TE OGH 1985/1/31 12Os164/84

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 31.01.1985
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 31.Jänner 1985 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral (Berichterstatter), Hon.Prof.

Dr. Steininger, Dr. Hörburger und Dr. Kuch als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Miheljak als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Ludwig A wegen des Verbrechens des versuchten Mordes nach § 15, 75 StGB, des Verbrechens des Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach § 269 Abs 1, 1. und 2. Fall StGB und des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Landesgericht Eisenstadt vom 11.September 1984, GZ 11 Vr 1261/83-55, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, des Generalanwalts Dr. Presslauer und des Verteidigers Dr.Wolfgang Reckendorfer jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Ludwig A aufgrund des Wahrspruchs der Geschwornen (zu 1) des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB, (zu 2/a und b) des Verbrechens des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach § 269 Abs 1, erster und zweiter Fall, StGB und (zu 3) des Verbrechens des versuchten Mordes nach § 15, 75 StGB schuldig erkannt.

Darnach hat er am 18.Dezember 1983 in Schachendorf 1. Ludwig A sen. dadurch, daß er ihn zu Boden stieß, wodurch dieser eine Blutunterlaufung im Bereich der Nase und eine Schnittwunde am linken Handballen erlitt, vorsätzlich am Körper verletzt;

2. im Dienst befindliche Beamte an Amtshandlungen gehindert, und zwar a) den im Vorraum zum Stiegenaufgang seiner Mansardenwohnung mit der Suche nach ihm befaßten Gendarmeriebeamten Rev.Insp.Johann B dadurch, daß er aus einer Distanz von ca 4 bis 5 m gegen den ihn Erblickenden aus einer Bock-Doppel-Flinte 'BRNO', Modell ZH 301, Kal.12/70, eine auf dessen Oberkörper gezielte Schrotladung abfeuerte, sohin mit Gewalt, an der Aufnahme des gegen ihn zur Anzeige gebrachten, unter Punkt 1. geschilderten Sachverhalts;

b) die wegen der unter Punkt a) beschriebenen Tat nach ihm fahndenden Gendarmeriebeamten Rev.Insp.Johann B, Rev.Insp.Alois C und Bez.Insp.Leopold D, indem er gegenüber dem Letztgenannten zunächst:

'Nein, ich gehe nicht mit, ich habe eine Pistole bei mir und wenn ich von einem Gendarmen geholt werde, schieße ich auf diesen' und sodann: 'Greifen Sie mich nicht an, ich schieße auch auf Sie' äußerte, sohin durch gefährliche Drohung mit dem Tod, an seiner Festnahme, wobei die Tat den Fall einer schweren Nötigung (§ 106 StGB) darstellt;

3. Johann B durch den auf die unter Punkt 2/a beschriebene Weise gegen ihn abgegebenen Schuß vorsätzlich zu töten versucht. In bezug auf die dem Angeklagten angelastete Abgabe eines Schusses aus einer Schrotflinte gegen den Gendarmeriebeamten Johann B wurden den Geschwornen folgende Fragen gestellt:

Hauptfrage 1 (anklagekonform) in Richtung des Verbrechens des versuchten Mordes nach § 15, 75 StGB;

Eventualfrage 1 (für den Fall, daß die Hauptfrage 1 verneint wird) in Richtung des Vergehens der Gefährdung der körperlichen Sicherheit unter besonders gefährlichen Verhältnissen nach § 89 StGB;

Eventualfrage 6 !richtig 4 (für den Fall, daß die Hauptfrage 1 'verneint oder bejaht wird') in Richtung des Vergehens nach § 287 (in Beziehung auf § 15, 75) StGB;

Eventualfrage 7 !richtig 5 (für den Fall, daß die Hauptfrage 1 und die Eventualfrage 1 verneint werden) in Richtung des Vergehens nach § 287 (in Beziehung auf § 89) StGB;

Hauptfrage 2 (anklagekonform) in Richtung des Vergehens des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach § 269 Abs 1 StGB;

Eventualfrage 3 (für den Fall, daß ua die Hauptfrage 2 'bejaht oder verneint wird') in Richtung des Vergehens nach § 287 (in Beziehung auf § 269 Abs 1) StGB

Die Geschwornen haben die Hauptfrage 1 im Stimmenverhältnis von 6 Ja- zu 2 Nein-Stimmen bejaht und die Eventualfrage 6 !richtig 4 im Stimmenverhältnis von 2 Ja- zu 6 Nein-Stimmen verneint; die Eventualfragen 1 und 7 !richtig 5

blieben unbeantwortet. Weiters haben sie die Hauptfrage 2 ebenfalls im Stimmenverhältnis von 6 Ja- zu 2 Nein-Stimmen bejaht und die Eventualfrage 3

im Stimmenverhältnis von 2 Ja- zu 6 Nein-Stimmen verneint. Der Angeklagte bekämpft mit seiner auf § 345 Abs 1 Z 6 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde lediglich den Schuldspruch wegen versuchten Mordes.

Rechtliche Beurteilung

Er erblickt die geltendgemachte Nichtigkeit zunächst darin, daß den Geschwornen keine Eventualfrage in Richtung des Vergehens nach § 107 (Abs 1) StGB gestellt wurde, und zwar dahin, ob der Angeklagte den Gendarmeriebeamten Johann B dadurch, daß er aus einer Bock-Doppel-Flinte 'BRNO', Kal.12/70, eine Schrotladung abfeuerte, gefährlich bedrohte, um ihn in Furcht und Unruhe zu versetzen; die Stellung einer solchen Eventualfrage wäre mit Rücksicht auf die Verantwortung des Angeklagten, er habe den Schuß in der Absicht abgefeuert, um damit seinen Vater zu schrecken, geboten gewesen.

Dabei übersieht die Beschwerde, daß die Verantwortung, durch den Schuß den Vater zu erschrecken und in Furcht und Unruhe zu versetzen beabsichtigt zu haben, die Annahme eines Handelns in solcher Absicht gegen den Gendarmeriebeamten in keiner Weise zu decken vermag. Diese Verantwortung enthält somit kein Tatsachenvorbringen in der Richtung, daß der Angeklagte den Gendarmeriebeamten (bloß) gefährlich bedrohen wollte, sodaß die reklamierte Eventualfrage zu Recht nicht gestellt wurde.

Unbegründet ist ferner die Beschwerde, soweit sie das Unterbleiben der Stellung einer Eventualfrage nach versuchter schwerer Körperverletzung gemäß § 15, 83 (Abs 1 oder 2), 84 Abs 2 Z 1 StGB rügt. Denn der Angeklagte hat stets in Abrede gestellt, vorsätzlich auf Johann B geschossen zu haben; leugnet aber ein Angeklagter einen solchen Vorsatz, so indiziert diese Verantwortung in der Regel nicht die Stellung von Eventualfragen hinsichtlich aller denkbaren, auf die vorsätzliche Herbeiführung einer geringeren körperlichen Schädigung des Opfers deutender Subsumtionsmöglichkeiten, für die sich auch sonst im Beweisverfahren keine Anhaltspunkte ergeben haben (vgl Mayerhofer/Rieder StPO 2 Nr 23, 24, 27 und 28 zu § 314). Zutreffend wurde schließlich - entgegen dem Beschwerdevorbringen - auch keine Eventualfrage nach versuchtem Totschlag (§ 15, 76 StGB) gestellt.

Nach den Ergebnissen des Beweisverfahrens lag zwar zur Tatzeit eine Gemütsbewegung des Angeklagten vor, der in betrunkenem Zustand nach Hause kam, deswegen von seiner Mutter zur Rede gestellt wurde und daraufhin zunächst das Geschirr in der elterlichen Wohnung zu zertrümmern begann und sodann seinem in der Zwischenzeit erschienenen Vater einen Schlag versetzte, worauf seine Eltern flüchteten. Der solcherart manifeste Anlaß für die Gemütsbewegung des Angeklagten, nämlich die - durchaus berechtigte - Rüge seiner Mutter, und damit für den psychischen Ausnahmezustand war aber keineswegs allgemein begreiflich. Denn allgemein begreiflich ist eine, wenn auch tiefgreifende Gemütsbewegung nur dann, wenn das Verhältnis zwischen dem sie herbeiführenden Anlaß und dem eingetretenen psychischen Ausnahmezustand für jedermann sittlich verständlich ist (ÖJZ-LSK 1977/379), sich mithin ein (rechtstreuer) Durchschnittsmensch vorstellen kann, auch er wäre in der Situation des Täters - genauer: in der psychischen Spannung, der jener ausgesetzt war -, unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls in eine derartige Gemütsverfassung geraten (SSt 46/49; Leukauf/Steininger Kommentar 2

§ 76 RN 5 bis 7 und die dort zit weitere Judikatur). Da die Ursache des Affekts für jedermann sittlich verständlich sein muß, darf sie nicht im psychisch abnormen Persönlichkeitsbild des Täters (etwa leichte Erregbarkeit, mangelnde Beherrschung, gesteigerte Aggressivität) oder in seinen verwerflichen Leidenschaften oder Neigungen liegen (ÖJZ-LSK 1978/199 uam).

Unter Zugrundelegung dieser Rechtsgrundsätze war aber eine allgemein begreifliche Gemütsbewegung des Angeklagten durch die Ergebnisse der Hauptverhandlung in keiner Weise indiziert und daher die Stellung der vermißten Eventualfrage nicht geboten.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war deshalb als zur Gänze unbegründet zu verwerfen.

Der Angeklagte wurde nach § 28 Abs 1, 41, 75 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von fünf Jahren verurteilt. Als erschwerend wertete das Geschwornengericht die vier einschlägigen Vorstrafen, das Zusammentreffen von zwei Verbrechen und einem Vergehen sowie die wiederholte Tatbegehung hinsichtlich des Verbrechens des Widerstands gegen die Staatsgewalt, als mildernd hingegen, daß der Angeklagte sich selbst gestellt hat, das reumütige Geständnis, die Alkoholisierung, ohne die es zu den Tathandlungen nicht gekommen wäre, daß es hinsichtlich des gewichtigsten Faktums beim Versuch geblieben ist, die psychische Belastung des Angeklagten im Tatzeitpunkt und schließlich, daß der Angeklagte die Tathandlungen unter dem Einfluß eines Aggressionsstaues begangen hat.

Die Berufung, mit der der Angeklagte eine Herabsetzung der Dauer der Freiheitsstrafe anstrebt, ist nicht berechtigt.

Die Berufungsausführungen, bei den vier als erschwerend gewerteten Vorstrafen handle es sich um Bagatellverurteilungen im Zuge von Wirtshausraufereien, die im ländlichen Raum als eine Art Brauchtum anzusehen seien und daher auch nicht auf der gleichen schädlichen Neigung beruhen, halten einer überprüfung nicht stand. Gemäß § 71 StGB beruhen strafbare Handlungen auf der gleichen schädlichen Neigung, wenn sie gegen dasselbe Rechtsgut gerichtet oder auf gleichartige verwerfliche Beweggründe oder auf den gleichen Charaktermangel zurückzuführen sind. Vier Vorverurteilungen des Rechtsmittelwerbers erfolgten wegen strafbarer Handlungen gegen Leib und Leben, somit aus der gleichen schädlichen Neigung. Der Erschwerungsgrund nach § 33 Z 2 StGB ist daher gegeben, auch wenn er wegen der Geringfügigkeit der Vorstrafen nicht besonders ins Gewicht fällt. Auch die anderen Erschwerungsgründe liegen vor. Daß es beim Verbrechen des Mordes beim Versuch geblieben ist, hat das Erstgericht ohnehin als mildernd angenommen. Zugunsten des Angeklagten wurde auch die Alkoholisierung als mildernd gewertet, obwohl die Voraussetzungen des § 35 StGB nicht vorliegen, denn der Angeklagte hat auch schon früher im alkoholisierten Zustand Straftaten begangen. Zusätzlich hat das Erstgericht auch noch eine psychische Ausnahmesituation im Tatzeitpunkt als mildernd berücksichtigt. Nach § 33 Z 1 StGB ist der Erschwerungsgrund des Zusammentreffens mehrerer strafbarer Handlungen auch dann verwirklicht, wenn es sich, wie im gegebenen Fall, um das Zusammentreffen idealkonkurrierender Delikte handelt. Die vom Erstgericht bei einem Strafrahmen von zehn bis zwanzig Jahren oder lebenslanger Freiheitsstrafe unter weitgehender Anwendung des außerordentlichen Milderungsrechtes über den Angeklagten verhängte Freiheitsstrafe ist unter Abwägung aller Erschwerungs- und Milderungsgründe tat- und schuldangemessen, sodaß der Berufung ein Erfolg zu versagen war.

Die Kostenentscheidung beruht auf der angeführten Gesetzesstelle.

Anmerkung

E05046

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0120OS00164.84.0131.000

Dokumentnummer

JJT_19850131_OGH0002_0120OS00164_8400000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten