TE OGH 1984/5/24 12Os61/84

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Veröffentlicht am 24.05.1984
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 24. Mai 1984 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Steininger, Dr. Friedrich, Dr. Hörburger und Dr. Lachner als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Korschelt als Schriftführerin in der Strafsache gegen Stefan A und Alfred B wegen des Vergehens der schweren Körperverletzung nach § 83 Abs. 1, 84 Abs. 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden und Berufungen der Angeklagten Stefan A und Alfred B gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 25. August 1983, GZ 2 a Vr 11.515/81-127, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

über die Berufungen wird bei einem Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung entschieden werden.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden der am 16. Februar 1957 geborene Angeklagte Stefan A und der am 6. Juli 1947 geborene Angeklagte Alfred B des Vergehens der schweren Körperverletzung nach § 83 Abs. 1, 84

Abs. 1 StGB schuldig erkannt, weil sie am 20. Oktober 1981 in Wien im bewußten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter Anton C dadurch eine schwere Körperverletzung zufügten, daß sie zunächst jeweils mit den Händen und in der Folge jeweils mit einer Gaspistole wiederholt auf den Kopf des Genannten einschlugen, wobei die Tat eine an sich schwere Verletzung mit einer länger als 24 Tage dauernden Gesundheitsschädigung und Berufsunfähigkeit, nämlich einen Bruch des Hinterhauptbeines sowie Rißquetschwunden am Schädel bzw. im Gesicht und einen Bluterguß am rechten Auge, zur Folge hatte. Nach den wesentlichen Urteilsannahmen kam es am 20. Oktober 1981 im Cafe 'Bibi' in Wien-Donaustadt zwischen dem Angeklagten Alfred B und Anton C wegen einer (nicht ausgeforschten, unbekannten) Frau, die beim Tisch CS Platz genommen hatte, zu einer Auseinandersetzung. Die Aufforderung CS, die Frau in Ruhe zu lassen und sich zu entfernen, erwiderte der Angeklagte B mit Schlägen gegen den Kopf des Genannten; dann ging er zwei Schritte zurück, griff in den Hosenbund, holte seine Gaspistole hervor, erfaßte sie am Lauf und schlug mit dem Griff auf den noch sitzenden C ein (AS 57, Band II). Als B die ersten Tätlichkeiten setzte, entschloß sich der Angeklagte Stefan A, 'mittätig zu werden'. Er eilte zum Tisch, an dem C noch immer saß, schlug auf diesen ein und zog dann seine in der Kleidung verwahrte Pistole, hielt sie ebenfalls am Lauf fest und schlug mit dieser Waffe ebenso wie Alfred B mehrmals auf den Sitzenden ein. B hatte beim Ziehen seiner Gaspistole die Tätlichkeiten des Angeklagten A bemerkt und setzte nunmehr seine Schläge mit der Waffe gegen C so lange fort, bis ihn A schreiend aufforderte, aus dem Wege zu gehen, 'er werde ihm (gemeint C) eine krachen'. A zielte mit der Pistole auf C, verfehlte ihn aber, weil der Angeklagte B dem Anton C noch einen Fußtritt versetzte und ihn dadurch umstieß. Beide Angeklagten hatten die Möglichkeit, Anton C schwer zu verletzen, für wahrscheinlich gehalten und sich damit abgefunden (AS 57, 58, 68, Band II).

Bei den von beiden Angeklagten mit Verletzungsvorsatz geführten Tätlichkeiten erlitt Anton C die im Spruche beschriebenen (schweren) Verletzungen (AS 59, Band II), wobei nach den Urteilsfeststellungen die an sich schwere Verletzung, nämlich der Bruch des Hinterhauptbeines sowie Rißquetschwunden am Schädel, durch einen wuchtigen Schlag mit einem Tatwerkzeug gegen den Kopf entstanden ist, während die Verletzungen im Gesicht durch Schläge mit der unbewehrten Faust entstanden sein können. Als solches Tatwerkzeug kommen im vorliegenden Fall nur die Griffe der Pistolen der beiden Angeklagten in Frage (AS 67, Band II).

Den Schuldspruch bekämpfen beide Angeklagte mit jeweils auf die Nichtigkeitsgründe nach § 281 Abs. 1 Z 5 und 10 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerden.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Stefan A:

In seiner Mängelrüge (Z 5) bezeichnet der Angeklagte A die Urteilsannahme als 'aktenwidrig', derzufolge er C mit einem Pistolenschuß verfehlt, weil der Angeklagte B dem (bereits verletzten) C (noch) einen Fußtritt versetzte und 'diesen' dadurch umstieß (AS 58, Band II): Der als Grundlage für diese Feststellung einzig in Betracht kommenden Aussage des Zeugen Engelbert D sei vielmehr zu entnehmen, daß B ihn, den Beschwerdeführer, gestoßen und sich dadurch ein Schuß aus seiner Pistole gelöst habe.

Rechtliche Beurteilung

Der bekämpften Urteilsannahme kommt aber in Ansehung des Schuldspruches wegen schwerer Körperverletzung gar keine entscheidungswesentliche Bedeutung zu, weil die Verletzungen des Angeklagten CS durch Schläge mit den Händen und mit den (Gas-)Pistolen, nicht aber durch Fußtritte entstanden sind, und der Abgabe oder Lösung eines Schusses aus der Waffe des Angeklagten A vom Schöffengericht ersichtlich nur eine für den Geschehensablauf illustrative Bedeutung beigemessen wurde.

Im übrigen erschöpft sich die Mängelrüge des Angeklagten Stefan A, in der er mit Beziehung auf die Aussagen der Zeugen Anton C, Wolfgang E, Engelbert D, Franz F und Edith A unter den Aspekten einer Undeutlichkeit und Unvollständigkeit der Urteilsbegründung meint, das Erstgericht hätte bei ausreichender Auseinandersetzung mit diesen Aussagen 'zu dem Schluß kommen müssen', daß zum Zeitpunkt seines Eingreifens der Angriff des Alfred B gegen Anton C bereits abgeschlossen und die schwere Kopfverletzung des Genannten bereits eingetreten war, in einer unzulässigen und daher unbeachtlichen Bekämpfung der schöffengerichtlichen Beweiswürdigung. Denn das Erstgericht konnte auf Grund der zitierten Zeugenaussagen sehr wohl (im Einklang mit den Denkgesetzen und mit allgemeiner Lebenserfahrung) zur überzeugung gelangen, daß der Angeklagte A im stillschweigenden Einvernehmen mit B bereits 'spätestens in dem Augenblick' gegen C tätlich geworden ist, als B - nachdem er C ohne Verwendung einer Waffe Schläge ins Gesicht versetzt hatte - zurückgewichen ist, um seine Pistole überhaupt erst 'zu ziehen' (AS 62, 63; 68, Band II). Auf geringfügige Divergenzen in den Aussagen dieser Zeugen hat es dabei ohnedies Bedacht genommen, und auch bei der Bewertung der Angaben der Zeugin Edith A stellte es deren Alkoholisierung zur Tatzeit hinreichend in Rechnung (AS 63, Band II); zu einer Erörterung dieser Aussagen in allen Details war es nicht verpflichtet (§ 270 Abs. 2 Z 5 StPO). Demnach haften aber der Feststellung, daß die an sich schwere Verletzung des Anton C erst nach Einsetzen der Beteiligung des Angeklagten A durch einen wuchtigen Schlag gegen den Kopf mit dem Griff einer der als Schlagwaffen verwendeten Pistolen entstand (AS 68, Band II), die geltend gemachten Begründungsmängel nicht an.

Nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt hinwieder ist die Rechtsrüge des Angeklagten A (Z 10), in der er den Boden dieser ein vorsätzliches Zusammenwirken beider Angeklagten bei den Tätlichkeiten und seine (des Beschwerdeführers) unmittelbare aktive Mitwirkung an der Zufügung der schweren Verletzung bejahenden - die Annahme einer Mittäterschaft im Sinne der ersten Alternative des § 12 StGB (AS 68, Band II) und damit seinen Schuldspruch wegen Vergehens der schweren Körperverletzung nach § 83 Abs. 1, 84 Abs. 1

StGB deckenden - Urteilsfeststellungen verläßt und demzufolge die Beurteilung seines Tatverhaltens als Vergehen nach '§ 83 StGB, allenfalls nach § 91

StGB' ohne dementsprechendes Tatsachensubstrat im angefochtenen Urteil anstrebt.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Alfred B:

Auch die Mängelrüge des Angeklagten Alfred B (Z 5) erschöpft sich im Kern in einer Erörterung der Glaubwürdigkeit und Beweiskraft der vom Gerichtshof verwerteten Beweismittel, aus denen der Beschwerdeführer andere, für ihn günstigere Schlußfolgerungen gezogen wissen will, und somit in einem unzulässigen und daher unbeachtlichen Angriff auf die schöffengerichtliche Beweiswürdigung.

Soweit mit dem Beschwerdevorbringen die (fehlende) Feststellung reklamiert wird, die Zeugen Anton C, Engelbert D, Wolfgang E und Franz F hätten 'innerhalb von fünf Stunden sehr viel Alkohol zu sich genommen' (AS 90, 92, Band II; vgl. demgegenüber AS 302, Band I; AS 39, 40, 44, 46, Band II), ficht der Angeklagte damit ersichtlich nur nach Art einer Schuldberufung unzulässigerweise die Glaubwürdigkeit dieser Belastungszeugen an, deren Angaben das Schöffengericht (insbesondere auf Grund ihres persönlichen Eindruckes) im wesentlichen gefolgt ist (AS 62, Band II).

Ins Leere aber geht das gesamte weitere Vorbringen, wonach es dem Beschwerdeführer nach den Urteilsannahmen gar nicht möglich gewesen sei, mit der Pistole auf Anton C einzuschlagen, weil er diese zu einem Zeitpunkt gezogen habe, als er ca. 2,80 bis 3 m von Anton C entfenrt gewesen sei, und der Schöffensenat keine Feststellung dahin getroffen habe, daß er sich nachher wieder zum Tisch des Angegriffenen bewegt habe. Mit dieser Auffassung überdehnt aber der Angeklagte entschieden das Erfordernis konkreter Tatsachenfeststellungen, indem er außer acht läßt, daß sich aus den Urteilsannahmen, wonach er wohl zwei Schritte zurückwich, die Pistole zog, am Lauf erfaßte 'und mit dem Griff auf den noch sitzenden C einschlug' (AS 57; 68, Band II), mit zwingender Logik ergibt, daß sich der Angeklagte B nach dem Ziehen der Pistole naturgemäß wieder in die Reichweite des noch beim Tische gesessenen Anton C begeben hat, ohne daß es einer diesbezüglichen Feststellung über den Bewegungsablauf im Detail bedurfte.

Dem weiteren Beschwerdevorbringen, er habe durch einen Fußtritt gegen den Mitangeklagten verhindern wollen, daß dieser auf Menschen schießt, mangelt es, wie zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten A bereits aufgezeigt wurde, überhaupt an der für die rechtliche Beurteilung des Tatverhaltens der Angeklagten erforderlichen Relevanz. Denn ob und mit welchem Vorsatz der Angeklagte B einen Fußtritt gegen den Mitangeklagten A führte, ist für das Erkenntnis in der Schuldfrage einschließlich der einen bestimmten Strafsatz bedingenden Tatumstände in Ansehung der durch Schläge mit den Händen und den Pistolen herbeigeführten, insgesamt schweren Verletzungen des Anton C bedeutungslos.

Erneut auf das ihm verwehrte Gebiet der Beweiswürdigung begibt sich der Angeklagte B in Wahrheit mit der Behauptung, das Erstgericht habe sich nicht mit verschiedenen Zeugenaussagen 'beschäftigt' und deshalb die für ihn nachteilige Feststellung getroffen, daß es 'zu einem Raufhandel im engeren Sinn, also zu einem wechselweisen Angriff zweier Streitparteien, gar nicht gekommen sei'. Denn der Schöffensenat hat demgegenüber jede einzelne der bezogenen Aussagen ohnehin ausführlich erörtert und im Rahmen der ihm oblegenen unbekämpften Beweiswürdigung (§ 258 Abs. 2 StPO) - lebensnah und denkrichtig - dahin beurteilt, daß es ihren Sinngehalt in Ansehung der Worte 'Rauferei' bzw. 'Raufhandel' eben nicht in der vom Angeklagten erwünschten, für ihn günstigeren Bedeutung verstand. Von der behaupteten aktenwidrigen Zitierung der Aussage der Zeugin G jedoch, die der Beschwerdeführer durch eine unvollständige Wiedergabe der betreffenden Entscheidungsgründe darzutun sucht, kann überhaupt keine Rede sein.

Schließlich entbehrt auch die Rechtsrüge des Angeklagten Alfred B (Z 10), mit der er seine Verurteilung (bloß) wegen Vergehens des Raufhandels nach § 91 Abs. 1 StGB anstrebt, einer gesetzmäßigen Darstellung. Denn der Beschwerdeführer setzt sich hiebei, indem er lediglich auf ein 'Mitansehen der Tätigkeit des Stefan A alleine' abstellt, über jene Urteilsannahmen hinweg, denen zufolge er und sein genannter Komplize im bewußten und gewollten, also einverständlichen Zusammenwirken mit Verletzungsvorsatz Anton C durch Schläge mit Pistolen eine schwere Verletzung zufügten, wobei jeder der beiden Angeklagten Hand an das Opfer legte, sohin an der Tatausführung - nämlich der Herbeiführung der schweren Verletzung - unmittelbar aktiv mitwirkte. Daß bei einer derartigen Fallkonstellation alle Beteiligten als unmittelbare (Mit-) Täter im Sinne des § 12 erste Alternative StGB für die schwere Verletzung nach § 83 Abs. 1, 84 Abs. 1

StGB (im Rechtsmittel ersichtlich irrtümlich 'Abs. 2') haften (vgl. Burgstaller, WK, RZ 36 § 84 StGB) und die Anwendung des insoweit subsidiären Auffangtatbestandes des § 91 Abs. 1 StGB, bei dem der Vorsatz nur die tätliche Teilnahme an der Schlägerei oder an dem Angriff mehrerer umfaßt, ausgeschlossen ist (Kienapfel, BT I 2 § 91 StGB, RN 23, 24 und 27), wird auch vom Beschwerdeführer nicht verkannt.

Es waren daher die Nichtigkeitsbeschwerden beider Angeklagter teils als offenbar unbegründet (§ 285 d Abs. 1 Z 2 StPO), teils als nicht gesetzmäßig ausgeführt (§ 285 d Abs. 1 Z 1, 285 a Z 2 StPO) schon bei einer nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen. über die Berufungen der Angeklagten wird gesondert bei einem Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung entschieden werden (§ 296 Abs. 3 StPO).

Anmerkung

E04753

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1984:0120OS00061.84.0524.000

Dokumentnummer

JJT_19840524_OGH0002_0120OS00061_8400000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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