TE OGH 1985/1/30 3Ob576/84 (3Ob577/84)

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Veröffentlicht am 30.01.1985
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Kinzel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Warta, Dr. Klinger und Mag. Engelmaier als Richter in den verbundenen Rechtssachen der klagenden Parteien 1) U*** T***, vertreten durch den Obmann Johann Barilich,

7061 Trausdorf, Untere Hauptstraße 51 (C 864/83) und 2) G*** T*** AN DER W***, vertreten durch den Bürgermeister Rudolf Gollubits, 7061 Trausdorf, Obere Hauptstraße 2 (C 977/83), beide vertreten durch Dr. Josef Kellner, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei U*** S*** E***, 7061 Trausdorf,

vertreten durch Dr. Josef Lenz, Rechtsanwalt in Wien, wegen Übergabe von Liegenschaften infolge Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichtes Eisenstadt als Berufungsgerichtes vom 9. Juli 1984, GZ R 213,214/84-22, womit infolge Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Bezirksgerichtes Eisenstadt vom 13. Juli 1983, GZ C 864/83 (C 977/83)-12, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagenden Parteien sind schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit S 6.049,- bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 541,- Umsatzsteuer und S 96,- Barauslagen) zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit einem als Pachtvertrag bezeichneten Vertrag vom 27.12.1963/7.1.1964, haben die klagenden Parteien der beiden verbundenen Rechtssachen ihre Grundstücke Nr. 4.876/2 Weide, 4.797/1 Weide, 4.314 Acker, 4.315 Weide, 4.823/2 Acker, 4.856 Weg, 4.823/1 Weg, 4.316/1 Weg und 4.822/3 Weg aus der Katastralgemeinde Trausdorf für die Dauer von 20 Jahren, nämlich bis zum 23.5.1983, der beklagten Partei in Bestand gegeben, damit diese auf diesen Grundstücken einen Flugplatz betreiben könne. Die beklagte Partei war berechtigt, auf diesen Grundstücken zwei Startund Landebahnen zu errichten. Die klagende Partei war aber berechtigt, die Grundstücke weiterhin als Weide zu benützen.

Die klagenden Parteien erwirkten jeweils einen Auftrag zur Übergabe der in Bestand gegebenen Grundstücke gemäß 467 Abs 1 ZPO, wobei sie sich nur auf den Ablauf der Bestandzeit, nicht aber auf einen wichtigen Kündigungsgrund stützte. Sie machten geltend, daß ein Pachtvertrag vorliege, auf den das frühere Mietengesetz nicht Anwendung gefunden habe, und bestritten, daß es sich um ein gemietetes Geschäftsgrundstück handle.

Die beklagte Partei beantragte die Aufhebung der Übergabsaufträge und wendete ein, das Bestandverhältnis sei als Raummiete zu qualifizieren, der auf bestimmte Zeit abgeschlossene Vertrag gelte daher als auf unbestimmte Zeit abgeschlossen und könne nur aus wichtigen Gründen gekündigt werden.

Das Erstgericht hob die beiden Übergabsaufträge auf und wies das Begehren auf Räumung der einzelnen Grundstücke ab.

Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichtes und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 60.000,-, nicht aber S 300.000,- übersteige und die Revision zulässig sei. Die Vorinstanzen trafen im wesentlichen folgende Tatsachenfeststellungen:

Die in Bestand gegebenen Grundstücke waren bei Vertragsbeginn unverbaut, dienten aber schon seit dem Jahre 1938 der Verwendung als Flugplatz, und zwar zuerst für die Deutsche Wehrmacht, dann für die russische Besatzungsmacht. Nach Abschluß des Staatsvertrages wurden die in den beiden Übergabsaufträgen angeführten Grundstücke den klagenden Parteien ins Eigentum übertragen. Das Grundstück Nr. 4797/2, auf dem sich die eigentliche Flughafenanlage und das Flughafengebäude befanden, wurde von der beklagten Partei gekauft und in ihr Eigentum übertragen. Auf den in Bestand genommenen Grundstücken errichtete die beklagte Partei in der Folge Startund Landebahnen sowie eine Nachtfluganlage, die aus unterirdisch verlegten Kabeln und Scheinwerfern besteht. Sie brachte auch Pisten und Rollwegmarkierungen (bestehend aus ins Erdreich eingelassenen Betonplatten) sowie Begrenzungszeichen (Dachreiter) an. Die beklagte Partei ist ein gemeinnütziger, nicht auf Gewinn gerichteter Verein, dessen Zweck die Pflege, Förderung und Lenkung des Flugsportes und des Fluggedankens ist. Zur Beschaffung der dazu nötigen finanziellen Mittel dienen u.a. auch die Einnahmen aus dem Flugbetrieb, die aus Landegebühren, Benützungsgebühren, Mieteinnahmen u.a., bestehen, wobei der Betrieb des Flugplatzes zB in den Jahren 1978, 1979, 1980 und 1982 jeweils einen Überschuß abwarf, während dies für die anderen Jahre nicht feststeht. Beide Vorinstanzen waren der Auffassung, daß der Vertrag als Mietvertrag über geschäftlich genutzte Grundflächen zu werten sei, weshalb er gemäß der Übergangsbestimmung des § 49 Abs 1 MRG noch den Regeln des Mietengesetzes unterliege, also als auf unbestimmte Zeit abgeschlossen gelte und nur wegen wichtiger Gründe im Sinne des § 19 MG gekündigt werden könne.

Die Zulassung der Revision begründete das Berufungsgericht mid dem Fehlen einer Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu derartigen Grundstücken seit Inkrafttreten des MRG. Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes wendet sich die Revision der beiden klagenden Parteien wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, es dahin abzuändern, daß die beiden Übergabsaufträge als rechtswirksam erklärt werden und die beklagte Partei schuldig erkannt werde, die fraglichen Grundstücke zu räumen und geräumt zu übergeben. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei beantragt, der Revision keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil die Rechtsprechung zur Auslegung von § 1 Abs 1 MG im Zusammenhang mit der Benützung von Grundstücken durch einen Verein als Bestandnehmer doch nicht völlig einheitlich ist.

Es geht um die Frage, ob Miete oder Pacht vorliegt, nur im ersteren Fall könnte die kündigungsrechtliche Übergangsregelung gemäß § 49 Abs 1 MRG zum Tragen kommen. Und es geht weiters um die Frage, ob der Bestandgegenstand, wenn Miete angenommen wird, unter dem Begriff von "Geschäftsräumlichkeiten aller Art" im Sinne des § 1 Abs 1 MG fällt.

Bei der Beurteilung der Frage, ob ein Mietverhältnis oder ein Pachtvertrag vorliegt, kommt es nicht darauf an, wie die Parteien das Rechtsverhältnis bezeichnet haben. Von Belang sind vielmehr die Zweckbestimmung der Bestandsache beim Abschluß des Bestandvertrages und die dem Bestandnehmer eingeräumten Befugnisse. Wenn dem Bestandnehmer bloß der Gebrauch eingeräumt wird, liegt Miete vor, wenn der Bezug von Nutzungen überlassen wird und eine Betriebspflicht besteht, ist Pacht gegeben (so zB auch die von der Revision selbst zitierte Entscheidung SZ 44/18 u.v.a., zuletzt etwa MietSlg. 35.163). Da im vorliegenden Fall lediglich unverbaute Liegenschaften zum Gebrauch überlassen wurden (die Nutzung als Weidegrundstück behielten sich die Bestandgeber selbst vor!), mag es sich auch um einen ganz bestimmten Gebrauch gehandelt haben, und da keine Betriebspflicht bestand, handelt es sich im vorliegenden Fall jedenfalls um Mietverträge.

Ein Anlaß, diese Rechtsansicht deshalb zu ändern, weil inzwischen das MRG in Kraft getreten ist und gewisse Mietverträge (nämlich zB die sogenannte Raummiete) nicht mehr von den Bestimmungen des MRG erfaßt sind, ist nicht zu erkennen. Durch die Übergangsregelung des § 49 Abs 1 MRG ist vielmehr die Geltung des bisherigen Rechtes festgelegt, was aus Gründen der Anpassung nicht "skurril" sondern durchaus sachgerecht erscheint. Wäre die 20-jährige Vertragsdauer noch unter der Geltungszeit des Mietengesetzes abgelaufen gewesen, hätte es der klagenden Partei auch nichts genützt, wenn sie sich nur auf die von den Parteien zu Unrecht benützte Vertragsbezeichnung stützen hätte können. Eine sogenannte Geschäftsraummiete gemäß § 1 Abs 1 MG liegt vor, wenn ein Grundstück nach der Absicht der Parteien für einen geschäftlichen Zweck vermietet und hiefür verwendet wird. Der geschäftliche Zweck muß nicht unbedingt in einer auf Gewinn gerichteten Gesamttätigkeit liegen, sondern auch bei einer Tätigkeit im öffentlichen Interesse, bei Verfolgung humanitärer, geistiger oder kultureller Ziele oder zur Erreichung eines statutengemäßen Vereinszweckes kann eine geschäftliche Betätigung vorliegen. Nur wenn das Grundstück ausschließlich privater Verwendung zugeführt werden soll, läge keine Geschäftsraummiete vor (zB Zingher, MietenG 16 S 16, vgl. Entscheidungen wie etwa MietSlg. 34.373). Ob also die beklagte Partei insgesamt aus dem Betrieb des Flugplatzes tatsächlich einen Gewinn erzielt oder nicht, ist ohne Belang. Es kommt nur darauf an, daß der Flugplatz nicht rein privat verwendet wird und zumindest eine Tätigkeit entfaltet wird, die einem auf Gewinn gerichteten Geschäftsbetrieb gleichkommt.

In diesem Sinne wurden in der Rechtsprechung Geschäftsraummiete angenommen, wenn ein allgemein zugänglicher Tennisplatz und Eislaufplatz betrieben werden sollte (MietSlg. 20.226/84), wenn zu Erholungszwecken ein Feriendorf auf dem gemieteten Grund errichtet werden soll (MietSlg. 23.227), wenn ein Grundstück ganz allgemein pferdesportlichen Zwecken zugeführt werden sollte (MietSlg. 27.247) oder wenn es für einen Gebrauchshundeverein als Hundedressierplatz dienen sollte (SZ 44/18).

Verneint wurde hingegen der geschäftliche Zweck nur in Fällen, in denen das Grundstück nur dem Gebrauch eines sehr beschränkten Personenkreises dienen sollte, wie zB bei einem Sportplatz, der ausschließlich von Angehörigen eines bestimmten Betriebes benützt werden durfte (MietSlg. 15.132/36 = EvBl 1964/143), oder bei einem Tennisclub, der nur von den Vereinsmitgliedern benützt werden konnte (MietSlg. 19.177).

Da nach den Feststellungen der Vorinstanzen die Benützung des strittigen Flugplatzes auch Nicht-vereinsmitgliedern offensteht, und zwar gegen Entrichtung von Gebühren, woraus der beklagte Verein Einnahmen erzielt (mögen diese in einzelnen Geschäftsjahren auch unter den Ausgaben für den Flughafenbetrieb liegen), liegt im vorliegenden Fall jedenfalls Geschäftsraummiete vor. Der Hinweis der Revision auf Entscheidungen wie MietSlg. 27.246 oder 28.199 geht fehl, weil es hier nicht um das Problem der Geschäftsraummiete, sondern um das Problem der "Miete von Wohnungen.......samt etwa mitgemieteten.......sonstigen Grundstücken" (ebenfalls § 1 Abs 1 MG) geht. Auf Grundstücke, die in diesem Sinne nicht mit Wohnungen mitgemietet sind und die auch nicht unter den oben erläuterten Begriff der Geschäftsraummiete fallen, hatte das Mietengesetz keine Anwendung gefunden. Nur das kommt in diesen Entscheidungen zum Ausdruck.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf §§ 50, 41 ZPO.

Anmerkung

E08873

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0030OB00576.84.0130.000

Dokumentnummer

JJT_19850130_OGH0002_0030OB00576_8400000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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