TE OGH 1984/5/22 9Os51/84

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Veröffentlicht am 22.05.1984
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 22. Mai 1984 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Obauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Steininger, Dr. Horak (Berichterstatter), Dr. Reisenleitner und Dr. Felzmann als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Lurz als Schriftführerin in der Strafsache gegen Hubert A wegen des Vergehens der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 2

lit a und b FinStrG über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Kreisgerichtes Ried im Innkreis als Schöffengericht vom 27. Jänner 1984, GZ 7

Vr 295/83-29, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Erster Generalanwalt Dr. Nurscher, des Angeklagten Hubert A und des Verteidigers Dr. Nagele zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Den Berufungen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der 55-jährige Hubert A der Vergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 2 lit a und lit b FinStrG schuldig erkannt. Darnach bewirkte er in Schärding am Inn als Geschäftsführer der B Bau- und Beteiligungsgesellschaft m.b.H. und der C OHG 1. von Jänner 1980 bis Jänner 1981, und zwar bis Oktober 1980 im bewußten und gewollten Zusammenwirken mit Dr. Gustav B vorsätzlich unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von dem § 1 (richtig: § 21) des Umsatzsteuergesetzes 1972 entsprechenden Voranmeldungen dadurch, daß Umsätze für den jeweiligen Voranmeldungszeitraum verschwiegen wurden, eine Verkürzung von Vorauszahlungen an Umsatzsteuer in der Gesamthöhe von 36,420.429 S und 2.

von 1978 bis 1981 dadurch, daß Vorteile aus dem Dienstverhältnis und Sachbezüge in den Lohnkonten nicht aufgezeichnet wurden, sohin unter Verletzung der Verpflichtung zur Führung von dem § 76 des Einkommensteuergesetzes 1972 entsprechenden Lohnkonten, eine Verkürzung von Lohnsteuer und Dienstgeberbeiträgen zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen.

Rechtliche Beurteilung

Der vom Angeklagten dagegen erhobenen, nominell auf die Z 3, 5 und 9 lit b (hilfsweise auch 9 lit a) des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde kommt - im Ergebnis - Berechtigung nicht zu. Hinsichtlich des erstangeführten Faktums ging das Schöffengericht davon aus, daß der vom Angeklagten am 13. August 1981 erstatteten rechtzeitigen und vollständigen Selbstanzeige strafbefreiende Wirkung nach § 29 Abs 1 FinStrG nicht zukomme, weil die Beträge, für die er zur Haftung herangezogen werden konnte, nicht innerhalb eines Jahres nach der Selbstanzeige entrichtet wurden. Der Ansicht des Angeklagten, durch das Ansuchen um Stundung sei die Fälligkeit der Abgabenschuld bis zur Entscheidung der Behörde unterbrochen, könne nicht beigetreten werden, weil ein Stundungsansuchen grundsätzlich keine aufschiebende Wirkung habe, sondern bloß im Falle einer stattgebenden Entscheidung die bereits eingetretene Fälligkeit nachträglich beseitigen könne. Demgegenüber vermeint der Nichtigkeitswerber, er sei weder selbst Abgabenschuldner, noch könne er im Sinne des § 9 Abs 1 BAO (Bundesabgabenordnung) zur Haftung für die Abgabenschuld herangezogen werden.

Der Vertreter einer juristischen Person hafte nämlich nur dann, wenn die Abgaben beim Abgabenpflichtigen nicht eingebracht werden könnten, also nur im Rahmen einer Ausfallsbürgschaft. Vorliegend habe die Finanzverwaltung aber ab Kenntnis der Abgabenhinterziehung nie versucht, die ausstehende Abgabenverbindlichkeit einbringlich zu machen. Hätte sie dies versucht, wäre es sicherlich gelungen, weil die Abgabenschuldnerin Forderungsabtretungen in der Höhe von 74 Mio S angeboten habe. Auch könne keine Rede davon sein, daß eine schuldhafte Pflichtverletzung des Beschwerdeführers zur Uneinbringlichkeit der Abgabenschuld geführt habe. Da er mithin zur Haftung hiefür nicht herangezogen werden könne, genüge die rechtzeitige Erstattung der vollständigen Selbstanzeige, um ihn straflos werden zu lassen, ohne daß nach § 29 Abs 2 FinStrG eine Bezahlung der verkürzten Abgaben innerhalb Jahresfrist erfolgen müsse.

Dieser Argumentation kann nicht beigepflichtet werden:

Gemäß § 29 Abs 2 FinStrG tritt Straffreiheit infolge Selbstanzeige nur insoweit ein, als der Behörde ohne Verzug die für die Feststellung der Verkürzung oder des Ausfalles bedeutsamen Umstände offen gelegt und die sich daraus ergebenden Beträge, die der Anzeiger schuldet oder für die er zur Haftung herangezogen werden kann, den Abgaben- oder Monopolvorschriften entsprechend entrichtet werden, wobei ein allenfalls gewährter Zahlungsaufschub ein Jahr - gerechnet ab der Selbstanzeige - nicht überschreiten darf. Bei Prüfung der Haftungsfrage ist nun vorliegend davon auszugehen, daß der Beschwerdeführer selbst Täter bzw. Mittäter des Vorsatzdeliktes nach § 33 Abs 2 lit a FinStrG war und mithin als Gesamtschuldner (im Falle seiner rechtskräftigen Verurteilung wegen dieses Deliktes nach § 11 BAO) und nicht bloß subsidiär nach § 9 BAO zur Haftung herangezogen werden konnte (vgl. Reeger-Stoll, Kommentar zur BAO, Anmerkung 7 zu § 9 BAO und Stoll, Handbuch zur Bundesabgabenordnung, S 31).

Auf der Basis der hiedurch gegebenen Solidarschuldnerhaftung kommt es aber - der Beschwerde zuwider - darauf, inwieweit die Abgabenverbindlichkeiten bei der Abgabenschuldnerin einbringlich gemacht hätten werden können und ob Pflichtverletzungen des Angeklagten die Uneinbringlichkeit der Abgaben bewirkten, nicht an; genug daran, daß unbestrittenermaßen nicht die ganze Schuld rechtzeitig gutgemacht wurde, wobei es außer Betracht bleiben kann, ob der Finanzbehörde Zessionen angeboten, von ihr aber nicht angenommen wurden;

denn nur die tatsächliche Entrichtung der Steuerschuld innerhalb Jahresfrist führt zur Strafaufhebung infolge Selbstanzeige, wobei es gleichgültig ist, welche Umstände die Erfüllung dieser Bedingung hinderten. Desgleichen ist es angesichts dessen, daß es sich bei § 29 Abs 2 FinStrG um eine Ausnahmebestimmung handelt, die eng und nicht ausdehnend zu interpretieren ist und mithin volle Schadensgutmachung erfordert (vgl. Sommergruber, Das österreichische Finanzstrafrecht, Band 4, S 166 f), rechtlich irrelevant, daß innerhalb der Jahresfrist des § 29 Abs 2 FinStrG auf die Abgabenschuld von rund 36 Mio S ca. 23 Mio S bezahlt wurden. Im Ergebnis erweist sich sonach der Schuldspruch zu Punkt 1 als frei von Rechtsirrtum und Feststellungsmängeln.

Unter Berufung auf die Z 3 und 5 des § 281 Abs 1 StPO wendet sich der Beschwerdeführer weiters gegen den Schuldspruch zu Punkt 2 des Urteils und meint hiezu, dieses lasse eine Konkretisierung der Tat (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) vermissen. Aus dem Tenor gehe nämlich nicht hervor, daß der Beschwerdeführer nur der unrichtigen Führung seines eigenen Lohnkontos, nicht aber auch der Konten von Ing. D, N. E und Dipl.Ing. F schuldig erkannt worden sei.

Auch dieser Einwand schlägt nicht durch. Aus dem betreffenden Urteilsspruch und den hiemit eine Einheit bildenden Gründen (vgl. S 367 bis 369) ergibt sich nämlich mit unmißverständlicher Deutlichkeit, daß das Schöffengericht den Angeklagten nur der unrichtigen Führung seines eigenen Lohnkontos für schuldig befunden hat, ohne allerdings die Höhe der hiedurch wissentlich (§ 33 Abs 2 lit b FinStrG in Verbindung mit § 5 Abs 3 StGB) bewirkten Abgabenverkürzung feststellen zu können (vgl. S 368 f). Von einer mangelnden Konkretisierung der Tat kann daher keine Rede sein (vgl. auch Mayerhofer/Rieder, E Nr. 2 a zu § 260 StPO).

Soweit der Beschwerdeführer im Rahmen seiner Mängelrüge (Z 5) meint, das Erstgericht habe zu Unrecht angenommen, er habe die Besteuerung seines Sachbezuges mit 'voller Absicht' verhindert und in diesem Zusammenhang die Widersprüche in der Aussage des Zeugen G nicht gewürdigt, so entzieht sich dies mangels Substantiierung der behaupteten 'Widersprüche' einer sachbezogenen Erörterung; es kann mit diesem Hinweis sein Bewenden haben.

Es kann aber auch nicht von einer unzureichenden Begründung der genannten Konstatierung gesprochen werden, weil die Aussage des Zeugen G (vgl. S 357 ff., 369) eine hinreichende Stütze für die Annahme bietet, der Beschwerdeführer habe den Sachbezug einer Dienstwohnung durch die bewußt unrichtige Behauptung, er habe das in Rede stehende Haus gekauft, zu verschleiern gesucht.

Was endlich die vom Erstgericht konstatierte und vom Beschwerdeführer als unzureichend begründet gerügte Verantwortlichkeit des Angeklagten für die Lohnkonten der Firma betrifft, erübrigen sich hiezu angesichts dessen, daß ihm ohnehin nur Malversationen in bezug auf das eigene Lohnkonto angerechnet wurden, weitere Erörterungen in bezug auf die Beschwerdebehauptung, man könne den Angeklagten nicht für die Führung der Lohnkonten von

1.200 Dienstnehmern verantwortlich machen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde erweist sich sonach als zur Gänze unbegründet, weshalb sie zu verwerfen war.

Das Schöffengericht wertete bei der Strafbemessung als erschwerend das Zusammentreffen zweier Finanzvergehen und den äußerst hohen Schadensbetrag zu Faktum 1, zog als mildernd den bisherigen ordentlichen Lebenswandel des Angeklagten, die schwierige Wirtschaftssituation des Unternehmens, die Weisungsgebundenheit gegenüber Dr. B, die teilweise Schadensgutmachung, die Selbstanzeige und das reumütige Geständnis zu Faktum 1

in Betracht und verhängte über den Angeklagten gemäß § 21, 33 Abs 5 FinStrG eine Geldstrafe in der Höhe von 40.000 S, für den Fall der Uneinbringlichkeit ein Jahr Ersatzfreiheitsstrafe, sowie ferner eine Freiheitsstrafe in der Dauer eines Jahres, die es gemäß § 43 Abs 1 StGB (richtig: § 26 Abs 1 FinStrG in Verbindung mit § 43 Abs 1 StGB) unter Setzung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachsah. Die Staatsanwaltschaft begehrt mit ihrer Berufung eine Erhöhung der Geldstrafe und die Ausschaltung der bedingten Strafnachsicht, wogegen der Angeklagte eine derartige Nachsicht auch in bezug auf die Geldstrafe sowie ferner anstrebt, von der Verhängung einer Freiheitsstrafe gänzlich abzusehen.

Keines der beiden Rechtsmittel ist begründet.

Die Meinung der Anklagebehörde, das Erstgericht habe die Weisungsgebundenheit des Angeklagten gegenüber dem (in der Zwischenzeit) verstorbenen Dr. B überbewertet, zumal die Annahme, der Angeklagte hätte mit dem Verlust seines Arbeitsplatzes rechnen müssen, wenn er den Weisungen seines Chefs nicht nachgekommen wäre, schon deshalb ins Leere gehe, weil der Angeklagte nach seinem Ausscheiden bei den H sofort wieder einen adäquaten Arbeitsplatz in Wien gefunden habe, entbehrt der Denkfolgerichtigkeit, weil bei der genannten Befürchtung vor Entlassung auf den Zeitpunkt des Geschehens abgestellt werden muß und es unzulässig ist, hier bereits Ereignisse mitzuberücksichtigen, die erst später eingetreten sind. Da es aktenkundig um die Existenz des Unternehmens ging, vermögen auch die überlegungen der Staatsanwaltschaft darüber, Dr. B hätte einen Mitarbeiter gar nicht kündigen können, mit dem er gemeinsam Steuerhinterziehungen begangen habe, nicht zu überzeugen. Ferner spricht der Umstand, daß späterhin aus volkswirtschaftlichen Gründen erhebliche Abgabenreste in Millionenhöhe nachgesehen wurden, dafür, daß für die Arbeitsplätze bei den betreffenden Unternehmen akute Gefahr bestand. Füglich kann daher der Ansicht des Erstgerichtes, die schwierige Wirtschaftssituation des Unternehmens müsse dem Angeklagten als mildernd zugute gehalten werden, nicht widersprochen werden. Da schließlich auch denkbar ist, daß trotz Selbstanzeige im Strafverfahren kein Geständnis abgelegt wird, haben die Tatrichter vorliegend beide Umstände mit Recht als mildernd gewertet.

Anderseits hat das Erstgericht die vom Angeklagten in seiner Berufung angeführten Umstände im wesentlichen ohnehin berücksichtigt. Wenn der Berufungswerber vermeint, es müsse ihm zusätzlich zugute gehalten werden, daß er persönlich keinerlei Vorteile aus der Abgabenhinterziehung gewonnen habe, ist er darauf hinzuweisen, daß durch sein deliktisches Verhalten immerhin auch der eigene wohldotierte Arbeitsplatz erhalten werden sollte und - wenn auch nur kurzzeitig - tatsächlich erhalten wurde.

Alles in allem bedürfen mithin die erstgerichtlichen Strafzumessungsgründe keiner nennenswerten Korrektur. Geht man aber davon aus, und legt man namentlich der bisherigen Unbescholtenheit, der Selbstanzeige und der Motivation des Angeklagten die gebührende Bedeutung bei, dann erweisen sich die vom Erstgericht geschöpften Unrechtsfolgen als durchaus tatschuldadäquat und sonach den angestrebten Abänderungen unzugänglich.

Im einzelnen ist hiezu noch auszuführen, daß die vom Erstgericht gewährte bedingte Strafnachsicht in bezug auf die Freiheitsstrafe allein schon in der bisherigen Unbescholtenheit des Angeklagten und in dem festgestellten Abhängigkeitsverhältnis zureichende Begründung findet, es anderseits aber - dies zur Antwort auf das bezügliche Berufungsbegehren des Angeklagten - vorliegend doch der Verhängung einer Freiheitsstrafe bedurfte, um der Begehung ähnlicher Finanzvergehen durch andere entgegenzuwirken (§ 15 Abs 2 FinStrG).

Schließlich konnte dem Begehren des Angeklagten, auch die - ohnehin gering ausgefallene - Geldstrafe bedingt nachzusehen, nicht näher getreten werden, weil dies die Effektivität der Strafe derart herabsetzen würde, daß das Strafübel dem beträchtlichen Unrechtsgehalt der Verfehlungen nicht mehr gerecht wäre. Die mit dem Höchstmaß festgesetzte Dauer der Ersatzfreiheitsstrafe wurde nicht bekämpft.

Die Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.

Anmerkung

E04690

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1984:0090OS00051.84.0522.000

Dokumentnummer

JJT_19840522_OGH0002_0090OS00051_8400000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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