur Voraussetzung haben. Die beiden veröffentlichten Entscheidungen wurden von Wahle einer Besprechung unterzogen, wobei in beiden Fällen ebenfalls die Geltung des Rechtssatzes Voraussetzung war. Sohin liegt zu diesem Punkt eine ausreichende Judikatur des Obersten Gerichtshofs im Sinne der Entscheidung des Berufungsgerichts vor. Auch bei neuerlicher Prüfung dieser Frage sieht sich der Oberste Gerichtshof nicht veranlasst, von der dargestellten Rechtsansicht abzugehen. Zur Prüfung dieser Rechtsfrage wäre daher die Zulassung der Revision ebenfalls entbehrlich.

Was schließlich die Frage anlangt, ob eine Begünstigung auch durch letztwillige Verfügung angeordnet, widerrufen oder abgeändert werden kann, ist in Österreich lediglich eine Entscheidung (GlUNF 6067) auffindbar. Diese Entscheidung hat die Zulässigkeit einer letztwilligen Verfügung ebenso bejaht, wie das Berufungsgericht. Allerdings darf hier nicht übersehen werden, dass diese Entscheidung im Jahre 1912 gefällt wurde, also zu einem Zeitpunkt, zu dem nicht einmal noch das seinerzeitige österreichische Versicherungsvertragsgesetz Geltung hatte. Die Entscheidung begründet ihre Rechtsansicht auch nur unter Hinweis auf die Entwürfe zum österreichischen Versicherungsvertragsgesetz und auf § 328 BGB. Schon dieser Umstand begründet ein Bedürfnis nach einer Klärung dieser Frage aufgrund der nunmehrigen Gesetzeslage. Die Revision ist daher im Sinne des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO zulässig.

Wie bereits oben dargestellt wurde, liegt zwar keine österreichische Judikatur aus der Zeit der Geltung des Versicherungsvertragsgesetzes vor, doch wurde diese Frage sowohl in der deutschen als auch in der österreichischen Literatur behandelt, und zwar durchwegs im Sinne einer Zulässigkeit der Begünstigung durch letztwillige Verfügung (Weiß in Klang2 III, 17; Welser in Rummel, Anm 10 zu § 531, Presslmayer, JBl 1961, 403, Prölss-Martin VVG22 1101 f, 1173, Wussow AUB4 256; Heilmann in VersR 1972, 998). Am eingehendsten wird diese Rechtsansicht in Prölss-Martin begründet, und zwar damit, dass es sich bei § 166 VersVG um eine Abänderung der Bestimmung des § 330 BGB handle. Die letztgenannte Bestimmung behandelt Lebensversicherungen. Sie ist im Abschnitt über Verträge zugunsten Dritter enthalten. Demnach handle es sich bei der Lebensversicherung mit einer Begünstigung um einen Vertrag zugunsten Dritter. Ein solcher Vertrag könne aber, soweit er nicht bindende Wirkung zugunsten des Dritten hat, einseitig abgeändert werden, und zwar grundsätzlich auch durch ein Testament (Palandt BGB43 Anm 4 zu § 328).

Ob wegen der anderen Rechtslage in Österreich die Argumentation aus Prölss-Martin ohne weiteres übernommen werden kann, ist fraglich, weil der Wortlaut des § 881 ABGB erheblich vom Wortlaut des § 328 BGB abweicht und daher in Österreich Lebensversicherungen nicht ohne weiters als Verträge zugunsten Dritter im Sinne des § 881 ABGB angesehen werden können. Allerdings soll nicht übersehen werden, dass das Versicherungsvertragsgesetz in Wahrheit eine Übernahme des deutschen Versicherungsvertragsgesetzes darstellt, weshalb, mangels entgegenstehender Vorschriften, zu seiner Auslegung jene Bestimmungen des deutschen Rechts herangezogen werden können, auf die das deutsche Versicherungsvertragsgesetz zurückgeht.

Die in der Literatur vertretene Rechtsansicht lässt sich aber auch ohne weiters aus der österreichischen Gesetzeslage ableiten. Wenn auch der Lebensversicherungsvertrag mit Begünstigung nicht ein Vertrag zugunsten Dritter im Sinne des § 881 ABGB ist, so ist er doch ein Vertrag, durch den einem Dritten Rechte verschafft werden sollen, der sich jedoch vom Vertrag im Sinne des § 881 ABGB dadurch unterscheidet, dass im Zweifel ein direkter Anspruch des Begünstigten nicht entsteht, obwohl der Vertrag vorwiegend diesem zum Vorteil gereichen soll, und dass dem Versicherungsnehmer eine Änderung der Begünstigung mangels gegenteiliger Vereinbarung ohne weiters bis zum Eintritt des Versicherungsfalls offen bleibt. Demnach handelt es sich hier um ein Vermögensrecht, das ohne eine entsprechende Verfügung in den Nachlass des Versicherungsnehmers fallen würde. Nach § 531 ABGB ist nämlich der Nachlass der Inbegriff der Rechte und Verbindlichkeiten eines Verstorbenen, soferne sie nicht in bloß persönlichen Verhältnissen gegründet sind. Vermögensrechtliche Rechte und Pflichten sind im Allgemeinen vererblich (Welser in Rummel, Anm 4 zu § 531). Handelt es sich aber um Vermögensrechte des Versicherungsnehmers, so ist dieser gemäß § 552 ABGB grundsätzlich berechtigt, darüber in einer letztwilligen Erklärung zu verfügen. Es spielt hiebei keine Rolle, ob die letztwillige Verfügung dann dazu führt, dass jener Gegenstand oder jenes Recht, über das verfügt worden ist, in die Verlassenschaftsabhandlung einzubeziehen ist oder nicht. Die letztwillige Verfügung über die Begünstigung aus einer Lebensversicherung ist daher, soweit ihr andere Vereinbarungen nicht entgegenstehen, grundsätzlich schon aufgrund der Bestimmungen des bürgerlichen Rechts zulässig. § 166 VersVG hat daran nichts geändert. Diese Bestimmung soll lediglich einerseits dem Versicherungsnehmer die freie Verfügbarkeit bezüglich der Begünstigung einräumen und andererseits den Versicherer davor schützen, dass er, obwohl er bei der Auszahlung der ihm bekanntgegebenen Begünstigung entsprochen hat, von dem ohne seine Kenntnis an die Stelle des bisher Begünstigten Gesetzten neuerlich in Anspruch genommen wird. Wie bereits oben ausgeführt wurde, ist ein solches Auseinanderfallen des Verhältnisses des Versicherers zu dem ihm bekannten Begünstigten einerseits und der materiellen Berechtigung andererseits möglich und im Streit mehrerer Anspruchswerber untereinander auch rechtlich beachtlich.

Es ergibt sich sohin, dass das Berufungsgericht auch die dritte der aufgeworfenen Rechtsfragen richtig gelöst hat, weshalb auch nicht geprüft werden musste, ob die Polizze beim Tod des Versicherungsnehmers in dessen Besitz oder mit Willen des Erblassers im Besitz der Klägerin war, in welchem Falle der Anspruch der Klägerin auch ohne das Testament gegeben wäre (VersRdSch 1960, 348, SZ 17/125 ua).

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens ist in den §§ 41 und 50 ZPO begründet.

Textnummer

E117070

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1984:0070OB00018.840.0405.000

Im RIS seit

10.02.2017

Zuletzt aktualisiert am

14.02.2017
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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