TE OGH 1984/10/18 12Os152/84

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Veröffentlicht am 18.10.1984
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 18.Oktober 1984 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Hörburger und Dr. Lachner als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Gurschler als Schriftführer in der Strafsache gegen Alois A wegen des Verbrechens der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs. 1, 106 Abs. 1 Z. 1 StGB. und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 26. Juni 1984, GZ. 10 Vr 775/84-41, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, welches im übrigen - nämlich im Schuldspruch laut Punkt I und III - unberührt bleibt, im Schuldspruch wegen Nötigung laut Punkt II 1 und 2 des Urteilssatzes sowie demzufolge auch im Strafausspruch (einschließlich des Ausspruchs nach § 38 StGB.) aufgehoben sowie die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung in diesem Umfang an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte darauf verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Alois A zu Punkt I des Schuldspruchs des Vergehens des Hausfriedensbruches nach § 109 Abs. 1 und Abs. 3 Z. 1 StGB., zu Punkt II 'des Vergehens der schweren Nötigung nach § 105 Abs. 1, 106 Abs. 1 Z. 1 StGB.' (zufolge Realkonkurrenz richtig: zu Punkt II 1 des Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs. 1 StGB. und zu Punkt II 2 des Verbrechens der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs. 1, 106

Abs. 1 Z. 1 StGB.) sowie zu Punkt III des Vergehens des Diebstahls nach §§ 127 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 StGB. als Bestimmungstäter nach § 12 (zweiter Fall) StGB. schuldig erkannt.

Nötigung liegt ihm deshalb zur Last, weil er am 10.Februar 1984 in Seibersdorf, nachdem er sich in zwei getrennten Angriffen den Eintritt in die Wohnstätte der Familie B jeweils mit Gewalt erzwungen hatte, in einem Fall Eduard B zur Unterlassung der Verständigung der Gendarmerie wegen des erfolgten Hausfriedensbruches und im anderen Fall Sylvia B zur Unterlassung der Anzeigeerstattung nötigte, indem er 1. als Eduard B den Telefonhörer abhob, diesen 'mit Gewalt gegen die Gabel drückte und sich äußerte: während der Zeit, wo ich im Haus bin, wird nicht telefoniert' (Punkt II 1), und 2. Sylvia B drohte, er werde sie umbringen und zu einem Krüppel schlagen, sohin eine Drohung mit dem Tod und einer erheblichen Verstümmelung gebrauchte (Punkt II 2). Nur den bezeichneten Schuldspruch (wegen Nötigung) bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Z. 5 und 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Den in Rede stehenden Schuldspruch gründete das Erstgericht auf die für glaubwürdig erachteten Aussagen der Zeugen Eduard B und Sylvia B im Zusammenhalt mit den Angaben der Zeugen Hermine und Manfred B sowie des 'unbeteiligten Zeugen Gerhard W***' (auf dessen Vernehmung in der Hauptverhandlung zwar verzichtet wurde, dessen Aussage vor dem Untersuchungsrichter jedoch nicht zur Verlesung gelangte - vgl. S. 55 ff., 171, 173 f.). Den die insoweit leugnende Verantwortung des Angeklagten stützenden Angaben der Andrea B (vor dem Untersuchungsrichter ON. 15), versagte der Schöffensenat mit der Begründung den Glauben, daß 'diese Zeugin dem Angeklagten insofern verpflichtet ist, als sie am 3.Juli 1983 die elterliche Wohnung verließ und in der Folge vom Angeklagten und dessen Mutter nicht nur beherbergt, sondern auch beim Eintreffen der nach ihr suchenden Gendarmeriebeamten am Dachboden versteckt wurde'. In diesem Zusammenhang verwies das Erstgericht (auch) auf das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 16.September 1983, AZ. 10 E Vr 2711/83.

Rechtliche Beurteilung

Zu Recht führt die Mängelrüge (Z. 5) gegen diese Begründung des Urteils ins Treffen, daß sich das Erstgericht insoweit auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt hat, welche nicht unmittelbar in der Hauptverhandlung vorgeführt wurden. Denn weder das im Akt unter ON. 16

erliegende zum AZ. 10 E Vr 2711/83 ergangene Urteil noch die Aussage der (in der Hauptverhandlung nicht vernommenen) Zeugin Andrea B vor dem Untersuchungsrichter (ON. 15) gelangten bei der Hauptverhandlung zur Verlesung. Gemäß § 258 Abs. 1 StPO. darf aber das Gericht bei der Urteilsfällung nur auf das Rücksicht nehmen, was in der Hauptverhandlung vorgekommen ist. Die Verletzung dieser Gesetzesbestimmung begründet im vorliegenden Fall deshalb eine Urteilsnichtigkeit im Sinn des § 281 Abs. 1 Z. 5 StPO., weil die bezeichneten Beweismittel die entscheidungswesentliche Tatfrage betreffen (S. 184 f.) und vom Erstgericht nicht bloß als zusätzlich, illustratives Begründungsargument herangezogen wurden (ÖJZLSK. 1979/303, SSt. 31/2 u. a.).

Berechtigt ist aber auch die Rechtsrüge (Z. 9 lit. a), mit welcher der Beschwerdeführer in Ansehung des Schuldspruchs laut Punkt II 1 Feststellungsmängel über sein 'tatbildliches Verhalten' hinsichtlich der Nötigung des Eduard B ins Trefffen führt. Denn insoweit enthält das angefochtene Urteil nur die Feststellung: 'Als Eduard B erklärte, daß er die Gendarmerie verständigen werde, den Hörer vom Telefon nahm und die Nummer der Gendarmerie wählte, drückte der Angeklagte auf die Gabel des Telefons und erklärte, daß keine Polizei angerufen werde, solange er da sei' (S. 182). In Ergänzung hiezu kann der rechtlichen Beurteilung noch entnommen werden, daß der Angeklagte den Eduard B 'mit Gewalt, nämlich durch Niederdrücken der Telefongabel, wodurch die Verbindung mit der Gendarmerie unterbrochen wurde, zur Unterlassung der Einschaltung der Sicherheitsbehörde bestimmte' (S. 188).

Diese Feststellungen lassen (insbesondere auch in Ansehung der subjektiven Tatseite) den vom Erstgericht gezogenen (rechtlichen) Schluß, der Angeklagte habe Gewalt im Sinn des § 105 Abs. 1 StGB. zur Beugung des entgegenstehenden Willens des Eduard B eingesetzt, nicht zu. Der Tatbestand der Nötigung nach der bezeichneten Gesetzesstelle nennt als (gleichrangige) Mittel zur Herbeiführung eines verpönten (rechtswidrigen) Erfolges einerseits Gewalt und andererseits gefährliche Drohung, wobei für erstere die Anwendung nicht unerheblicher physischer Kraft, wodurch ein tatsächlicher oder erwarteter Widerstand überwunden werden soll, erforderlich ist, während für letztere - nach der Legaldefinition des § 74 Z. 5 StGB.

- die Ankündigung einer Verletzung an Körper, Freiheit, Ehre oder Vermögen begriffswesentlich ist, welche die objektive Eignung besitzt, dem Bedrohten (mit Rücksicht auf die Verhältnisse und seine persönliche Beschaffenheit oder die Gewichtigkeit des angedrohten übels) begründete Besorgnisse einzuflößen.

Vorliegend hat das Schöffengericht die Anwendung von Gewalt durch den Angeklagten gegenüber Eduard B nicht festgestellt, zumal nach den bezüglichen Konstatierungen von einer unmittelbar oder mittelbar (allenfalls durch Niederdrücken des von der Hand des B erfaßten Telefonhörers auf die Gabel - vgl. Urteilstenor S. 179) gegen die Person des Eduard B gerichteten Handanlegung zur Willensbeugung nicht die Rede sein kann. Ob aber eine (bloß) gegen Sachen gerichtete Gewalt im Zusammenhalt mit der öußerung des Angeklagten 'während der Zeit, wo ich im Haus bin, wird nicht telefoniert' (vgl. abermals den Urteilstenor S. 179) für die Annahme des rechtlich gleichrangigen Nötigungsmittels der gefährlichen Drohung - eine solche wäre stets auf den ihr nach den Gegebenheiten des Anlaßfalles zukommenden Sinngehalt und auf ihre für den Bedrohten erkennbare Bedeutung zu untersuchen - ausreicht, ist den Urteilsannahmen nicht zu entnehmen, die kaum über das Nötigungsmittel, geschweige denn über eine Drohung mit einem der in § 74 Z. 5 StGB. genannten übel Aufschluß geben sowie (auch unabhängig davon) eine überprüfung der Rechtsfrage nach der obbezeichneten Eignung nicht gestatten. Die von der Beschwerde zutreffend aufgezeigten Begründungs- und Feststellungsmängel machen in Ansehung des davon betroffenen Schuldspruchs eine Verfahrenserneuerung in erster Instanz unumgänglich, sodaß insoweit nach Anhörung der Generalprokuratur schon bei einer nichtöffentlichen Beratung wie im Spruch zu erkennen war (§ 285 e StPO.).

Mit seiner Berufung war der Angeklagte darauf zu verweisen.

Anmerkung

E04912

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1984:0120OS00152.84.1018.000

Dokumentnummer

JJT_19841018_OGH0002_0120OS00152_8400000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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