TE OGH 1984/6/28 12Os79/84

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Veröffentlicht am 28.06.1984
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 28.Juni 1984 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral (Berichterstatter), Dr. Friedrich, Dr. Lachner und Dr. Felzmann als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Korschelt als Schriftführerin in der Strafsache gegen Herbert A und Johannes B wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs. 1, 143 erster Fall StGB. über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Herbert A und Johann B gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Landesgericht Innsbruck vom 22.März 1984, GZ. 20 Vr 3346/83-89, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Stöger, und der Verteidiger Dr. Agstner und Dr. Calice, jedoch in Abwesenheit der Angeklagten zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden verworfen.

Den Berufungen wird dahin Folge gegeben, daß die über die Angeklagten verhängten Freiheitsstrafen herabgesetzt werden, und zwar beim Angeklagten Herbert A auf 5 1/2 (fünfeinhalb) Jahre und beim Angeklagten Johannes B auf 6 (sechs) Jahre.

Gemäß § 390 a StPO. fallen den Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem auf dem Wahrspruch der Geschwornen beruhenden angefochtenen Urteil wurden Herbert A und Johannes B des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs. 1, 143 erster Fall StGB. schuldig erkannt, weil sie am 24.September 1983 in Innsbruck in Gesellschaft als Beteiligte (§ 12 StGB.) Helmut C mit Gewalt gegen seine Person, indem sie ihn niederstießen, am Boden festhielten und ihm Tritte versetzten, fremde bewegliche Sachen, nämlich seine Barschaft von

1.350 S, mit dem Vorsatz weggenommen oder abgenötigt haben, durch deren Zueignung sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern. Die Geschwornen haben die an sie in Richtung des eingangs bezeichneten Verbrechens gestellten Hauptfragen 1 (A) und 9 (B) einstimmig bejaht und demnach folgerichtig sämtliche ihnen gestellten Eventualfragen unbeantwortet gelassen.

Dieses Urteil bekämpfen beide Angeklagten mit jeweils auf § 345 Abs. 1 Z. 8 StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerden.

Rechtliche Beurteilung

Zunächst machen sie übereinstimmend - der Sache nach - geltend, daß der Vorsitzende den Geschwornen insofern eine unrichtige Rechtsbelehrung erteilt habe, als er sie nicht hinreichend über die gemäß § 332 Abs. 2 StPO. (nach Beendigung der Abstimmung) einzuhaltende Vorgangsweise belehrt habe; im speziellen wird in diesem Zusammenhang vom Angeklagten A die unterbliebene Verlesung des Wahrspruchs der Geschwornen, vom Angeklagten B dagegen die unterbliebene Verlesung der Niederschrift der Geschwornen gerügt. Dem ist vorerst zu erwidern, daß der relevierte Nichtigkeitsgrund nur durch eine Unrichtigkeit der - vom Vorsitzenden schriftlich abzufassenden (Par 321 Abs. 1 StPO.) und den Geschwornen sodann auch mündlich zu erteilenden, dabei allenfalls ergänzten (§ 323 Abs. 1 StPO.) - Rechtsbelehrung, die sich auf die erforderlichen Rechtsausführungen zu den an die Geschwornen gestellten Fragen zu beschränken hat (§ 321 Abs. 2 StPO.), verwirklicht werden kann. über die von den Geschwornen bzw. ihrem Obmann einzuhaltende prozessuale Vorgangsweise - darunter auch über den Inhalt der Bestimmungen der §§ 331 Abs. 3 und 332 Abs. 2 StPO. - hingegen wurden die Geschwornen jedenfalls durch die im Beratungszimmer angeschlagene (§ 325 Abs. 2 StPO.) und ihnen in mehreren Exemplaren übergebene 'Allgemeine Rechtsbelehrung für Geschworne', (StPO-Form. RMB 1), eingehend belehrt, auf welche Belehrung in der Einleitung der schriftlich erteilten Rechtsbelehrung im übrigen ausdrücklich hingewiesen wurde. Soweit die Beschwerdeführer bemängeln, daß der Vorsitzende entgegen der Bestimmung des § 323 Abs. 2 letzter Satz StPO. im Rahmen der dort vorgesehenen, an die Erteilung der mündlichen Rechtsbelehrung anzuschließenden 'Besprechung' mit den Geschwornen deren Obmann nicht auch noch mündlich in dieser Richtung belehrt habe, genügt der Hinweis, daß eine derartige Unterlassung nicht mit Nichtigkeit bedroht ist, zumal nicht einmal das gänzliche Unterbleiben einer derartigen Besprechung eine Nichtigkeit zu begründen vermag (Mayerhofer/ Rieder StPO. ENr. 2 zu § 345 Z. 8).

Der Nichtigkeitsgrund der Z. 8 des § 345 Abs. 1 StPO. liegt demnach - entgegen der Meinung der Beschwerdeführer - insoweit nicht vor. Eine in der Unterlassung der in § 332 Abs. 2 StPO. vorgeschriebenen Verlesung (des Wahrspruchs und der im § 331 Abs. 3 StPO. bezeichneten Niederschrift), welche in dem durch § 332 Abs. 1 StPO. vorgezeichneten Rahmen ('parteienöffentlich') zu erfolgen hat, gelegene Gesetzesverletzung hinwieder, in welcher beide Angeklagten nach dem Sinngehalt ihrer Beschwerdeausführungen im gegebenen Zusammenhang ihre eigentliche Beschwer erblicken, begründet - da nicht gemäß § 345 Abs. 1 Z. 4 StPO. mit Nichtigkeit bedroht und auch sonst keinem der in § 345 Abs. 1 StPO.

aufgezählten Nichtigkeitsgründe unterstellbar - keine Nichtigkeit im Sinne der eben angeführten Gesetzesstelle (vgl. EvBl. 1952/98). Im übrigen wäre es den Verteidigern freigestanden, durch eine geeignete Antragstellung auf die von ihnen nunmehr reklamierte Verlesung hinzuwirken und sich dadurch für den Fall ihrer Verweigerung die Geltendmachung des Nichtigkeitsgrundes nach § 345 Abs. 1 Z. 5 StPO. zu ermöglichen.

Soweit der Angeklagte B moniert, daß die schriftliche Rechtsbelehrung (§ 321 Abs. 1 StPO.) im Zeitpunkt ihrer übergabe an die Geschwornen entgegen der gesetzlichen Anordnung vom Vorsitzenden nicht unterschrieben war (vgl. S. 175/II), so vermag er damit weder eine Unrichtigkeit der Rechtsbelehrung im Sinne der Z. 8 des § 345 Abs. 1 StPO. noch sonst einen Nichtigkeitsgrund aufzuzeigen.

Der Angeklagte B erblickt schließlich eine weitere Unrichtigkeit der Rechtsbelehrung und damit den Nichtigkeitsgrund des § 345 Abs. 1 Z. 8 StPO.

darin, daß die Geschwornen über den Begriff 'Mittäter' unrichtig belehrt worden seien, weil die Rechtsbelehrung davon ausgehe, daß Mittäterschaft auch dann vorliegen könne, wenn der Mittäter keine deliktische Ausführungshandlung setzt, und daß die Funktion eines Aufpassers eine typische Funktion eines Mittäters sein könne, obwohl es sich hiebei nur um eine Person handelt, die sonst zur strafbaren Handlung beiträgt (§ 12 dritter Fall StGB.).

§ 345 Abs. 1 Z. 8 StPO. umschreibt zwar einen Nichtigkeitsgrund, für den die Einschränkungen des § 345 Abs. 3 und 4 StPO. keine Geltung haben. Aber nicht jeder wie immer geartete Mangel der Rechtsbelehrung begründet schon als solcher eine Nichtigkeit im Sinne der zitierten Gesetzesstelle, sondern nur eine sachlich erhebliche Unrichtigkeit oder eine solche Unvollständigkeit, durch lche die Geschwornen über für ihren Wahrspruch wesentliche Rechtsbegriffe im Unklaren gelassen werden oder bei Auslegung für die Richtigkeit ihres Wahrspruchs wesentlicher Rechtsbegriffe irregeleitet werden können. Der Umstand, daß die an sich richtige Rechtsbelehrung auch Rechtsbegriffe und Rechtsfragen erörtert, die für eine richtige Beantwortung der den Geschwornen vorgelegten Fragen generell unentscheidend sind, also überflüssige Ausführungen enthält, macht sie im Regelfall nicht zu einer unrichtigen, und zwar selbst dann nicht, wenn diese überflüssigen Ausführungen Unrichtigkeiten enthalten (SSt. 43/3, EvBl. 1973/309, 1982/80, 1983/86).

Zu der an die Geschwornen gestellten Hauptfrage 9 in Richtung der Verübung des Raubes durch Johannes B in Gesellschaft eines Beteiligten wird in der Rechtsbelehrung (S. 4, 5) durchaus zutreffend im Sinne der herrschenden Judikatur ausgeführt, daß der Hinweis (im Gesetz), ein in Gesellschaft eines oder mehrerer Beteiligter verübter Raub werde zum schweren Raub, darauf hinzielt, daß nur solche Beteiligte für die Verwirklichung des Qualifikationsmerkmals nach § 143 erster Fall StGB. in Betracht kommen, die sich am Tatort oder in unmittelbarer Nähe des Tatorts aufhalten und dabei ihren Tatbeitrag leisten.

Die Rechtsbelehrung ist nur insofern dogmatisch verfehlt, als in den folgenden Ausführungen der Begriff 'Mittäter' mit jenem des 'Gesellschaftstäters', dem zufolge der deliktsspezifischen Sondertäterschaftsregelung des § 143 erster Fall StGB. auch solche Beteiligte (§ 12 StGB.) entsprechen, die ansonsten (mangels eigener Ausführungshandlungen) als Beitragstäter i.S. § 12 dritter Fall StGB. zu beurteilen sind (vgl. Leukauf/Steininger Kommentar 2 § 12 RN. 14, § 143

RN. 7, § 127 RN. 74), verwechselt wird. Diese bloß dogmatisch unrichtige und zudem überflüssige Verwendung des im Gesetz gar nicht vorkommenden Begriffs 'Mittäter', der als solcher für die Beantwortung der vorliegenden Frage ohne Bedeutung ist, allein macht aber die Rechtsbelehrung nicht zu einer unrichtigen i.S. § 345 Abs. 1 Z. 8 StPO., weil sie nicht geeignet war, die Geschwornen bei Auslegung des für den Wahrspruch wesentlichen Rechtsbegriffs der Verübung des Raubes in Gesellschaft eines Beteiligten (§ 12 StGB.) irrezuleiten.

Beide Nichtigkeitsbeschwerden waren somit als unbegründet zu verwerfen.

Das Geschwornengericht verurteilte nach dem ersten Strafsatz des § 143

StGB. Herbert A zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von sechs Jahren und Johannes B zu einer solchen in der Dauer von sieben Jahren. Bei der Strafbemessung wertete es bei beiden Angeklagten die einschlägigen Vorstrafen (bei A sieben, bei B acht), den verhältnismäßig raschen Rückfall und die leichte Verletzung des Raubopfers als erschwerend, als mildernd bei A die bestehende schwere Milieuschädigung und die freiwillige Schadensgutmachung, bei B das Teilgeständnis, die objektive Schadensgutmachung und gleichfalls die bestehende Milieuschädigung, der aber nicht so großes Gewicht beigemessen wurde wie bei dem um drei Jahre jüngeren Angeklagten A.

Die Berufungen beider Angeklagten, mit welchen sie eine Herabsetzung der Strafen anstreben, sind begründet.

Das Geschwornengericht hat die Strafzumessungsgründe vollständig und richtig erfaßt. Dennoch sind die verhängten Strafen bei Abwägung dieser Strafzumessungsgründe und unter Berücksichtigung der allgemeinen Grundsätze für die Bemessung der Strafe (§ 32 StGB.) sowie dem im Vergleich zu anderen schweren Raubtaten nicht so gravierenden Unrechtsgehalt der vorliegenden Tat etwas zu hoch. In Stattgebung der Berufungen waren daher die Strafen auf das im Spruch angeführte, tatschuldangemessene Maß zu reduzieren. Die Kostenentscheidung beruht auf der angeführten Gesetzesstelle.

Anmerkung

E04584

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1984:0120OS00079.84.0628.000

Dokumentnummer

JJT_19840628_OGH0002_0120OS00079_8400000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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