TE OGH 1984/10/31 11Os99/84

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Veröffentlicht am 31.10.1984
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 31.Oktober 1984 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Schneider und Dr. Reisenleitner als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Gurschler als Schriftführer, in der Strafsache gegen Ernst A wegen des Verbrechens der versuchten Nötigung zum Beischlaf nach den § 15, 202 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Schöffengericht vom 23. Jänner 1984, GZ 9 Vr 249/83-33, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Bassler, und des Angeklagten zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung des Angeklagten wird teilweise, und zwar dahin Folge gegeben, daß die über ihn verhängte Freiheitsstrafe unter Anwendung des § 37 StGB in eine Geldstrafe im Ausmaß von 360 (dreihundertsechzig) Tagessätzen zu je 130 (einhundertdreißig) Schilling, für den Fall der Uneinbringlichkeit 180

(einhundertachzig) Tage Ersatzfreiheitsstrafe, umgewandelt wird. Im übrigen wird der Berufung des Angeklagten nicht Folge gegeben. Die Staatsanwaltschaft wird mit ihrer Berufung auf diese Entscheidung verwiesen.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 4.Juni 1958 geborene Tischlergehilfe Ernst A im zweiten Rechtsgang des Verbrechens der versuchten Nötigung zum Beischlaf nach den § 15, 202 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Nach den wesentlichen Urteilsannahmen lenkte der Angeklagte am 24. Jänner 1983 gegen 20 Uhr seinen PKW, in den er die 19-jährige Autostopperin Walpurga B aufgenommen hatte, außerhalb der Ortschaft Grafenstein deshalb in einen Gemeindeweg, der in das dortige Augelände und weiter in den Wald führte, weil er die Absicht hatte, dort mit Walpurga B einen Geschlechtsverkehr durchzuführen. Zu dieser Zeit war es leicht nebelig bei einer Außentemperatur von - 10o Celsius. Auf dem vom Angeklagten befahrenen Seitenweg lag eine tiefe Schneedecke.

Nach einer Strecke von 400 bis 500 m hielt der Angeklagte sein Fahrzeug an, weil Walpurga B seine Absicht erkannt hatte und sich anschickte, aus dem Auto zu springen. Er hielt B an ihrem Mantel fest, brachte beide Sitze in Liegestellung, entblößte sein Glied und forderte sie in barschem Ton auf, sich zu entkleiden. Als sie ablehnte, drohte er ihr an, sie selbst auszuziehen. Aus Angst entkleidete sich B teilweise, und zwar in der Form, daß sie ihre Strumpf- und Unterhose über das linke, vom Stiefel befreite Bein zog. Der Angeklagte hatte seine Ober- und Unterhose bis zu den Knien hinuntergestreift und onanierte an seinem Glied. Dann versuchte er, sich zwecks Durchführung eines Geschlechtsverkehrs auf Walpurga B zu legen.

Er drehte sich mit dem Oberkörper über sie und trachtete, mit seiner Hand zu ihrem Geschlechtsteil zu greifen, wobei ihm klar war, daß B weder mit einem Geschlechtsverkehr noch mit sonstigen sexuellen Handlungen einverstanden war. Die Versuche des Angeklagten führten nicht zum Ziel, weil B sich zur Seite drehte und gegen die Türe wendete, sodaß A sich nicht auf ihre Körpervorderseite legen konnte. Zwar versuchte er, sie mit Gewalt zurück auf den Rücken bzw. zu ihm hinzudrehen, doch verspreizte sich B und leistete Widerstand, sodaß auch dieses Bemühen erfolglos blieb. Überdies preßte B ihre Beine zusammen, sodaß es ihm trotz darauf abzielender Versuche auch nicht gelang, mit seiner Hand ihren Geschlechtsteil zu erreichen, weshalb es nur zu Betastungen ihrer Oberschenkel kam. Während dieser Vorgänge verlangte B mehrmals, sie in Ruhe zu lassen. Der Angeklagte gab seinen Versuch, Walpurga B zu einem Geschlechtsverkehr zu zwingen, zunächst auf und setzte sich wieder auf den Lenkersitz. Walpurga B bot - um die für sie unerträgliche Situation zu beenden und Ärgeres zu vermeiden - dem Angeklagten an, an ihm zu onanieren bzw. ihn mit der Hand zu befriedigen. Dieser lehnte ab und erklärte, daß er nur mit einem Oralverkehr einverstanden wäre, welches Ansinnen wiederum B ablehnte.

Neuerdings drohte er an, mit ihr zu verkehren und bemerkte, 'daß er Zeit habe'. Er zündete sich eine Zigarette an und lehnte sich zurück. Diese Gelegenheit benützte B zur Flucht. Sie ergriff ihre Tasche, öffnete die Beifahrertüre und verließ ohne ihren linken Stiefel das Auto. Der Angeklagte setzte ihr nach und holte sie nach einigen Schritten ein. Als B um Hilfe zu schreien begann, legte er beide Hände um ihren Hals und zerrte sie ins Auto zurück. Da er seine Absicht, mit Walpurga B einen Geschlechtsverkehr auszuführen, noch nicht aufgegeben hatte, versuchte er, mit dem Auto weiter in den Wald zu fahren, doch sprang der Motor nicht an. Um den Defekt zu beheben, verließ er den PKW und öffnete die Motorhaube. Diese Gelegenheit benützte Walpurga B neuerdings zur Flucht und lief in Richtung Grafensteiner Landstraße zurück. Der Angeklagte holte sie aber ein und erfaßte sie an ihrem Jeansrock, der dadurch zerriß. Laut um Hilfe rufend rannte B weiter, rutschte aber aus und stürzte. Der Angeklagte erfaßte ihren Kopf und stieß ihr Gesicht zweimal gegen den Boden. Danach drehte er sie um und würgte sie mit beiden Händen. Durch diese Mißhandlungen erlitt Walpurga B erhebliche Verletzungen im Gesicht und Würgemale am Hals. Schließlich hob er sie auf und zerrte sie ins Auto zurück. Walpurga B war so verstört, daß sie den Angeklagten bat, sie nicht umzubringen, sie würde alles machen, was er wolle. Diese Äußerung wiederholte sie mehrmals. Aus Angst vor dem Angeklagten war sie nunmehr zu einem Geschlechtsverkehr bereit, zumal sie ernstlich um ihr Leben fürchtete. Ernst A startete das Fahrzeug und fuhr weiter in den Wald, um dort mit B einen Geschlechtsverkehr auszuführen, wobei sie ihm neuerlich versicherte, er könne mit ihr machen, was er wolle, sie werde jetzt alles tun, er möge sie nur nicht umbringen. Nach einer Fahrtstrecke von ca. 700 m hielt der Angeklagte an und sagte zu B, daß er sie nicht umbringen werde. Er zündete sich eine Zigarette an und gab auch B eine. Dann brachte er seinen Sitz wieder in Liegestellung, lehnte sich zurück und dachte längere Zeit nach. Dabei kam ihm, wie das Erstgericht annahm (S 203), offenbar zu Bewußtsein, was er bisher schon getan hatte, wobei sicherlich das zerschundene Aussehen der Walpurga B eine Rolle spielte. Außerdem nahm das Schöffengericht an, daß in dieser Phase seine Fähigkeit zur Durchführung eines Geschlechtsverkehrs aus physischen (Kälte, Anstrengung) und psychischen Gründen nicht mehr ausreichend gegeben war.Er gab daher zu diesem Zeitpunkt seine Absicht, mit Walpurga B geschlechtlich zu verkehren, auf. B erkannte die geänderte Sinneshaltung des Angeklagten und kleidete sich wieder an, ohne daß A dazu etwas sagte. Nach längerem Nachdenken bot er ihr an, sie ins Krankenhaus oder zur Polizei zu bringen.

B wollte nach Hause gebracht werden, worauf der Angeklagte sie mit seinem PKW nach Hause führte und ihr noch anbot, ein Jahr lang monatlich 1.000 S zu bezahlen, wenn sie keine Anzeige erstatte. Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte unter Anrufung der Nichtigkeitsgründe nach dem § 281 Abs 1 Z 5 und 10 StPO mit Nichtigkeitsbeschwerde.

Rechtliche Beurteilung

Zum Vorbringen in der Mängelrüge sei vorweg bemerkt, daß den Urteilshinweisen, der Angeklagte habe in der Endphase des Geschehens (auch) deshalb seinen Entschluß, mit Walpurga B einen erzwungenen Geschlechtsverkehr durchzuführen, aufgegeben, weil 'seine Fähigkeit zur Durchführung eines Geschlechtsverkehrs aus physischen und psychischen Gründen bereits nicht mehr ausreichend gegeben war' (S 203), sowie weil 'inzwischen' seine 'Unvermögenheit zum Verkehr eingetreten' war (S 215), unzweifelt der Charakter einer Tatsachenfeststellung zuzubilligen ist. Dies wurde vom Erstgericht - entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers - durch die Formulierung 'mit Sicherheit anzunehmen' (S 215) klar zum Ausdruck gebracht.

Dem Beschwerdeführer kann aber auch nicht gefolgt werden, wenn er meint, daß diese Feststellungen in den Verfahrensergebnissen keine Deckung fänden:

Das Schöffengericht leitete diese Konstatierungen nämlich denkrichtig und im Einklang mit der Lebenserfahrung vor allem aus den äußeren Umständen, der herrschenden Kälte, der seit Beginn der Tathandlungen verflossenen Zeit und den mit der zweimaligen Verhinderung der Flucht seines Opfers verbundenen Anstrengungen, ab (S 215). Und mangels jeder diesbezüglichen Einlassung des Beschwerdeführers (vgl. S 71, 74 ff, 137, 187 f) war vorliegendenfalls dieser relevante Tatumstand auch nur auf Grund des nach außen hin in Erscheinung getretenen Verhaltens des Täters in Verbindung mit den Begleitumständen der Tat feststellbar (vgl. 13 Os 211/80, 12 Os 13/84 u.v.a.).

Die Mängelrüge erweist sich daher als unbegründet.

Gab aber der Angeklagte in der Endphase des Geschehens 'seine Absicht, mit Walpurga B geschlechtlich zu verkehren', auf, weil 'seine Fähigkeit zur Durchführung eines Geschlechtsverkehrs aus physischen und psychischen Gründen nicht mehr ausreichend gegeben war' (S 203, 204; 215), dann nahm er von der Vollendung der Tat nicht, wie für den Strafaufhebungsgrund des Rücktrittes vom Versuch nach dem § 16 Abs 1 StGB erforderlich, zur Gänze aus freien Stücken Abstand (Leukauf-Steininger 2 , RN 2 § 16 StGB).

Da sohin das Erstgericht, auf der Grundlage seiner frei vom gerügten (formalen) Mangel getroffenen Feststellungen, das Verhalten des Angeklagten rechtsrichtig als Verbrechen der versuchten Nötigung zum Beischlaf nach den § 15, 202 Abs 1 StGB beurteilte, mußte auch die strafbefreienden Rücktritt vom Versuch reklamierende Rechtsrüge erfolglos bleiben.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war demgemäß insgesamt zu verwerfen, wobei es eines Eingehens auf das nur die erste Phase des Geschehensablaufes betreffende und eine andere rechtliche Beurteilung der Endphase der Tathandlung voraussetzende Beschwerdevorbringen nicht mehr bedurfte.

Das Erstgericht verhängte über den Angeklagten nach dem § 202 Abs 1 StGB eine Freiheitsstrafe in der Dauer von acht Monaten. Es wertete bei der Strafbemessung als erschwerend die einschlägige Vorstrafe, die fortgesetzte und teilweise brutale Gewaltanwendung des Angeklagten, durch die sein Opfer zweifellos seelisch längere Zeit in einen qualvollen Zustand versetzt wurde, weiters die Vielzahl der Walpurga B zugefügten Verletzungen und zog als mildernd das teilweise Tatsachengeständnis und den Umstand in Betracht, daß die Tat beim Versuch blieb.

Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte eine Strafermäßigung und

die Gewährung bedingter Strafnachsicht an.

Die Berufung ist teilweise berechtigt.

Die in erster Instanz ermittelten Strafzumessungsgründe bedürfen insofern einer Korrektur, als dem Angeklagten nunmehr infolge Tilgung einer Vorstrafe gerichtliche Unbescholtenheit zugute zu halten ist. Dazu kommt, daß der im Erwerbsleben stehende Angeklagte seine Bereitwilligkeit zur Schadensgutmachung durch Anerkennung des geltend gemachten Privatbeteiligtenanspruches erkennen ließ. Zieht man zu all dem noch das offenkundig von Reue bestimmte Verhalten des Täters gegenüber dem Opfer unmittelbar nach der Tat in Betracht, so erweist sich das in erster Instanz gefundene Strafmaß als etwas überhöht. Eine der Untergrenze des gesetzlichen Strafrahmens entsprechende Sanktion reicht aus, den Unrechtsgehalt der Tat und die Schwere der Schuld des Täters voll zu erfassen.

Damit war aber die Möglichkeit der Umwandlung der Freiheitsstrafe in eine Geldstrafe von Amts wegen zu prüfen. Nach den Umständen des Falles und der Persönlichkeit des Täters erscheint die Annahme gerechtfertigt, daß es nicht der Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe bedarf, um den Angeklagten von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten oder um der Begehung strafbarer Handlungen durch andere entgegenzuwirken. Es konnte daher mit einer sechsmonatiger Freiheitsstrafe adäquaten Geldstrafe das Auslangen gefunden werden.

Die Festsetzung der Höhe eines Tagessatzes mit dem Betrag von 130 S trägt dem Umstand Rechnung, daß dem von seiner Mutter versorgten Angeklagten der weitaus größere Teil seines Einkommens (von ca. 6.000 S netto monatlich) zur freien Verfügung verbleibt. Insowseit war daher der Berufung des Angeklagten Folge zu geben. Der des weiteren von ihm begehrten Anwendung des § 43 StGB konnte jedoch schon aus spezialpräventiven Gründen nicht nähergetreten werden.

Mithin war über die Berufung des Angeklagten spruchgemäß zu erkennen, wobei die Staatsanwaltschaft mit ihrem gleichartigen, auf Straferhöhung abzielenden Rechtsmittel auf diese Entscheidung zu verweisen war.

Die Kostenentscheidung findet in der angeführten Gesetzesstelle ihre Begründung.

Anmerkung

E04881

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1984:0110OS00099.84.1031.000

Dokumentnummer

JJT_19841031_OGH0002_0110OS00099_8400000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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