TE OGH 1985/1/15 4Ob501/85

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Veröffentlicht am 15.01.1985
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr. Friedl, Dr. Resch, Dr. Kuderna und Dr. Gamerith als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Eduard ROD, Malermeister, Wien 4., Wiedner Hauptstraße 62, vertreten durch Dr. Heinrich Gussenbauer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1.) KR Karl D***, Abgeordneter zum Nationalrat, 2.) KR Otto P***, Wirtschaftsbunddirektor, 3.) Dr.h.c. Manfred M***-M***, Industrieller, 4.) KR Dr. Erich E***, Kaufmann, 5.) Prof.DDr. Kurt N***, Steuerberater, 6.) KR Wilhelm N***, Glasermeister,

7.) KR Dr.h.c. Hans E***, Reifenhändler, 8.) KR Leopold S***, Gastwirt, sämtliche Wien 1., Falkestraße 3, vertreten durch Dr. Walter Macher, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufhebung von Vorstandsbeschlüssen und Unterlassung sowie einstweilige Verfügung (Streitwert im Provisorialverfahren S 160.000,--), infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der erst- bis achtbeklagten Parteien gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgerichtes vom 21. September 1984, GZ 18 R 188/84-15, womit die Rekurse dieser Parteien gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 22. Juni 1984, 6 Cg 173/84-2, zurückgewiesen wurden, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

I. Die Rekursbeantwortung wird zurückgewiesen.

II. Dem außerordentlichen Rekurs wird Folge gegeben. Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben und dem Rekursgericht die Sachentscheidung über die von den erst- bis achtbeklagten Parteien erhobenen Rekurse aufgetragen.

Die Rekurskosten sind weitere Kosten des Rechtsmittelverfahrens.

Text

Begründung:

Der (frühere Erst-) Kläger ist - ebenso wie der frühere Zweit- und Drittkläger, welche nach Entscheidung des Rekursgerichtes die von ihnen gegen die erst- bis neuntbeklagten Parteien ebenfalls erhobene, gleichlautende Klage zurückgezogen haben - nach seiner Behauptung Mitglied der Landesgruppe Wien des Österreichischen Wirtschaftsbundes (ÖWB) und Obmann der Bezirksgruppe Wieden des ÖWB und damit Mitglied der Bezirksgruppenleitung dieser Bezirksgruppe. Die neuntbeklagte Partei ist der Österreichische Wirtschaftsbund; die Erst- bis Achtbeklagten sind nach den Klagsbehauptungen Mitglieder des Landesgruppenvorstandes der Landesgruppe Wien der neuntbeklagten Partei.

Der Kläger begehrt mit seiner Klage, den von den Erst- bis Achtbeklagten am 3. April 1984 (richtig offenbar: 2. April 1984) gefaßten Beschluß, das Wahlergebnis der am 12. März 1984 stattgefundenen Hauptversammlung der Bezirksgruppe Wieden für nichtig zu erklären und aufzuheben, sowie den am 4. Juni 1984 von den Erst- bis Achtbeklagten gefaßten Beschluß auf Wiederholung der Bezirksgruppenhauptversammlung zur Neuwahl der vorgenannten Bezirksgruppenleitung sowie auf Einberufung der Bezirksgruppenhauptversammlung für den 25. Juni 1984 ebenfalls aufzuheben. Der Kläger begehrt schließlich, allen beklagten Parteien die Abhaltung der Bezirksgruppenhauptversammlung am 25. Juni 1984 oder zu einem späteren Termin "zu untersagen."

Zur Sicherung des letztgenannten Unterlassungsbegehrens beantragte der Kläger, den Erst- bis Achtbeklagten mit einstweiliger Verfügung zu verbieten, die für den 25. Juni 1984 einberufene Bezirksgruppenhauptversammlung abzuhalten.

Das Erstgericht erließ mit Beschluß vom 22. Juni 1984 die beantragte einstweilige Verfügung. Das Rekursgericht wies die von allen neun Beklagten (es führte den Viertbeklagten zwar nicht als Rekurswerber an, doch ergibt sich aus dem Inhalt der Begründung des Beschlusses, daß das Rekursgericht auch den Rekurs des Viertbeklagten mitbehandelte) gegen diesen Beschluß erhobenen Rekurse zurück. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes zwar S 15.000,--, nicht aber S 300.000,-- übersteige; der Rekurs sei nicht zulässig.

Der Rekurs der neuntbeklagten Partei sei deshalb unzulässig, weil sich die einstweilige Verfügung nur gegen die Erst- bis Achtbeklagten richte. Den übrigen Rekurswerbern fehle die Beschwer deshalb, weil schon zur Zeit der Einbringung ihres Rechtsmittels der Termin der zu verbietenden Versammlung verstrichen gewesen sei. Eine Abhaltung dieser Versammlung wäre daher selbst für den Fall eines Erfolges der Rekurse nicht mehr möglich. Eine Beschwer wäre wohl auch im Falle der fehlenden Möglichkeit, die Wirkung einer erlassenen einstweiligen Verfügung rückgängig zu machen, dann anzunehmen, wenn für den Beklagten die Möglichkeit eines Ersatzanspruches im Sinne des § 394 Abs 1 EO bestehe. Eine solche Möglichkeit bestehe hier aber deshalb nicht, weil den Erst- bis Achtbeklagten ein Vermögensnachteil im Sinne dieser Bestimmung nicht entstehen könne. Kostenansprüche seien hier nicht zu berücksichtigen; das Entstehen eines Schadenersatzanspruches der Beklagten sei aber nicht zu erkennen. Wären die Beklagten, wie sie behaupten, tatsächlich nicht passiv legitimiert, dann könnte ein allfälliger Vermögensnachteil nur das Vermögen der neuntbeklagten Partei, nicht aber jenes der übrigen Beklagten betreffen.

Rechtliche Beurteilung

Gegen diese Entscheidung richtet sich der außerordentliche Rekurs der Erst- bis Achtbeklagten mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß dahin abzuändern, daß der Sicherungsantrag abgewiesen werde. In eventu wird beantragt, dem Kläger eine Sicherheitsleistung von S 100.000,-- aufzuerlegen. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der außerordentliche Rekurs ist zulässig und berechtigt. Dem Rekursgericht ist zwar darin zuzustimmen, daß zur Frage der Unzulässigkeit eines Rechtsmittels wegen fehlender Beschwer wiederholt Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes ergangen sind. Entscheidungen zur Frage, ob ein einen Schadenersatzanspruch im Sinne des § 394 Abs 1 EO voraussetzender möglicher Vermögensnachteil auch dann anzunehmen ist, wenn der Beklagte, gegen den die einstweilige Verfügung erlassen wurde, Regreßansprüchen eines Dritten im Zusammenhang mit der einstweiligen Verfügung ausgesetzt sein kann, liegen aber, soweit ersichtlich, nicht vor. Diese hier entscheidungswesentliche Frage ist somit für die Rechtsentwicklung von erheblicher Bedeutung im Sinne des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO, sodaß der Rekurs zulässig ist.

Der Kläger hat die ihm vom Obersten Gerichtshof freigestellte Rekursbeantwortung am 18. Dezember 1984 zur Post gegeben. Da ihm der Beschluß, mit welchem ihm die Erstattung eines solchen Schriftsatzes vom Obersten Gerichtshof freigestellt wurde, bereits am 20. November 1984 zugestellt wurde, ist die Rekursbeantwortung, wie der Kläger am Schluß seines Schriftsatzes selbst ausführt, nicht innerhalb der hiefür maßgeblichen Frist von 14 Tagen (§ 402 Abs 1 EO idF. der ZVNov. 1983) eingebracht worden; sie war daher als verspätet zurückzuweisen.

Wie der Oberste Gerichtshof wiederholt ausgesprochen hat und vom Rekursgericht auch richtig erkannt worden ist, fehlt das für die Zulässigkeit des Rechtsmittels erforderliche Rechtsschutzinteresse, wenn der Entscheidung nur mehr theoretisch-abstrakte Bedeutung zukäme, weil es nicht Aufgabe der Rechtsmittelinstanzen ist, über bloß theoretisch bedeutsame Fragen abzusprechen (JBl. 1977, 650;

JBl. 1976, 438; SZ 49/22 uva., zuletzt etwa 1 Ob 583/84;

Heller-Berger-Stix, EO 4 , 648; Pollak, System 2 , 675). Aus diesem Grund wurden wiederholt Rechtsmittel wegen Fehlens einer Beschwer des Rechtsmittelwerbers zurückgewiesen, wenn die umstrittene Maßnahme wegen Zeitablaufes überholt war (RZ 1970, 83;

EvBl 1965/349 ua.). Bei der Prüfung der Zulässigkeit des in einem Provisorialverfahren erhobenen Rechtsmittels ist in einem derartigen Fall zu beachten, daß von der Berechtigung der vom Erstgericht bewilligten einstweiligen Verfügung allenfalls die Begründung von Ersatzansprüchen nach dem § 394 EO abhängen kann (ÖBl. 1971, 98; 1 Ob 583/84 ua.). In dieser Bestimmung ist eine Ersatzpflicht der gefährdeten Partei für alle ihrem Gegner verursachten Vermögensnachteile für den Fall vorgesehen, daß der gefährdeten Partei der von ihr behauptete und durch die einstweilige Verfügung gesicherte Anspruch rechtskräftig aberkannt wird oder wenn sich ihr Ansuchen sonst als ungerechtfertigt erweist. Letzteres ist unter anderem dann der Fall, wenn die einstweilige Verfügung infolge Rekurses aufgehoben wird (Heller-Berger-Stix 2861; 1 Ob 583/84 ua.). Für die Annahme einer Beschwer ist es dabei nicht notwendig, daß ein bestimmter Vermögensnachteil bereits feststeht; es genügt, wenn ein solcher nicht ausgeschlossen werden kann. Da unter einem Vermögensnachteil im Sinne der zitierten Bestimmung sowohl die wirkliche Schadloshaltung als auch der entgangene Gewinn zu verstehen sind (Heller-Berger-Stix aaO 2865, 8 Ob 520/79 ua.), also eine keineswegs einschränkende Begriffsbestimmung vorzunehmen ist, gehören auch Regreßansprüche, welchen die Beklagten bei Beachtung der sich später als ungerechtfertigt erweisenden einstweiligen Verfügung ausgesetzt sein könnten, zu den (möglichen) Vermögensnachteilen.

Im vorliegenden Fall ist nun keineswegs ausgeschlossen, daß entweder der Landesgruppe Wien des ÖWB oder unmittelbar den Beklagten an Kosten der Vorbereitung der (frustrierten oder einer allenfalls weiteren) Versammlung ein sich als vergeblich erweisender Aufwand entstanden ist oder entsteht, den die acht Beklagten ihrer Landesgruppe, falls diese den Aufwand getragen hat oder trägt, allenfalls im Regreßwege ersetzen müssen. Entgegen der Meinung des Rekursgerichtes kann jedenfalls ein derartiger Vermögensnachteil der Erst- bis Achtbeklagten nicht von vornherein ausgeschlossen werden. Daraus folgt, daß sie durch den Beschluß des Erstgerichtes ungeachtet des Umstandes, daß die Wirkung dieses Beschlusses durch eine Entscheidung des Rekursgerichtes nicht mehr rückgängig gemacht werden kann, infolge der Möglichkeit des Eintrittes eines solchen Vermögensnachteiles beschwert sind.

Der angefochtene Beschluß war daher aufzuheben und dem Rekursgericht die Fällung einer Sachentscheidung über die Rekurse aufzutragen. Eine sofortige Entscheidung über diese Rekurse, wie es von den Erst- bis Achtbeklagten beantragt wurde, ist dem Obersten Gerichtshof nicht möglich, weil dadurch eine Veränderung des Instanzenzuges eintreten könnte.

Die Kostenentscheidung ist in den §§ 78 und 402 EO sowie §§ 50 und 52 ZPO begründet.

Anmerkung

E08895

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0040OB00501.85.0115.000

Dokumentnummer

JJT_19850115_OGH0002_0040OB00501_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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