TE OGH 1984/10/11 7Ob649/84 (7Ob650/84)

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Veröffentlicht am 11.10.1984
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Petrasch, Dr. Wurz, Dr. Warta und Dr. Egermann als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei L***** Gesellschaft mbH in Liquidation, vertreten durch Dr. Hans Mayr, Rechtsanwalt in Hall in Tirol, wider die beklagte Partei T*****gesellschaft mbH & Co KG, *****, vertreten durch Dr. Walter Riedl, Rechtsanwalt in Wien, wegen Räumung und 3.967.310,88 S sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 3. Mai 1984, GZ 1 a R 156/84-9, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichts Hall in Tirol vom 20. Dezember 1983, GZ C 681/83-4, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Ing. Max S***** vermietete der Rechtsvorgängerin der Beklagten am 3. 4. 1973 die Liegenschaften EZ ***** KG ***** und EZ ***** KG *****. Nach dem Mietvertrag sollten die jeweiligen Rechtsnachfolger der Parteien in den Vertrag eintreten. Tatsächlich wurde am 4. 4. 1978 ein Nachtrag verfasst, demzufolge die Firma L*****gesellschaft mbH & Co KG Rechtsnachfolgerin des Vermieters ist und demnach gemäß § 1120 ABGB an dessen Stelle in den Mietvertrag eintritt.

Die Firma L*****gesellschaft mbH & Co KG wurde am 21. 11. 1973 in das Handelsregister des Landesgerichts Innsbruck eingetragen. Außerdem ist seit 8. 5. 1974 ihr Eigentumsrecht ob den beiden vermieteten Liegenschaften einverleibt, woran sich bisher nichts geändert hat. Dagegen wurde die Firma mit Beschluss des Landesgerichts Innsbruck vom 10. 10. 1977 im Handelsregister von Amts wegen gelöscht.

Persönlich haftende Gesellschafterin der L*****gesellschaft mbH & Co KG war die Klägerin. Kommanditisten waren Dipl.-Ing. Helmut S***** und Inger S*****. Nach dem Tod des Dipl.-Ing. Helmut S***** am 26. 4. 1982 übertrug seine Verlassenschaft, vertreten durch die erbserklärten Erben, mit dem pflegschaftsbehördlich genehmigten Vertrag vom 22. 12. 1982 den Miteigentumsanteil an der infolge Löschung der L*****gesellschaft mbH & Co KG entstandenen Gesellschaft bürgerlichen Rechts der Klägerin und Inger S*****. Mit Vertrag vom 22. 12. 1982 trat Inger S***** ihren Anteil am Gemeinschaftsvermögen der Klägerin ab.

Mit der Behauptung, die Beklagte habe seit längerer Zeit trotz Mahnung den Mietzins für die Liegenschaften nicht bezahlt, begehrt die Klägerin gemäß § 1118 ABGB die Räumung der Liegenschaft. Mit der zu C 770/83 des Erstgerichts eingebrachten und mit der vorliegenden Klage zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen Klage verlangt die Klägerin außerdem den rückständigen Mietzins von 3.967.310,88 S sA.

Die Vorinstanzen haben das Klagebegehren wegen fehlender Aktivlegitimation der Klägerin abgewiesen, wobei das Erstgericht den Standpunkt vertrat, die Anteile an der seinerzeitigen Vermieterin seien zwar ordnungsgemäß auf die Klägerin übergegangen, doch sei der außerbücherliche Erwerber einer Liegenschaft zur Geltendmachung der Rechte aus diese Liegenschaft betreffenden Bestandverträgen nur dann legitimiert, wenn ihm der Besitz und die Verwaltung der Liegenschaft übertragen worden seien. Derartiges habe die Klägerin nicht behauptet.

Das Berufungsgericht vertrat den Standpunkt, die Löschung der Vermieterin im Handelsregister habe noch nicht zu ihrer Vollbeendigung geführt, weshalb nur diese Gesellschaft und nicht eine angebliche Nachfolgerin die Rechte aus dem Bestandvertrag geltend machen könne.

Das Berufungsgericht hat ausgesprochen, dass der Wert des Streitgegenstands, soweit dieser nicht in einem Geldbetrag besteht, 300.000 S übersteigt.

Rechtliche Beurteilung

Die von der Klägerin gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts wegen § 503 Z 3 und 4 ZPO erhobene Revision ist gerechtfertigt.

Die behauptete Aktenwidrigkeit ist allerdings nicht gegeben, weil die Klägerin unter diesem Revisionsgrund nur rechtliche Schlussfolgerungen aus dem festgestellten Sachverhalt bekämpft.

Richtig ist zwar, dass die Auflösung einer Personenhandelsgesellschaft und die Löschung ihrer Firma im Handelsregister deren Partei- und Prozessfähigkeit solange nicht beeinträchtigt, als ihre Rechtsverhältnisse gegenüber Dritten noch nicht abgewickelt sind (RZ 1978/84 ua). Im vorliegenden Fall gehen jedoch beide Parteien und auch das Erstgericht (S 9 dA C 770/83 sowie S 25 des vorliegenden Akts) davon aus, dass die Löschung der L*****gesellschaft mbH & Co KG im Handelsregister von Amts wegen deswegen erfolgt ist, weil diese Gesellschaft kein Vollhandelsgewerbe betreibt und demnach die Voraussetzungen des § 105 (vgl § 161 Abs 1) HGB nicht gegeben sind. Von der Beendigung einer Gesellschaft infolge Auflösung sind jedoch die Fälle zu unterscheiden, in denen eines der im § 105 HGB (gleichlautend § 161 Abs 1 HGB für die Kommanditgesellschaft) genannten Begriffsmerkmale der offenen Handelsgesellschaft entfällt. Hier besteht zwar die Gesellschaft, das vertragliche Band zwischen den Beteiligten, und das ihnen gemeinsam zustehende Gesamthandvermögen fort. Jedoch wandelt sich die Rechtsnatur der Gesellschaft. An die Stelle der offenen Handelsgesellschaft tritt die den geänderten Verhältnissen entsprechende Rechtsform. Abgesehen von der Umwandlung der offenen Handelsgesellschaft in eine Kommanditgesellschaft durch Beschränkung der Haftung bei mindestens einem Gesellschafter, ist hier insbesondere die Umwandlung der offenen Handelsgesellschaft in eine Gesellschaft des bürgerlichen Rechts zu nennen. Sie tritt – auch ohne einen entsprechenden Änderungswillen der Gesellschafter – dann ein, wenn eine der Voraussetzungen entfällt, die § 105 Abs 1 HGB (§ 161 Abs 1 HGB) für das Vorliegen einer Handelsgesellschaft aufstellt, wie zB den Betrieb eines vollkaufmännischen Handelsgewerbes. In diesen Fällen kommt es nicht zur Auflösung der Gesellschaft. Diese besteht vielmehr mit unveränderter Bindungswirkung als Gesellschaft bürgerlichen Rechts weiter. Es ändert sich zwar die Rechtsform, nicht aber die Gesamthandberechtigung der Gesellschafter und das gesamthänderisch gebundene Vermögen. Daher bedarf es weder einer Auseinandersetzung unter den Gesellschaftern noch einer Abwicklung gegenüber Dritten. Demnach ist auch bei zum Gesellschaftsvermögen gehörenden Grundstücken im Grundbuch lediglich die Eigentümereintragung in der Weise zu berichtigen, dass anstelle der Firma der OHG die einzelnen Gesellschafter eingetragen werden (Großkommentar HGB3 II/1 Anm 8 f zu § 131, Schlegelberger, HGB4 II Anm 8 zu § 131, Hueck, Das Recht der OHG4, 8 f, Hämmerle-Wünsch, Handelsrecht3 II 49, HS VIII/13).

Geht man von diesen Erwägungen aus, so ergibt sich, dass der vom Berufungsgericht herangezogene Grund für die Abweisung des Klagebegehrens nicht gegeben sein kann, weil die dort ausgeführten Grundsätze lediglich für den Fall der Auflösung der Gesellschaft, nicht aber für ihre amtswegige Löschung im Handelsregister wegen Fehlens der Voraussetzungen nach § 105 HGB (§ 161 Abs 1 HGB) gelten. In einem solchen Falle tritt an die Stelle der Handelsgesellschaft eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Demnach spielt auch das Fortbestehen der Eintragung der Handelsgesellschaft als Eigentümerin im Grundbuch keine Rolle, weil es sich hiebei lediglich um eine unrichtige Eintragung handelt und für die Beurteilung der Geltendmachung von Rechten von der wahren Rechtsform des Eigentümers ausgegangen werden muss. Im vorliegenden Fall ist sohin auf Seite des Vermieters durch die Löschung der Gesellschaft im Handelsregister die aus ihren Gesellschaftern gebildete Gesellschaft des bürgerlichen Rechts getreten. Diese Gesellschaft war ab dem genannten Zeitpunkt berechtigt, die aus dem Mietvertrag abgeleiteten Rechte geltend zu machen und zwar unabhängig davon, ob eine entsprechende Berichtigung im Grundbuch erfolgt ist oder nicht.

Zutreffend hat nun das Erstgericht erkannt, dass zur Auflösung von Mietverträgen betreffend Liegenschaften im Allgemeinen nur der Eigentümer berechtigt ist, der Erwerber der Liegenschaft also erst ab dem Zeitpunkt seiner Eintragung im Grundbuch. Die ständige Rechtsprechung räumt jedoch auch dem außerbücherlichen Erwerber bereits das Recht zur Auflösung von Bestandverträgen ein, wenn ihm vom Veräußerer der Besitz und die Verwaltung (Nutznießung) der Liegenschaft übertragen wurde und er in den vom bisherigen Eigentümer abgeschlossenen Bestandvertrag eingetreten ist bzw diesen erneuert hat (MietSlg 24.180 ua). Es bedarf allerdings keiner in bestimmte Form gekleideten Übergabe, sondern es genügt, dass der Erwerber den physischen Besitz und die Verwaltung des Hauses erhalten hat (MietSlg 15.119 ua). Es kommt auf die tatsächliche Überlassung an. Im Zweifel ist anzunehmen, dass derjenige, der Eigentum bzw Besitz zu übertragen hat, sich daran hält, dh mit dem Grundstück nichts mehr zu schaffen hat. Die Übertragung wird im Verkehr in der Regel auch nicht besonders erklärt. Eine Besitzergreifungshandlung trägt in der Regel den Besitzwillen in sich, sodass nicht der Beweis des Besitzwillens nötig, sondern nur der Gegenbeweis seines Nichtvorhandenseins zulässig ist (MietSlg 28.169 ua).

Im vorliegenden Fall haben nun die anderen Gesellschafter jener Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die nach den obigen Ausführungen in den Mietvertrag eingetreten ist, ihre Anteile der Klägerin übertragen. Daraus ergibt sich aber eindeutig auch die Absicht der Übertragung des Besitzes und der Verwaltung der betreffenden Liegenschaften, wozu noch kommt, dass die Klägerin seinerzeit die einzige persönlich haftende Gesellschafterin der Handelsgesellschaft war, also jene Gesellschafterin, der nach dem Gesetz (§ 164 HGB) die Führung der Geschäfte, also auch die Verwaltung des Firmenvermögens, zukam. An einer Beweisführung dafür, dass trotz dieses Umstands der Besitzwillen der Klägerin nicht vorhanden war, fehlt es. Sohin muss von einer Übertragung des Besitzes und der Verwaltung der Liegenschaften an die Klägerin ausgegangen werden. Außerdem ist davon auszugehen, dass die Klägerin schon vor diesen Übertragungen Miteigentümerin der Liegenschaften war. Grundsätzlich kann zwar nur die Mehrheit der Eigentümer einer Liegenschaft die diese Liegenschaft betreffenden Mietverträge auflösen, doch ist hiezu auch eine Minderheit unter der Voraussetzung der Zustimmung der Mehrheit hiezu berechtigt, wobei diese Zustimmung zwar vor der Auflösungserklärung erfolgt sein muss, jedoch auch erst im Prozess nachgewiesen werden kann (Gamerith in Rummel I ABGB, Anm 12 zu § 833; Klang2 V, 108, SZ 43/157 ua).

Im vorliegenden Fall ist davon auszugehen, dass die Abtretungserklärungen zumindest schlüssig auch die Zustimmung zu einer alleinigen Geltendmachung allfälliger Rechte aus Bestandverträgen betreffend die Liegenschaften enthalten.

Was die Mietzinsforderung anlangt, so enthalten die Abtretungserklärungen unzweideutig zumindest eine Zession zugunsten der Klägerin. Schon dieser Umstand würde die Legitimation der Klägerin zur Geltendmachung der Mietzinsrückstände als gegeben erscheinen lassen.

Es erweist sich sohin, dass die von den Vorinstanzen herangezogenen Gründe für die Annahme der fehlenden Aktivlegitimation der Klägerin nicht vorliegen. Aus diesem Grunde mussten ihre Entscheidungen aufgehoben werden. Es wird demnach im fortgesetzten Verfahren bezüglich der Mietzinsforderung zu prüfen sein, ob, entsprechend der Einwendung der Beklagten, der Klägerin die Klagslegitimation deshalb fehlt, weil die Mietzinsforderungen einem Dritten zediert wurden. Die Legitimation bezüglich der Räumungsklage würde auch dieser Umstand nicht hindern, weil § 1118 ABGB den Vermieter zur Auflösung des Bestandvertrags schon dann berechtigt, wenn der Mietzins nicht auf die vereinbarte Art bezahlt wurde. Im Falle einer Abtretung der Mietzinsforderung an einen Dritten genügt demnach auch schon ein Zahlungsverzug gegenüber diesem Dritten. Das Recht nach § 1118 ABGB könnte der Dritte nicht ausüben.

Sollte auch bezüglich der Mietzinsforderung die Aktivlegitimation der Klägerin zu bejahen sein, so müssten, wie in jedem Fall bezüglich der Räumungsklage, die weiteren Einwendungen der Beklagten geprüft werden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 ZPO.

Textnummer

E119009

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1984:0070OB00649.840.1011.000

Im RIS seit

18.08.2017

Zuletzt aktualisiert am

18.08.2017
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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