TE OGH 1984/10/30 10Os83/84

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Veröffentlicht am 30.10.1984
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 30.Oktober 1984 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Walenta, Dr. Friedrich (Berichterstatter), Dr. Lachner sowie Hon.Prof. Dr. Brustbauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Beran als Schriftführer in der Strafsache gegen Siegfried A wegen des Verbrechens der Desertion nach § 9 Abs 1 MilStG und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 19. Jänner 1984, GZ 11 Vr 5324/83-31, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Gehart, des Angeklagten und des Verteidigers Dr. Kaska zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird teilweise Folge gegeben und die Freiheitsstrafe auf 9

(neun) Monate herabgesetzt; im übrigen wird der Berufung nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Siegfried A (A.) des Verbrechens der Desertion nach § 9 Abs 1 MilStG und (B.) des Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Darnach liegt ihm zur Last, bis zu seiner Festnahme am 19.September 1983

(zu A.) ab dem 22.April desselben Jahres in Zwölfaxing als 'freiwillig verpflichteter Grundwehrdiener' (gemeint: als Gefreiter im verlängerten Präsenzdienst) der NTIKp/PzStbB 9 seiner Truppe ferngeblieben zu sein und sich auf diese Weise dem Dienst im Bundesheer für immer zu entziehen gesucht zu haben sowie (zu B.) in Obergrafendorf seine im Familienrecht begründete Unterhaltspflicht gröblich verletzt und dadurch bewirkt zu haben, daß der Unterhalt der Berechtigten ohne Hilfe von anderer Seite gefährdet gewesen wäre, indem er ab dem Juli 1982 für seine am 12.März 1978 geborene Tochter Sigrid B und ab dem März 1983 für seine am 9.Februar 1983 geborene Tochter Kathrin Elisabeth C keinerlei Unterhalt leistete. Der auf § 281 Abs 1 Z 5 und (ohne nähere Bezeichnung) '9' StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten gegen dieses Urteil kommt keine Berechtigung zu.

Zum Faktum A. konnte das Erstgericht bei der Feststellung, daß der Beschwerdeführer nicht die Absicht hatte, wieder zu seiner Truppe zurückzukehren, und daß er sich dementsprechend geistig bereits vollkommen vom Bundesheer gelöst hatte, entgegen der Mängelrüge (Z 5) nach den Denkgesetzen sowie nach allgemeiner Lebenserfahrung sehr wohl davon ausgehen, daß sein einleitendes Geständnis 'im Sinne der Anklageschrift' mit dem von ihm angegebenen Motiv für sein Fernbleiben von der Truppe, sich nicht mehr einzurücken getraut zu haben, durchaus vereinbar ist; mit seinen Gegenargumenten ficht er nur im schöffengerichtlichen Rechtsmittelverfahren unzulässigerweise die erstinstanzliche Beweiswürdigung an.

Rechtliche Beurteilung

Für das Vorliegen einer in der Beschwerde behaupteten - sei es auch nur sinngemäßen - Aussage eines (nicht namentlich genannten) 'Vertreters des Bundesheers' dahin aber, daß 'tatsächlich, falls der Angeklagte greifbar gewesen wäre, dieser schon kurz nach seiner Entfernung abgerüstet worden wäre', bietet die Aktenlage keinerlei Anhaltspunkt; insoweit kann daher von einer Unvollständigkeit der Entscheidungsgründe (Z 5) bei der Annahme, die spätere Verantwortung des Beschwerdeführers, er habe (in weiterer Folge auch) geglaubt, bereits abgerüstet worden zu sein, sei als eine bloße Ausflucht anzusehen, keine Rede sein.

Ebenso verfehlt ist die in dessen Rechtsrüge (sachlich Z 9 lit a) vertretene Ansicht, seine Dienstverpflichtung hätte trotz seiner unerlaubten Abwesenheit jedenfalls am 27.April 1983 geendet, weil ein 'Nachdienen' nicht verfügt worden sei, und deswegen sei ihm das Fernbleiben vom Dienst nur für die bis dahin verstrichenen fünf Tage zuzurechnen, wodurch der in § 9 MilStG relevierte Tatbestand des § 8 MilStG nicht erfüllt werde, weil jener nur eine Abwesenheit von mehr als acht Tagen erfasse.

Denn zum einen wird die Dauer des Präsenzdienstes im Fall einer unerlaubten Abwesenheit des betreffenden Soldaten schon von Gesetzes wegen um diesen Zeitraum verlängert (§ 38 Abs 2 lit a WehrG) und zum anderen erstreckt sich die Bezugnahme 'auf die im § 8 angeführte Weise' der Tatbegehung in § 9 MilStG keineswegs auf die Dauer des (noch) zu leistenden Wehrdienstes oder auf die Länge des Zeitraums, in dessen Verlauf sich der Täter dem Dienst entziehen muß, um jenes Vergehen zu verwirklichen (und der im übrigen für den Grundtatbestand des § 8 MilStG bloß 24 Stunden beträgt); diese Verweisung betrifft vielmehr ausschließlich die dort umschriebenen beiden Begehungsarten des Delikts, also das Verlassen der Truppe, der militärischen Dienststelle oder des sonst zugewiesenen Aufenthaltsortes sowie das Fernbleiben von ihnen. Dementsprechend genügt zur Annahme einer Desertion ohne Rücksicht auf die Dauer der späteren tatsächlichen Abwesenheit des Täters jedes solcherart tatbestandsmäßige Verhalten, welches von seinem Vorsatz getragen ist, sich dem Dienst im Bundesheer für immer (oder dem Dienst im Einsatz nach § 2 Abs 1 lit a oder lit b WehrG) zu entziehen.

Zum Faktum B. hinwieder vermeint der Angeklagte mit seinen Ausführungen zur Rechtsrüge (Z '9') - denen nicht zu entnehmen ist, ob er damit einen Mangel am Tatbestand (Z 9 lit a) oder etwa einen Strafaufhebungsgrund (Z 9 lit b) reklamiert -, daß 'hinsichtlich der Unterhaltsverletzung' deshalb ein Freispruch zu fällen gewesen wäre, weil ihm die Zahlung eines Betrages von 22.000 S durch seinen Vater im Juni 1983 jedenfalls 'als Zahlung zuzurechnen' und damit bezüglich Sigrid B der gesamte Rückstand seit dem Juli 1982 (sowie ein Großteil seines weiteren Rückstands für die vorausgegangene Zeit) abgestattet worden sei.

Diese Auffassung geht indessen - abgesehen davon, daß sie sich auf die gegenüber Kathrin Elisabeth C und ab dem Juli 1983 neuerlich auch gegenüber Sigrid B begangene Verletzung der Unterhaltspflicht gar nicht erstreckt - selbst im verbleibenden Relevanzbereich, also in Ansehung des Zeitraums bis zum Juni 1983, fehl, weil die betreffende Zahlung an der bereits vorher eingetretenen Vollendung des Tatbestands nach § 198 Abs 1 StGB (gegenüber der zuletzt genannten Tochter des Beschwerdeführers) nichts zu ändern vermag und insoweit eine Strafaufhebung (wegen nachträglicher Bezahlung des Rückstands) im Gesetz nicht vorgesehen ist. In bezug auf den Monat Juni 1983 aber ist für den Angeklagten aus jener durch seinen Vater für ihn geleisteten Zahlung im Hinblick darauf nichts zu gewinnen, daß er damit nach den Urteilsfeststellungen bei der Nichterfüllung seiner Unterhaltspflicht nicht gerechnet hat; durch eine derartige, nicht im Einvernehmen mit dem (darauf vertrauenden) Verpflichteten, der dementsprechend auch gar nicht darauf vertraut, durch einen Dritten für ihn geleistete Zahlung wird die Annahme einer vorsätzlichen Verletzung der Unterhaltspflicht durch ihn im Sinn der in Rede stehenden Strafbestimmung, der Rechtsrüge zuwider, weder auf der objektiven noch auf der subjektiven Tatseite in Frage gestellt. Die in diesem Zusammenhang mit der Mängelrüge (Z 5) bekämpfte Erwägung des Schöffengerichts schließlich, daß der solcherart bezahlte Betrag nicht, wie vom Beschwerdeführer behauptet, aus Ersparnissen von seinem Verdienst aus Gelegenheitsarbeiten stammen könne, die er während der Zeit seiner Desertion geleistet habe, findet in seinen eigenen Angaben über die Seltenheit und mangelnde Intensität dieser Erwerbstätigkeit durchaus zureichend Deckung; auch insoweit ficht der Angeklagte nur unzulässigerweise die erstgerichtliche Beweiswürdigung an. Für einen in diesem Zusammenhang relevierten Aktenvermerk der Bezirkshauptmannschaft St.Pölten, wonach sein Vater den erörterten Geldbetrag 'als Bote für seinen Sohn hinterlegt' habe, findet sich in den Verfahrensergebnissen abermals kein Anhaltspunkt.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Erstgericht verurteilte den Angeklagten nach § 9 Abs 1 MilStG unter Anwendung des § 28 StGB zu fünfzehn Monaten Freiheitsstrafe; dabei wertete es sein volles und reumütiges Geständnis als mildernd, das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen, seine zwei einschlägigen Vorstrafen und seinen raschen Rückfall hinsichtlich der Militärstraftat dagegen als erschwerend.

Der Berufung des Angeklagten, mit der er eine Strafherabsetzung sowie die Gewährung bedingter Strafnachsicht anstrebt, kommt teilweise Berechtigung zu.

Dem Berufungswerber ist einzuräumen, daß der Unrechtsgehalt seiner Desertion deswegen vergleichsweise gering ist, weil die Dauer seiner restlichen Präsenzdienstzeit, der er sich für immer zu entziehen suchte, nur noch fünf Tage betrug, und ferner, daß der aus der Verletzung seiner Unterhaltspflicht entstandene Schaden durch die von seinem Vater für ihn geleistete Zahlung erheblich gemindert wurde (§ 34 Z 14 StGB). Darnach erweist sich ungeachtet seiner beiden einschlägigen Vorstrafen und seines jeweils sehr raschen Rückfalls eine Herabsetzung der Strafdauer auf das seiner tat- und persönlichkeitsbezogenen Schuld (§ 32 StGB) entsprechende Ausmaß von neun Monaten als gerechtfertigt.

In diesem Umfang war daher der Berufung Folge zu geben. Die Gewährung bedingter Strafnachsicht dagegen kam mit Rücksicht darauf, daß der Angeklagte die ihm solcherart bereits dreimal gebotene Resozialisierungschance in keinem Fall zu nützen verstand und überdies auch nach seiner Enthaftung im vorliegenden Verfahren seiner Unterhaltspflicht teils gar nicht und teils nur völlig unzulänglich entsprach, schon aus Gründen der Spezialprävention (§ 43 Abs 1 StGB) keinesfalls in Betracht.

Insoweit mußte der Berufung demnach ein Erfolg versagt bleiben.

Anmerkung

E04965

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1984:0100OS00083.84.1030.000

Dokumentnummer

JJT_19841030_OGH0002_0100OS00083_8400000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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