TE OGH 1984/8/30 6Ob638/84

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 30.08.1984
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Resch, Dr. Jensik, Dr. Riedler und Dr. Klinger als Richter in der Rechtssache des Antragstellers Dipl.-Ing. Rudolf K*****, wider die Antragsgegnerin Elisabeth K*****, vertreten durch Dr. Peter Böhm, Rechtsanwalt in Graz, wegen Verlegung der gemeinsamen Wohnung, infolge Revisionsrekurses des Antragstellers gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom 15. Juni 1984, GZ 1 R 171/84-12, womit der Beschluss des Bezirksgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 19. März 1984, GZ 33 F 29/83-9, abgeändert wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Den am 22. 4. 1983 eingebrachten Antrag auf Feststellung der Rechtsmäßigkeit seiner gesonderten Wohnungnahme begründete der Antragsteller mit einer mit der Antragsgegnerin am 29. 6. 1982 getroffenen außergerichtlichen Vereinbarung, wonach er die gemeinsame Ehewohnung in G*****, mit Fertigstellung der im Hause G*****, angezahlten Wohnung zu räumen habe. Dies sei mit 1. 12. 1982 der Fall gewesen; seither lebe er von seiner Gattin und seinen drei Kindern getrennt.

In der Tagsatzung vom 6. 5. 1983 gab die Antragsgegnerin zu, dass sie seinerzeit mit der gesonderten Wohnungnahme ihres Gatten einverstanden gewesen sei, doch müsse sie sich das nunmehr überlegen und werde innerhalb von 14 Tagen dem Gericht mitteilen, ob sie der gesonderten Wohnungnahme ihres Gatten zustimme oder nicht. Eine solche Mitteilung erfolge nicht.

In der Tagsatzung vom 17. 6. 1983 änderte der Antragsteller sein Begehren auf die Feststellung ab, dass sein Verlangen auf Verlegung der gemeinsamen Wohnung rechtmäßig und die Weigerung der Antragsgegnerin mitzuziehen, unrechtmäßig seien. Er brachte vor, die Antragsgegnerin habe sein Verlangen, mit ihm in die neue Wohnung in G*****, mitzuziehen, abgelehnt. Sie habe auch beim Pflegschaftsrichter zu Protokoll gegeben, dass sie vom Antragsteller seit 12. 12. 1982 getrennt lebe und nicht mehr die Absicht habe, mit ihm zusammenzuziehen.

Das Erstgericht hatte im ersten Rechtsgang festgestellt, dass das Verlangen des Antragstellers auf Wohnungsverlegung rechtmäßig sei bzw die Weigerung der Antragsgegnerin, in die neue Wohnung zu ziehen, unrechtmäßig sei.

Dem dagegen erhobenen Rekurs der Antragsgegnerin hatte das Rekursgericht Folge gegeben und den Beschluss des Erstgerichts mit dem Auftrag aufgehoben, die Antragsgegnerin zum geänderten Antrag des Antragstellers zu hören.

Im zweiten Rechtsgang brachte die Antragsgegnerin vor, dass die Wohnung in der P***** nie als Ehewohnung geplant, sondern als Geldanlage gedacht gewesen sei. Die Kinder wollten auch nicht in die neue Wohnung. Der Antragsteller könne zu ihr zurückziehen unter der Voraussetzung, dass die Kinder ebenfalls in der ehelichen Wohnung blieben. Ihre Weigerung, in die neue Wohnung zu ziehen, sei berechtigt, weil der Antragsteller die Antragstellerin wiederholt misshandelt habe und ehewidrige Beziehungen zu Dorothea H***** unterhalte. Die Wohnung in der P***** habe keine bessere Lage und weise auch keine bessere Qualität auf, denn sie liege nordseitig und schattig.

Demgegenüber gab der Antragsteller an, dass mit dem Ankauf der neuen Wohnung die Schaffung einer neuen Ehewohnung bezweckt worden sei. Diese Wohnung befinde sich in einer besseren Wohnlage mit weniger Lärm und mit schnellerem Zugang zur Innenstadt. Auch sei eine Tiefgarage vorhanden. Er sei lärmempfindlich und wolle daher nicht in die lärmstarke Ehewohnung zurückkehren. Er sei aber bereit, die Antragsgegnerin bei sich in der neuen Wohnung aufzunehmen. Dorothea H***** kenne er, doch wohne diese nicht bei ihm. Zu den Kindern habe er schon durch längere Zeit keinen Kontakt mehr und glaube auch nicht, dass sie zu ihm in die neue Wohnung ziehen würden.

Das Erstgericht stellte nunmehr fest, dass das Verlangen des Antragstellers auf gesonderte Wohnungnahme bzw Verlegung der gemeinsamen Wohnung und die Weigerung der Antragsgegnerin, in die neue Wohnung zu ziehen, rechtmäßig seien. Es ging dabei von folgendem wesentlichen Sachverhalt aus:

Der 1963 geschlossenen Ehe der Streitteile entstammen die 1965 geborene Barbara, die 1966 geborene Hanna und der 1968 geborene Stefan. Gleich nach Einzug in die 89 m2 große und aus 4 Zimmern bestehende Ehewohnung in der V***** bemühte sich der Antragsteller um eine neue Wohnung, weil ihn der dortige Lärm störte und er lärmempfindlich ist. An der Wohnung führt nämlich die fequentierte K***** vorbei und in der Nähe befindet sich der Lagerplatz der Firma G*****, sodass viel Lastwagenverkehr herrscht. Andererseits ist die Wohnung sehr sonnig und sie gefällt der Antragsgegnerin, die sehr sonnenhungrig ist, wesentlich besser als die Wohnung in der P*****. Die 95 m2 große und ebenfalls aus 4 Zimmern bestehende Wohnung in der P***** kauften die Streitteile im Jahre 1978. Nach ihrer Fertigstellung bezog sie der Antragsteller am 1. 12. 1982. Es wohnt nur noch ein Untermieter bei ihm, den er jederzeit unter Einhaltung einer 14-tägigen Kündigungsfrist kündigen kann. Die Wohnung ist nicht so sonnig wie die Ehewohnung. Wohnzimmer und Küche liegen westseitig und die übrigen Räume ostseitig. Andererseits befindet sie sich in einer sehr ruhigen Lage, was für den Antragsteller als „Bulmeprofessor“ wichtig ist. Sie hat einen besseren Zugang zur Innenstadt und zu ihr gehört auch eine Tiefgarage. Kein Teil will in die Wohnung des anderen, jedoch ist jeder bereit, den anderen Teil in seine Wohnung aufzunehmen.

Rechtlich folgerte das Erstgericht, dass beide Teile gerechtfertigte Gründe hätten, einerseits für die Verlegung der gemeinsamen Wohnung, und andererseits für die Weigerung mitzuziehen, sodass sich ein nicht einvernehmliches aber auch nicht rechtswidriges getrenntes Wohnen der Ehegatten ergäbe.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragsgegnerin Folge und änderte den erstgerichtlichen Beschluss dahin ab, dass es feststellte, das Verlangen des Antragstellers auf Verlegung der gemeinsamen Wohnung in die P***** sei unrechtmäßig. Es vertrat die Rechtsansicht, für sein Verlangen auf Verlegung der gemeinsamen Wohnung könne der Antragsteller nur persönliche Gründe ins Treffen führen, vor allem seine Lärmempfindlichkeit, nicht jedoch aus Gründen, die für die gesamte Familie von Bedeutung seien. Die Anführung solcher Gründe wäre aber erforderlich, um die Verlegung der gemeinsamen Wohnung als den Mittelpunkt der Lebensgemeinschaft im Sinne des § 90 ABGB zu rechtfertigen. Im Anlassfall nehme jedoch der Antragsteller bei seinem Verlangen auf Wohnungsverlegung weder auf die ideellen (die Ehegattin sei sonnenhungrig) noch auf die materiellen (die Ehegattin sei Eigentümerin der bisherigen gemeinsamen Wohnung) Interessen der Antragsgegnerin Bedacht und berücksichtige auch nicht das Wohl und den Willen seiner Kinder, zu denen er schon durch längere Zeit keinen Kontakt habe und von denen er selbst annehme, dass sie nicht in die neue Wohnung ziehen wollten. Der in der Lärmempfindlichkeit gelegene einzige persönliche Rechtfertigungsgrund des Antragstellers müsse bei Abwägung mit den Interessen der Antragsgegnerin und unter Berücksichtigung der Interessen der Kinder in den Hintergrund treten.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der Revisionsrekurs des Antragstellers mit dem Antrag auf Aufhebung des Beschlusses, dass sein Verlangen der Wohnsitznahme in der P***** unrechtmäßig sei.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist nicht gerechtfertigt.

Was zunächst den Rechtsmittelantrag anlangt, so lautet dieser zwar nur auf Aufhebung des Beschlusses des Rekursgerichts, doch ist dem Vorbringen im Rechtsmittel mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen, dass der Antragsteller die Stattgebung seines Antrags auf Verlegung der gemeinsamen ehelichen Wohnung anstrebt.

Dem Rekursgericht ist zunächst beizupflichten, dass im Hinblick auf die Änderung des Antrags in der Tagsatzung vom 17. 6. 1983 nicht mehr zu prüfen ist, ob der Antragsteller im Sinne des § 92 Abs 2 ABGB bei Vorliegen der von ihm behaupteten Vereinbarung gerechtfertigt eine gesonderte Wohnung genommen hat, sondern nur, ob sein Verlangen auf Verlegung der gemeinsamen Wohnung in die P***** im Sinne des § 92 Abs 1 ABGB gerechtfertigt ist.

Dem Rekursgericht kann zwar nicht zugestimmt werden, wenn es davon ausgeht, ein solcher Antrag müsse auf Gründe gestützt sein, welche für die gesamte Familie von Bedeutung seien. Verlangt gemäß § 92 Abs 1 ABGB ein Ehegatte aus gerechtfertigten Gründen die Verlegung der gemeinsamen Wohnung, so hat der andere diesem Verlangen zu entsprechen, es sei denn, er habe gerechtfertigte Gründe von zumindest gleichem Gewicht, nicht mitzuziehen. Solche gerechtfertigten Gründe des Antragstellers können aber auch ausschließlich in seiner Person begründet sein, wie etwa berufliche oder gesundheitliche Gründe (AB 1662 BlgNR XIII. GP S 3; Ent-Hopf, Die Neuordnung der persönlichen Rechtswirkungen der Ehe 39 f; vgl auch Faistenberger-Gschnitzer, Familienrecht 70). Dass nur eine solche Auslegung sinnvoll ist, wenngleich der aus dem Ausschussbericht hervorgehende Wille des Gesetzgebers im Gesetzeswortlaut nicht klar zum Ausdruck kam (vgl Schwimann, Die nicht vermögensrechtlichen Ehewirkungen im neuen Recht, ÖJZ 1976, 365 insbesondere 369 f; Feil, ABGB, Handkommentar II 114 f), ergibt sich daraus, dass jede andere Auslegung insofern eine krasse Einseitigkeit zur Folge hätte, als persönliche Rechtfertigungsgründe von zumindest gleichem Gewicht zwar zugunsten des verbleibenden, nicht aber auch zugunsten des wegziehenden Gatten berücksichtigt werden dürften. Eine sinnvolle Auslegung dieser Bestimmung kann daher nur darin liegen, dass sich beide Teile für ihren jeweiligen Standpunkt sowohl auf persönliche Gründe als auch auf solche berufen können, welche für die ganze Familie gelten. Im Rahmen seiner Entscheidung hat das Gericht allerdings auch dann, wenn es die vom Antragsteller herangezogenen Gründe für gerechtfertigt hält, abzuwägen, wie sich die angestrebte Verlegung der Wohnung auf die anderen Familienmitglieder auswirken würde und ob danach das Interesse des Antragstellers an der Verlegung der gemeinsamen Wohnung gegenüber den Interessen der Antragsgegnerin überwiegt, wobei gemäß § 92 Abs 3 ABGB auf die gesamten Umstände der Familie, besonders auf das Wohl der Kinder, Bedacht zu nehmen ist. Ergibt diese Interessenabwägung, dass die Gründe des Antragstellers überwiegen, wäre die Weigerung der Antragsgegnerin, mitzuziehen, rechtswidrig, sprächen dagegen die überwiegenden Interessen der Antragsgegnerin und der Kinder für einen Verbleib in der bisherigen gemeinsamen Wohnung, dann wäre das Begehren des Antragsstellers nicht gerechtfertigt (Koziol-Welser, Grundriss des bürgerlichen Rechts6, II 163; Steininger, Die persönlichen Ehewirkungen im neuen österreichischen Recht, FamRZ 1979, 781; Ent-Hopf aaO 98 f; Schwind, Eherecht2 44 f; Migsch in Floretta, Das neue Ehe- und Kindschaftsrecht 45; vgl auch Schwimann aaO). Bei gleichgewichtigen Interessen braucht dagegen die Antragsgegnerin nicht mitzuziehen und es käme dann zu einer getrennten Wohnung der Ehegatten, ohne dass einem von ihnen ein rechtlicher Vorwurf gemacht werden könnte (Ausschussbericht aaO; Ent-Hopf aaO 98 f; Steininger aaO; Koziol-Welser aaO; Migsch aaO, Pichler in Rummel, ABGB I Rdz 3 zu § 92).

Der Antragsteller hat sich einerseits darauf berufen, dass sich die neue Wohnung in einer besseren Wohnlage mit weniger Lärm und mit schnellerem Zugang zur Innenstadt befinde, er lärmempfindlich sei und dass beide Ehegatten die neue Wohnung bereits im Jahre 1978 zu dem Zweck gekauft hätten, die Ehewohnung dorthin zu verlegen. Selbst wenn die letztere von der Antragsgegnerin bestrittene Behauptung zutreffen sollte, wäre jedoch für den Antragsteller nichts gewonnen. Wohl sollen die Ehegatten gemäß § 91 EheG ihre eheliche Lebensgemeinschaft unter Rücksichtnahme aufeinander und das Wohl ihrer Kinder einvernehmlich gestalten. Wenn man es auch bei der einvernehmlichen Gestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft nicht mit einer Vereinbarung zu tun ha, ,die einen klagbaren Anspruch geben würde, haben die Ehegatten doch immerhin damit einvernehmlich eine tatsächliche Lage geschaffen, aus der einer von ihnen nicht einseitig ohne Grund ausbrechen darf (Ent-Hopf aaO 34). Das Einvernehmen schafft zumindest einen Vertrauenstatbestand, auf den sich jeder Ehepartner verlassen können muss (Migsch aaO 21; Schwimann aaO 371). Die einseitige Aufhebung der Vereinbarung ist den Gatten nicht verwehrt, jedoch kann das grundlose einseitige Abgehen unter Umständen rechtswidrig sein, wenn es Interessen des anderen Teiles oder der Kinder ungerechtfertigt verletzt (Schwimann aaO, Schwind aaO 42). Der Antragsteller brachte jedoch im vorliegenden Fall selbst vor, die Ehegatten hätten im Jahre 1982 im Zuge eines Scheidungsverfahrens die Vereinbarung getroffen, dass nur der Antragsteller in die Wohnung P***** einziehen sollte. Damit wurde nach seinem eigenen Vorbringen das behauptete seinerzeitige Einverständnis, dass die Wohnung P***** die künftige Ehewohnung sein sollte, abgeändert. Damit verbleibt als einziger Grund für den Antrag die behauptete ruhigere zentralere Lage der Wohnung in der P***** in Verbindung mit der Lärmempfindlichkeit des Antragstellers. Dies allein reicht jedoch nicht aus, um bei Abwägung der beiderseitigen Interessen und Einbeziehung der Interessen der Kinder eine Verlegung der gemeinsamen Wohnung zu rechtfertigen. Hier ist insbesondere zu beachten, dass auch derzeit nach dem eigenen Vorbringen des Antragstellers im Revisionsrekurs zwischen den Ehegatten ein Scheidungsverfahren anhängig ist. Gerade während eines anhängigen Scheidungsverfahrens ist die Verlegung der ehelichen Wohnung gegen den Widerspruch des anderen Eheteils diesem in der Regel nicht zumutbar und vor allem auch nicht im Interesse der Kinder gelegen. Die mit jedem Wohnungswechsel verbundene Unterbrechung des geregelten Alltags muss im Zusammenhang mit den aus Anlass eines Scheidungsverfahrens naturgemäß vorhandenen Spannungen zwischen den Ehegatten zu besonderen Schwierigkeiten und Belastungen führen, wenn man bedenkt, dass es auch unter normalen Bedingungen eine Zeit lang dauert, bis die Anfangsschwierigkeiten überwunden sind und sich die Familie an ihre neue Umgebung angepasst hat. Gerade in einer solchen Situation ist auch auf die Interessen der anderen Familienangehörigen besonders Rücksicht zu nehmen. Dass aber eine Verlegung der ehelichen Wohnung ungeachtet des anhängigen Scheidungsverfahrens unumgänglich notwendig wäre, wurde vom Antragsteller gar nicht behauptet und wäre durch die Lärmempfindlichkeit des Antragstellers allein auch nicht begründet.

Dem Revisionsrekurs war daher ein Erfolg zu versagen.

Textnummer

E115578

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1984:0060OB00638.840.0830.000

Im RIS seit

13.09.2016

Zuletzt aktualisiert am

13.09.2016
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten